Dienstag, Juli 25, 2017
Politiker beeindrucken uns immer
wieder mit den beneidenswertesten Fähigkeiten. Sie wissen immer alles – meist
sogar besser. Sie verlieren sich nicht in Kleinigkeiten, sondern haben das
große Ganze im Blick, wenn nicht gar im Griff. Die Sprachakrobaten unter ihnen
verdienen unsere besondere Achtung, also Hochachtung. Es gelingt ihnen mit
wenigen Worten, die Dinge auf den Kopf zu stellen, und keiner merkt es. Sollen
wir sie dafür wirklich bewundern? Nein, denn sie reden nicht sich selbst um
Kopf und Kragen, sondern uns. Wir müssen die Sache hinterher ausbaden.
Hamburgs Finanzsenator Peter
Tschentscher zeigt uns das am Beispiel der HSH Nordbank. Die muss spätestens im
nächsten Jahr verkauft werden. Die Aussichten sind nicht gut, und wenn es so
läuft, wie zu vermuten ist, könnte die Sache Hamburg und Schleswig-Holstein 10
Milliarden Euro kosten. Warum das so ist (Bad Bank, unverkäufliche Kredite, die
Rolle der Sparkassen), ist in dieser Betrachtung nicht wichtig.
Entscheidend dürfte sein, ob die
sogenannte Kernbank und die Abbaubank getrennt verkauft werden können. Niemand
ist sicher, ob das zulässig ist, ob das geht. Damit endlich zur Wortakrobatik
des Herrn Tschentscher.
Als Herr Tschentscher gefragt
wurde, ob es denn angesichts dieser Unsicherheit auch einen Plan B gäbe, sagte
er: „Rechtlich ist vieles möglich.“ Es gehe immer darum, die ökonomisch
sinnvollste Lösung zu finden. „Dann wird man es auch rechtlich abbilden
können.“
So also läuft der Hase, den
hamburgs Finanzsenator ins Rennen
schickt: Suchen wir erst mal die Lösung, und dann passen wir das Recht dieser
Lösung an. Ist das die feine hanseatische Art? Wohl kaum. Ein Beispiel für
politische Sprach-akrobatik aber allemal.
Mit Fug und Recht könnten wir
hier von „tschentschern“ reden in Anlehnung an „tschintschen“, die nicht ganz
astreine Art, etwas zu regeln.
(Quelle: Hamburger Abendblatt,
19. Juli 2017, „Wer trägt die Milliarden-Risiken der HSH?“, Andreas Dey)
Blaupausendeutsch
Unsere Sprache verändert sich
ständig. Sie lebt. Sie ist erfinderisch und liebt die Abwechslung. So manches
alte Wort legt sie schon mal beiseite, um es dann doch wieder hervorzukramen,
und um neue Redewendungen ist sie bis heute nicht verlegen. Sie kennt auch
keine Hemmungen, sich mit Genuss das eine oder andere Wort aus fremden Sprachen
einzuverleiben.
Nicht jeder weiß das zu schätzen,
und im hastigen Alltagsgespräch ist die Versuchung groß, sich auch der
abgegriffenen Formeln zu bedienen, so wie wir im Supermarkt schnell in die
Regale greifen. Aber wenn es ums Schreiben geht?
Bei aller Hetze, die eine
Tageszeitung ihren Schreibern diktiert, auch die Wochenzeitungen und Magazine
haben es eilig. Wenig Zeit zu denken und noch weniger Zeit, das richtige Wort
zu finden. Das erklärt den ständigen Griff in die Kiste mit den Wortbausteinen.
Statt Maßarbeit Konfektion. Blaupause ist so ein Wort aus dieser Kiste.
„Als Medienwort ist Blaupause
erst seit den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts in Mode gekommen.
Bezeichnenderweise wird es in sämtlichen Ausgaben der ZEIT in den
Fünfzigerjahren nur zweimal benutzt, in den Sechzigerjahren zwölfmal, in den
Siebzigern 21-mal, in den Achtzigern 91-mal, in den Neunzigern 105-mal, in den
Nullerjahren 205-mal und seither bis Mitte 2015 305-mal.“
Je öfter das Wort benutzt wird,
desto weniger hat es mit seiner ursprünglichen Bedeutung zu tun. Mit der
Blaupause war die Kopie eines Originals gemeint, vornehmlich einer
Konstruktionszeichnung.
Ältere Herrschaften erinnern sich
noch daran, dass sie etwas gepaust, abgepaust, durchgepaust haben, von einem
Blatt auf ein anderes. Vielleicht hat Coca Cola mit dem Slogan „Mach mal Pause“
mitgeholfen, die andere Bedeutung in Vergessenheit geraten zu lassen. Aus der
Coca Cola-Pause ist inzwischen chillen geworden. Wie gesagt: die Sprache lebt.
Zurück zum Thema. Natürlich ist
es viel bequemer, Blaupause in die Tasten
zu kloppen statt beispielsweise Plan, Vorlage, Vorbild, oder ein anderes
Wort, das die Sache genau beim Namen nennt.
Natürlich braucht man für das
richtige Wort Zeit. Deshalb ist es für jeden, der schreibt, wichtig, ob
Journalist oder nicht, sich vorher die Zeit zu nehmen, die ihm die tägliche
Arbeit nicht gibt – die Zeit, sich in ruhigen Stunden mit unserer Sprache zu beschäftigen,
ihre Stärken zu nutzen, ihre Schwächen zu vermeiden.
