Dienstag, Dezember 30, 2014

Fortschritt ist der Heinzelmann...

Fortschritt ist der Heinzelmann, der offensichtlich alles kann.
Oder: Fortschritt ist nur etwas für Singles.

Als fortschrittlicher Mensch bin ich selbstverständlich ein Smart Home-Technology-Pionier. Wenn ich mich von meinem Auto nach der Arbeit nach Hause fahren lasse – ich lenke, schalte, bremse nicht selbst, das macht alles mein „selbstfahrendes“ Auto. Endlich macht das Wort AUTOmobil wirklich Sinn. Das nenne ich Fortschritt.
Bis ich zu Hause ankomme, kann ich schnell noch die aktuellen E-Mails checken, den Trip nach New York buchen einschließlich Hotelreservierung – vor allem aber kann ich mein Zuhause schon mal auf meine Ankunft vorbereiten:

Das Arbeitszimmer kurz lüften und dann die gewünschte Temperatur einstellen, schon mal die Kaffeemaschine programmieren, damit der Espresso fertig ist, wenn ich in die Küche komme. Den Kamin diesmal eine Stunde später als sonst, am besten gleichzeitig mit der neuesten Helene Fischer-Show. Alle Jalousien runter, Alarmanlage aktivieren. Usw., usw., alles perfekt, wenn ich die Wohnung betrete. Genau das, was man mir versprochen hat: Fortschritt in seiner schönsten Form. Einfach, sicher, flexibel, nur das mit dem preiswert, da bin ich mir nicht so sicher.

Da fällt mir ein, ich muss mich noch um das neueste Feature kümmern. Es soll jetzt sogar möglich sein, durch programmierte Lampen im Schlafzimmer die Sonne aufgehen zu lassen. Tolle Idee. Macht unabhängig vom Sonnenaufgang draußen. Ich lasse die Sonne aufgehen, wann ich will – mitten in der Nacht oder, wenn mir danach ist, erst mittags. Das soll die neue Generation der Haustechnik, also die Smart Home Technology, ab morgen bieten. Schön wäre es, wenn sie auch gleich ein Mondprogramm hätten, das könnte in manchen Situation sehr romantisch und anregend sein – nachts. Aber wahrscheinlich könnte ich damit den Tag auch zur Nacht machen. Ein göttliches Programm. Programm? Ich werde göttlich sein!

Was viele Smart Home Technology-affine Menschen übersehen, alles das funktioniert nur für Singles. Stellen Sie sich mal vor, Sie lassen von Ihrem selbstfahrenden Automobil aus alle Jalousien runter, und Ihre Frau schaut gerade aus dem Fenster, um zu sehen, ob ihr Lover kommt. Oder Ihre Frau macht den Kühlschrank zu, den Sie gerade erst aufgemacht haben. Sie machen ihn wieder auf, und ihre Frau macht in wieder zu. Von den Problemen, die Sie mit Ihren Kindern haben werden – Sie haben hoffentlich keine – ganz zu schweigen.

Deshalb: Fortschritt ist nur etwas für Singles.

Psychisch Kranke müssen länger warten

„GKV-Versorgungsverstärkungsgesetz“

Nach einem Hamburger Abendblatt-Bericht vom 27./28. 12. 2014  (Ausgabe Kreis Pinneberg) sollen bundesweit 7400 psychotherapeutische Praxen abgebaut werden. Dieser Plan stößt auf Kritik von verschiedenen Seiten, die – folgt man dem Bericht – ernst zu nehmen sind.

Der wichtigste Punkt dürfte die Art und Weise sein, wie es zu diesem Plan der Bundesregierung gekommen ist.

Zitat: „Die Anzahl der psychotherapeutischen Praxen, die 1999 als aus-reichend festgelegt wurde, hatte schon damals mit dem realen Bedarf nichts zu tun…“ (Juliane Dürkop, Präsidentin der PKSH). Tatsächlich ist die Vorgehensweise der Bundesregierung völlig unverständlich.

Auszug aus Abendblatt-Bericht: „Der Beruf des Psychotherapeuten wurde erst mit dem Psychotherapeutengesetz 1999 gesetzlich geschützt. Seither brauchen Psychotherapeuten eine Zulassung für die gesetzliche Krankenversicherung. Die Anzahl der Praxen, die bis zum 31. August 1999 eine Zulassung bekommen hatten, wurden zum psychotherapeutischen Bedarf erklärt. Bis dahin waren aber längst nicht alle Zulassungsanträge bearbeitet.

Viele Psychotherapeuten erhielten ihre Zulassung erst nach jahrelanger Auseinandersetzung mit den Kassenärztlichen Vereinigungen. Das führte bundesweit zu einem Anstieg der zugelassenen Praxen von 1999 bis 2006 um gut 5.000 Psychotherapeuten… Jede dieser verspäteten Zulassungen führte statistisch zu einer Überversorgung.“

Weiter im Abendblatt-Bericht: „...wurde die durchschnittliche Zahl der Praxen in ganz Deutschland zugrunde gelegt. In den neuen Bundesländern war Ende der 90er Jahre eine psychotherapeutische Versorgung jedoch erst im Aufbau. Bei den Ärzten wurden deshalb für die Bedarfsplanung allein die westdeutschen  Praxen gezählt; bei den Psychotherapeuten jedoch der Durchschnitt von West- und Ostdeutschland ermittelt. Bei den Psychotherapeuten wurde die Zahl der Praxen, die für eine ausreichende Versorgung psychisch Kranker notwendig sei, so systematisch heruntergerechnet.“

Frage: Ist es nicht erschreckend, wie „windig“ Gesetze vorbereitet werden? Zugegeben: Die jetzige Bundesregierung, die jetzige Große Koalition hat den ersten grundlegenden Fehler nicht gemacht. Aber sie hat diesen Fehler zur Grundlage ihres Gesetzentwurfs gemacht – wider besseres Wissen, könnte man sagen. Und das ist noch viel schlimmer. 30. Dezember 2014

Sonntag, Dezember 28, 2014

Es ist nicht zum Todlachen

Ehrlich, irgendwann hört der Spaß auf. Sollte er wenigstens. Tut er aber nicht. So schreibt SPIEGEL ONLINE am 27. Dezember: „die Politik flüchtet sich in bloßes Todschweigen.“

Dieser Schreibfehler, der keiner ist – dazu liegen d und t auf der Tastatur zu weit auseinander – dieser Schreibfehler zeigt, wie leichtfertig wir mit unserer Sprache umgehen – nach dem Motto: Hauptsache, man versteht so einigermaßen, was wir schreiben.

Wundern wir uns deshalb nicht, wenn wir in Zukunft von Todschlag lesen, von tod schlagen, von mausetod einerseits, andererseits von Heldentot, Unfall mit Totesfolge, bis dass der Tot Euch scheidet.

Wenn es so weitergeht wie bisher, werden alle diese Schreibweisen vom Duden durchgewunken. (Nur zur Erinnerung: sinken, sank, gesunken – stinken, stank, gestunken – aber: winken, winkte, gewinkt. Also: Nicht: Sie wank ihrem Mann zu, als der Zug in den Bahnhof einlief.)

Nein, ich setze mich nicht aufs Hohe Ross. Auch ich mache Fehler, viel zu oft. Viele finde ich, wenn ich den Text noch einmal lese. Viel mehr Fehler findet meine Frau, die ich immer wieder bitte, korrektur zu lesen. Aber im Schreibgewerbe sind die Korrektoren ja seit Ewigkeiten abgeschafft, diese schrecklichen Menschen, die alles besser wussten. Und die Computerrechtschreibprogramme? Na, wir sehen  ja, welchen Unsinn sie zulassen. Der Tot soll sie holen!
27. 12. 2014

Kein Inhalt, nur dummes Zeug

Dass die Beteiligung an Bundestags- Landtags- und Kommunalwahlen inzwischen auf ein erbärmlich niedriges Niveau gesunken ist, scheint nur Politiker zu wundern, nicht aber die Bürger. Immerhin will die Politik jetzt etwas gegen die um sich greifende Wahlmüdigkeit unternehmen.

Auf den Gedanken, dass etwas mit den Inhalten der Politik nicht stimmt, und dass nicht an der Verpackung gemäkelt wird, ist man jedoch nicht gekommen. Was Frau Fahimi, SPD-Generalsekretärin als Problemlösungen anbietet sind – mit Verlaub – nur Kinkerlitzchen.

Wo ist bei der SPD, der Partei mit der größten politischen Erfahrung, der Verstand geblieben, wo das Gefühl für das, was Menschen wirklich bewegt? Zwei Wahltage, rollende Wahlkabinen, wählen im Supermarkt, das und noch mehr anstelle von Inhalten?

Normalerweise würden so unsinnige Überlegungen sofort bestraft. Aber das geht zurzeit nicht, weil zurzeit eine übergroße Koalition das Land regiert. Sie ist so übergroß, dass sie mit etwa 80 Prozent aller Bundestagsmandate an Diktatur- Verhältnisse heranreicht.

So macht die Große Koalition, die GROKO, vieles noch schlimmer als es schon ist: Statt vernünftiger Kompromisse entscheidet sie sich für die dümmste aller Möglichkeiten: "Wenn du meinen Vorschlag akzeptierst, dann akzeptiere ich deinen. Wenn du zu meinem  Elterngeld ja sagst, bin ich auch für deine Rente mit 63.“ 

Kompromisse? Viel zu mühselig. Einfacher ist es, alles zu machen. Unbezahlbar? Ach was. Die größte Große Koalition aller Zeiten kann das und tut das - ganz GROss-KOtzig.

Wenn das so ist, weil das so ist, weil dieses verdammte Gefühl der Bürger mehr als ein Gefühl ist, sondern die Erkenntnis, dass sich die Politik weit, zu weit, von den Bedürfnissen, von den Nöten und Sorgen der Bürger entfernt hat – die Wahlmüdigkeit, der Wahlverdruss, die Enttäuschung: Die da oben, wir da unten. Und weil die da oben die da unten nicht mehr verstehen, bleiben immer mehr Bürger bei immer mehr Wahlen lieber zu Hause. Ja, liebe Frau Fahimi, da bringt auch ein zweiter Wahltag nichts in Bewegung.

