Samstag, August 29, 2015

Antwort auf "die" Flüchtlingsfrage

Von „überall“ her sind Flüchtlinge auf dem Weg zu uns. Die einen flüchten vor Krieg und Mord, die anderen vor Armut, die keine Hoffnung zulässt.

Natürlich gibt es da einen Unterschied. Vor Mord und Totschlag zu fliehen, ist schon etwas anderes als der Wunsch, einer grenzenlosen Armut zu entkommen. Aber berechtigt uns das, diesen Unterschied zu akzeptieren?

Auf den ersten Blick mag das so aussehen. Aber manchmal genügt der erste Blick nicht, ist zu flüchtig, um zu einem vernünftigen Urteil zu kommen. Deshalb schauen wir einmal  genauer hin. Und was entdecken wir da?

Wir würden es genau so machen wie die „Armutsflüchtlinge“. Wenn wir nicht wüssten, wie wir unsere Kinder satt kriegen sollen, wie wir sie kleiden sollen, wie sie lesen und schreiben lernen sollen – wenn wir nur eins wüssten: sie haben keine Zukunft – von uns selbst ganz zu schweigen – was würden wir dann tun? Wir würden uns auf den Weg machen wie die, die zu uns kommen.

Wollen wir, dass wir einmal so behandelt werden?
28. 08. 2015

Mittwoch, August 26, 2015

Die falsche Reihenfolge

Ich muss noch einmal auf dieses Problem zurückkommen: „Die Politik“ spricht zuerst von Bereicherung, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht. Weltfremd, wie sie so häufig ist, kommt ihr nicht in den Sinn, dass vor der Bereicherung erst einmal die Unsicherheit kommt, die Befürchtung, die Furcht.

Dabei kennen wir das doch alle. War es nicht so, neulich bei uns? Nebenan ziehen neue Leute ein. Die müssen wir uns erst einmal genauer ansehen. Hoffentlich passen sie zu uns. Also, so richtig sympathisch sehen die nicht gerade aus. Auf jeden Fall: Erst mal Abstand halten. 

So verhalten wir uns  - die Deutschen, die Polen, die Franzosen, die Italiener, einfach alle. Dass die neuen Nachbarn vielleicht viel netter sein können als die alten, darauf kommen wir gar nicht. Das ist ziemlich dumm, aber die Regel.

Und genau gegen diese Regel verstoßen unsere Politiker zurzeit. Sie zäumen das Pferd vom Schwanz auf. Sie sprechen von Bereicherung und vergessen die Befürchtung, die vor der Bereicherung kommt. Die stellt sich erst dann ein, wenn man sich kennengelernt hat, sofern sich alle darum bemühen. Darauf kommt es an.
26. 08. 2015

Dienstag, August 25, 2015

Denn sie wissen nicht, wovon sie reden

Von „überall“ kommen sie zu uns – auf der Flucht vor Krieg, vor Gewalt, vor Armut. Sie suchen Sicherheit, Arbeit, ein menschenwürdiges Leben. Und sie hoffen, es bei uns in Deutschland zu finden. Sie alle wissen wovon sie reden. Nur wir scheinen es nicht zu wissen, wollen es vielleicht auch gar nicht -  wie unsere Politiker, die nicht klüger sind als wir, aber so tun als ob.

Ich bleibe mal bei den Politikern und dem, was sie sagen. Schließlich legen sie großen Wert darauf, dass wir erfahren, was sie denken. Hier einige „Kostproben“:

„De Maizière warnt vor wachsendem Hass. Der Bundesminister verurteilt wie andere Politiker die rechtsradikalen Krawalle im sächsischen Heidenau. Vizekanzler Gabriel sieht Bund gefordert.“ Na und? Was heißt das? Erst mal gar nichts.

Bundesjustizminister Heiko Mass: „Wir dürfen niemals tolerieren, dass Menschen in unserem Land bedroht oder angegriffen werden.“ Na und? Das war doch immer wieder so und setzt sich fort.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU): „Bei Fremdenfeindlichkeit gilt in Sachsen null Toleranz.“ Zumindest ein Selbstbetrug und der Versuch, uns für dumm zu verkaufen.  (Quelle: Hamburger Abendblatt 24. 08. 2015)

„Merkel verurteilt Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte“ (SPIEGEL ONLINE  24. August 2015). Alles andere wäre auch nicht zu verstehen.  Eine Selbstver-ständlichkeit also – und doch eine Meldung wert?