24. 07. 2017
Weil - das "verrückte" Wort
Nur
vier Buchstaben, nur eine Silbe. Weil ist wirklich ein kleines, unauffälliges
Wort. Es erfüllt eine wichtige Aufgabe, leitet einen neuen, erklärenden Satz
ein. Jedenfalls war das mal so. Weil kündigt einen Grund an. Ich trinke, weil
ich Durst habe. Weil sagt, weshalb ich trinke. Heute liest sich das immer
häufiger anders. Hier einige Beispiele:
Weil
wenn ich Durst habe, dann trinke ich. „Sie haben recht, weil da ist ja nur
wenig passiert.“ „Weil dies ist ja nun kein Kavaliersdelikt.“ usw. usw.
Was
ist da anders? Wo ist der Unterschied. Das Wörtchen steht doch immer noch an
erster Stelle. Richtig. Und doch ist es gedanklich „verrückt“ worden. Aus der
Ankündigung eines Grundes ist ein Allerweltswort geworden, das sozusagen in der
Luft hängt. Weil, da war man früher eben genauer. Heute sieht man das nicht so
eng.
Das
ist schade, weil die Sprache von Kleinigkeiten lebt und – wie wir sehen – unter
Kleinigkeiten leidet.
Anlass
für diese Betrachtung gab ein Deutschlandfunk-Gespräch, in dem es hieß:
„…weil
diese Bilder verstören uns ja alle…“
Donnerstag, Juli 20, 2017
Nichts ist spannender als die Wochenzeitung der letzten Woche
Zeitungen sind für den sofortigen
Verzehr bestimmt. Das weiß jeder. Deshalb ist es auch nicht notwendig, sie mit
einem Mindesthaltbarkeitsdatum zu versehen. Was gestern war oder vor einer Woche,
halten wir für ungenießbar. Typisches Supermarktverhalten. Damit bringen wir
uns um das Vergnügen, das nur das alte Blatt uns bieten kann. Wir ahnen nicht,
was uns da entgeht.
Ist es nicht spannender zu lesen,
was uns erwarten sollte und dann – siehe Ausgabe von heute – und dann doch
nicht eintraf oder ganz anders? Die volle Härte beispielsweise, die Hamburgs
Polizeiführer Hartmut Dudde versprach, die er und die ganze Stadt dann auch zu
spüren bekamen, nur anders als gedacht? Wie schön die Phantasien der
Vergangenheit: Wer Hamburger Hafengeburtstag kann, der kann auch G20-Gipfel! Ein
Versprechen, das jedes Hamburger Herz höher schlagen ließ. So schön die
Vergangenheit, so großartig die Ausgabe der letzten Woche! Wie erbärmlich
dagegen das Blatt heute!
Freitag, Juli 14, 2017
Ausflug in fremde Welten
Je mehr man liest, desto
unwissender wird man. Eigentlich erwarten wir das Gegenteil: Je mehr wir lesen,
desto klüger werden wir. Ich bin mir da aber gar nicht mehr so sicher.
Ganz unvermutet stieß ich dieser
Tage auf eine Tätigkeit, einen Beruf, von dem ich noch nie etwas gehört hatte:
„Professur für die Soziologie des Essens.“ Eine Dame namens Jana Rückert-John
wurde da als Professorin erwähnt.
Natürlich will ich dieser Dame
nicht zu nahe treten, aber gewundert habe ich mich schon. Wenn ich an Essen
denke, dann sausen mir so alle möglichen Gedanken durch den Kopf – von
Heißhunger, Hunger, über Appetit, Haus-mannskost, zig-Sterne-Köche,
Fertiggerichte, Fast Food, 5-Minuten-Terrinen, Abende an festlicher Tafel, ein
Menü im „Chambre séparée“ und weiß der Teufel was sonst noch. Das ist schon
eine ganze Menge, und wahrscheinlich gibt es noch vieles andere.
Ob damit die Soziologie des
Essens gemeint ist? Soziologie ist ja so etwas wie Gesellschaftskunde.
Vielleicht geht es darum, wie wir essen – allein und in Gesellschaft.
Fingerfood oder japanisch mit Stäbchen? Mit Messer und Gabel? Und wie man
Messer, Gabel, Löffel auf den Tisch legt? Was gehört sich, und was nicht bei
Tisch? Trinksprüche gehören wahrscheinlich auch dazu. Nach dem zehnten Wodka zu
sagen „Auf Ihre Gesundheit“, ist zwar üblich, aber gemein. Ich glaube, wir
haben hier wieder ein fontanisches „weites Feld“ vor uns. Aber glauben heißt ja
nicht wissen. Jedenfalls: Klüger geworden bin ich nicht. Eher komme ich mir ziemlich
dumm vor. Ich denke, das wird sich wieder legen.
Jedenfalls war die Begegnung mit
der Soziologie des Essen für mich der Anlass, mir einmal die Seiten der
Wochenzeitung DIE ZEIT anzusehen, die ich sonst immer gleich wegschmeiße:
„Stellenmarkt“. Ich bin aus dem Staunen nicht rausgekommen.
Ich ahnte gar nicht, dass jedes
Kaff in Deutschland eine Hochschule, eine Univer-sität oder so etwas Ähnliches
hat. Wir platzen vor Bildung aus allen Nähten. Daran besteht kein Zweifel. Es
scheint nichts zu geben, was sich bildungswissenschaftlicher Betrachtung und
Bearbeitung entziehen könnte. Ich frage
mich, weshalb wir noch etwas in Bildung investieren sollen, wo wir doch schon
alles im Überfluss haben.
Gesucht hatte ich auf diesen
Seiten nach etwas ganz anderem – nach Hinweisen auf die befristeten Forschungs-
und Lehraufträge, die landauf, landab beklagt werden – ich vermute: zu recht.
