Sonntag, Juli 29, 2012

Entschuldigung

Mein kleiner Bruder Axel war kein guter Schüler. Später war er dann sehr klug, hatte sich viel Wissen und Können angeeignet. Aber damals? In der Schule im 300-Seelendorf Damm bei Parchim (Pütt) in Mecklenburg?

Alle Klassen wurden in einer Stube unterrichtet. Die Lehrerin hieß Frenzel, war dick und hässlich und grausam. Sie war ein Biest und schnappte zu wie ein Krokodil, wenn sich nur eine Gelegenheit ergab. Und es ergaben sich viele Gelegenheiten.

Mein kleiner Bruder Axel hatte sich, verträumt wie er war, verspätet und kam in die Schule, als der Unterricht schon begonnen hatte. Gut erzogen, wie er war, aber nicht sehr wortgewandt, sagte er mit leiser Stimme zu der dicken und hässlichen und grausamen Lehrerin Frenzel: „Ich entschuldige mich für mein Zuspätkommen.“

So, so, du entschuldigst dich, schwang die Frenzel ihre Schulpeitsche, und machte meinen kleinen Bruder Axel noch kleiner und dünner als er schon war. Das war unglaublich gemein.

Aber die Frenzel hatte recht: Man kann sich nicht entschuldigen. Man kann nur um Entschuldigung bitten. Das ist ein großer Unterschied. Diesen Unterschied können kleine Jungs und Mädchen noch nicht erkennen. Und das sollten wir ihnen zugute halten. Und so war es richtig, als mein kleiner Bruder Axel sagte: „Ich entschuldige mich.“

Dieses Verständnis sollten Erwachsene aber nicht in Anspruch nehmen. Sie tun es aber – unbeschreiblich schamlos. Der folgende Beitrag von SPIEGEL ONLINE vom 27. Juli beweist es. (Leider ist dieser Beitrag nicht erfasst worden.)

Der perfekte Beamte

Ist ein Beamter perfekt, dann eignet er sich für jede Aufgabe. Er funktioniert paragraphentreu und lässt einzig und allein die Vorschriften gelten, ganz gleich, was sie vorschreiben. So ein perfekter Beamter, meine ich, ist der kürzlich zum Verfassungsschutzpräsidenten berufene Hans-Georg Maaßen.

Maaßen hat in einem Rechtsgutachten ausgeführt, dass der jahrelang unschuldig in Guantanamo eingesperrte Herr Kurnaz nicht wieder nach Deutschland einreisen dürfe. Seine Aufenthaltsgenehmigung sei erloschen, so Maaßen, weil er sich „länger als sechs Monate im Ausland“ aufgehalten habe. Dass Herrn Kurnaz’ Auslands-aufenthalt länger als sechs Monate dauerte, lag daran, dass er an seiner rechtzeitigen Rückkehr durch den Zwangsaufenthalt in Guantanamo gehindert wurde.

Ein solcher Umstand war in den Paragraphen nicht vorgesehen. Und so war das Rechtsgutachten von Herrn Maaßen auch rechtens. Wie zu sehen, findet Unmensch-
lichkeit immer ihr Recht.

Herr Maaßen hätte seinem Gutachten ein ABER hinzufügen können, als PS, als post scriptum. Er hätte schreiben können, dass man das gültige Recht zunächst einmal respektieren müsse, dass es aber auch einen darüber hinaus gültigen Anspruch auf Menschlichkeit geben müsse.  Und er hätte empfehlen, wenigstens aber anregen können, hier eine Möglichkeit zu finden oder zu schaffen. Das hat Herr Maaßen nicht getan. Herr Maaßen hat perfekt funktioniert: paragraphentreu und unmenschlich.

Unmenschlich? Ja, unmenschlich. Das Zitat aus SPIEGEL ONLINE vom 19. Juli 2012
(„Neuer Verfassungsschutzchef Maaßen) sagt es klipp und klar:

„Wenn ein Deutscher in Afghanistan in Haft sitze und sein Pass laufe in dieser Zeit ab, sei es ja auch nicht so, dass der Pass noch gültig sei, nur weil er in Haft sitze. ‚Als Jurist sage ich: Ihr Reisepass ist nicht mehr gültig. Pech gehabt.’ Die Frage nach Gründen stellt sich nicht.“

Da haben wir es: Der Jurist ist kein Mensch, jedenfalls nicht nach dem Verständnis von Herrn Maaßen. Der Jurist ist ein Jurist und nichts sonst. Und dieser Mann soll nun unsere Verfassung schützen. In welcher Verfassung befinden wir uns denn?