„Merkel schweigt“. Eine Flüchtlingsunterkunft soll sie noch nicht besucht haben. Na und? Das würde ja auch nichts ändern.

Zusammengefasst: Die Empörung ist groß. Die Drohungen sind gewaltig. Getan wird so gut wie nichts, und wenn, dann zu spät. Das Schweigen der Frau Merkel spricht Bände: Alles schrecklich, aber doch nicht kanzlerinnenwichtig. Mag sein, dass der Dame das alles noch um die Ohren fliegt. Aber Schadenfreude ist dann nicht angesagt. Dann sitzen wir alle in der Tinte.

Irgendetwas ist schief gelaufen und läuft immer noch schief, und niemand scheint bereit zu sein, die Sache wieder ins Lot zu stellen, schlicht und einfach gerade.

Es war und ist leichtfertig, die Flüchtlinge als Bereicherung zu bezeichnen. Das ist Wunschdenken. So färbt man sich eine graue Welt bunt.

Flüchtlinge als Bereicherung? Das ist doch Unsinn! Wer will mir das einreden? Die stellen Ansprüche, und ich soll dafür bezahlen?  Nein, danke. Diese Ansicht, diese Einstellung ist nicht neu. Es gab sie schon immer und überall. In Deutschland zuletzt in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.

„Die zwölf Millionen aus dem Osten“ waren alles andere als willkommen – von Ausnahmen abgesehen. Bereicherung? Die fressen uns die Haare vom Kopf. Jeder Polacke war Gutsbesitzer usw. usw.  Meine Mutter musste betteln gehen, um uns drei Kinder satt zu bekommen. Das gelang nicht immer. So war das damals.  Und heute?

Natürlich waren „Die zwölf Millionen aus dem Osten“ eine Bereicherung. Das hat sich aber erst später herausgestellt. Zuerst machten sie Angst.

Und so ist das heute. Die Flüchtlinge machen Angst. Und wenn dann die Politik von Bereicherung spricht, dann spuckt man Gift und Galle. Wollen wir das den Verängstigten übelnehmen?

Warum ist „die Politik“ zu feige, um die Dinge beim Namen zu nennen? Warum spricht sie nicht erst von den Sorgen und Befürchtungen und erst dann von dem Lohn, der winkt?
24. 08. 2015

Gedankenflüge. Eine windige Sache, die gar nicht so windig ist..

Ja, Gedankenflüge und nicht nur Gedankensprünge. Wie schön! Endlich keine meiner tagtäglichen Meckereien, sondern etwas, das Freude macht und das Herz höher schlagen lässt – angestiftet durch die furztrockene Hamburger Abendblatt-Zeile „Schiffe sparen mit SkySails Energie“. (24. 08. 2015)

Als ich diese Zeile las, hatte ich auf einmal den Uraltschlager im Ohr, den heute niemand mehr kennt: „Sail along silvery moon“.  Das war der Hit 1958, Billy Vaughn’s greatest hit ever. Da sieht man mal, dass der Kopf nicht nur denkt, sondern auch fühlt.

Aber nun zurück von Billy Vaughn 1958 zu Stephan Wrage, Chef von SkySails, 2015 – nach sage und schreibe 57 Jahren.

Heute geht es um ein Unternehmen, das mit seinen „Zugdrachen“, mit seinen Windsegeln, bewiesen hat, dass mit so eingefangener Windenergie viel Treibstoff, viel Geld eingespart werden kann. Von anderen noch wichtigeren Vorteilen will ich hier nicht reden, obwohl es sich lohnte.

Ein wirtschaftlicher Erfolg ist dieses Konzept für SkySails (noch) nicht. Umso erfolgreicher ist das Unternehmen mit einer Software, die im Zusammenhang mit der Entwicklung der Windsegel entstanden ist. Dabei geht es darum,  Energiever-brauch und Kosten von Schiffen zu überwachen und zu verbessern.

Und weil SkySails ohne Frage noch weiter hinaus will, beschäftigt sich das Unternehmen mit Systemen, mit denen sich Windenergie in großen Höhen von 500 bis 800 Metern gewinnen lässt. Da weht der Wind beständiger.