Ich habe auf den 6
Stellenanzeigenseiten in der Ausgabe vom 13. Juli drei, vier Anzeigen mit
Befristung gefunden. Natürlich will das nichts sagen. Aber immerhin.
Etwas ganz anderes fiel mir auf.
In vielen Anzeigen heißt es zum Beispiel: „ Die …Universität ist bestrebt, den
Anteil von Professorinnen zu erhöhen. Sie ermutigt daher insbesondere Wissenschaftlerinnen zur Bewerbung...“ Oder:
„Schwerbehinderte Bewerberinnen
und Bewerber werden bei ansonsten im
wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt
eingestellt. Der Anteil der Frauen am
wissenschaftlichen Personal beträgt derzeit 25%. Die Hochschule strebt eine
weitere Erhöhung an.“ Eine weitere?
Ist das alles ernst gemeint?
In Hamburg ist kein Bett mehr frei
Der G20-Gipfel am 7. und 8. Juli
in Hamburg war eine Katastrophe. Nicht
einmal die Veranstalter sehen das anders. Die Ergebnisse: beschämend. Die
Kommentare der Bundeskanzlerin dazu: noch beschämender.
Dieser Teil der Katastrophe ist
noch viel dramatischer als die anarchistischen Krawalle, die den G20-Gipfel auf
so hässliche Weise kennzeichnen. Die Nichtergebnisse betreffen die ganze Welt
und nicht nur Hamburg, und alle werden darunter für unabsehbare Zeit leiden. Es
wäre leichtfertig, das zu vergessen.
Überhaupt wird es Zeit, den
traurigen Blick zu heben und zu fragen, ob alles, wirklich alles ein Misserfolg
ist. Nichts Positives? Nicht einmal die Andeutung davon?
Doch. Da war doch was. Erinnern
wir uns an die Zeit vor dem Gipfel. Zugegeben: So hoch es auch im Vorfeld schon
herging, es gab auch Positives. Die Hotellerie Hamburgs und seiner
Nachbarschaft war ausverkauft.
Kein Bett mehr frei. Überhöhte
Messepreise. Das Fairmont-Vierjahreszeiten ließ umbauen, um dem erwarteten
Scheich jeden Wunsch von den Augen abzulesen – angesichts der Großzügigkeit des
Herrschers, der dann doch nicht kam, verständlich. Wir dürfen davon ausgehen,
dass alle Gäste nicht nur zahlungswillig, sondern auch zahlungsfähig waren.
Alle Rechnungen dürften pünktlich bezahlt worden sein.
Es war also doch nicht alles
schlecht am G20-Gipfel. Es hat auch
einen Erfolg gegeben. Der sei allen Hoteliers gegönnt. Warum ist das eigentlich
in Vergessenheit geraten?
Ein Mann redet sich um Kopf und Kragen
Es ist noch gar nicht lange her,
da bezeichnete die SPD-Größe Sigmar Gabriel Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf
Scholz als einen der intelligentesten Politiker Deutschlands. Heute fragt man
sich, wie er dazu kam. Niemand widerspricht diesem Urteil heftiger als Olaf
Scholz selbst.
Schlimm genug der schon recht
dümmliche Vergleich des G20-Gipfels mit dem Hamburger Hafengeburtstag.
Fragwürdig die ohne Not ausgesprochene totale Sicherheit – die der Gäste, die
der Bürger, die Sicherheit aller? Und als es an allen Ecken und Enden
lichterloh brannte, war Beethovens IX. in der Elbphilharmonie Pflicht, nicht
aber der Weg zu den Brandstätten, den Scherben, den Plünderungen? Ist das zu
verstehen? Kann sich ein Bürgermeister noch weiter von seinen Bürgern
entfernen?
Aber dann, endlich! Herr Scholz
bittet die Bürger um Entschuldigung. Ein Mann kommt wieder zur Besinnung. Nein,
kommt er nicht!
„Polizeigewalt hat es nicht
gegeben“, so der Erste Bürgermeister. Der Vorwurf eines zu harten Einsatzes der
Polizei sei eine Denunziation. Und das sagt der Herr, obgleich zurzeit 35
Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte laufen. In 27 Fällen geht es um den
Verdacht der Körperverletzung im Amt. (Quelle: SPIEGEL ONLINE, 14. Juli 2017,
11.44 Uhr)
Mag sein, dass sich die erhobenen
Vorwürfe als gegenstandslos erweisen. Eigentlich sollte man das hoffen. Aber
der Erste Bürgermeister Hamburgs weiß es schon jetzt: Da war nichts.
Und nun? Scholz muss weg. Scholz
muss zurücktreten. Das gebietet schon der Anstand? Unsinn. Das ist
Oppositionsgenöle. Das ist Politik auf niedrigstem Niveau. Billig!
Lassen wir ihn doch. Hamburgs
Bürger müssen Olaf Scholz ja nicht noch einmal wählen, nicht mal seine Partei.
Aber das ist ein anderes Thema. Das führt an den Anfang zurück: Die Frage nach
der Intelligenz der Politiker.
Wörter haben Flügel
Hat man sie erst einmal in die
Freiheit entlassen, fliegen sie davon und sind nicht wieder einzufangen. Nicht
einmal Diktatoren schaffen das, und wenn sie zehnmal versuchen, sie in ein
Gefängnis zu sperren.
Niemandem gelingt es, so sehr er
sich auch bemühen mag, Gesagtes ungesagt zu machen. Das gelingt auch dem
selbsternannten „Rote Flora“-Anwalt Andreas Beuth nicht.