Vielleicht muss es noch deutlicher gesagt werden: Kurz vor jeder Wahl wird der Bürger zum Souverän erklärt. Kaum hat er gewählt, ist er wieder der Bettelmann.

Also bitte: Keine Kinkerlitzchen mehr, sondern ernst zu nehmende Politik. Dann klappt es auch wieder mit der Wahlbeteiligung.


Freitag, Dezember 26, 2014

Atommüll - endlich geblixt

„Umwelt. Das Unwort seit Jahren. Umwelt ist ein böser Wortbazillus, der uns alle und unsere Welt krank macht. Das ist schlimm; denn wir haben nur uns und unsere Welt. Eine andere gibt es nicht für uns.  – Wie bitte?!

Was ist so schlimm an „Umwelt“. Ist doch nur ein Wort. Und ein positives dazu. Jeder spricht und schreibt es voller Überzeugung – Brust vorgewölbt, Bauch eingezogen, die Augen blank und gläubig in die Zukunft gerichtet. – In welche, bitte?

Na, nehmen wir doch einfach mal die von Hans Blix. Was er gesagt hat, ist nachzulesen im Hamburger Abendblatt vom 6. September 1994.  Danach hat er Folgendes gesagt:

„Ein Einmegawatt-Kohlekraftwerk produziert neben Abgasen, die sauren Regen bewirken und den Treibhauseffekt erhöhen, 300.000 Tonnen Asche im Jahr, und die enthält radioaktive Teile und Schwermetalle.“ – So weit, so schlimm.

Ein Kernkraftwerk, also ein Atomkraftwerk, liefert nach Hans Blix nur 800 Tonnen schwachradioaktiven und 30 Tonnen hochradioaktiven Atommüll. Diese begrenzet Menge – sagt Hans Blix – unterliegt strikten Kontrollen und bleibt von der Umwelt getrennt. – Von der Umwelt getrennt! Von welcher, bitte schön? Um unsere kann es sich ja kaum handeln.

Wo soll denn der Atommüll versteckt werden? In Salzstöcken zu unseren Füßen. Gehören die Salzstöcke nicht zu unserer Welt? Wenn wir auf dem Boden der Tatsachen bleiben wollen, dann müssen wir auch das mitrechnen, was unter diesem Boden, unter der Erdoberfläche liegt.

Atommüll ist also – so tief wir ihn auch vergraben – nicht von unserer Welt getrennt. Nichts ist von ihr getrennt – nicht wir und nicht das, was wir der Welt, unserer Welt, der Erde, und uns antun.

Hans Blix hat nicht begriffen, dass er Teil der Welt ist, die er Umwelt nennt. Sie wissen nicht, wer Hans Blix ist? Hans Blix ist Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde.“ (7. September 1994)

Jetzt, nach 20 Jahren, auf Einzelheiten einzugehen, würde bedeuten, einen Roman zu schreiben. Wer soll den lesen?

Stattdessen der Vorschlag, ein neues Wort in die deutsche Sprache einzuführen: BLIXEN. Blixen ist das kurze, schnelle Wort für etwas ausblenden, schönreden, an der Nase herumführen, beschwindeln, belügen – je nach Schwere des Falles.

BLIXEN – nicht etwa das Unwort, sondern das Wort des Jahres!

Politik, falsch aufgezäumt

Politik ist – wenn es gut geht – die Kunst, das Unmögliche möglich zu machen. Das ist jedenfalls so, wenn es demokratisch, das heißt volksherrschaftlich, zugeht. Nicht alle Menschen sind einer Meinung; es sei denn, man zwingt sie dazu.

Die Mehrheit entscheidet, was gemacht wird und was nicht. Aber sie verbietet der Minderheit nicht das Wort. So kommt es, dass nicht immer genau das durchgesetzt wird, was die Mehrheit möchte. Mehrheit und Minderheit, Regierung und Opposition verständigen sich auf etwas, dem alle zustimmen können.

Natürlich ist das sehr anstrengend. Es wäre viel einfacher, wenn da irgendjemand sagte: „So wird es gemacht, so und nicht anders!“  Das hätte dann mit Demokratie, mit Freiheit einschließlich Meinungsfreiheit nichts mehr zu tun. Es ginge zwar alles viel schneller, und bequemer wäre es auch. Aber die Ergebnisse sind bekannt, und die wollen wir nicht. Wer lässt sich schon gern etwas diktieren?

Unterschiedliche Meinungen, Mehrheit, Minderheit, Diskussion – eigentlich ganz ein-fache Spielregeln. Die könnten auch funktionieren, wenn wir sie wirklich beherzigen würden. Genau das tun wir viel zu oft nicht. Sehen wir uns mal an, woran es hapert.

Wenn unterschiedliche Auffassungen aufeinandertreffen, ist die wichtigste Voraus-setzung für ein gemeinsames Ergebnis, dass jede Seite ihren Standpunkt ohne Wenn und Aber vorträgt. Also alles auf Krawall gebürstet? Nein, das nicht. Aber erst mal müssen klare Verhältnisse geschaffen werden.

Unvereinbare Standpunkte? Das soll sich erst mal herausstellen. Eine klare Sprache hat noch niemals geschadet, wenn sie höflich und mit Anstand vorgetragen wird. Schlimm wird es, wenn die eigene Ansicht von vornherein infrage gestellt wird. Die vernünftige Annäherung unterschiedlicher Standpunkte funktioniert anders. So aber wird es heute gemacht, zitiert aus einer aktuellen Stellungnahme einer Partei zum Thema Fracking.

„Möglichst umfassender Schutz von Wasser und Boden“ wird gefordert. Möglichst? Entweder will ich einen umfassenden Schutz, oder ich will ihn nicht.

„Absoluter Schutz (soweit man ‚absolut’ praktisch umsetzen kann), da wo Trinkwasser gewonnen wird…“. Absolut ist also nicht absolut? – ist nicht uneingeschränkt gemeint, gilt nicht ganz und gar?

So geht das munter weiter. Da soll etwas verboten werden, bereits bestehende Vorschriften sollen deutlich verschärft werden. Und dies und das und jenes ist vorgesehen. Von deutlich verschärften Regelungen wird gesprochen, hohe Anforderungen werden gestellt.

Das Beste kommt, wie üblich, zum Schluss: Man will sich für eine sorgfältige Beratung im Deutschen Bundestag einsetzen. Muss das betont werden? Wenn ja – dann gute Nacht! 25. 12. 2014

An den Rand geschrieben

Laut SPIEGEL ONLINE verlangt der Britische Premier Cameron eine bezifferte Einwandererquote. (Wahrscheinlich, damit Großbritannien Großbritannien bleibt und dort auch in Zukunft englisch gesprochen wird.) Im ersten Augenblick dachte ich, dass eine bezifferte Quote Unfug ist, Quote ist Quote. Da habe ich mich geirrt. Eine Quote, so dahingesagt, ist eine Mengenbeschreibung ohne Mengenbeschreibung.
Das geht natürlich nicht, jedenfalls sollten wir das nicht einfach so durchgehen lassen. Wenn schon Quote, dann doch bitte eine mit genauer Ansage, also die gewollte Quote beziffern und nicht im Nirwana schweben lassen.

Mit Entdingung, entdingen, ist mir in diesen Tagen ein mir bisher unbekanntes Wort begegnen. Entleiben, sich selbst töten, war mir bekannt, aber entdingen? Irgendeine christliche Dame machte sich im Zusammenhang mit Weihnachten und der zu befürchtenden Geschenkorgie Gedanken darüber, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt, als Sachen, also Dinge oder Geld zu schenken, und sie hatte da eine wunderbare Idee: Das Gemüsebeet des Nachbarn umgraben, weil ihn das aufgrund seines Alters zu sehr anstrengt. Oder für ihn den Mülleimer regelmäßig auf die Straße stellen, wenn es so weit ist. Oder ihm beim Apfelpflücken helften, weil er sich auf der Leiter nicht mehr so sicher fühlt. Nur drei Beispiele für Geschenke, die man nicht anfassen kann, die aber nützlich sind und Freude bereiten. Aber muss man gleich so grässliche Wörter wie Entdingung in die Welt setzen?

Nein, das müssen wir nicht –  genau so wenig, wie wir auf folgende Schlagwörter angewiesen sind: Tabuisieren, marginalisieren, manifestieren, fokussieren, diskriminieren, ignorieren, konterkarieren, ambivalent. Alles Fastfood-Deutsch, möchte ich sagen. Die Feinheiten fehlen, die unsere Sprache bietet.

Marginalisieren? Beiseite schieben, klein reden, unwichtig erscheinen lassen. Ignorieren? Nicht zur Kenntnis nehmen, wegsehen. Konterkarieren? Hintertreiben, durchkreuzen, unmöglich machen. Ambivalent? Zwiespältig. Was auf den ersten Blick umständlicher erscheint, ist sehr oft nur genauer, nicht so abgegriffen.

Wie kleinkariert, wie kleinkariert!  Zugegeben, wenigstens auf den ersten Blick sieht das so aus. Wenn ich jetzt Trost brauchte, würde ich mich in die Arme von Prof. Sascha Rohn, Institut für Lebensmittelchemie, Universität Hamburg, flüchten, der auf einer Hamburger Abendblatt Wissenseite die „deutsche Konfitürenverordnung“ erwähnt. Er meint das nicht ironisch. Nach dieser Verordnung vn 2008 dürfen nur jene Fruchtaufstriche als Marmelade bezeichnet werden, die neben Zucker und Wasser ausschließlich Zitrusfrüchte enthalten. Aber ich brauche diesen Trost nicht. Den Vorwurf, ich sei kleinkariert, werde ich ignorieren.