Wenn wir uns diesen Fall, den Fall Hans-Georg Maaßen, ansehen, dann befinden wir uns in keiner guten Verfassung. Denn diese „rechtmäßige“ Perfektion erinnert an das, was wir schon einmal, „tausend“ Jahre lang, hatten: an die Millionen „Mitläufer“, die ja in Wirklichkeit Mittäter waren, auch wenn es vielen vielleicht nicht bewusst war. Ich glaube, das ist nicht übertrieben.

„Pech gehabt.“ Darauf reduziert Herr Maaßen das Schicksal eines Menschen.  Genau so wie Adolf Eichmann, der Holocaust-Organisator, als er dem Juden Storfer, den er gut kannte, in Auschwitz sagte: „Ja, mein guter Storfer, was haben wir denn da für ein Pech gehabt? Schauen Sie, ich kann Ihnen wirklich gar nicht helfen, denn auf Befehl des Reichsführers kann keiner Sie herausnehmen.“ (Aus dem KZ) Kurze Zeit danach wurde der Jude Berthold Storfer, der 9.000 Juden – in „Zusammenarbeit“ mit Adolf Eichmann, das Leben gerettet hat, in Auschwitz ermordet. (Quelle: Gabriele Anderl ‚9096 Leben’ Der unbekannte Judenretter Berthold Storfer.)

Noch einmal: Ich glaube nicht, dass ich übertreibe. „Ich als Jurist“, das geht nicht. „Gesetz ist Gesetz“ ist zu billig und zu einfach, um für jede Feigheit gerade zu stehen.

Rückgrat zeigen! Nichts ist wichtiger für die Verfassung unseres Staates.

Viel Evangelische Kirche und ein bisschen Sprache

Die Evangelische Kirche, genauer die verschiedensten Evangelischen Gemeinden machen ernst, machen Front gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, sprich
Neonazis. Das geschieht vor allem in den Kleinstädten der östlichen Bundesländer. Dazu hat der Deutschlandfunk am 23. Juli um 09:35 Uhr eine Sendung gebracht.
Titel: „Wir müssen mal nach den Rechten sehen.“

Aus dem brandenburgischen Zossen berichtet die Superintendentin Katharina Furian von einer Demonstration, die Neonazis auf dem Marktplatz veranstalten wollten. Da hat der Gemeindekirchenrat etwas ganz Unerwartetes gemacht:

„Dann haben wir die Glocken angestellt, das sind drei und die sind sehr laut. Und sie hatten solche Flüstertüten zum Sprechen, aber das haben sie nicht ausgehalten. Zehn Minuten, 20 Minuten. Nach 20 Minuten sind sie in Richtung Bahnhof wieder abgezogen und damit war es beendet.“ Hoffentlich macht dieses Beispiel Schule!

Das war das Wichtige. Und nun zur Sprache.

Lothar König, Jugendpfarrer in Jena, wurde in der Sendung des Deutschlandfunks wie folgt zitiert: „Das Problem, was ich sehe, ist, dass wir in der Kirche insgesamt zu wenig Streitkultur haben und damit meine ich nicht nur politische Streitkultur, sondern auch theologische Streitkultur…“

Lieber Herr Jugendpfarrer, warum so gespreizt? Warum Streitkultur, wenn streiten doch auch reicht?! Muss es immer gleich Kultur sein? Geht es nicht ein paar Etagen tiefer, ganz einfach einfacher?

Mittwoch, Juli 18, 2012

Diktaturen kennen nur eins: Angst

Jede Diktatur hat Angst vor ihren Bürgern. Deshalb jagt sie ihren Bürgern Angst ein. So einfach ist das, man will es kaum glauben. Aber es ist wirklich so.

Jede Diktatur – es gibt verschiedene Spielarten – hat es bewiesen: In der Sowjetunion genau so wie in Deutschland , in Chile, in China, in Vietnam, in Kambodscha – einfach überall.