„Wir als Autonome und ich als
Sprecher der Autonomen haben gewisse Sympathien für solche Aktionen, aber bitte
doch nicht im eigenen Viertel, wo wir wohnen. Also warum nicht irgendwie in
Pöseldorf oder Blankenese?“ Das sagte Beuth zu den anarchistischen Krawallen in
der Schanze.
Nach heftiger Kritik und
„Nachhilfe“ durch andere prominente Flora-Vertreter versuchte er, sich zu
korrigieren: „Solche Aktionen sind sinnentleerte Gewalt und haben eine Linie
überschritten.“ Er versuchte es. Vergebens. Gesagt ist gesagt und kann nicht
ungesagt gemacht werden.
Gegen den Bildungswahn
Bildung, Bildung, Bildung. Die
Politiker aller Parteien sind sich einig: Es muss mehr in Bildung investiert
werden. Eine Bildungsoffensive ist notwendig. Milliarden müssen investiert
werden. Bildung ist Investition in die Zukunft – nicht so sehr aus kulturellen
Gründen, sondern aus wirtschaftlichen.
Damit es uns auch in Zukunft gut geht. Deshalb ist jeder dafür, die Politiker,
wir alle. (Zu befürchten ist: besser als es uns gut tut.)
Es wird höchste Zeit, mit diesem
Bildungswahn Schluss zu machen. Wir brauchen keine Bildungsinvestition. Wir
brauchen ein Bildungsdivestment. Ein was? Ja, ein Divestment. Das heißt, wir
sollten uns hier tatsächlich wirtschaftlich verhalten wie ein Unternehmen, das
nicht notwendige Bereiche abstößt, verkauft und sich damit wieder auf das
Wesentliche konzentriert.
Wesentlich sind Inhalte. Sie lassen
sich immer häufiger nicht mehr erkennen. Der Duden bezeichnet mit
„bildungssprachlich“, eine Ausdrucksweise, die immer weniger Menschen
verstehen. Wer kann schon etwas mit dem Begriff Divestment anfangen, außer
Wirtschaftswissenschaftlern? Ranking, Diversität, Evaluierung, Random-Verfahren
– viele ahnen, was gemeint ist, die meisten dürften keine Ahnung haben.
Rangfolge, Vielfalt, Bewertung, Zufalls-Verfahren wird jeder verstehen, sogar
der höchstgebildete Mensch. Nicht wenige werden auch vor den Bezeichnungen
Facility-Management, Facility-Manager ratlos und sprachlos stehen. Was, bitte schön,
ist an Haus/Grundstücksverwaltung, an
Hausverwalter, Hausmeister so schlimm?
Wohin dieses bis zur
Unverständlichkeit aufgeblasene Bildungsdeutsch führt, zeigt der hemmungslose
Einsatz von Technologie anstelle von Technik. Selbst der einfachste technische
Vorgang wird zu Technologie hochstilisiert. Wir haben uns daran gewöhnt. Wir
merken schon gar nicht mehr, wie oft ohne nachzudenken gesprochen und
geschrieben wird. Wir nehmen es nicht mehr so genau damit. Das ist gefährlich;
denn diese Oberflächlichkeit beschränkt sich zum Schluss nicht nur auf die
Sprache.
Es wird Zeit, dass wir uns zur
Ordnung rufen. Da die Sprache der Verständigung dient, sollten wir uns von dem
„bildungssprachliche“ Unfug postwendend trennen. Was wir hier brauchen, ist,
was wie ein Blitz aus heiterem Himmel eingeschlagen ist: Divestment. Wir
könnten auch sagen: Rückbau, pardon, Abriss. Reißen wir den Sprachprotz kurz
entschlossen ab! Den Protz wohlgemerkt. Nichts gegen verständliche
Fachbegriffe, schon gar nichts gegen Fremdwörter. Nichts gegen oft zu unrecht
geschmähte Anglizismen, von denen nicht wenige unsere Sprache bereichern.
Das wäre aber nur der erste
Schritt. Der zweite müsste sofort folgen. Nur der würde den Begriff
Bildungsoffensive rechtfertigen. Es ist höchste Zeit, dass Schulkinder wieder
richtig schreiben und damit auch richtig denken lernen. Es ist nicht schlimm,
Fehler zu machen, aber es ist schlimm, sie nicht wichtig zu nehmen. Und es ist
wichtig, sie zu berichtigen. Vor allem ist es wichtig, dass wir uns für jeden
verständlich ausdrücken, für jeden – vom Tellerwäscher bis zum
Hochschulprofessor. Hier ist jeder Cent, jeder Euro gut investiert.
Die Schriftstellerin Oriana
Fallaci hat bewiesen, dass es geht – mit ihrer einfachen eindringlichen
Sprache. Sie hat nie vergessen, was ihre Mutter, eine einfache Frau, ihr gesagt
hatte: „Schreibe so, dass auch ich es verstehe.“
Ab in den Waschzuber
Schreckliche Zeiten damals.
Schmutzige Wäsche wurde über Nacht eingeweicht, am nächsten Tag im Waschkessel
gekocht, dann mühselig auf dem Waschbrett gerubbelt, geschrubbt usw, usw.
Wie gut haben wir es heute. Alles
geht viel schneller, alles ohne Mühe. Kein krummer Rücken, ganz besonders dann
nicht, wenn es unter Politikern darum geht, schmutzige Wäsche zu waschen, wie
jetzt in der „Aufarbeitung“ der G20-Gipfel-Katastrophe.
Wer hat Schuld? Wer nicht? Und
wer nur ein kleines bisschen? Wer hat schon vorher alles besser gewusst? Wer,
vor allem, hätte es besser gemacht? Natürlich die Kritiker von heute.