PS: Das ist kein Aufruf „Deutsche, sprecht und schreibt deutsch!“ Wenn es schnell gehen muss, zum Beispiel in der Tageszeitung, bietet sich Fastfoond-Deutsch an.
25. 12. 2014

Donnerstag, Dezember 25, 2014

Die berühmten 5 Minuten vor 12

Zahlen haben eine besondere Magie. Sie üben einen Zauber auf uns aus, dem wir uns kaum entziehen können. Sie können uns zu merkwürdigen geistigen Kapriolen verführen, zu Unverstand sozusagen, zu unverständigem Denken und Tun.

Wenn wir Matrosen wären und wie vor hundert Jahren um Kap Horn herumsegeln müssten, dann würden wir um alles in der Welt nicht am 13. eines Monats, wenn der auf einen Freitag fällt, in See stechen. Eher würden wir abmustern. Aber glücklicherweise ließen die Kapitäne, die meisten jedenfalls, ihre Schiffe an diesen Freitagen schön vertäut am Kai liegen.

Paris musste sich – als es sich um den ersten überlieferten Schönheitswettbewerb ging – zwischen 3 Schönheiten entscheiden. Warum eigentlich? Es heißt doch „Aller guten Dinge sind drei.“ Aber hier ging es um ein Problem. Heute ist die Auswahl wesentlich größer, nicht zuletzt durch die Partnerschafts-Portale im Internet. Es geht also um ein noch größeres Problem. Ob sich das mit einem Apfel in der Hand lösen lässt, frei nach dem Motto „An apple a day keeps the wrong girl away.“? Im Zweifelsfall selbst in den Apfel beißen und nicht in einen schon angebissenen, wie er heute weltweit angeboten wird.                                  

Wenden wir uns dem Dezimalen zu, das uns Menschen auf dem Kontinent so unerbittlich beherrscht. Die Engländer haben sich bis vor kurzen energisch gegen das Dezimalsystem gewehrt. Wir verdanken es den Römern. Sie hatten die Kraft, dieses System durchzusetzen. Ganz gelungen ist es ihnen allerdings nicht.

Wenn wir einmal ganz kurz auf die Wochenmärkte zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts zurückblicken – natürlich brauchen wir dazu ein sehr, sehr gutes Fernglas – dann sehen wir zum Beispiel, dass Hühnereier nicht nach dem Dezimalsystem angeboten wurden. Da ging es um ein Dutzend, eine Mandel, ein Schock Eier. Das Dutzend kennen wir noch heute, wenigstens einige von uns. Wie viele Eier bekam man, wenn man eine Mandel oder ein Schock Eier verlangte? 15 bzw. 60. (1 Schock gleich 4 Mandeln, gleich 5 Dutzend.)

So ganz hat das Dezimalsystem aber doch nicht gesiegt. Piloten und Kapitäne rechnen nicht in Metern, sie rechnen in Fuß, Meilen und Knoten. Kein totaler Sieg also. Vor dem soll man sich sowieso schützen. Das musste vor allem Deutschland lernen. Und wenn es noch nicht gelernt ist, dann gehört es auf den Stundenplan.

Nach diesen Ausflügen zu einer scheinbar ganz unauffälligen* Zahl, der 5. Warum gerade die 5? Weil sie eine Primzahl ist, eine Zahl, die sich nur durch 1 und sich selbst teilen lässt? Nein. Weil es heißt, man solle fünf gerade sein lassen? Nein. Es geht um die berühmten 5 Minuten vor 12.

Was macht diese 5 Minuten so berühmt. Schließlich haben sie keine Sekunde mehr als alle anderen Minuten. Tatsächlich geht es um etwas ganz anderes. Es geht nicht um die Zeit, sondern darum, was wir mit der Zeit angefangen haben – oder auch nicht.

Die letzten Minuten vor einem Wechsel, eben „die 5 Minuten vor 12“, erinnern uns daran, was wir möglicherweise versäumt haben, was wir trotz aller guten Vorsätze nicht getan, nicht geschafft haben. Jetzt aber los, die letzten 5 Minuten nutzen. Aber wie so oft im Leben, bleibt dieser Last-minute-Vorsatz wohl das, was er ist: ein Vorsatz.

Trotzdem sollten wir den Kopf nicht hängen lassen. Wir können es in Zukunft ja besser machen. Wenn ein neues Jahr vor uns liegt, sind wir auf die „5 Minuten vor 12“ bestimmt nicht angewiesen.

Diese verdammten „5 Minuten vor 12“ haben uns so im Griff, dass wir die „5 Minuten nach 12“ oft übersehen. Dabei sind sie mindestens genauso bedeutsam. Vielleicht schieben wir diese Minuten in der Annahme beiseite, sie sei von Politikern erfunden worden. Das muss nicht stimmen, aber irgendwie gibt es das Gefühl.

Wenn Politiker sagen, es ist „5 Minuten nach 12“, dann wollen sie uns nicht daran erinnern, dass wir vergessen haben, die Sommer- auf die Winterzeit umzustellen, oder umgekehrt. Sie wollen nicht mit der Wahrheit herausrücken. Das ist es. So wollen nicht zugeben, dass an dieser oder jener Sache nichts mehr zu ändern ist. Sie sagen, dass wir uns keine Hoffnung machen sollen; der Zug sei abgefahren. Sie wollen schon gar nicht zugeben, dass sie die Sachen schon vorher hätten regeln müssen – notfalls in den „letzten 5 Minuten“. Sie setzen darauf, dass wir uns damit abfinden. Wie wäre es mit einem Nobelpreis für Volksverdummung? Der Erfinder der „5 Minuten nach 12“ hätte gute Chancen.

Zu großen Teilen entstand dieser Text bereits vor 14 Jahren, als ein neues Millenium eingeläutet werden sollte, ein Millenium wohlgemerkt – nicht ein neues Jahrtausend. Von Dezennien und Zentenarien war schon die Rede, da kam ja nur noch Millenium infrage. Die inzwischen seltenen Lateinschüler wussten Bescheid, alle anderen waren – hoffentlich – beeindruckt.

Und nun – eingezwängt zwischen den „5 Minuten vor 12“ und den „5 Minuten nach 12“? Heben wir das Glas, gehen wir in das neue Jahr ohne Minutenfuchserei. Wann genau? Natürlich am 31. Dezember. Pünktlich  um 12? Nein.  Um 24 Uhr?  Oder um Null Uhr? Ich sehe schon, nicht nur das Feuerwerk fliegt uns um die Ohren, sondern auch die Zeit. 25. 12. 2014





Links, Mitte, Rechts - Politik geographisch gesehen

Diese Lesart, diese Raumordnung der Parlamente, hat sich auch bei uns in Deutschland eingebürgert. Unser Bundestag hat sich so eingerichtet – von links nach rechts und mitten drin die Mitte. Das ist uns so geläufig geworden, dass wir keinen Augenblick mehr darüber nachdenken. Dabei wäre das wichtig und wird immer wichtiger. Warum das so ist, wird uns schnell klar werden. Es dauert nur ein paar Minuten. Wir müssen nur genau hinsehen.

Links sitzen die Sozialdemokraten, also die SPD. Das war bereits  in der Weimarer Republik so. Aber schon damals gab es etwas, das sozusagen linker war als links. Das waren die Kommunisten. Heute ist es DIE LINKE. Noch mehr links gibt es im Augenblick nicht.

Wie sieht es auf der rechten Seite aus? Da haben wir die Christdemokraten, die CDU. Ein bisschen mehr rechts hat sich die CSU breit gemacht. Zusammen bilden sie die Union. Rechts von dieser Union gibt es nichts.  Noch mehr rechts ist zurzeit offenbar nicht möglich, jedenfalls nicht im Bundestag.

Aber da war doch noch etwas. Richtig. Wir sind von links gleich nach rechts gesprungen. Im Eifer des Gefechts haben wir dabei die Mitte glatt übergangen. Das geht natürlich nicht. Jetzt also zur Mitte.

Aber da ist ja niemand. Die Linken in all ihren Schattierungen sind links, die Rechten in ihren Differenzierungen sind rechts. In der Mitte können wir weder die einen noch die anderen entdecken. Wie auch? Die Mitte ist leer. Die Mitte existiert gar nicht.

Natürlich geht das so nicht. Das haben auch die Politiker erkannt, die linken wie die rechten. Und deswegen streben sie seit einiger Zeit in die Mitte. Sie wollen, dass die leere Mitte nicht länger leer bleibt, sie wollen das Vakuum füllen. Daran wird von beiden Seiten hart gearbeitet: Die Linke will eine linke Mitte, die Rechte  eine rechte Mitte. Ein Ding der Unmöglichkeit?

Aber nein! Man muss nur Linkes und Rechtes tüchtig durcheinander quirlen. So entsteht ein Potpourrie, ein Eintopf, in dem sich das Linke vom Rechten nicht unterscheiden lässt. Nichts gegen einen Eintopf! Man muss ihn  nur rechtzeitig vom Feuer nehmen, bevor er zur Geschmacklosigkeit verkocht.

Genau das ist jetzt passiert. Die Suppe, die uns eingebrockt wird, heißt GROKO, Große Koalition. Diese Koalition ist mit ihren 80 % so übermächtig, dass sie sich mit allen nichtdemokratischen Mächten messen kann – erfolgreich, versteht sich.

Eine der wichtigsten Spielregeln der Demokratie, der Kompromiss, der Interessen-ausgleich zugunsten aller, wurde außer Kraft gesetzt. Jeder linke Wunsch wurde erfüllt, wenn auch jeder rechte Wunsch durch kam.

Es gibt keine Mitte, keine politische. Es gibt nur Mittelmaß. Und das ist noch geschmeichelt.

„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“ Hat das nicht irgendjemand vor langer, langer Zeit gesagt? Niemand scheint zugehört zu haben.
23. 12. 2014

Vor 70 Jahren schon so weit wie heute

In den „Instructions for British Servicemen in Germany 1944“ heißt es: „Be guarded in what you say on the telephone. Remember that a telephone line is never private.“ („Vorsicht auch beim Telefonieren. Denken Sie daran, dass eine Telefonleitung nie privat ist.“)

Worauf die britischen Soldaten 1944 hingewiesen wurden, gilt noch heute. Internet und damit auch unsere E-Mails sind alles andere als privat. Bei Facebook & Co stehen wir nackt auf dem Marktplatz. Peinlich, nicht wahr? Das scheint vielen von uns nicht bewusst zu sein. Und wenn dann mit dem Finger auf uns gezeigt wird, sind wir auch noch beleidigt und beschweren uns.