Die Sache erklärt sich fast von selbst. Eine Diktatur lässt nur eine Meinung zu: ihre Meinung, ihre Ansicht, die dann gern Weltanschauung genannt wird. Wer anderer Ansicht ist, wird nicht etwa ins Abseits gestellt, er macht sich selbst zum Außen-seiter, und das kann nicht geduldet werden. Da greift die Diktatur helfend und heilend ein.

Das ist ja das Schöne an einer Diktatur: Sie tut alles, damit jeder auf dem Pfad der
Tugend bleibt. Alles! Das bedeutet, dass sie auch vor Mord und Massenmord nicht zurückschreckt. Es gibt nur eine Meinung, eine Ansicht, eine Wahrheit, sagt die Diktatur. Weil sie aber weiß, dass das nicht stimmt, unterdrückt sie alle anderen Meinungen, Ansichten und die Wahrheit mit allen Mitteln .

Egal, wie lange sich eine Diktatur hält, irgendwann ist sie am Ende. Und das ist ganz natürlich.

Selten haben zwei Menschen ein-und-dieselbe Meinung. Trotzdem können sie gut miteinander zurecht kommen: sie akzeptieren sich, arrangieren sich. Keiner diktiert, und so kommt es auch zu keinem Krach. Auch mit unterschiedlichen Meinungen lässt es sich leben. So geht es überall in der Welt seit Menschengedenken (wenn es gut geht), nur nicht in Diktaturen.

Das haben die Diktaturen nicht begriffen. Sie ahnen es aber. Gegen dieses Gift wehren sie sich bis an ihr Ende. Das kommt früher oder später. Für die Opfer jeder Diktatur kommt alles zu spät. Ein Denkmal ersetzt kein Leben!

Samstag, Juli 14, 2012

Von Wörtern und ihren Tätern

Wörter sind Waffen. Wörter sind Gift. Jedenfalls kann man sie so einsetzen. Für den Mord eines Politikers braucht man keine Pistole. Das richtige Wort im richtigen Augenblick genügt. Eine Erkenntnis, die nicht nur für die Politik gilt.

Natürlich lässt sich mit Wörtern auch Gutes stiften. Aber das ist nicht so aufregend. Die besten Geschäfte lassen sich doch immer wieder mit den schlechten Nachrichten machen: Bad news are good news – ein Mediengesetz, das noch niemand außer Kraft gesetzt hat.

So viel zu den Wörtern. Jetzt zu den Tätern. Da finden sich die unterschiedlichsten Typen:

Wer von Wohlstandsmüll spricht und damit Arbeitslose meint, hat jede Achtung von seinen Mitmenschen verloren. Möglicherweise hatte er sie nie. Der Zyniker.

Der Erfinder des vorläufigen Endlagers für Atommüll ist schon etwas schwieriger einzuordnen. Ist er ein Dummkopf, der sich für besonders klug hält? Wir müssen davon ausgehen. Also: Der Dummkopf. Typ Nummer 2.

Man muss nicht dumm sein, um unserer Sprache Böses anzutun. Faulheit genügt. Fokus ist das angesagte Wort für Mittelpunkt, Brennpunkt, für das Wichtige, das Entscheidende. Im Fokus steht und liegt einfach alles. Der Denkfaule – der Dritte, der sich an unserer Sprache vergeht.

Die Nummer vier: Der Angeber. Alles Einfache ist ihm zu einfach. Aus der Technik macht er Technologie, aus Handwerk eine Wissenschaft. Und aus allem Möglichen und Unmöglichen wird Kultur gemacht.

Dann haben wir die Leute, die Hausmeister Facility Manager nennen (ihn aber wahrscheinlich nicht so hochtrabend bezahlen). Das hat mit der Raumpflegerin angefangen, die früher eine Putzfrau war. Der Dreck war und ist immer der gleiche.
Damals ist dieses „upgrading“ niemandem aufgefallen, zu dumm! Das Großmaul ist unsere Nummer 5.

Nein, damit sind wir noch nicht am Ende. Eine Hand reicht nicht, um alle aufzuzählen.