Billy Vaughn’s „Sail along Silvery Moon“ hat mit SkySails nichts zu tun? Das soll mir erst mal jemand beweisen. (24. 08. 2015)
 

Sonntag, August 23, 2015

Kollektives Gedächtnis

Ich habe ein ausgesprochen schlechtes Gedächtnis. Das macht mir manchmal Schwierigkeiten. Und nicht nur mir. Mit dieser Schwäche müssen auch meine „Mitmenschen“ fertig werden. Bestimmt hat sich schon mancher gefragt: „Hat er das vergessen oder will er das vergessen?“ Ich weiß darauf im Augenblick keine vernünftige Antwort zu geben. Also lasse ich das.

Aber vielleicht hilft mir da meine Unvernunft, mein Unwissen, weiter. Ich bin da nämlich heute auf ein Gedächnis gestoßen, das gar nicht meins allein ist, sondern allen gehört: das Kollektive Gedächtnis. Das kannte ich noch gar nícht, und – ehrlich gesagt – fragte ich mich. Gibt es das überhaupt?

Ich will die Sache kurz machen – aus meiner Sicht: Es gibt kein Kollektives Gedächt-nis. Was so dargestellt wird, ist ein Kunstprodukt, eine Erfindung.

Habe ich recht? Ja und  nein. Es gibt so Allgemeines wie „die Deutschen“, die „Russen“, „die Italiener“, die „Franzosen“ usw. Aber das hat nichts mit dem Gedächtnis zu tun, sondern mit Vorurteilen. Ich glaube, Kollektive Gedächtnisse sollen uns eingeredet werden. Damit werden sie Beurteilungen, zu Urteilen und womöglich zu einem Kollekiven Gedächtnis. Misstrauen ist angesagt. Mein Gedächtnis ist zwar schwach, aber bestimmt nicht kollektiv. 22. 08. 2015

Gratisgeschenk

Der Versandhändler Witt Weiden verspricht für meine erste Bestellung ein Gratis-Geschenk. Das klingt natürlich gut. Aber sind Geschenke nicht immer gratis? Seit wann muss für Geschenke etwas gezahlt werden? Klar, Geschenke können auch verpflichten, zu Dank zumindest. Aber darüber zu schreiben, würde hier zu weit führen.

Ein Gratis-Geschenk ist für mich ein weißer Schimmel, einr schwarzer Rappe. Leider werde ich nicht erfahren, wer auf solchen Unsinn hereinfällt. Natürlich könnte ich mir jetzt wünschen: niemand!  Aber das wäre gemein; denn das würde das Ende der Versandhandelsfirma Witt Weiden bedeuten.

Samstag, August 22, 2015

Das Schlimmste ist der Geheimnisverrat

Jeder Mensch hat seine Geheimnisse, hält etwas verborgen, von dem niemand etwas erfahren soll. Das klingt fast so, als sollte man das nicht tun. Aber das sieht nur auf den ersten Blick so aus. Es ist notwendig. Wir brauchen unsere Geheimnisse. Hätten wir sie nicht, wären wir allen und jedem ausgeliefert. Deshalb sollten wir uns davor hüten, alles, was wir denken und fühlen, vor allen Menschen auszubreiten. Das geht die anderen einfach nichts an.

Meine sexuellen Phantasien sind meine Sache. Ob ich meine Frau betrüge, ist meine Sache. Wie ich zu diesem und jenem und allem anderen stehe, ist auch meine Sache. Es ist meine Sache, wie ich mich in meinen Geheimnissen einrichte. Auf jeden Fall: Ich will nicht vor der ganzen Welt nackt dastehen. Ich habe ein Recht darauf, meine Geheimnisse zu haben. Genau das wird jetzt infrage gestellt. Hier wird etwas diktiert, das ich mir nicht diktieren lassen will.

Zitat aus einem SPIEGEL-Gespräch 8/2015: „Diktaturen arbeiten immer zuerst mit der Abschaffung von Privatheit und des Geheimen und Verborgenen. Denn nur so lassen sich Menschen effektiv kontrollieren. Google und Co. arbeiten auch an der Abschaffung des Privaten.“

Wenn jeder alles über mich weiß, dann habe ich keine Kontrolle mehr über mich. Dann kann jeder mit mir machen, was er will. Ob ich will oder nicht. 