Die „Instructions“ von 1944 sind nicht nur in dieser weitsichtigen Hinsicht lesenswert. Sie rufen auf zu einer Fairness, zu einem Umgang mit Feinden, die wir auch heute nicht einmal Gegnern zubilligen möchten. Hier zeigt sich eine Weisheit, die sich vielleicht nur eine Kolonialmacht aufgrund ihrer Erfahrung, ihrer Fehler und ihrer Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen, aneignen konnte.

Nicht alles ist in den „Instructions“ richtig dargestellt. Vieles kommt zu kurz. Und doch: Respekt! Es ist nicht verkehrt, uns heute noch einmal so zu betrachten, wie England uns 1944 gesehen hat.
24. 12. 2014

Dienstag, Dezember 23, 2014

Nicht vergilbt und nicht verstaubt

Die Textskizze, die mit „Gänsefüßchen unten“ beginnt, den in Anführungsstriche gesetzten Text, habe ich vor 12 Jahren geschrieben. Einvernehmlich, also konsensual, ist festzustellen: Die Kritik an desaströs und konfrontativ  war zwar berechtigt, blieb aber ohne Folgen. Tradiert statt herkömmlich, überliefert, übernommen, erfreut sich großer Beliebtheit, klingt ja auch irgendwie gebildet, sozusagen bildungsnah.

Siehste, da haben wir es schon wieder. Von bildungsnah ist nirgendwo die Rede, von bildungsfern jeden Tag. Da wird schon wieder etwas verwischt, verundeutlicht, schöngeredet. Genau genommen geht es um gebildet und ungebildet. Aber ungebildet, das traut sich heute niemand zu sagen. Das nennen wir Political Correctness“, Politischen Gehorsam. Das Kind bloß nicht beim Namen nennen. Es könnte anfangen zu schreien.

Wie gebildet man ist, wird neuerdings auch auf eine subtilere, Pardon, unauffälligere Art und Weise vorgeführt. Was bislang behandelt wurde, wird jetzt verhandelt. Themen, die Shakespeare in seinen Dramen behandelte, werden jetzt verhandelt. Selbst das eigene Leben muss jetzt verhandelt werden, wie Lotta, die Frauen-zeitschrift der LINKEN schreibt. Gemeint hat die Schreiberin etwas anderes. Sie meinte das eigene Leben gestalten.

Den Zirkus um  das Modewort Prekariat und das falsch gebrauchte prekär will ich jetzt mal beiseite lassen.

Nun endlich zu dem Text, der auch nach 12 Jahren noch keinen Staub angesetzt hat:

„Man schreibt anders als man spricht. Man spricht nicht so wie man schreibt. Das ist ganz natürlich.

Beim Sprechen sprudeln die Wörter nur so, wer schreibt, überlegt länger, ehe er sich äußert.

Beide Sprachen, die Sprech- und die Schreibsprache sind kein Widerspruch zueinander; sie sind nur anders.

Trotzdem fragt es sich, warum die Schreibsprache sich immer mehr vom Sprechen entfernt. Zugegeben: viel Gesprochenes findet sich heute auch in der Schreibe wieder, macht das Geschriebene lebendiger, leichter lesbar, besser verständlich. Aber das dürften die Ausnahmen sein.

Immer häufiger – das ist mein Eindruck – stelzt die Schreibsprache auf Fremdwörtern daher, die die Schreiber erst gerade erfunden haben – so scheint es wenigstens. Desaströs ist ein Beispiel dafür. Nicht nur die klangliche Nachbarschaft zu kariös macht mir dieses Wort unsympathisch bis zur Unerträglichkeit. 

Wir haben Jahrzehnte gebraucht, um die Katastrophe in unseren Sprachgebrauch einzubürgern, und jetzt desaströs? Die reine Katastrophe!  Erst wenn der letzte der Mohikaner das Katastrophale gegen das Desaströse eingetauscht hat, ist desaströs legitim, muß – notgedrungen – anerkannt werden, hat Asylrecht in der deutschen Sprache. Aber vielleicht wehren sich die Mohikaner. Ich hoffe es. - Widerspruch, Euer Ehren.

Widerspruch abgelehnt. Sie wissen doch gar nicht, wowider, Verzeihung, wogegen ich sprechen wollte.

Doch, ich weiß es. Sie wollen die Sprache voranbringen, Sie wollen sie erneuern, wollen sie mit Einimpfung neuer, von Ihnen erfundener Wörter so richtig auf Trab bringen. Ein bißchen viel Eitelkeit, nicht wahr? Sie wollen, daß man Sie bewundert, aber nicht unbedingt versteht. – Ich protestiere, Euer Ehren.

Protest angenommen, mein Lieber, vorausgesetzt, Sie schreiben ab sofort vernünftig und verständlich und lassen Ihre Finger von desaströs und konfrontativ. Konfrontativ ist das neueste Unwort, heute, am 29. November 2002 in der Zeitung DIE WELT entdeckt. 

Unwörter wie desaströs und konfrontativ kriechen wie die Lava des Ätna über unsere in Ruhe gewachsenen Wörter verheerend und gegensätzlich, widersprüchlich.  Sie ersticken und verbrennen diese einfachen, schönen Wörter. Was bleibt, ist sprachliche Asche.“ 29. 11. 2002 

Es braut sich etwas zusammen

Pegida. Tausende, zehntausende, und es werden immer mehr, marschieren montags durch die Dresdener Innenstadt, missbrauchen die Montagsdemonstrationen von 1989, verbreiten Angst und Schrecken und Begeisterung. Pegida: Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes. Vom Abendland reden, aber ins Morgenland fliegen, um dort Urlaub zu machen und faul am Strand herumzuliegen. Na, prima! Wer geht denn heutzutage in die Kirche? Wer ist denn noch Christ? Was soll da verteidigt werden?

Als wenn das nicht genug wäre: Bogida. Noch so eine „Bewegung“. Angezettelt von Melanie Dittmer, einer 36-Jährigen mit bewegter Nazi-Vergangenheit: NRW-Landesvorstand der rechten Nachwuchsorganisation  „Junge Nationaldemokraten“. Redaktionelle Mitarbeit in „Ruhrstürmer“ und „Schwarze Fahne“. (Quelle SPIEGEL ONLINE  21. Dezember 2014). Bogida: „Bonn gegen die Islamisierung des Abendlandes.“

An Deutlichkeit fehlt es nicht. Zitat: „Für mich ist es völlig unerheblich, ob es den Holocaust gegeben hat. Das ist 70 Jahre her.“ Dittmers Ziel war (und ist vielleicht) ein sogenannter „Nationaler Volksstaat“. „Es wird dann auf jeden Fall Arbeitslager für Mörder, Dealer und Volksschädlinge geben.“ Dass Melanie mit ihren Ansichten selbst ein „Volksschädling“ ist, das ist ihr noch gar nicht aufgefallen. Trotzdem: Ab ins Arbeitslager! Dummheit schützt vor Arbeitslager nicht. Das was schon immer so.

Wenn es so weiter geht, wird sich bald jedes Dorf in Deutschland eine Initiative gegen die Islamisierung des Abendlandes leisten, auch dort, wo noch kein Moslem gesehen wurde. Dummheit, Dumpfheit, kennt keine Grenzen. So blähen sich Pegida und Bogida zu Popanzen auf, wobei zum Schluss die Politik der einzige Popanz bleibt. Da bläht sich etwas auf, vor dem die Politik, vor dem die Politiker in sich zusammenfallen. Das ist ziemlich blöd und wenig hilfreich.

Begrenzt scheint dagegen die Fähigkeit der Politik zu sein, das Notwendige zu sagen und zu tun – kirchliche und andere sich berufen fühlende Institutionen einge-schlossen. Außer hilflosem Gebrabbel, außer billigen Vorschlägen ist nichts zu hören.

Man dürfe die Demonstranten nicht über einen Kamm scheren. Selbstverständlich  nicht. Warum also das Selbstverständliche zur Sprache bringen? Gespräche seien notwendig. Man müsse die Sorgen der Bürger ernst nehmen. Welche Sorgen, bitte?

So wird geredet, hin und her, rauf und runter. Und wenn dann irgendetwas davon in der Zeitung steht, dann hat man seinen Beitrag geleistet? Denkste! Mit diesem Gerede wird die Sache nur noch schlimmer. Weil es nur Gerede ist und nicht Tat. Weil vieles nicht ehrlich gemeint ist. Und weil mit Wörtern so gespielt wird, dass wir sie nicht oder falsch verstehen.

Wie lange hat es gedauert, bis gesagt werden durfte, dass Deutschland ein Ein-wanderungsland ist! Das wurde dann auch gleich hübsch garniert mit der Erklärung, dass wir nur so unseren Wohlstand sicherstellen können. Das leuchtet ein.

Aber es bleiben Zweifel. Da kommen ja nicht nur die, die wir brauchen, sondern auch die, die uns missbrauchen, heißt es. Jedenfalls fürchten wir das. Sie könnten, sie werden uns zur Last fallen. Haben wir nicht schon genug Sorgen?

Was heißt überhaupt Einwanderungsland? Das dürfte eine der wichtigsten Fragen sein und eine, die bisher nicht beantwortet wurde. Ausland, Inland – das sind bekannte Begriffe, aber Einwanderungsland?

Das ist ein Fremdwort, mit dem kaum jemand etwas anfangen kann. Ist das eine Bedrohung? Ist das ein Vorteil? Wer weiß das schon? Und weil das niemand weiß (viele wollen das auch nicht wissen), haben wir das verdammte Pegida- und das verdammt Bogida-Problem.

