Dienstag, Juli 25, 2017

Politische Sprachakrobatik. Heute schon "getschentschert"?

Politiker beeindrucken uns immer wieder mit den beneidenswertesten Fähigkeiten. Sie wissen immer alles – meist sogar besser. Sie verlieren sich nicht in Kleinigkeiten, sondern haben das große Ganze im Blick, wenn nicht gar im Griff. Die Sprachakrobaten unter ihnen verdienen unsere besondere Achtung, also Hochachtung. Es gelingt ihnen mit wenigen Worten, die Dinge auf den Kopf zu stellen, und keiner merkt es. Sollen wir sie dafür wirklich bewundern? Nein, denn sie reden nicht sich selbst um Kopf und Kragen, sondern uns. Wir müssen die Sache hinterher ausbaden.

Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher zeigt uns das am Beispiel der HSH Nordbank. Die muss spätestens im nächsten Jahr verkauft werden. Die Aussichten sind nicht gut, und wenn es so läuft, wie zu vermuten ist, könnte die Sache Hamburg und Schleswig-Holstein 10 Milliarden Euro kosten. Warum das so ist (Bad Bank, unverkäufliche Kredite, die Rolle der Sparkassen), ist in dieser Betrachtung nicht wichtig.

Entscheidend dürfte sein, ob die sogenannte Kernbank und die Abbaubank getrennt verkauft werden können. Niemand ist sicher, ob das zulässig ist, ob das geht. Damit endlich zur Wortakrobatik des Herrn Tschentscher.

Als Herr Tschentscher gefragt wurde, ob es denn angesichts dieser Unsicherheit auch einen Plan B gäbe, sagte er: „Rechtlich ist vieles möglich.“ Es gehe immer darum, die ökonomisch sinnvollste Lösung zu finden. „Dann wird man es auch rechtlich abbilden können.“

So also läuft der Hase, den hamburgs Finanzsenator  ins Rennen schickt: Suchen wir erst mal die Lösung, und dann passen wir das Recht dieser Lösung an. Ist das die feine hanseatische Art? Wohl kaum. Ein Beispiel für politische Sprach-akrobatik aber allemal.

Mit Fug und Recht könnten wir hier von „tschentschern“ reden in Anlehnung an „tschintschen“, die nicht ganz astreine Art, etwas zu regeln.


(Quelle: Hamburger Abendblatt, 19. Juli 2017, „Wer trägt die Milliarden-Risiken der HSH?“, Andreas Dey)

Blaupausendeutsch

Unsere Sprache verändert sich ständig. Sie lebt. Sie ist erfinderisch und liebt die Abwechslung. So manches alte Wort legt sie schon mal beiseite, um es dann doch wieder hervorzukramen, und um neue Redewendungen ist sie bis heute nicht verlegen. Sie kennt auch keine Hemmungen, sich mit Genuss das eine oder andere Wort aus fremden Sprachen einzuverleiben.

Nicht jeder weiß das zu schätzen, und im hastigen Alltagsgespräch ist die Versuchung groß, sich auch der abgegriffenen Formeln zu bedienen, so wie wir im Supermarkt schnell in die Regale greifen. Aber wenn es ums Schreiben geht?

Bei aller Hetze, die eine Tageszeitung ihren Schreibern diktiert, auch die Wochenzeitungen und Magazine haben es eilig. Wenig Zeit zu denken und noch weniger Zeit, das richtige Wort zu finden. Das erklärt den ständigen Griff in die Kiste mit den Wortbausteinen. Statt Maßarbeit Konfektion. Blaupause ist so ein Wort aus dieser Kiste.

„Als Medienwort ist Blaupause erst seit den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts in Mode gekommen. Bezeichnenderweise wird es in sämtlichen Ausgaben der ZEIT in den Fünfzigerjahren nur zweimal benutzt, in den Sechzigerjahren zwölfmal, in den Siebzigern 21-mal, in den Achtzigern 91-mal, in den Neunzigern 105-mal, in den Nullerjahren 205-mal und seither bis Mitte 2015 305-mal.“

Je öfter das Wort benutzt wird, desto weniger hat es mit seiner ursprünglichen Bedeutung zu tun. Mit der Blaupause war die Kopie eines Originals gemeint, vornehmlich einer Konstruktionszeichnung.

Ältere Herrschaften erinnern sich noch daran, dass sie etwas gepaust, abgepaust, durchgepaust haben, von einem Blatt auf ein anderes. Vielleicht hat Coca Cola mit dem Slogan „Mach mal Pause“ mitgeholfen, die andere Bedeutung in Vergessenheit geraten zu lassen. Aus der Coca Cola-Pause ist inzwischen chillen geworden. Wie gesagt: die Sprache lebt.