Deshalb in diesem Punkt zurück von digi(tal) zu ana(log). Hüten wir unsere Geheimnisse. Bleiben wir Mensch. Werden wir nicht zum Teilchen von Bigdata.

(Das SPIEGEL-Gespräch mit Harald Welzer ist hier sehr verkürzt dargestellt, auf den Punkt gebracht worden. Aber ich glaube, das Wesentliche ist gesagt.) 19. 08. 2015)

Mittwoch, August 19, 2015

Was nichts kostet, ist auch nichts wert

Das klingt blöd, ist aber so. Jedenfalls wird das so gesehen. Und so benehmen wir uns auch. Unsere Erde – warum nennen wir sie eigentlich immer Umwelt – ist ein Geschenk. Wir haben nichts dafür getan. Deshalb fällt es uns so schwer, ihren Wert zu erkennen. Und deshalb brauchten wir Nachhilfeunterricht. So entstand der Emissionsrechtehandel.

Das Prinzip ist einfach. Der Staat legt eine Obergrenze für CO2-Emissionen fest. Wer CO2 ausstößt, braucht dafür eine Berechtigung, ein Zertifikat. Diese Zertifikate müssen ersteigert, also bezahlt werden.

Das ist eine gute Idee, weil jeder zwei Möglichkeiten hat: Zertifikate kaufen, was Geld kostet oder in die Vermeidung von Umweltvergiftung investieren, was günstiger sein dürfte.

Leider zeigt diese kluge Überlegung (noch) nicht die gewünschte Wirkung, weil die Politik die Zertifikate zu billig gemacht hat. Ein Fehler, den man beheben könnte. Man muss es nur wollen.

Kürzlich ist ein kluger Kopf, Lüder Gerken, Vorsitzender der Stiftung Ordnungs-politik und des Centrums für Europäische Politik in Freiburg darauf gekommen, dieses Prinzip nicht nur auf die Industrie, sondern auch auf die Autofahrer anzuwenden.

Er hält die jetzigen klimapolitischen Vorschriften für Autos für dümmlich. Für PKW-Motoren gelten Emissionsobergrenzen pro Kilometer. „Das ist ziemlich ineffizient.“ Es kommt nicht auf die Emissionen pro Kilometer an, sondern auf die gefahrenen Kilometer. Es macht einen Unterschied, ob ein Auto 1.000 oder 200.000 Kilometer im Jahr zurücklegt.

Die Lösung des Problems: Man kauft an der Tankstelle nicht nur Kraftstoff, sondern auch Zertifikate. Wer mehr fährt, muss auch mehr Zertifikate kaufen. Eine kluge Idee eines klugen Kopfes. Das Dumme ist nur: „Leider sehen die jüngsten Reformvorschläge der EU-Kommission dies nicht vor.“ So der Schlussatz des Hamburger Abendblatt-Artikel (Juli/August 2015)

Hin- und hergerissen

Am 3. August brachte SPIEGEL ONLINE einen Beitrag mit dem Titel „Uno will bis 2030 Armut und Hunger besiegen“

„Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben sich auf neue Entwicklungsziele für das Jahr 2030 verständigt. Die Delegierten aus 193 Ländern beschlossen in New York einen etwa 30-seitigen Aktionsplan…

Die wichtigsten Punkte:

Hunger und Armut sollen überall auf der Welt beseitigt werden. Armut betrifft derzeit ein Milliarde Menschen, die mit weniger als 1,25 Dollar pro Tag auskommen müssen. Die meisten von ihnen leben in Afrika und in Asien.

Zudem soll das Wasserproblem gelöst und allen Menschen Zugang zu sauberem Wasser und einer vernünftigen Toilette garantiert werden.

Überall auf der Erde sollen Jungen und Mädchen eine kostenlose Grundschulbildung erhalten.

Eine Benachteiligung von Frauen und Mädchen soll es nicht mehr geben.

Jeder Mensch soll Zugang zu verlässlicher, umweltschonender Energie bekommen.

Die Ozean sollen umsichtig genutzt und das Klima geschützt werden.