Appell an unsere Politiker: Macht die Augen auf, wenn die Sonne aufgeht und nicht erst dann, wenn sie untergeht! Meldet euch nicht nur zu Wort, sondern auch zur Tat! Macht endlich mal Politik und nicht Parteipolitik!

Appell an uns Bürger: Macht unseren Politikern die Hölle heiß! Nicht, um sie zu rösten, sondern um ihnen Mut zu machen, unsere Auffassung zu vertreten und nicht die der Fraktion. 

Damit zu einem Stichwort, das das Hamburger Abendblatt in seinem Leitartikel in der Ausgabe vom 22. Dezember 2014 notiert hat: „Weg mit den Ritualen! Die Parlamente müssen lebendiger werden. „ Kaum jemand hört oder sieht sich noch Parlamentsdebatten an, weil Langeweile angesagt ist – anders als früher. Eine Krise. „Die Gründe für die Krise sind vielfältig Eine zentrale Ursache aber ist  und bleibt der Fraktionszwang. Weil jeder Abgeordnete (gegen den Geist der Verfassung) gezwungen wird, alles zu vertreten und zu verteidigen, was seine Fraktion entschieden hat, wird jede offene Diskussion in den Parlamenten verhindert.“

„Mehr Demokratie wagen“, wie es Willy Brandt sich gewünscht hat? Vielleicht sollten wir wieder von vorn anfangen, ganz klein, aber beherzt und frei von Zwängen, die der Demokratie im Weg stehen. Frei von Fraktionszwang und Vorurteilen.  Das wird schwierig, ist aber kein Grund, es nicht zu versuchen.
22. 12. 2014

Sonntag, Dezember 21, 2014

Von Zeit zu Zeit

Gelegentlich ist es an der Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wie wir mit unserer Sprache umgehen. Oft wird etwas mit allerbester Absicht gesagt oder geschrieben, und dann geht es doch gründlich schief. Das passiert häufig bei dem Versuch, sich bildhaft und damit lebendig auszudrücken.

Eine Jungunternehmerin sagte: „Deswegen stecken wir unser Herzblut in die Firma.“ Steckblut als Blutkonserve? Und ein Hamburger Abendblatt-Redakteur schrieb: „Am 26. fällt der erste Spatenstich…“. Er kann sich nur freuen, dass Spaten nicht vom Himmel fallen. Das könnte gefährlich werden. Diese Sprachkünstler sind nicht allein. Viele Politiker leisten ihnen Gesellschaft.

So las ich neulich folgenden bemerkenswerten Satz von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig „Die gläserne Decke werde nicht von selbst aufweichen.“ Nein, natürlich nicht, erst muss man sie mal zum Schmelzen bringen, was ziemlich hohe Temperaturen erfordert. Überhaupt: eine gläserne Decke! Um Architektur ging es nicht. Wo sonst ist eine gläserne Decke vorstellbar? Vielleicht bei Schneewittchen? Es ging um irgendetwas Soziales.

Auch Roland Koch, seinerzeit Ministerpräsident von Hessen, glänzte mit einem Sprachkunststück: „Der Rettungsschirm ist noch nicht völlig ausgeschöpft.“ Herr Koch muss den Schirm verkehrt herum getragen haben, und der ist dann voll Wasser gelaufen.. Wie peinlich! Dann schöpfen Sie mal schön, Herr Koch!

Ein anderer Politiker – ich habe versäumt zu notieren, wer es war – stellte fest: „Das Zeitfenster droht sich zu schließen.“ Welch eine Drohung! Ich frage mich, warum das so schlimm sein soll. Ein bisschen frische Luft, die durch das offene Fenster hereinweht,  kann doch nicht schaden – wenigstens dann nicht, wenn es um unsere Sprache geht.

Vielleicht wirbelt sie die vielen Zeit-Wörter mal tüchtig durcheinander, und wir ordnen sie dann versuchsweise nach Sinn und Unsinn.

Zeitraum – das Wort ist uns vertraut. Es sagt uns, dass in einer bestimmten Zeit etwas gemacht, passieren muss. Zeitlinie – da fällt es schon schwerer, sich etwas darunter vorzustellen. Zeitstrahl – ist ähnlich wie die Zeitlinie? Zeitfenster – da fängt es an, komisch zu werden, weil es meist mit zu schmal, mit zu eng, mit zu klein bezeichnet wird. Mindestens genauso schlimm ist es mit dem Zeitkorridor. In der Regel wird er als zu eng bezeichnet. Über seine Länge hat sich anscheinend noch niemand Gedanken gemacht.

Zeitgefühl, Zeitgeist, Zeitgenosse sind eine ganz andere Zeit-Wort-Sorte. Damit können wir gut umgehen, obgleich viel Unfug damit getrieben wird.

Von hier zum Spintisieren ist nur ein kurzer Weg. Gibt es die Zeit auch in der Mehrzahl?  Gibt es Zeiten? Eigentlich, so nach dem Gefühl, hat die Zeit keinen Anfang und kein Ende. Weil das vielleicht ein wenig unheimlich ist, teilen wir die Zeit in kleine Zeiten ein – die Tageszeit, die Jahreszeit. Wenn wir von zeitlos sprechen, meinen wir Dinge, die sich über viele Zeiten erstrecken: Es gab sie schon lange und wird sie auch noch lange geben.  Zeitverlust – ein merkwürdiges Wort. Wie können wir Zeit verlieren? Wir haben sie doch gar nicht. Sie hat uns. Zeitvertreib – das ist etwas, was wir – bei Licht besehen – gar nicht können. Die Zeit ist allgegenwärtig – immer und ewig. Wie wollen wir sie vertreiben?

Zeitalter, Zeitwende, Zeitverlauf, Gleitzeit, Teilzeit – wie viele Zeiten gibt es? So ganz genau wird es wohl niemand wissen. Dann kommen ja noch andere Zeitwörter hinzu wie Zeitnehmer (der hält fest, wie schnell jemand in welcher Zeit gelaufen ist, beispielsweise), Zeitlupe (das schöne deutsche Wort für slow motion). Zeitraffer (verwandt mit Zeitlupe) Zeitgeschehen, Uhrzeit und  Eiszeit.  Es nimmt kein Ende. Das allerdings ist zeitgemäß.

Und dann: Keine Zeit. Es gibt Menschen, die haben mehr Geld als Zeit, habe ich heute gelesen. Aber Zeit hat doch jeder von uns. Allerdings weiß niemand, wie viel Zeit er hat, bis er sich für alle Zeiten verabschieden muss. Wie ist eigentlich das Verhältnis von Zeit zu Ewigkeit. Haben die etwas miteinander zu tun? Und wenn ja –
was?

Ob  ich jemanden finde, der sich mit mir mal über Zeit unterhält? Ich glaube, wir könnten zusammen eine ganze Menge über die Zeit herausfinden.

So'n Bart!

Wenn jemand vor „tausend“ Jahren, als ich noch ein Junge war, olle Kamellen erzählte, dann wurde er abgefertigt mit „so’n Bart.“ Heute ist das nicht anders. Ich weiß nicht, wie man es heute ausdrückt.

Wie es so geht, der Bart ist immer noch nicht ab. Die Bundespolizei hat neue Bartregeln aufgestellt, begründet mit dem Respekt, der jedem Polizisten von jedem Bürger, ob Mann oder Frau, entgegen zu bringen ist.

Die Bundespolizei verbietet den Dreitagebart. Natürlich nur den Bundespolizisten und nicht etwa Conchita Wurst. Das wäre ja noch schöner! Da bin ich mit der Bundespolizei auf einer Linie. Ich glaube, ich muss das erklären. Auf jeden Fall will ich es versuchen.

Als der Dreitagebart in den Gazetten das Licht der Welt erblickte, ging es um Sex. Die unrasierten Jungs standen dafür, dass sie drei Nächte und drei Tage nicht aus dem Bett gekommen waren, in dem sie natürlich nicht allein gelegen hatten. Inzwischen hat die Sache so’n Bart. Das glaubt ihnen niemand mehr. Die Jungs sind einfach zu faul, sich zu rasieren.

Das hat die Bundespolizei anscheinend noch nicht mitgekriegt. Wer ohne Punkt und Komma Mädels tage-und nächtelang flach legt, kann kein Vorbild sein. Aber genau das verlangt die Bundespolizei von ihren Jungen und Mädchen. Sie sollen ernst genommen werden. Wie sonst sollten sie sich gegen uns Spaßbürger, die nichts ernst nehmen, durchsetzen können?

Deshalb gibt es einige Regeln für den Auftritt in der Öffentlichkeit, denen jetzt einige hinzugefügt werden sollen. Die Zeiten ändern sich eben.

Der Dreitagebart bleibt verboten; der Hintergrund ist bekannt und einleuchtend (siehe oben). Neu ist, das jetzt auch Männer Ohrringe tragen dürfen, je Ohr einen Ohrstecker oder –ring. Das durften bisher nur Polizistinnen. Fingerring, Armband, Armbanduhr und Halskette sind gestattet, „wenn sie keine hervorstehenden Teile haben, die den Beamten oder andere verletzen können.“ Sogar Tattoos sollen erlaubt werden, wenn sie beim Tragen der Dienstkleidung nicht zu sehen sind. Schließlich zur Frisur: „Die Haare dürfen nicht so extravagant getragen oder gefärbt sein, „dass Polizisten bei Amtsausübung nicht ernst genommen werden.“ Wer beurteilt das? 