Zurück zum Thema. Natürlich ist es viel bequemer, Blaupause in die Tasten  zu kloppen statt beispielsweise Plan, Vorlage, Vorbild, oder ein anderes Wort, das die Sache genau beim Namen nennt.

Natürlich braucht man für das richtige Wort Zeit. Deshalb ist es für jeden, der schreibt, wichtig, ob Journalist oder nicht, sich vorher die Zeit zu nehmen, die ihm die tägliche Arbeit nicht gibt – die Zeit, sich in ruhigen Stunden mit unserer Sprache zu beschäftigen, ihre Stärken zu nutzen, ihre Schwächen zu vermeiden.

24. 07. 2017 

Weil - das "verrückte" Wort

Nur vier Buchstaben, nur eine Silbe. Weil ist wirklich ein kleines, unauffälliges Wort. Es erfüllt eine wichtige Aufgabe, leitet einen neuen, erklärenden Satz ein. Jedenfalls war das mal so. Weil kündigt einen Grund an. Ich trinke, weil ich Durst habe. Weil sagt, weshalb ich trinke. Heute liest sich das immer häufiger anders. Hier einige Beispiele:

Weil wenn ich Durst habe, dann trinke ich. „Sie haben recht, weil da ist ja nur wenig passiert.“ „Weil dies ist ja nun kein Kavaliersdelikt.“ usw. usw.

Was ist da anders? Wo ist der Unterschied. Das Wörtchen steht doch immer noch an erster Stelle. Richtig. Und doch ist es gedanklich „verrückt“ worden. Aus der Ankündigung eines Grundes ist ein Allerweltswort geworden, das sozusagen in der Luft hängt. Weil, da war man früher eben genauer. Heute sieht man das nicht so eng.

Das ist schade, weil die Sprache von Kleinigkeiten lebt und – wie wir sehen – unter Kleinigkeiten leidet.

Anlass für diese Betrachtung gab ein Deutschlandfunk-Gespräch, in dem es hieß:
„…weil diese Bilder verstören uns ja alle…“


Donnerstag, Juli 20, 2017

Nichts ist spannender als die Wochenzeitung der letzten Woche

Zeitungen sind für den sofortigen Verzehr bestimmt. Das weiß jeder. Deshalb ist es auch nicht notwendig, sie mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum zu versehen. Was gestern war oder vor einer Woche, halten wir für ungenießbar. Typisches Supermarktverhalten. Damit bringen wir uns um das Vergnügen, das nur das alte Blatt uns bieten kann. Wir ahnen nicht, was uns da entgeht.

Ist es nicht spannender zu lesen, was uns erwarten sollte und dann – siehe Ausgabe von heute – und dann doch nicht eintraf oder ganz anders? Die volle Härte beispielsweise, die Hamburgs Polizeiführer Hartmut Dudde versprach, die er und die ganze Stadt dann auch zu spüren bekamen, nur anders als gedacht? Wie schön die Phantasien der Vergangenheit: Wer Hamburger Hafengeburtstag kann, der kann auch G20-Gipfel! Ein Versprechen, das jedes Hamburger Herz höher schlagen ließ. So schön die Vergangenheit, so großartig die Ausgabe der letzten Woche! Wie erbärmlich dagegen das Blatt heute!

Deshalb: Legen wir die heutige Ausgabe für eine Woche ungelesen zur Seite. Dann hat sie die richtige Lesereife. 

Freitag, Juli 14, 2017

Ausflug in fremde Welten

Je mehr man liest, desto unwissender wird man. Eigentlich erwarten wir das Gegenteil: Je mehr wir lesen, desto klüger werden wir. Ich bin mir da aber gar nicht mehr so sicher.

Ganz unvermutet stieß ich dieser Tage auf eine Tätigkeit, einen Beruf, von dem ich noch nie etwas gehört hatte: „Professur für die Soziologie des Essens.“ Eine Dame namens Jana Rückert-John wurde da als Professorin erwähnt.

Natürlich will ich dieser Dame nicht zu nahe treten, aber gewundert habe ich mich schon. Wenn ich an Essen denke, dann sausen mir so alle möglichen Gedanken durch den Kopf – von Heißhunger, Hunger, über Appetit, Haus-mannskost, zig-Sterne-Köche, Fertiggerichte, Fast Food, 5-Minuten-Terrinen, Abende an festlicher Tafel, ein Menü im „Chambre séparée“ und weiß der Teufel was sonst noch. Das ist schon eine ganze Menge, und wahrscheinlich gibt es noch vieles andere.