Es soll eine weiter Industrialisierung, aber in ‚nachhaltiger’ Form geben.

Die Ziele sollen ab dem 1. Januar 2016 gelten. Ihre Umsetzung ist freiwillig und jeder Staat entscheidet selbst über die Maßnahmen…“

Das alles klingt zu schön, um wahr zu werden; denn das kleine Wörtchen freiwillig lässt befürchten, dass das Meiste ein schöner Traum bleiben wird.

Trotzdem bleibt ein Fünkchen Hoffnung, aber nur ein Fünkchen. 2000 hatten Politiker aus aller Welt die „Millenium Development Goals“ verabschiedet. Innerhalb von 15 Jahren sollte die Zahl der Hungernden halbiert werden, jedes Kind eine Grundschulbildung bekommen, die Kindersterblichkeit um zwei Drittel gesenkt und Frauen und Mädchen gleichberechtigt werden.

Die Ergebnisse? Die Zahl der Menschen, die am Tag mit 1,25 Dollar auskommen müssen hat sich der Uno zufolge in den letzten 25 Jahren mehr als halbiert. Die Kindersterblichkeit fiel ebenfalls um etwas mehr als die Hälfte – angestrebtt waren zwei Drittel… Die Müttersterblichkeit sank um 45 Prozent. Bessere Prävention und Betreuung hätten den Tod von 6,2 Millionen Menschen durch Malaria und 37 Millionen durch Tuberkulose verhindert. Auch bei der Beteiligung von Mädchen und Frauen seien ‚dramatische’ Fortschritte gemacht worden.“

Es hat also Fortschritte gegeben. Dürfen wir deshalb zuversichtlich sein? Der Unterschied zwischen gutem Willen und guter Tat ist zu groß. Vieles, was als Erfolg gemeldet wird, ist nicht nachzuprüfen, sieht oft nach Schönfärberei aus.

Wie berechtigt dieser Vorbehalt ist, sagt klipp und klar ein Warnung des WWF. „WWF warnt: Die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse. Für dieses Jahr (2015) sind die natürlichen Ressourcen aufgebraucht. Bis Jahresende betreiben wir Raubbau. (Quelle: Hamburger Abendblatt)

Entmutigend auch der Hamburger Abendblatt-Artikel „Atomüll-Endlagerung erst 2100“ vom 13. August. Das Abendblatt berichtet von einem Gespräch mit Barbara Hendricks, Bundesumweltministerin. Die Dame ist die Ruhe selbst. Síe hat sich offensichtlich damit abgefunden, dass alles seine Zeit braucht – nicht für die praktischen Dinge, sondern für die Verwaltung, die Planung, die Nocheinmalplanung, die Einwände, die Bedenken, die Widerstände der Industrie und ihrer Helfer in der Politik. Wie schnell waren wir beim Aufbau der Atomkraftwerke, der Atom-wirtschaft. Und jetzt: ein Bremsweg ohne Ende.

Aber worüber rege ich mich auf? Bis zum Jahr 2100 sind es ja nur 85 Jahre. Ein Nichts gegen die Jahrhunderte, die uns unsere atomare Hinterlassenschaft noch anstrahlen wird.

Hier große Ziele, dort kleine Fortschritte. Und wo Ungeduld angebracht wäre, eine Engelsgeduld. So ist man hin- und hergerissen.
18. 08. 2015

Dienstag, August 18, 2015

So schön, so hässlich, so schöngefärbt

Wie oft habe ich mich schon über die Faulheit, die Wortarmut vieler Journalisten beklagt, zu recht wie ich finde, und es wird wohl auch so weitergehen. Umso erfreulicher, wenn uns jemand mit Sprachwitz begegnet. Da schreibt doch Jens Meyer-Wellmann im Hamburger Abendblatt von 30. Juni 2015: „Dass der Senat in Sachen  Hygieneampel weiterhin energisch auf der Stelle tritt…“ Diese Formulierung muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – energisch auf der Stelle treten. Bravo!

Woanders – ich weiß nicht mehr wo – brabbelte ein Politiker von einer vollumfänglichen Aussage, die er erwartete. Vollumfänglich! Mich graust es. Immer wieder dieses aufgeblähte Deutsch. Vollständige Aussage hätte doch genügt.