Zusammengefasst: Es gibt nichts bei uns in Deutschland, das nicht geregelt werden könnte. Unsere Regelwut hat so’n Bart, der Dreitagbart ist nichts dagegen. (Quelle: SPIEGEL ONLINE, 19. 12. 2014)

Brandstifter

Der Steckbrief: Stöcker, Winfried, 68 – Medizinprofessor und Vorstandschef des Unternehmens Euroimmun, Inhaber des von ihm 2014 gekauften Görlitzer Kaufhauses. (Quelle SPIEGEL ONLINE, 19. 12. 2014)

Zur Sache: Im legendären Görlitzer Kaufhaus sollte ein Benefizkonzert zugunsten von in Görlitz untergebrachten Flüchtlingen veranstaltet werden. Das hat Herr Stöcker untersagt. In einem Interview mit der „Sächsischen Zeitung“ nimmt er kein Blatt vor den Mund. Er will „den Missbrauch unseres Asylrechts nicht unterstützen“:

„Mir sind so viele ausländische Flüchtlinge nich willkommen.“ „…reisefreudige Afrikaner, die ungebeten übers Mittelmeer zu uns gelangen.“ „Vor 2 Jahren haben sich in Ruanda die Neger millionenfach abgeschlachtet. Hätten wir die alle bei uns aufnehmen sollen?“

Seine türkischen Mitarbeiter würde er „am liebsten zurück in ihre Heimat“ schicken – auf freiwilliger Basis. „Die Moslems haben längst begonnen, einen Staat im Staate zu bilden. Ich will aber kein neues Mittelalter in meiner Heimat und in 50 Jahren keinen Halbmond auf der Görlitzer Frauenkirche.“

Klare Kante, nicht wahr?

Der Oberbürgermeister von Görlitz, Siegfried Deinege, der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipold und Hans-Wilhelm Pietz, Pfarrer der Görlitzer Frauenkirche haben protestiert. Damit ist das, was der Brandstifter gesagt hat, nicht ausgelöscht.

Ein lokales Thema? Sieht so aus. Im Fernsehen ZDF/ARD ist mir das Thema nicht begegnet. Nun frage ich mich: Ist das vielleicht gut? Kleine Feuer kann man austreten, aber einen Flächenbrand? Nein, die Sache ist zu gefährlich, siehe die Pegida-Bewegung. Es glimmt überall.

Aufwachen! Aufstehen! Nicht nur die kleinen Feuer löschen. Und nicht so tun, als würde sich die Sache von selbst erledigen. Genau das tut sie nicht.  20. 12. 2014

Marathon der Irren

Seit einigen Montagen laufen bis zu 10.000 Menschen demonstrierend durch Dresden. Die Sache scheint zu einem Dauerlauf auszuarten, zu einem Marathon. Da haben sich einige Irre zu patriotischen Europäern erklärt, die sich gegen die Islamisierung des Abendlandes wehren wollen. (Pegida = Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes.)

Anführer ist ein Knacki. Ein paar unbescholtene Bürger gehören auch zur Führung dieser „Bewegung“, vielleicht nicht Irre, aber Irregeleitete. Wenigstens die sollten wissen, dass es keine Islamisierung des Abendlandes gibt. Aber sie wollen es nicht wissen. Schlimmer noch: Sie wollen es den zigtausend Mit- und Nachläufern einreden. Erschreckenderweise scheint das auch zu gelingen, nicht bei allen, aber bei viel zu vielen.

Da stehen wir nun – ratlos, sprachlos und ziemlich trottelig, unsere Politiker vorne-weg. Wir hätten aufklären müsssen. Wir müssen aufklären. Alles ist ja ganz anders, das stimmt ja überhaupt nicht usw. usw. – das ganze Gestammel, wenn die Politik und viele Bürger den Dingen hinterher laufen.

Prävention – ein Fremdwort? Ja, natürlich. Aber genau so fremd scheint das deutsche Wort Vorbeugung zu sein. Wo bleibt das beherzte Auftreten der Politik, bevor alles zu spät ist? Wo bleibt, was helfen würde – die Aufklärung? Wie kommt es zu der Meinung, Zuwanderer würden uns auf der Tasche liegen? Tatsächlich  zahlen sie an Steuern und Abgaben mehr ein, als sie an staatlichen Leistungen empfangen: 3.300 € pro Kopf und Nase. Das waren 2012 sage und schreibe insgesamt 22 Milliarden €. (Quelle: Eine Studie des ZEW, beauftragt von der Bertelsmann-Stiftung.)

Aber die Flüchtlinge, die Asylanten, die plündern uns aus. Wirklich? Der Hinweis musste kommen. Den Luxus können wir uns nicht leisten. Wir sind ja so arm, dass wir beinahe selbst um Hilfe betteln müssten. Geiz ist geil. Und auch nur einen Cent abgeben, ist schon zu viel.

Zusammengefasst: Ist der Verstand erst ruiniert, demonstriert es sich ganz ungeniert. Das ist ziemlich gekalauert, aber leider ernst zu nehmen. (Ach, käme doch der Rattenfänger von Hameln und setzte sich an die Spitze der neuen Dresdner Montagsmärsche! Dann wären alle Demonstranten so spurlos verschwunden wie seinerzeit die Kinder in Hameln!) 20. 12. 2014

Samstag, Dezember 20, 2014

Stille Nacht, heilige Nacht ...

Von Stille kann nicht die Rede sein, und was ist wem schon heute heilig? Alles fauler Zauber? Nein, nicht alles. Es gibt außer der Weihnachtsscheinheiligkeit auch etwas, das das Herz berührt, und das nebenan, sozusagen vor unserer Haustür.

In Kisdorf, einem kleinen Kaff in der Nähe von Kaltenkirchen, im platten Schleswig-Holstein, bereiten Bürger sich vor, Flüchtlinge willkommen zu heißen, ihnen zu helfen, sich in der für sie fremden Welt zurecht zu finden. Und das alles ganz praktisch, ohne viel Worte, und sie probieren es mit einer ersten Flüchtlingsfamilie gleich aus: Lebensmittel für den ersten Tag. Geschirr, Töpfe, Kleidung, Spielzeug, Hilfe bei Behördengängen – der ganz normale Alltag. Das, denke ich, ist Nächstenliebe. Eine Weihnachtsgeschichte? Ein Beispiel für jeden Tag im Jahr. (Quelle: Umschau, 17. Dezember 2014)

Ein bisschen weihnachtlicher, und doch darüber hinausgehend: Ein internationales Frauenfrühstück in Henstedt-Ulzburg (auch so ein Kaff in der Gegend). Seit September treffen sich regelmäßig 20 bis 30 Frauen aus verschiedenen Ländern und Kulturen zu einem Austausch. Syrien, Türkei, Deutschland, Algerien, Afghanistan – bunter geht es kaum.

Diese Frühstücke werden organisiert von muslimischen Frauen, von BürgerAktiv, der Kreuzkirche Henstedt-Ulzburg, der Migrationsberatung  der Diakonie Althol-stein und der Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinde. Auch dies eine Weih-nachtsgeschichte für das ganze Jahr. Herz, was willst du mehr?!
(Quelle: Umschau, 17. Dezember 2014)

Aber sonst? Von Stille kann nicht die Rede sein. Die Weihnachtsmärkte schmatzen vor sich hin, dass einem übel werden kann. Besonders schrecklich auf dem Gänsemarkt. Gotthold Ephraim schaut über alles ungerührt hinweg. Anders könnte er diese Pommes- und Glühweinorgie nicht ertragen.

Wenn das nur alles wäre! Es ist nicht einmal die Hälfte. Die Plattheiten des Gänsemarkts werden im Alsterhaus aufs höchste Niveau gehoben. Wer zwei Flaschen Dom Perignon für 169 € kauft, bekommt irgendeinen  Designunfug dazu geschenkt. Geschenkt?

In allen Läden brodelt es. Es geht zu wie zurzeit in Moskau. Alles wird gekauft, und alles wird gefressen, Hauptsache, es ist billig. Auch Milliardäre sollen auf Schnäppchen aus sein, heißt es. Aber da geht es – aus Sicht des kleinen Mannes – um Unsummen.

Das Fest heiligt die Mittel.  So wird aus Stille Lärm. Und was heilig war, wurde zum Tanz um das Goldene Kalb.

Beiseite aber herrschen Ruhe und Frieden – so still, dass wir sie kaum wahrnehmen. Genießen wir diese Stille. Sie wird uns gut tun. Und nicht nur uns.
18. 12. 2014

Montag, Dezember 15, 2014

Randnotizen

Unsere Umweltministerin, Frau Barbara Hendricks, hat von der Klimakonferenz, die in Lima (10.000 Teilnehmer) stattfand, keine greifbaren Ergebnisse mitgebracht, was zu erwarten war. Aber sie hatte dann doch noch eine Überraschung mit nach Hause gebracht: die „Like-Minded Countries“. Natürlich hatte sie die Länder nicht im Handgepäck, nur diesen Begriff.

Als Nicht-Minister konnte ich damit erst gar nichts anfangen. Gleichgesinnte Länder?  Welche Länder sind das? Und wie „gleichgesinnt“ sind sie? Inzwischen weiß ich es, wenigstens so ungefähr. Es sind etwa 40 Länder, die wir im Allgemeinen Entwicklungsländer nennen. Länder, die den Folgen des Klimawandels in ähnlicher Weise ausgesetzt sind. Länder, die Unterstützung bei ihren Anstrengungen zum Klimaschutz von den reichen Ländern erwarten.

„Like-Minded Countries“ – das ist schon im Englischen ziemlich ungenau, und im Deutschen fehlt uns offensichtlich jedes passende Wort. Politikern mag das zupass kommen, weil alles so undeutlich bleibt. Ich ärgere mich darüber. Der einzige Trost:
Die 10.000 Teilnehmer der (K)lima-Konferenz werden gewusst haben, wer und was gemeint war. Ich dagegen bin untröstlich.

Gehen wir eine Sprachtür weiter. Frau Merkel sagte zu den sogenannten Pegida-Aufmärschen, man solle sich nicht instrumentalisiern lassen. Recht hat sie. Aber warum sagt sie nicht, man solle sich nicht ausnutzen lassen. So sprechen wir doch normalerweise – oder? Da fällt mir etwas ein, das man fast einen Witz nennen könnte: „Fragt ein Journalist: ‚Welches Instrument spielen Sie, Herr Minister?’ Die Antwort, wie aus der Pistole geschossen: ‚Immer die erste Geige.’“

Heute, am 15. Dezember, habe ich erfahren, dass auch Herr Thierse, wie neulich schon Frau Merkel, unter die Sprachkünstler gegangen ist. Ich denke, niemand wird bestreiten, dass seine Wortschöpfungen „Entheimatungsängste“ und „Verunsicherungsängste“ außerordentlich kreativ sind. Fast könnte man Angst bekommen vor solchen bedeutenden Wörtern. Aber bei mir überwiegt die Freude an dem unerschöpflichen Reichtum unserer Sprache.