Der Bürgermeister muss weg. Die
Bundeskanzlerin auch. Steht noch jemand auf der Liste? Die Linke vielleicht,
die sowieso immer alles verbockt? Oder doch die Rechte? Und wenn beide – was
dann?
Unsere Parteien benehmen sich
durch die Bank wie kleine Kinder in der Buddelkiste: Machst du meine Burg
kaputt, haue ich deine in Klump. Únd wenn du frech wirst, kriegst du eins mit
der Schippe auf den Kopf. Bis dann die Mamas
mit einem Klaps auf den Po die
Welt wieder in Ordnung bringen.
Vielleicht sollten wir unsere
Politiker auch mal übers Knie legen. Sie scheinen sich daran gewöhnt zu haben,
dass wir über jeden unsinnigen Streit, den sie vom Zaun brechen, großzügig
hinwegsehen. Diesen Fehler dürfen wir uns nicht länger erlauben.
Dienstag, Juli 11, 2017
Ein altes Wort wird wieder neu
Hilfsschule und Hilfsschüler sind Wörter, die längst in
Vergessenheit geraten sind. Wer sie
heute noch benutzt, äußert sich politisch unkorrekt. Das ist zu respektieren,
wenn auch nicht immer. Es gibt auch heute noch Unterschiede, die man machen
sollte.
Aber seinerzeit war das so, was
die Schule angeht: Hilfsschule, Volksschule, Mittelschule, Oberschule,
Gymnasium – alles klar geregelt. Jeder wusste bescheid. Jeder fand sich
zurecht. Das ist heute anders.
Selbst einige Semester in
Philologie schützen nicht mehr davor, rat- und hilflos vor Begriffen zu stehen,
die anscheinend gerade aus dem Himmel gefallen sind.
Meme (Singular: Mem)? Gestern
noch nicht gehört, heute überall zu lesen und zu hören.
Also ab in des Teufels
Küche. Google weiß es bestimmt. Richtig.
Ein, zwei drei Klicks höchstens, und man weiß, was gemeint ist: „Bewusstseinsinhalt,
zum Beispiel Gedanke.“ Aha.
Glücklicherweise hilft das
Stichwort „Gedanke“ auch dem modernen Hilfs-schüler auf die Sprünge. Ein Mem
teilt Gedanken mit. Die lassen sich auf unterschiedliche Weise vermitteln –
durch einen Text, durch ein Foto, durch ein Filmchen und was sonst noch immer.
Eigentlich alles wie gehabt, alles wie gewohnt, alles ganz normal. Und warum
fährt jetzt die ganze Welt auf „Meme“ ab?
Auf diese Frage hat noch niemand
geantwortet. So bleibt für den Augenblick nur die Vermutung, dass es sich um
eine Fangfrage handelt, mit der auch Oberstudienräte zu Hilfsschülern erklärt
werden können, weil sie keine vernünftige Antwort geben können.. So kommen wir
wieder zum Anfang des Textes zurück.
So gewinnt das Wort
„Hilfsschüler“ seine Bedeutung wieder zurück.
Gelobt sei, was hart macht
Was Friedrich Nietzsche so alles
geschrieben hat! Unter anderem auch „Gelobt sei, was hart macht.“ Soweit
überliefert ist, hat er das nach einem steilen Bergaufstieg notiert, der ihn
atemlos machte und fast ans Ende seiner Kräfte brachte.
Er ahnte nicht, dass fast 120 Jahre nach seinem Tod diese
Härte ins Lächerliche gezogen würde. Von der Härte des Aufstiegs war schon
längere Zeit nicht mehr die Rede, von der Härte des Abstiegs desto häufiger und
nachdrücklicher. Viele steigen ab, ohne vorher aufgestiegen zu sein. Ein
unangenehmes Thema.
Nun ist nichts so schlecht, dass
man es nicht wenigstens etwas besser
machen könnte. Dazu dürfte auf jeden Fall die Entdeckung eines deutschen
Politikers gehören: der hart arbeitende Mensch.
Der SPD-Kanzlerkandidat hat den
hart arbeitenden Menschen ins Spiel gebracht. Arbeit genügte anscheinend nicht.
Es musste schon harte Arbeit sein.
Harte Arbeit gibt es natürlich,
und Menschen, die sie auf sich nehmen, die sie leisten müssen, gibt es auch. Alle
Zeitarbeiter, Leiharbeiter und ähnlich benachteiligte können ein Lied davon
singen, eine Strophe trauriger als die andere. Aber das gilt doch nicht für
alle. So klingt das aber. Und so ist es auch gemeint. Deutschland, das Land der
bis zur Erschöpfung Schuftenden?
Hart arbeiten ist zum geflügelten
Wort geworden. Unter harter Arbeit ist nichts zu machen. Wer nur arbeitet,
zählt nicht.
Warum zahlen so viele Politiker
so gern mit der allerkleinsten Münze? Warum haben sie es überhaupt mit der Härte?
Straftaten, selbst die nur vermuteten, werden mit aller Härte des Gesetzes
verfolgt. Das Gesetz allein genügt nicht. Die Härte darf nicht fehlen.
Liebe Politiker, nehmt doch den
Mund nicht immer so voll! Aber den Mund verbieten kann man niemanden, auch dem
nicht, der gar nichts zu sagen hat und es trotzdem sagt. Das ist wirklich ein
starkes Stück.