Schnell noch zur Schönfärberei. Im Zusammenhang mit der AfD, der Partei, die wohl kaum noch eine Partei ist, war von national-konservativ die Rede. Ach ja? Nationalistisch hätte die Sache sicherlich besser getroffen. Am besten sollten wir hier die Schreibweise ändern in nazi-onalistisch. Das würde den Nagel auf den Kopf treffen. Auf jeden fall liest es sich so gemein, wie es  auch ist. Frage: Schon mal was von international-konservativ gelesen? Na bitte! 18. 08. 2015


Ruhestörung

Irgendwie hat wohl jeder von uns herausgefunden, wie er zur Ruhe kommt, vor allen Dingen nachts. Schließlich geht nichts über einen erholsamen Schlaf. (OK, gelegentlich geht es auch noch um etwas Anderes. Aber das ist, wie gesagt, eine andere Sache.)

Hier geht es darum, wie man richtig schläft. Das ist offenbar gar nicht so einfach wie sich ins Bett legen, die Augen zumachen und einschlafen. Ein Beitrag in der Wochenendausgabe vom 15./16. August des Hamburger Abendblatts öffnet da die traumverlorenen Augen und zeigt uns, wie wir unser Schlafzimmer einzurichten haben. Das ist nicht so einfach, wie ich bisher angenommen habe.

Sicherheit und Ruhe soll mein Schlafzimmer ausstrahlen. OK. Der Raum soll so gelegen sein, dass Lärm und Gerüche nicht belästigend wirken können.  Auch in Ordnung. Das mit der Ruhe war allerdings schon gesagt.

Yin-Himmelsrichtungen sollen ganz besonders wichtig sein. Das sind Nordwest, Nord und Nordost.

Die Decke nicht zu hoch und nicht zu niedrig.  Leider fehlen hier die genauen An-gaben. Keine Balken und Schrägen. Warum, wird nicht gesagt. Nicht mit dem Kopf zur Wand schlafen, wenn sich auf der anderen Seite die Küche oder das Bad befindet. Der Keller ist völlig ungeeignet, da man sich sozusagen schon unter Erde, also im Grab befindet. Unter dem Dach? Auch nicht ohne Probleme.

Schwierigkeiten ohne Ende. Zur Ruhe wird da niemand kommen. So gesehen, ist das Versprechen „So kommt man zur Ruhe“ eine faustdicke Lüge.

Zum Schluss und nur spaßeshalber ein Auszug aus Google:

„Im Westen ist durch die Vermischung einiger traditioneller chinesischer Feng Shui-Grundideen mit Vorstellungen der New Age- und Esoterik-Bewegung ein neues System entstanden, das Feng Shui vorwiegend als Methode zur Harmonisierung von Wohnräumen anwendet. Die in China übliche Praxis, Feng Shui bereits bei der Planung von Bauobjekten zu berücksichtigen, findet im Westen nur vereinzelt Anwendung. Das im Westen praktizierte Neo-Feng-Shui-System hat seinen Ursprung bei der von Lin Yun 1986 in Kalifornien gegründeten „Church of Black (Hat) Sect Tantric Buddhism“.“

Gehässige Nachbemerkung: Mir will doch niemand weismachen, dass es in China üblich ist, Feng Shui bereits bei der Planung von Bauprojekten zu berücksichtigen. Wenn schon mein kleines Schlafzimmer ein unlösbares Problem ist – wie soll das bei den Wohnwolkenkratzern in Chinas Millionenmetropolen funktionieren?
17. 08. 2015

Ansichtssachen

Die eine einzige Wahrheit scheint es nicht zu geben. Oder soll ich gleich schreiben: es gibt sie nicht. Ganz offensichtlich ist, dass ein-und-dieselbe Sache ganz unterschiedlich gesehen werden kann. Es kommt auf den Blickwinkel an, den Standpunkt, von dem aus man das Thema betrachtet. Die beiden Schreiberinnen Silke Burmester ( chrismon 07. 2015) und Amelie Fried (Cicero No. 2 Februar 2015) haben mir das vor Augen geführt, ganz unabhängig voneinander. Sie sehen das Thema Political Correctniss sehr unterschiedlich – gegensätzlich.