Sonntag, Dezember 14, 2014

Wie sich die Folterknechte gleichen!

Die SS-Chargen in den Konzentrationslagern taten nur ihre Pflicht. Jedenfalls sahen und sagten sie das so. Auch Verbrecher haben einen Ehrenkodex. „Unsere Ehre heißt Treue“ hieß es. Und danach handelten sie. So mordeten sie reinen Gewissens, dem Treueid, den sie dem „Führer“ geschworen hatten, folgend. Befehl ist Befehl, so redeten sie sich heraus und schoben jede Schuld weit von sich, ganz weit nach oben.

Finstere Vergangenheit? I bewahre! Finstere Gegenwart, wie der Ausschnitt aus einer SPIEGEL ONLINE-Notiz von heute (14. 12. 2014) zeigt:

„Der ehemalige CIA-Psychologe James Mitchell, der an führender Stelle an den Folgerungen von Qaida-Verdächtigen beteiligt war, wehr sich gegen den Vorwurf, eine Verantwortung für die Excesse der CIA zu tragen. ‚Es war eine politische Entscheidung, das zu tun, was geschehen ist’, sagte Mitchell dem SPIEGEL. ‚Es ging nicht darum, was ich möchte.’“ Dafür gibt es ein schreckliches deutsches Wort: Kadavergehorsam.

Dieser Gehorsam ist nicht auf dieses oder jenes Land beschränkt. Es gibt ihn überall. Wir können uns jetzt in Grund und Boden schämen, aber es ist eine menschliche Schwäche, die nicht auszurotten ist.

Die bayerische Krankheit

Die Buben mit den Krachledernen und dem Gamsbart lieben es deftig. So halten sie es auch mit der Sprache – haut den Lukas! Immer feste drauf. Hauptsache, das Maul weit auf. Das Denken kommt dann später.

Da will doch der Herr Scheuer, dass in allen Familien auch zu Hause deutsch gesprochen werden soll. Er meint die Eingewanderten und vergisst die Einheimischen, die in der Familie auch nicht deutsch sprechen, sondern bayerisch. Und nicht nur das: Auch im bayerischen Fernsehen wird gebayert bis zur totalen Unverständlichkeit.

(Wutschrei aller Nichtbayern: „Deutschland den Deutschen, und nicht den Bayern!“)

Und nun der Herr Dobrindt – hat auch schon wieder eine neue Idee. Autofahrer, die nachweisen können, dass sie keine deutschen Fernstraßen benutzen, können sich die geplante Maut vom Finanzamt erstatten lassen. Das Dumme ist nur: Niemand kann die Angaben der Fernstraßenvermeider prüfen.

Mitschnitt aus einer Unterrichtsstunde in einem bayerischen Gymnasium (hier in der Übersetzung ins Deutsche, damit es jeder versteht): „Dobrindt, wie oft habe ich Ihnen schon gesagt: Erst denken, dann sprechen! Wenn das so weitergeht, sehe ich schwarz für Sie. Sie werden noch in der Politik enden.“ (Ende des Mitschnitts)
14. 12. 2014




Freitag, Dezember 12, 2014

Am Anfang war das Wort

Daran kann es keinen Zweifel geben; denn das Wort ist die Offenbarung des Geistes. Das Geistige, das Gedachte, wird in Worte gefasst. Kein Wort ohne Denken, kein Denken ohne Worte. Na ja. Mal sehen, wer diesen Satz in der Luft zerreißt.

Wie auch immer: Es ist gut zu wissen, dass es Menschen gibt, die sich um das Wohl des Wortes, das Wohl der Sprache, kümmern, wie beispielsweise die „Gesellschaft für deutsche Sprache.

Wenn sie, diese Gesellschaft, ein Wort zum „Wort des Jahres“ erklärt, ist damit längst nicht alles gesagt. Weitere 9 Wörter machen die Top Ten komplett.

Lichtgrenze ist das Wort des Jahres, gefolgt von schwarze Null – Götzseidank – Russlandversteher – bahnsinnig –Willkommenskultur – Social Freezing – Terror-Tourismus – Freistoßspray – Generation Kopf unten.

Damit jeder es richtig versteht: „Die Sprachexperten in Wiesbaden wählen jedes Jahr ein Wort, das aus ihrer Sicht das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben sprachlich in besonderer Weise begleitet hat. Laut GfdS stehen nicht die Häufigkeit, sondern die Signifikanz (Bedeutung/Wichtigkeit) bei der Wahl im Vordergrund.“

Nun fliegt das Denken mal hoch hinaus, mal kriegt es seinen Hintern nicht hoch. Deshalb sollte die Wortliste des Jahres nicht ernst genommen werden. Sie ist für das Vergnügen an der Sprache gemacht, und das genügt. Ganz im Ernst! 12. 12. 2014

Dienstag, Dezember 09, 2014

Früher oder später? Das ist die Frage.

Hähnchen-Küken kommen in den Betrieben der industriellen Landwirtschaft gleich nach dem Schlüpfen entweder in die CO2-Tonne und werden vergast, oder sie kommen in den Schredder.

Darüber regen sich alle möglichen Bürgerinitiativen auf und gehen dagegen auf die Barrikaden. Der Gedanke liegt nahe, diese Initiativen zu unterstützen und mindestens den Bau neuer Anlagen zu verhindern.

Wenn eine solche Initiative Erfolg hat, wie in diesen Tagen in Bockhorst im Emsland, dann freut man sich und sagt sich: weiter so! Und wenn man dann aufgefordert wird, solche Initiativen zu unterstützen, dann ist man schnell bereit, das zu tun. Aber ist das wirklich richtig? Wird dadurch ein Problem gelöst? Und um welches Problem handelt es sich eigentlich?

Irgendetwas scheint da nicht zu stimmen. Ich will nicht behaupten, dass wir da belogen werden. Aber geht es da wirklich mit rechten Dingen zu? Ist es wirklich die Sorge um die Tiere, die die Aktivisten umtreibt?  Ich erlaube mir, mit zwei Beispielen Zweifel anzumelden.

Zitat aus der SPIEGEL-Ausgabe 48/2014. „Für diese Küken endet das Leben, bevor es richtig beginnt. – im Schredder oder in einer mit CO2 begasten Tonne. Das grundlose Töten ist bisher auch in der Biobranche die Regel. Eine Neufassung der Ökorichtlinie könnte die Produzenten zwingen, endlich auf Zweitnutzungsrassen umzusteigen – auf Rassen, die Eier legen und trotzdem gemästet werden können. Das würde den männlichen Küken den Tot im Häcksler ersparen, den eigentlich bereits das Naturschutzgesetz untersagt.“

Geht es noch zynischer? Nein, denn es geht gar nicht um die Küken. Es geht um Profit. Und jedes Küken, das in der Gastonne oder im Häcksler endet, bevor es dem Leben Guten Tag sagen konnte, kann von Glück reden: Die elendige Mast zu einem ungesunden Fleischberg bleibt ihm erspart.

Im zweiten Beispiel, einer Anwohnerinitiative in Nordhümmling, Landkreis Meppen, wird anders argumentiert. Der Bau von zwei Hähnchenmastställen mit insgesamt 84.000 Mastplätzen wurde untersagt, weil die Maststallgegner Belastungen durch Gerüche, Lärm und Staub befürchteten. Sie fürchteten um ihre Gesundheit, die Lebensqualität im Dorf und um den Wert ihrer Häuser. Alles verständlich. Nur um die Tiere ging es ihnen nicht.

Ist es nicht scheinheilig, als Anwalt der Tiere aufzutreten und in Wirklichkeit sich selbst zu meinen?

Das tägliche Frühstücksei, das Schnitzel, das Steak, die Chicken-Wings, die Keulchen – alles Aldi-, Lidl-, Netto- und Rewe-billig, alles das macht uns dick und krank. Das ist der Vorteil, den wir suchen. Und das kommt uns teuer zu stehen. Aber irgendwie sind wir zu blöd, das zu begreifen. Und deshalb tun wir so, als ginge es uns um die Tiere. Unser Egoismus wird uns noch umbringen.

Früher oder später wird uns das noch mal aufgehen. Aber dann könnte es zu spät sein.  08. 12. 2014

Sonntag, Dezember 07, 2014

Bitte nicht noch eine Diktatur!


So wie wir schreiben und sprechen, so sind wir. Und wir schreiben und sprechen anders als die Generation vor uns und die Generationen davor. Wir sprechen Wörter ganz selbstverständlich aus, die es vor einiger Zeit noch nicht gab. Und wir nehmen Wörter nicht mehr in den Mund, die vor gar nicht langer Zeit gang und gäbe waren. Helmuth Karasek hat einige in seiner Hamburger Abendblatt Titelkolumne am 6. Dezember uns sozusagen in den Nikolausstiefel gelegt: „Springinsfeld, Hallodri, Tausendsassa, flotter Feger,  flotte Biene, Satansbraten, Frechdachs, Langfinger, Lauser und Blaustrumpf.“

Nein, so reden wir nicht mehr. Diese Wörter haben sich davon gemacht, aber ganz verschwinden werden sie nicht. In zeitgenössischer Literatur werden sie uns auch in Zukunft begegnen. Und wenn es in der Sprache so zugeht wie in der Mode, dann wird zumindest das eine oder andere Wort auf einmal wieder „in“ sein. Die Mode, wenigstens die Damenmode, kommt ja auch jedes Jahr mit Neuigkeiten, die wir schon zig Mal hatten. Man muss nur geduldig warten, bis das Alte, das Abgelegte uns neu erscheint. Le dernier cri! Wirklich, es ist zum Schreien, zum Schreien komisch.