Sonntag, Juli 09, 2017
Total abgefahren
Wohin wir auch blicken: Nur
Terror, Katastrophen, Unglück über Unglück –Horrornachrichten, endlos. Soll man
den Weltuntergang befürchten oder – Alternative – herbeiwünschen? Man traut
sich fast nicht mehr, in einer Zeitschrift zu blättern; fast – tauchten da
nicht immer wieder bunte Seiten auf, die uns die Welt mit anderen Augen sehen
lassen, die – mehr noch – eine für uns
ganz neue Welt schaffen.
Dieser Aufgabe widmen sich vor
allem die Automobilanzeigen. Sie sind groß, bunt und überraschend wie Sendboten
aus anderen Welten. Tatsächlich. Sie haben mit unserer Welt nichts zu tun, wie
wir gleich sehen werden. Nehmen wir Volkswagenanzeigen als Beispiele.
Auf den Gedanken, ein Modell
Phideon zu nennen, muss man erst mal kommen. Da muss man über das Kleine
Latinum hinausgekommen sein. Anders ist der Hinweis nicht zu verstehen, dass an
der Wiege dieses Namens die römische Göttin Fides gestanden habe, die Göttin
für Treue. Da geht jedem gebildeten Menschen ein Licht auf: Phideon ist das
Schlüsselwort für Zuverlässigkeit und Eleganz.
Der Auftritt auf höchstem Niveau
verpflichtet. Ohne Frage: Arteon, der Name
eines weiteren neuen VW-Modells hält phonetisch das anspruchsvolle
Niveau. Nur die Erklärung kommt nicht mehr so klassisch. Art sei dem englischen
art für Kunst entliehen, heißt es, und eon erinnere an Phideon. Na ja.
Es wird Zeit, dieses Niveau zu
verlassen. Ehrlich gesagt, ist die Welt, die uns Arteon verspricht, auch viel spannender
als der Name.
Der Arteon steht bereit für uns,
„Alle Abenteuer der Stadt“ zu meistern,
so heißt es sinngemäß. Um welche Abenteuer es sich handelt, wird nicht gesagt.
Die Staus morgens, abends, immer? Die verdammt aussichtslose Parkplatzsuche? Die
Strafe für das Parken in der zweiten Reihe, auf dem Radweg, auf dem Fußweg? Das
ist das, was Autofahrer zu recht und zu unrecht als Abenteuer empfinden.
Ach, Arteon, wie schaffst du das?
Damit nicht genug. Arteon sei
eine völlig neue Form von Volkswagen, ist zu lesen, zu erkennen an seiner
konsequenten Linienführung. So ganz scheinen das die Schreiber selbst nicht
geglaubt zu haben. Sicherheitshalber erwähnen sie deshalb den „konsequenten Anstieg
Ihres Herzschlags.“ Bleibt zu hoffen, dass der Anblick eines VW Arteon nicht zu
einem Herzinfarkt führt. Bestimmt kommt dann ein gerissener Anwalt und droht
mit Vorsatz oder sonstwas Üblem.
Über den VW-Slogan „Wir bringen
die Zukunft in Serie“ soll hier kein Wort verloren werden. Da kann sich erst
mal jeder selbst seine Gedanken machen.
Zum Glück gibt's Vorurteile
Wahrscheinlich haben wir alle
mehr Vorurteile, als wir zugeben würden, und wir fühlen uns gar nicht wohl dabei.
Was ist los mit uns? Warum geben wir nicht zu, dass wir Vorurteile haben?
Das liegt wahrscheinlich an dem Vorurteil,
dass Vorurteile grundsätzlich schlecht sind. Dabei übersehen wir, dass das gar
nicht stimmt. Wenn wir von den Charakterzügen „der“ Amerikaner, „der“ Russen,
Polen, Franzosen und und und sprechen, dann geht es nicht immer um Negatives.
Unser Vorurteil kann auch positiv ausfallen.
Allerdings: So oder so – Vorurteile
sind Verallgemeinerungen. Es empfiehlt sich, dreimal darüber nachzudenken,
bevor wir Alle und Alles gleich machen. Diese Verallgemeinerung ist die eine
Seite des Vorurteils. Es gibt aber noch eine zweite. Die sollten wir auch
einmal betrachten.
Unser Leben wäre unmöglich, wenn
wir jede Erfahrung selbst machen müssten. Wir müssen als Kind nicht auf die
glühende Herdplatte fassen, um zu erfahren, wie schmerzhaft das ist. Dieses
Beispiel zeigt, dass wir, täglich unzählige Male auf Vorerfahrungen zurückgreifen,
auf Vor-Urteile.
Vorurteile – so verstanden – helfen
uns, unseren Weg durch die zig Informa-tionen zu finden, die uns täglich
erreichen. Grund genug, beide Seiten des Vorurteils zu betrachten. Das sollten
wir sehr sorgfältig machen. Es bewahrt uns in jeder Hinsicht vor Fehlern.
Merkels G20-Sternstunde
7. Juli 2017. Kein einfacher Tag für unsere
Bundeskanzlerin. In wichtigen Themen keine Einigkeit. Die „Sherpas“ arbeiten
angeblich wie besessen – hoffentlich an Lösungen, nicht an Schönfärberei.
Nichts soll unter den Tisch gekehrt werden, so Frau Merkel. Das wird hoffentlich
auch im Schlussprotokoll stehen.
Und dann die Randale! Übel, überflüssig, ein einziger Skandal. Melania
Trump konnte stundenlang ihr Hotel nicht verlassen. Die Polizei konnte ihr
keinen sicheren Weg garantieren. Eine Verkäuferin in Ottensen: Dann haben da
sechs Leute die Schaufensterscheiben eingeschlagen, einfach so. Steine,
Bengalos, brennende Autos, in Brand gesteckter Müll. Prügeleien, auch von der
Polizei. Protest ja. Gründe genug dafür gibt es, mehr als genug, für Randale
keinen.