Dann also: Die Backshop-Leute, die Jungs und Mädels, die zwei Sprachen zu etwas Ungenießbarem zusammenrühren. Zumindest die Engländer werden sich fragen, wieso die Hinterhofläden sich überall finden, nur nicht in den Hinterhöfen. Das wäre die Nummer 6.

Nach der 6 schnell noch die 7: Die Barbaren. Sie sagen gewunken statt gewinkt. Und wenn etwas durchgewinkt wurde – wie neulich das Meldegesetz im Bundestag – dann wurde das selbstverständlich durchgewunken. In einem HEUTE-Journal wurde gleich vier Mal durchgewunken gesagt. Die Damen und Herren vom ZDF sollten sich schämen! – Es heißt zwar stinken, stank, gestunken, aber nicht winken, wank, gewunken. Aber vielleicht hören oder lesen wir demnächst: Sie wank mir zu.

Achtens: Der Duden. Der Duden genehmigt das schwachsinnig falsche gewunken als Alternative zu gewinkt. Von richtigem Deutsch, das der Duden für sich in Anspruch nimmt, kann nicht die Rede sein. Die Duden-Redakteure: Die Scheinheiligen.

Über den scheinheiligen Duden kommen wir mühelos zu Goethe und Schiller. Die schrieben, wie ihnen die Feder gerade gespitzt war. Mal so, mal so. Das hat der Größe ihrer Gedanken und Schriften keinen Abbruch getan. Sie wussten mit der Sprache behutsam umzugehen: Gewunken wäre ihnen nicht aus der Feder geflossen.

Bliebe als die Nummer 9: Political Correctness.  Die politisch Korrekten sind aber doch wohl ein anderes Kapitel. Kann ja bei Gelegenheit geschrieben werden.

Donnerstag, Juli 12, 2012

Unfähig oder feige. Das ist hier die Frage

Stellen Sie sich einmal vor, Sie fragen jemanden: „Wie spät ist es?“ Und Sie bekommen zur Antwort: „Wir können den Lauf der Zeit nicht aufhalten.“

Da fassen Sie sich bestimmt an den Kopf und denken: Das ist doch nicht die Antwort auf meine Frage. Wahrscheinlich sagen Sie das auch und fragen noch einmal nach der Uhrzeit.

Sie finden dieses Frage-und-Antwortspiel ziemlich albern? Stimmt, aber es zeigt in aller Kürze, wie die meisten Interviews mit Politikern geführt werden. Hier als Beweis ein kleiner Ausschnitt aus einem Gespräch mit Herrn Gröhe, Generalsekre-tär der CDU, aus dem Hamburger Abendblatt vom 12. Juli:

„Herr Gröhe, verstehen Sie noch die Euro-Krise?“

Gröhe: „Die Stabilisierung unserer Währung ist eine Riesenherausforderung für alle Beteiligten, auch intellektuell. Deshalb sind Gespräche, das ständige Abwägen von Für und Wider so wichtig. Allerdings wundert es mich schon, wenn Volkswirte ihre Überzeugungen  so vortragen, als lieferten sie geradezu mathematische Exaktheit. Bei näherem Hinsehen ist das bei Weitem nicht so.“

Ich finde, Herr Gröhe hat die Frage nicht beantwortet. Ich verstehe, dass Herr Gröhe nicht mit JA oder NEIN antworten will. Das JA wäre zu kurz und schnippisch, und beim NEIN würde sich jeder fragen, wozu man Herrn Gröhe in der Politik überhaupt braucht.

Trotzdem: Warum hakt der Journalist nicht nach? Warum sagt er nicht – charmanter als ich er hier tue: „Bitte, Herr Gröhe, ich wollte gern wissen, ob Sie die Euro-Krise verstehen.“ (Ich lasse offen, was der Journalist besonders betont: das „Sie“ oder das „verstehen“, das ist ihm überlassen.)

Mit der Wiederholung der Frage würde Herr Gröhe nicht zu JA oder NEIN gezwungen, aber etwas genauer müsste er wohl doch antworten. (Natürlich könnte er auch bocken und sich entschließen: „Der bekommt von mir nie wieder ein Interview.“)

Dieses Risiko will offenbar kaum ein deutscher Journalist eingehen. Das ist schade. Die Medien nehmen zwar gern für sich in Anspruch, die 4. Macht im Staate zu sein, aber sie machen ihre Sache (noch) nicht gut genug. Gerade in Politikerinterviews wird das immer wieder deutlich.