Diese Ansicht könnte uns in Versuchung führen, das Tamtam um politisch korrektes Deutsch nicht allzu ernst nehmen. Das wäre leichtfertig.

Die Sprache lebt nicht von Vorschriften und schon gar nicht nach Vorschriften. Da können sich die Damen der Berliner Humboldt-Universität auf den Kopft stellen. Und wenn sie zehn Mal aus dem Computer einen Computa machen und aus einem Koffer einen Koffa, ändert sich nichts. (Die Argumentation der Damen, verkürzt: Die Wortendung „er“ sei männlich und würde Frauen diskriminieren.)

Auf die Professoren einer anderen Universität (Leipzig?) will ich gar nicht weiter eingehen. Aber anscheinend waren sie alle damit einverstanden, jetzt Professorin genannt zu werden. Das einzige Argument, das dafür spricht: Noch günstiger ist eine Geschlechtsumwandlung ganz gewiss nicht zu haben.

Lassen wir der Sprache mit allen ihren Irrungen und Wirrungen, mit all ihrem Unfug des Facebook-, Twitter- und Sonst noch was-Gestammels ihren Lauf. Niemand muss das ja mitmachen. Aber niemand soll uns vorschreiben, wie wir zu sprechen und zu schreiben haben. Denn das würde heißen, dass man uns vorschreibt, wie wir zu denken haben. Danke! Nicht noch eine Diktatur!
06. 12. 2014

Samstag, Dezember 06, 2014

Völlig übergeschnappt

München – Die CSU hat in einem Leitantragsentwurf zum Parteitag in der kommenden Woche gefordert, dass sich Migranten auch zu Hause auf deutsch unterhalten sollen. ‚Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen’ – zitiert der BR aus dem Entwurf. „Ein gesellschaftliches Miteinander funktioniert nur, wenn alle dieselbe Sprache sprechen, heißt es laut BR weiter.“

Ich finde, es wird höchste Zeit, dass der Freistaat Bayern sich selbst beim Wort nimmt, die Bundesrepublik verlässt und als neues EU-Mitglied frank und frei auftritt.
Sollte sich Bayern dazu nicht entschließen können, bleibt den Bayern nichts anderes übrig, als selbst schleunigst deutsch zu lernen; denn das können sie nicht. Und natürlich sollen sie das Hochdeutsch, das sie noch nicht beherrschen, nicht nur in der Öffentlichkeit sprechen, sondern auch zu Hause. Für die Kontrolle könnte man pensionierte Lehrer aus anderen deutsch sprechenden Bundesländern einsetzen. Mit entsprechendem Ausweis hätten sie jederzeit Zutritt in jeden bayerischen Haushalt, um die notwendige Kontrolle durchzuführen. Den des Hochdeutschen nicht mächtigen droht die Ausweisung.

Was in den Niederlanden seit Ewigkeiten, also traditionell, als lustig empfunden wurde, der Auftritt des Nikolaus mit den Zwarte Piet, treibt einem das Lachen aus. Plötzlich ist das, was Tradition war, Rassismus. Zugegeben: Das kann man so sehen. Die Zeiten ändern sich. Aber ist das ein Grund, sich gegenseitig die Köpfe blutig zu schlagen? Genau das machen die Niederländer zurzeit, die doch bis vor Kurzem noch Vorbild für Großzügigkeit, für Toleranz waren. Übergeschnappt? Ja, völlig!

Aber damit sind die Bayern und die Niederländer leider nicht allein. Überall kracht es. Alle wollen mit dem Kopf durch die Wand. Und wenn es dann richtig weh tut, weil das der Kopf nicht aushält, dann wird laut geheult.

Rezept: Nicht trösten, kein Aspirin geben, warten, bis unter Schmerzen die Vernunft zurückkehrt!
05. 12. 2014

Donnerstag, Dezember 04, 2014

Das Schließgewehr ist verbogen. Aber es wird gerade gelogen.

Frau von der Leyen macht alles so, wie es ihre Vorgänger gemacht haben: Sie macht es schlecht. Und damit sie nicht schlechter dasteht als die Verteidigungsminister vor ihr, lügt sie genau so unverfroren. Jedenfall sehe ich das so.

Das Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch schießt daneben, wenn der Lauf heiß geworden ist. Das ist mehrfach bewiesen, längst bekannt und wird trotzdem immer wieder weggelogen. Ein Beispiel von vielen.

Die Flieger fliegen nicht. Die Hubschrauber auch nicht. Wider den Ratschlag der Truppe werden ungeeignete Waffen gekauft. Der anzuschaffende Marinehub-schrauber kann seine Aufgaben nur unvollkommen erfüllen. Ein besseres Modell stünde zu Verfügung. Es wird nicht gekauft. So geht das weiter und weiter. Statt 180 Eurofightern werden nur 140 gekauft. Für die Reduzierung sind 500 Millionen Euro zu zahlen. So teuer kann sein, was man nicht kauft.

Wäre die Sache – allein des Geldes wegen – nicht so ernst, wir könnten sie lächer-lich nennen. Aber die Bundeswehr ist kein Spielzeug, auch wenn unsere Regierung so mit ihr umgeht.

Da soll doch jetzt irgendeine Bundeswehreinheit im Brandenburgischen mit die „Speerspitze“ der Nato bilden. Die soll im Falle eines Falles blitzschnell einsatzbereit sein. Einsatzbereit gegen wen? Na – in der augenblicklichen Situation gegen Russland, das uns ja so entsetzlich bedroht.

Ich halte weder uns noch die Russen für besonders humorvoll. Aber ich glaube, dass Herr Putin und seine Generäle sich hier vor Lachen nicht einkriegen. Aber sie sind höflich genug, das hinter verschlossenen Türen zu tun. Wir allerdings machen uns und die Nato in aller Öffentlichkeit lächerlich. (Unsere Bananenrepublik, Land des Lächelns. Die Operette hat mehr Stil.)
04. 12. 2014

Die (K)lima-Konferenz

In Lima, Hauptstadt von Peru, wird zurzeit die Klimakonferenz inszeniert.  Inszeniert, das klingt negativ, klingt destruktiv, dabei drückt sich darin nur Hoffnungslosigkeit aus. 10.000 Delegierte tagen dort bis zum 12. Dezember. 10.000!

Was machen sie da? Was soll dabei herauskommen? Wer immer wieder erlebt hat, wie schwierig es ist, auch nur 10 Meinungen unter einen Hut zu bringen, der weiß, dass es sich hier nur um ein großes Schauspiel handeln kann. Der offizielle Auftrag, soweit ich das nachlesen konnte, lautet: Eine Konferenz der „Kompetenten“ im nächsten Jahr vorzubereiten. Die sollen dann die Beschlüsse fassen, die Schluss machen mit der hemmungslosen Ausplünderung unseres kleinen Planeten. Wenigstens das Notwendigste für Alle sichern, und das ist: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein – gültig auch für Kinder und Kindeskinder. Damit werden die 10.000 Delegierten überfordert sein. Das sollte man ihnen nicht zumuten.

Wie aber könnte eine erfolgversprechende Lösung des Problems aussehen?

Vielleicht so: Es gibt zurzeit rund 200 Staaten rund um den Globus. Jeder Staat schickt einen Konferenzteilnehmer. Immer noch eine ganze Menge, aber doch  überschaubar.

Jeder Staat hat eine Aufgabenliste abgearbeitet, die für alle verbindlich war. Jeder kann deshalb sagen: das machen wir, das machen wir nicht. Wir beteiligen uns. Wir pfeifen drauf – nach uns die Sintflut. Und dann wird abgestimmt. Und jeder muss sich nach dem Ergebnis der Abstimmung richten. Das wurde vorher vereinbart.

Dann wissen wir: Die Sache geht gut, oder die Sache ist verloren.

Ist es nicht wunderschön, wie verrückt man sich unsere verrückte Welt zurecht-rücken kann? Eigentlich brauchen wir nicht viel, um das zu erreichen. Nur ein bisschen Freude am Leben, die auch die kommenden Generationen haben sollen.
04. 12. 2014

Montag, Dezember 01, 2014

"Don Camillo und Peppone" - ein alter Film als Lehrstück für heute

Keine Ahnung, wie der Bayerische Rundfunk auf die Idee kommen konnte, diese alte Klamotte vorgestern Abend ins Fernsehprogramm zu nehmen. Keine Ahnung, weshalb ich eingeschaltet habe. Aber ich habe es getan, und ich bin froh und glücklich darüber.

Als der Film 1952 in die Kinos kam, war ich 20. Wann ich den Film das erste Mal gesehen habe, weiß ich nicht. Und wie ich ihn damals fand, weiß ich auch nicht. Aber wie ich ihn heute finde, das weiß ich.

Der Film ist keine Klamotte und ist kein Klamauk, auch wenn immer wieder auf die Pauke gehauen wird. Der Hintergrund ist so ernst, dass einem das Lachen vergehen könnte:

Italien kurz nach Kriegsende: Befreit vom Faschismus. Nicht zurück ins Königsreich. Eine rot gefärbte Republik. Die Kommunisten am Ruder. Die katholische Kirche voller Wut und Verzweiflung. Die Reichen gegen die Armen. Empörung auf beiden Seiten. Kampf bis aufs Messer. Das alles zeigt uns der Film, der uns die Augen öffnen könnte für den Umgang mit den Problemen, die uns heute quälen.

Was ließe sich lernen? Bleib fair! Mach aus deinem Gegner keinen Feind! Dann wird sich eine Lösung finden lassen. Was Don Camillo und Peppone geschafft haben, müsste uns doch auch möglich sein. Sie haben keine faulen Kompromisse gemacht. Aber wenn sie erkannt hatten, dass sie eigentlich Ein-und-dasselbe wollten, dann haben sie es auch gemacht.

Klar, das alles war nur Film. War die Erfindung von Giovanni Guareschi, dessen Buch Julien Duvivier so hinreißend ins Bild gesetzt hat.

Buch und Film sind ein Blick zurück, der die Augen für heute öffnet. Hoffentlich.
30. 11. 2014