Trotz allem: Die Bundeskanzlerin hat zur 9. Symphonie von Beethoven in
die Elbphilharmonie eingeladen – die 9. Symphonie, die Europahymne, dazu der
Chor „Freude, schöner Götterfunken…“! Beethoven und Schiller – zwei deutsche
Europäer – wirklich: ein Grund zur Freude. Das ist – in Hamburg – Angela
Merkels Sternstunde. Gratulation!
Andy Grotemaul
Wenn ich Herbert Wehner wäre, würde ich
Hamburgs Innensenator Andy Grote so nennen. Aber ich bin nicht Herbert Wehner
und werde es daher nicht sagen. Ich werde es auch deshalb nicht sagen, weil der
Innensenator mit seiner Großmäuligkeit ja nicht allein ist.
Da wäre beispielsweise Hartmut Dudde, Einsatzleiter der Hambuger
Poliizei: „Wenn wir sagen, hier ist Schluss, dann ist da Schluss. Da reagieren wird
auch. Wir warten nicht ab, wenn Straftaten begangen werden.“ Oder Hamburgs
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer: „Wir sind so gut vorbereitet wie noch
nie.“ Und dann das Versprechen des
Ersten Bürgermeisters, Olaf Scholz: „Seien Sie unbesorgt: Wir können die
Sicherheit garantieren.“ Als gewiefter Politiker hat er nicht gesagt, wessen
Sicherheit der meinte. Die der Hamburger Bürger offenbar nicht.
Ehrlich gesagt, sollte dieser Dilettantismus niemanden überrascht
haben. Schließlich hat Herr Scholz den G20-Gipfel schon vor Wochen mit dem
Hamburger Hafengeburtstag verglichen; den hätte man ja auch immer gut im Griff
gehabt. Geht es noch leichtfertiger?
Hochmut kommt vor dem Fall. So haben es ein paar Leute fertiggebracht,
Hamburg zu Weltmetropole der Randale zu machen.
Es wird schwierig sein, einen wenn auch pfeffersäckischen guten Ruf
wieder aufzupolieren. Erst mal müssen die Scherben auf Hamburgs Straßen
zusammengekehrt werden. Dann ist Frau Merkel beim Wort zu nehmen: Wer Schaden
erlitten hat, soll entschädigt werden. Herr Schäuble sei schon eingeschaltet.
Und dann beginnt die eigentliche Arbeit.
Trotzdem: Auch unsere immer noch nicht ganz sattelfeste Demokratie wird
mit der hamburger Randaleveranstaltung fertig werden. Nicht klein beigeben.
Stattdessen: Kopf hoch!
Merkel sieht schwarz
Es ist immer wieder erstaunlich, wie Politiker versuchen, mit
billigster Münze durchs Leben zu kommen – und entnervend, dass wir das auch
noch hinnehmen. So atemberaubend schnell unsere Welt sich verändert, Politiker
sind da offenbar immer noch einen Schritt schneller – mindestens.
In ihrer heutigen Form werde die Autoindustrie nicht überleben, so Frau
Merkel beim Europäischen Rat. Keine guten Überlebenschancen für Deutschlands
wichtigsten Indu-striezweig mit rund einer Million Beschäftigten, findet sie.
Dieser Befund ist ernst zu nehmen.
Die deutschen Automobilhersteller, alle wie sie da sind, dürften den
Wechsel vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb gründlich verschlafen haben.
Das ließe sich immer noch machen, sozusagen in einer Hauruckaktion? Das mag
sein. Das Dumme ist nur, dass damit hunderttausende Arbeitsplätze verloren
gingen – über Nacht. Wie das? Ein Verbrennungsmotor besteht aus einigen tausend
Teilen, ein Elektromotor aus wenigen. Weniger Arbeit, weniger Arbeitsplätze,
mehr Arbeitslose. Wie gesagt: von heute auf morgen. Das will natürlich niemand.
Aber darüber wird nicht gesprochen. Und deshalb wird auch nichts getan, und
wenn, dann das Falsche.
Die Alternative Wasserstoffantrieb – weitgehend entwickelt und in der
Praxis erprobt – ist offenbar als Alternative kein Thema. Dabei stünden hier
Arbeitsplätze nicht infrage. Die Motoren würden sich nicht ändern, nur der
Kraftstoff.
Bitte jetzt nicht darüber reden, dass die Wasserstoffproduktion zu
anspruchsvoll sei, zu teuer, und dann die Schwierigkeiten mit der Speicherung
und überhaupt: die Wasser-stofftankstellen, von denen es zurzeit nur ein paar
gibt. Sind das unlösbare Probleme? Bestimmt nicht.
Die deutschen Automobilhersteller sind weder auf die eine noch auf die
andere Möglichkeit eingerichtet. Zukunft liest sich für sie so wie die
Vergangenheit. Sie konnten sich jeden Unfug, jede Unverfrorenheit bis zu Betrug
und Verlogenheit leisten. Die hatten ihre Bundeskanzler und jetzt ihr Bundeskanzlerin
auf ihrer Seite. Wie eine Löwin kämpfte Frau Merkel für alles, was Audi, BMW,
Mercedes, VW zu ihrem Vorteil für richtig und wichtig hielten.