Hartnäckiges Nachfragen, Antworten nicht akzeptieren, die keine Antworten sind, mögen den interviewten Politiker zunächst in Verlegenheit bringen, aber auch zum Nachdenken, zu mehr Klarheit anregen. Und damit würde ein ganz kleines Fitzelchen Vertrauen zurückkehren, das die Politiker so bitter nötig haben.

So wie hier, erfunden und beispielhaft, hätte das Interview laufen können:

„Herr Gröhe, verstehen Sie noch die Euro-Krise?“

Gröhe: „Ehrlich gesagt, das ist ein ganz schwieriges Thema. Auch für mich. Wir alle wissen, wie wir da hineingeraten sind. Wie wir da wieder rauskommen sollen, das versuchen wir gerade herauszufinden. Das ist nicht einfach, und wir machen uns die Sache nicht leicht. Aber ich bin überzeugt, wir finden die richtige Lösung.“

Ob das eine etwas ehrlichere Antwort gewesen wäre? Auf jeden Fall eine Antwort, die der Nachfrage eines hartnäckigen Journalisten zu verdanken gewesen wäre.

Alles Banane?

Alles Banane – soll heißen: alles egal. Vielleicht gibt es heute einen anderen flotten Spruch dafür, aber der Weg von „alles Banane“ zu „Bananenrepublik“ ist nicht weit.
Und weit weg sind Bananenrepubliken – das war mal das Gefühl – auch nicht mehr. Wir leben in einer. Wir leben in der Bananenrepublik Deutschland.

Es gibt offenbar Kreise, die heftig daran arbeiten, diese Bezeichnung zu rechtfertigen.
Da wäre ganz aktuell das neue Meldegesetz, das von sage und schreibe 27 Bundes-tagsabgeordneten „durchgewunken“ wurde, nachdem CSU- und FDP-Schlaumeier die Fassung der Bundesregierung sozusagen in ihr Gegenteil verkehrt hatten.

Nachdem alle aufgewacht sind, auch die Opposition, vor allem aber Datenschützer und Bürger, ist der Jammer groß, und die Regierung hofft, dass das Gesetz in seiner jetzigen Fassung im Bundesrat scheitert. Die Regierung setzt auf das Scheitern eines ihrer Gesetze! Das ist neu.

Immerhin: Hier gibt es Hoffnung. Die Bananenschale, auf der unsere Politiker ausgerutscht sind, wird wohl im nächsten Abfallbehälter landen.

Noch beunruhigender dürfte die Verfassungsschutzaffäre sein. Was Spiegel online und andere Medien berichten, lässt einem die Haare zu Berge stehen. Hier einige Aus-züge aus Spiegel online, 10. Juli 2012, 17:23 Uhr:

(Michael Lippert, von 1990 bis 1994 Staatssekretär im Thüringer Innenministerium und mit zuständig für den Aufbau des Landesamtes für Verfassungsschutz… Helmut Roewer, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz – LfV.)

Staatssekretär Lippert sagt: „Ich habe Roewer nicht die Ernennungsurkunde ins Jacket gesteckt.“ – „Ich habe mich nicht bemüht, Roewer einen Job zu besorgen“, tönte am Dienstag auch Franz Schuster (CDU), der damalige Innenminister von Thüringen. ‚Lippert und Schuster berufen sich als Zeugen auf Gedächtnislücken.’

Die Lücken sind so groß, dass keiner weiß, wie Helmut Roewer Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Thüringen wurde. Das Amt scheint vom Himmel gefallen zu sein wie im Märchen die Sterntaler.

Was sich wie ein Märchen liest, ist Wirklichkeit und hat einen Namen: Bananenrepublik.

Mittwoch, Juli 11, 2012

Heute machen wir es moderat

Diesmal also nicht so heftig, sondern ausgeglichen, eben moderat. Ob es gelingt?  Mal sehen.

Nee, ich merke schon: Es geht nicht. Da stimmt doch irgendetwas nicht. Da ist was nicht in Ordnung, einfach so von den Wörtern her.