Silke Burmester bezweifelt, dass es überall politisch korrekt zugehen muss. Darf man „Du fette Kuh sagen?“ fragt sie, und sie sagt ja, allerdings nur im Selbstgespräch. Aber: „eine dicke Frau“, das sagt und schreibt man nicht mehr. „Man nennt die Dinge nicht mehr beim Namen. Dick ist ‚übergewichtig’, hässlich ist ‚nicht von Vorteil’, jemand, der behindert ist, hat ‚besondere Fähigkeiten’.“ – „Wir sprechen nicht mehr aus, was nicht erwünscht ist“, schreibt Frau Burmester und fährt fort: „Und dennoch ist es Konsens, nicht mehr ‚Negerkuss’ oder ‚Mohrenkopf’ zu sagen. Sondern ‚Schaumkuss’. Aber wer hat diesen Konsens erfunden?“

Hier irrt sich Silke Burmester. Es gibt diesen Konsens nicht. Ich werde weiter Negerkuss und Mohrenkopf, Zigeunerschnitzel sagen – vom  „Zigeunerbaron mal ganz abgesehen.  Aber sonst sehe ich die Sache so wie Silke Burmester.

Amelie Fried ist da anderer Ansicht. Ihre Betrachtung „… ob Ampelmädchen mehr Geschlechtergerechtigkeit bringen“ beginnt sie ähnlich wie Silke Burmester und ich die Sache sehen. Von geschlechtsneutralen Bezeichnungen wie Professx (Lann Hornscheidt , Humboldt-Universität Berlin) hält sie nichts. „Auch ich habe keine Lust, anstrengende politisch korrekte Sprachschöpfungen wie ‚Bürger_innensteig’, ‚Menschin’ oder ‚jedermann und jedefrau’ zu verwenden oder auf Veranstaltungen die ‚Gäste und Gästinnen’ zu begrüßen.“

Einverstanden, Frau Fried, nicht aber mit dem Ausflug ins Polemische. Verstecken sich in Medien und sozialen Netzwerken wirklich Männer, die alles beim Alten lassen wollen? Also: Silke Burmester ist bestimmt kein Mann! Mit dem neuen Unfug wie Professx kann sie nichts anfangen.

Bitte, was ist an Bezeichnungen wie „Studierende“, „Lehrende“, „Teilnehmende“ geschlechtsneutral?

Studierende sind Studenten. Das sind manchmal Frauen, manchmal Männer. Lehrende sind Lehrer, mal weiblich, mal männlich. Wo ist der Unterschied? Frau Fried meint, diese Wattebegriffe (siehe Silke Burmester) schärften unser Be-wusstsein. Das halte ich für eine kühne Behauptung.

Was machen wir nun? Aufeinander eindreschen? Das haben wir ja auch schon bei vielen anderen Themen – bringt offenbar nichts. Es bleibt wohl nichts anderes übrig, als sich mit anderen Meinungen, mit anderen Ansichten abzufinden. Das geht ja auch friedlich. Abgesehen davon: Wenn Silke Burmester Amelie Friedmann eine blöde Kuh nennt (was sie natürlich nicht getan hat) und Amelie zurückblökt „ alberne Zicke!“, dann ändert sich gar nichts. Aber manchmal müssen wir einfach Dampf ablassen.
17. 08. 2015

Frau Fried schreibt im falschen Blatt

Amelie Fried: „Für Cicero schreibt sie über Männer, Frauen und was das Leben sonst an Fragen aufwirft.“ So kommentiert die Zeitschrift Cicero ihre Autorin.

In No 7, Juli-Ausgabe 2015,  befasst sich Frau Fried mit der Frage „…woher die Demokratiefaulheit kommt“. Alles genau beobachtet, alles genau beschrieben, bis zur letzten Zeile stimmt alles: „Gerade die, die sich abgehängt fühlen, müssten massenhaft zur Wahl gehen. Denn wenn bloß die Wohlsituierten und Gebildeten wählen, wird auf die Dauer nur noch Politik für Wohlsituierte unmd Gebildete gemacht. Also für Cicero-Leser. Das hätte am Ende mit echter Demokratie nicht mehr viel zu tun.“ Wie wahr, Frau Fried!