Wer jetzt glaubt, Frau Merkel will das ändern, der irrt. Alle
betroffenen Länder sollten bereit sein, „die Umstrukturierung unserer
Autoindustrie in den kommenden Jahren zu begleiten und zu kompensieren“, sagt
sie. Im Klartext: Die Automobilhersteller sollen auch in Zukunft ohne Rücksicht
auf Vernunft subventioniert werden. Die Herren Krüger (BMW), Müller (VW), Stadler (Audi), Zetsche (Mercedes), können
sich die Hände reiben.
Das ist ja auch einleuchtend. Im Wahlprogramm von CDU und CSU wird
erklärt, „dass die deutsche Automobilindustrie auch künftig ihre
Weltmarktstellung behauptet.“ Deutschland solle führend werden bei der
Produktion alternativer umweltfreundlicher Antriebe. Ein frommer Wunsch.
Anscheinend fahren die Herren ihre Unternehmen lieber gegen die Wand – auf
unsere Kosten.
Quelle: DER SPIEGEL, 8. Juli 2017
Freitag, Juli 07, 2017
Merkeleien
Frau Merkel liebt es, sich in
aller Deutlichkeit undeutlich auszudrücken. Es wäre billig, sich darüber lustig
zu machen, auch wenn dies und jenes zum Lachen reizt. Dahinter steckt auch
nicht sprachliche Unlust oder Geringschätzung. Und wer jetzt mit ausgestrecktem
Zeigefinger auf ihre sicherlich nicht sonderlich ausge-prägte rhetorische
Begabung hinweist, lässt es an Hochmut nicht fehlen, wohl aber an Höflichkeit.
Wir sollten zur Kenntnis nehmen,
dass unsere englischen Freunde von dieser entschiedenen Unentschiedenheit so
beeindruckt sind, dass sie merkeln, to merkel, in ihr Vokabular aufgenommen
haben und es wohl in ihre dictionaries
aufnehmen werden, über kurz oder lang. Wenn das keine Anerkennung, wenn
das keine Auszeichnung ist – was, bitte, dann?
ZEIT-Autor Adam Soboczynski hat
sich recht ausführlich und wohlwollend kritisch zu der immer wieder
rätselhaften, verrätselnden Wortführung geäußert. Dazu nimmt er uns auf einen
kurzen Ausflug ins Merkel-Philosophische mit: „Überall stoßen wir auf ein
Denken, das kein Morgen kennt“ – „Alles, was noch nicht gewesen ist, ist
Zukunft, wenn es nicht gerade jetzt ist“ – „Wir sind jetzt gerade im Sommer der
Entscheidungen. Und dann kommen der Herbst und dann der Winter. Jetzt kommen
überhaupt nur Entscheidungen.“ Wie gedankenschwer und lyrisch!
Eins allerdings hat Herr
Soboczynski beiseitegelassen – den unsinnigen Gebrauch von „ein Stück weit“.
Frau Merkel wird diese Redewendung, die uns täglich um die Ohren geschlagen
wird, nicht erfunden haben, aber sie hat sie auf die Spitze getrieben mit „wir
müssen ein Stück weit Flagge zeigen“. Ein Stück weit? Welches Stück, bitte
schön? Da es sich wohl um die Nationalflagge gehandelt hat: - ein Stückchen
Schwarz oder Rot oder Gold? Entweder zeigt man Flagge – ganz und gar und lässt
sie im Wind wehen – oder gar nicht.
Montag, Juli 03, 2017
Der Totale Krieg
An Selbstbewusstsein hat es
amerikanischen Präsidenten noch nie gefehlt, an Verstand mitunter schon. Das
kommt in den besten Familien vor. Trotzdem gelang es der Welt immer wieder,
einigermaßen aus dem Schlamassel herauszukommen, das manche der Herren angerichtet
haben.
Mit diesen, wenn auch nicht
guten, aber erträglichen Zeiten macht Herr Trump Schluss.
Klimaschutzabkommen? Weg damit.
Freihandel? Lieber nicht. Kampf gegen Steueroasen und Steuerdumping? Vergiss
es! Regulierung und Kontrolle der Finanzmärkte? Quatsch! Kein Export von
Hormonfleisch nach Europa? Dann setzt es Strafzölle, die sich gewaschen haben.
Und so weiter, und so weiter.
Das ist keine Blockade. Das ist
nicht eine Kriegserklärung. Das ist der Totale Krieg, auf die Spitze getrieben
wenige Tage von dem G20-Gipfel in Hamburg.
Was ist davon zu halten? Auf die
leichte Schulter nehmen oder das Schlimmste befürchten. Das bisherige Verhalten
von Donald Trump legt den Vergleich mit Adolf Hitler nahe. Alles, was der
androhte, machte er auch. Niemand wollte es glauben. Die Folgen dieses Totalen
Krieges sind bekannt.
Deutschland ist G20-Gastgeber.
Der Chefunterhändler der Bundeskanzlerin hat sich auf den Weg nach Washington
gemacht, um herauszufinden, ob Herr Trump zu Kompromissen bereit ist. Das ist
ein Gebot der Höflichkeit, der Vernunft und der Verantwortung gegenüber allen
anderen G20-Teilnehmern.
Kompromisse? Welch eine Idee! Das
mit den Kompromissen hat schon einmal nicht geklappt. Und jetzt auf einmal soll
das gehen? Welch eine Illusion!
Der Krieg ist erklärt. Dann soll
er auch geführt werden – aber bitte von Herrn Trumpf allein. In den USA tobt er
sich ja schon aus. Die europäischen Staaten haben anderes zu tun, besseres, als
Krieg zu führen – untereinander schon gar nicht.
Deshalb sollten sie Herrn Trump
ohne Kompromisse nach Hause schicken. Die zigtausendfachen gewaltfreien
Bürgerproteste im Vorfeld des G20-Gipfels machen Mut.