Moderieren – darunter kann ich mir noch etwas vorstellen. Das ist – so sehe ich das – die Begleitung einer Funk- oder Fernsehsendung, die Führung durch diese Sendung.  Das ist nicht nur ein Kommentar. Das ist mehr, kann zumindest mehr sein und kann der Sendung die Würze verleihen.

Deshalb finde ich, dass der, der etwas moderiert – Frau oder Mann – eine ganz wichtige Person ist. Da wird auch aufgepasst, dass eine Sendung nicht über die Stränge schlägt, dass alles so bleibt, dass man sich hinterher noch in die Augen sehen und sich die Hand geben kann. Und die Zuhörer, die Zuschauer bekommen mit, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern viele Zwischentöne. Das Leben ist bunt.

So gut, wie ich mir unter moderieren etwas vorstellen kann – richtig oder falsch – so wenig kann ich etwas mit an- und abmoderieren anfangen.

„Das Letzte, was die Hörer/innen von Ihnen hören“, habe ich da vor ein paar Tagen gelesen. Ja, dachte ich, das ist das Letzte, und das wollen sie nicht hören. Ich habe mich geirrt; denn es geht weiter im Text:

„Jeder Beitrag und jede Sendung wir mit einer Abmoderation abgeschlossen, damit die Hörer/innen nicht plötzlich allein im Audiodschungel stehen und irritiert sind. Mit der Abmoderation wollen Sie die Hörer/innen informieren, welches Programm nun folgt und an die Sendung binden, Lust auf weitere Sendungen mit Ihnen machen.“

Das verstehe ich, und ich würde das genauso machen. Ich würde das nur nicht abmoderieren nennen, sondern überleiten, von einem Thema zu einem anderen führen.

Der Blödbegriff Anmoderieren ist fast noch schrecklicher als das Abmoderieren. Dabei geht es doch um etwas Wichtiges. Nicht einfach um eine Ankündigung – die steht ja schon in den Programmzeitschriften - es geht darum, auf die nächste Sendung neugierig zu machen, Hörer und Leser bei der Stange zu halten. Das, denke ich, ist in Ordnung.

Ich versuche das mal zusammenzufassen.

Wir sollten nicht aus jedem Furz einen Donnerschlag machen. Schon der kleine Gestank reicht. Können wir uns die Nase lange genug zuhalten?

Warum muss die Einführung in ein Thema eine Anmoderation sein? Warum die Überleitung in das nächste Thema eine Abmoderation? Von Moderatoren und Moderatorinnen ist oft genug die Rede, von An- und Abmoderatoren, männlich oder weiblich, habe ich noch nichts gehört. Also: Lassen wir doch diesen Unsinn.

Das wird auch höchste Zeit. Herr Steinmeier hat in diesen Tagen (01. 07. 2012) laut SPIEGEL ONLINE eine Volksabstimmung in Deutschland abmoderiert. Wahrschein-lich  meinte er „abgelehnt“.

Na ja, da hätten wir einiges, das wir abmoderieren könnten – und müssten.

Sonntag, Juli 08, 2012

Zwischen den Sprachen spazieren gehen

Klarer Fall: Englander und US-Amerikaner sprechen Englisch, Deutsche und Österreicher sprechen Deutsch. Naheliegend, aber falsch.

Die Sprache trennt die Amerikaner von den Engländern genauso wie die Österreicher von den Deutschen.

Was für den Amerikaner ein elevator ist, ist für den Engländer ein lift. Unter truck versteht der Amerikaner das, was der Engländer mit lorry bezeichnet. Cookies heißen in England biscuits, und Bonbons nennen die Amerikaner candy, die Engländer sweets. Und so geht das munter weiter.

Zwischen den Österreichern und den Deutschen geht es ähnlich zu. Was der Österreicher Abfertigung nennt, bezeichnet der Deutsche als Abfindung. Der Gugelhupf heißt in Deutschland Napfkuchen, und der Paradeiser wird in Deutschland ganz profan Tomate genannt. Blumenkohl ist für ein Gemüse sicherlich ein netter Name,  schon romantisch. Aber was ist das gegen den österreichischen Namen Karfiol?  Sollte es mal zu Missverständnissen kommen, sind die normalerweise von leichterer Natur. Macht es nicht Spaß, zwischen den Sprachen spazieren zu gehen?