Das Dumme ist nur: Die „Abgehängten“  sind eher BILD-Leser und keine Cicero-Elite. Also, liebe Frau Friedmann, wohin gehört Ihr Beitrag? In die BILD-Zeitung, als Fortsetzungsgeschichte, bis es bei den „abgehängten“ Nichtwählern richtig klickt.

BILD ist nicht interessiert? Kann eigentlich nicht sein. Oder ist da irgendetwas faul? Ist BILD etwa gar nicht das Sprachrohr der Sprachlosen, sondern, nur so eine populäre Super-Millionen-Ausgabe von Cicero. Man kommt heute ja auf die verrücktesten Gedanken.

Amelie Fried für BILD! Darauf kommt es jetzt an.
17. 08. 2015

Sonntag, August 09, 2015

Koch und Kellner

Die Rollenverteilung ist klar: Was der eine kocht, muss der andere servieren. So verstand Gerhard Schröder als Bundeskanzler sein Verhältnis zu seinem Vize Joschka Fischer. Das klang lustig, war aber  ernst gemeint. Es war die Wirklichkeit.

Wenn wir fünfe gerade sein lassen, ist das eine harmlose Geschichte. Da haben sich zwei Politiker arrangiert. Es bleibt sozusagen in der Familie. Eine kleine Szene auf der Politbühne, nicht mehr.

Anders ist es, wenn Koch und Kellner die wirklich große Bühne betreten. Die nächste Show wird gerade vorbereitet, die Wahl des nächsten US-Präsidenten. Ist sie so wichtig, dass man sich Gedanken darüber machen muss? 

Na ja. Die USA gelten vielen immer noch als demokratisches Vorbild weltweit, obgleich es nicht immer sehr weit damit her ist. Wirklich ein Vorbild? 

Zweifel sind mehr als berechtigt. Von Vorbild kann nicht die Rede sein, schon lange nicht mehr. Schon bei der Auswahl des Kochs, der in Wirklichkeit der Kellner sein wird, zeigt sich, dass Geld die Welt regiert und nicht der gute Wille.

Der Präsident der USA wird im Allgemeinen als Koch dargestellt, sieht sich selbst vielleicht auch so. Tatsächlich ist er der Kellner, der auftischen muss, was in der Küche angerichtet wird. Und wer steht in der Küche?

Da haben wir zurzeit den Milliardär Trump und die Koch-Industries*-Brüder Charles G. Koch und David H. Koch, ebenfalls Milliardäre Sie sind bereit, Milliarden in den Wahlkampf um die nächste US-Präsidentschaft zu stecken, und sie werden es tun. Sie vertreten den Kapitalismus in seiner bösesten menschenverachtenden Form und machen kein Hehl daraus. Das Ganze würzen sie nicht zu knapp mit übelstem Rassismus. Ihre Küchenjungen sind die Teaparty-Leute. Ein vielversprechendes Team. Ein Team, das man fürchten muss, weil es so tückisch vorgeht – einerseits ganz ungeniert öffentlich, andererseits in der Finsternis des Lobbyismus so gut wie unsichtbar.

Sobald sie ihren Kellner, ihren Präsidentschaftskandidaten, zum Koch ernannt haben, und der Präsident den Bürgern serviert, was sie angerichtet haben, verschwinden sie aus der Küche und setzen sich an die Tische, um das Ergebnis ihrer Arbeit zu genießen. Sie werden darauf achten, dass ihr als Koch verkleideter Kellner ihre Erwartungen erfüllt.

Ist das wirklich Demokratie? Und wie sieht es bei uns in Deutschland aus? Genauso? Ich glaube, nicht. Auch bei uns werden Unsummen ausgegeben, um die Interessen bestimmter Gruppen durchzusetzen, Gelder, die hauptsächlich von Unternehmern, Unternehmen, Interessenverbänden gespendet werden. Auch hier geht es vor allem darum, vorhandenen Reichtum zu fördern, dem Kapital sein vermeintliches Recht zu sichern und sonst nur das Allernotwendigste zu tun.

Vorbildliches ist im Augenblick nirgendwo zu sehen. Brauchen wir überhaupt Vorbilder? Demokratie ist in Europa doch kein Fremdwort. Vielleicht sollten wir uns auf uns selbst besinnen, auf unsere Ideen von Demokratie.  *Koch-Industries ist einer der größten international aktiven Konzerne. 08. 08. 2015