Die gefälschte Welt

In welcher Welt leben wir? Dumme Frage. Natürlich leben wir in unserer Welt. Morgens, wenn wir aufwachen, stehen wir auf. Wir waschen uns, wir ziehen uns an, wir frühstücken, wir gehen zur Arbeit. (Ist heute ein bisschen anders, stimmt aber immer noch.)

Und dann kommen wir von der Arbeit zurück, kommen nach Hause. Da geht das Leben noch ein bisschen weiter, mal so und mal so, je nachdem. Allein? Zu zweit? Familie?

Wie auch immer. Alles ist irgendwie zum Anfassen. Alles ist ganz wirklich. Das Nachthemd, der Schlafanzug und der schrille Wecker in aller Herrgottsfrühe. Das ist unsere Welt. In der Zeitung würden sie schreiben: Das ist das Leben, das ist die Realität. Aber ist das wirklich so?

Vielleicht. Vielleicht ein bisschen. Aber ganz so einfach ist es heute nicht.

Sollte es möglicherweise zwei Wirklichkeiten geben, zwei Realitäten, zwei Welten, in denen wir uns einzurichten haben? Und wie kommen wir mit zwei Welten zurecht, wo uns doch schon eine Welt  ziemliche Schwierigkeiten macht? Fragen, aber erst mal keine Antworten. Das kennen wir ja schon.

Tatsächlich sieht es so aus, als gäbe es nicht nur eine, nicht nur zwei, sondern viele Wirklichkeiten. Das klingt verrückt. Aber wenn man den SPIEGEL ONLINE Text „GPS-Manipulation – Studenten kapern Drohne“ liest, dann ist das nicht mehr so abwegig.

Wie war das vorgestern oder gestern, als wir uns ins Auto setzten und überlegten, welchen Weg wir nehmen müssten, um an unser Ziel zu kommen? Wir benutzten eine Landkarte, einen Straßenatlas. Das war unsere Welt, und sie funktionierte, wenn auch ein bisschen umständlich.

Heute haben wir ein Navi, ein Navigationsgerät, das uns über das GPS, das Global Positioning Programm den Weg zeigt. Das ist unsere neue Welt, und sie funktioniert viel komfortabler. Aber ist sie auch genau so zuverlässig wie die Wirklichkeit, mit der wir groß geworden sind? Da sind Zweifel angebracht.

Mit den GPS-Signalen kann man nicht nur uns zu unseren Zielen lenken, sondern auch Drohnen, also unbemannten Flugzeuge, ihren Weg weisen. Damit komme ich zur zweiten Wirklichkeit.

Vor kurzem haben es Studenten der University of Texas in Austin nach einem Bericht von Fox News, einem US-TV-Sender, fertig gebracht, eine Drohne von ihrem vorprogrammierten Weg abzubringen.

Das wird natürlich zuallererst die Militärs beunruhigen. Aber es sollte uns alle beunruhigen. Es zeigt nämlich, dass wir der zweiten unserer Welten, der virtuellen Welt, nicht trauen können. Fahren wir nach dem Original-GPS oder nach dem manipulierten? Wir wissen es nicht. Unsere Welt wird gefälscht, und wir merken es nicht.

Zugegeben, das ist nicht neu. Die DDR hat Landkarten gedruckt, in denen so manches nicht vorkam. Aber diese Karten ließen sich ohne Schwierigkeiten mit der Wirklichkeit vergleichen. Es gab ja noch korrekte Landkarten und Straßenkarten.
Aber jetzt?

Wenn es hier ein Problem gibt, und es sieht ganz so aus, wie könnten wir es lösen?  Das wird nicht einfach sein, aber vielleicht geht es so:

Erster Schritt: Nicht alles glauben, was uns in unserer „zweiten“ Welt mitgeteilt wird. Zweiter Schritt: Fragen, fragen, fragen: Was steckt dahinter? Wer will was erreichen?  Dritter Schritt: Keine oberflächlichen Antworten akzeptieren, sondern noch mal nachfragen. Vierter Schritt: Den eigenen Standpunkt klären. Fünfter Schritt: Auch beim leisesten Zweifel gar nicht erst einsteigen, die Schotten dicht machen.

Noch einmal anders gesagt. Schon im sogenannten analogen Zeitalter war es ziemlich leicht, uns hinters Licht zu führen, uns zu belügen und zu Dummheiten zu verleiten. Damals half und der „gesunde Menschenverstand“ immer wieder mal weiter.

Aber wer von uns kennt sich im neuen digitalen Zeitalter aus? Nicht mal die Profis. Da nutzen die Militärs das GPS, um mit Drohnen – unbemannten Flugzeugen – ausgesuchte Feinde zu töten, und auf einmal kommen ein paar Studenten und programmieren die Drohnen um. Vielleicht töten die Drohen dann ihre Auftraggeber. Das wäre ja möglich.

So schrecklich das klingt, im privaten Bereich ist es nicht weniger schlimm. Natürlich klingt alles zunächst einleuchtend, bestechend, vorteilhaft, fortschrittlich. Die Drohnen könnten dafür eingesetzt werden, Luftbilder für Kartendienste aufzunehmen, man könnte sie für die Paketzustellung einsetzen und für alle anderen möglichen Dienste, mit denen wir ausspioniert werden können.

Und genau das ist der Punkt: Wir werden ausspioniert. Wir werden geröngt. Wir werden durchsichtig gemacht. Und als wenn das nicht schlimm genug wäre: Das alles lässt sich manipulieren, ohne dass wir es merken.

Schöne neue Welt!

Zum Wohl der Tiere


Wir setzen uns über die Natur hinweg. Und das wird uns noch irgendwann das Genick brechen. Lange dauert das vielleicht nicht mehr.

Wie ist das nur möglich? Wir haben doch den Tierschutz vor 10 Jahren im Grundgesetz verankert – wie das so schön heißt. Und?

Den Schweinen und ihren Ferkeln, den Kühen und ihren Kälbern, den Hühnern und den Puten und ihren Küken, geht es so schlecht wie den Juden und anderen Unter-
menschen im „Dritten Reich“; sie verenden im KZ.

„Zeit zum Wachsen und Platz für Entfaltung ist für die industrielle Landwirtschaft zu teuer“. (dradio.de 16. 05. 2012 . 18:40 Uhr)

In Deutschland werden immer noch über vier Millionen Legehennen in Käfigen gehalten, mehr als 30 Millionen männliche Küken werden direkt nach dem Schlüpfen getötet, jährlich werden rund 20 Millionen Ferkel ohne Betäubung kastriert. 600  Millionen Masthühner leben eingezwängt in dunklen, schlecht belüfteten Zuchtanlagen.

Nein, ich kann das alles hier nicht notieren, was dradio.de zutage gebracht hat. Ich werde das Manuskript aufheben.

Und da erscheint dann in der SPIEGEL Ausgabe 20/14. 5. 12 (vermutlich nicht nur dort) die Anzeige „Gestatten, Rainer Wendt. Einer von 6.457 Geflügelhaltern in Deutschland.“ Da heißt es unter anderem: „Für uns ist der verantwortungsvolle Umgang mit Hähnchen und Puten oberstes Gesetz.“ „Achten Sie auf die deutsche Herkunft! Schlupf Aufzucht Verarbeitung.“  Und so geht das weiter. (30 Millionen Hähnchenküken werden direkt nach dem Schlüpfen getötet.) Wo ist da der verantwortungsvolle Umgang? Eine Lüge reiht sich an die andere, bis zum Schluss: „Wo Verantwortung Qualität erzeugt“.

Ich sage es nicht gern, aber es ist zum Kotzen. Welche Verantwortung erzeugt welche Qualität? Nicht einmal das Leichenfleisch dieser Hühnchen, Putchen, Schweinchen hat etwas, das wir mit Qualität bezeichnen können. Im Gegenteil.
Was den Tieren an Antibiotika hineingepumpt wurde, macht uns genau dann hilflos, wenn wir dringend Hilfe brauchen: Die Antibiotika, die uns die Ärzte verschreiben,
helfen nicht mehr. Die industrielle Tierproduktion hat uns ihre Wirkung  immuni-siert.

Gesegnete Mahlzeit!