Ob damit die Soziologie des Essens gemeint ist? Soziologie ist ja so etwas wie Gesellschaftskunde. Vielleicht geht es darum, wie wir essen – allein und in Gesellschaft. Fingerfood oder japanisch mit Stäbchen? Mit Messer und Gabel? Und wie man Messer, Gabel, Löffel auf den Tisch legt? Was gehört sich, und was nicht bei Tisch? Trinksprüche gehören wahrscheinlich auch dazu. Nach dem zehnten Wodka zu sagen „Auf Ihre Gesundheit“, ist zwar üblich, aber gemein. Ich glaube, wir haben hier wieder ein fontanisches „weites Feld“ vor uns. Aber glauben heißt ja nicht wissen. Jedenfalls: Klüger geworden bin ich nicht. Eher komme ich mir ziemlich dumm vor. Ich denke, das wird sich wieder legen.

Jedenfalls war die Begegnung mit der Soziologie des Essen für mich der Anlass, mir einmal die Seiten der Wochenzeitung DIE ZEIT anzusehen, die ich sonst immer gleich wegschmeiße: „Stellenmarkt“. Ich bin aus dem Staunen nicht rausgekommen.

Ich ahnte gar nicht, dass jedes Kaff in Deutschland eine Hochschule, eine Univer-sität oder so etwas Ähnliches hat. Wir platzen vor Bildung aus allen Nähten. Daran besteht kein Zweifel. Es scheint nichts zu geben, was sich bildungswissenschaftlicher Betrachtung und Bearbeitung entziehen könnte.  Ich frage mich, weshalb wir noch etwas in Bildung investieren sollen, wo wir doch schon alles im Überfluss haben.

Gesucht hatte ich auf diesen Seiten nach etwas ganz anderem – nach Hinweisen auf die befristeten Forschungs- und Lehraufträge, die landauf, landab beklagt werden – ich vermute: zu recht.

Ich habe auf den 6 Stellenanzeigenseiten in der Ausgabe vom 13. Juli drei, vier Anzeigen mit Befristung gefunden. Natürlich will das nichts sagen. Aber immerhin.

Etwas ganz anderes fiel mir auf. In vielen Anzeigen heißt es zum Beispiel: „ Die …Universität ist bestrebt, den Anteil von Professorinnen zu erhöhen. Sie ermutigt daher insbesondere  Wissenschaftlerinnen zur Bewerbung...“ Oder:
„Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber werden bei ansonsten  im wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt eingestellt. Der Anteil  der Frauen am wissenschaftlichen Personal beträgt derzeit 25%. Die Hochschule strebt eine weitere Erhöhung an.“ Eine weitere?

Ist das alles ernst gemeint?




In Hamburg ist kein Bett mehr frei

Der G20-Gipfel am 7. und 8. Juli in Hamburg  war eine Katastrophe. Nicht einmal die Veranstalter sehen das anders. Die Ergebnisse: beschämend. Die Kommentare der Bundeskanzlerin dazu: noch beschämender.

Dieser Teil der Katastrophe ist noch viel dramatischer als die anarchistischen Krawalle, die den G20-Gipfel auf so hässliche Weise kennzeichnen. Die Nichtergebnisse betreffen die ganze Welt und nicht nur Hamburg, und alle werden darunter für unabsehbare Zeit leiden. Es wäre leichtfertig, das zu vergessen.

Überhaupt wird es Zeit, den traurigen Blick zu heben und zu fragen, ob alles, wirklich alles ein Misserfolg ist. Nichts Positives? Nicht einmal die Andeutung davon?

Doch. Da war doch was. Erinnern wir uns an die Zeit vor dem Gipfel. Zugegeben: So hoch es auch im Vorfeld schon herging, es gab auch Positives. Die Hotellerie Hamburgs und seiner Nachbarschaft war ausverkauft.

Kein Bett mehr frei. Überhöhte Messepreise. Das Fairmont-Vierjahreszeiten ließ umbauen, um dem erwarteten Scheich jeden Wunsch von den Augen abzulesen – angesichts der Großzügigkeit des Herrschers, der dann doch nicht kam, verständlich. Wir dürfen davon ausgehen, dass alle Gäste nicht nur zahlungswillig, sondern auch zahlungsfähig waren. Alle Rechnungen dürften pünktlich bezahlt worden sein.

Es war also doch nicht alles schlecht am G20-Gipfel.  Es hat auch einen Erfolg gegeben. Der sei allen Hoteliers gegönnt. Warum ist das eigentlich in Vergessenheit geraten?


Ein Mann redet sich um Kopf und Kragen

Es ist noch gar nicht lange her, da bezeichnete die SPD-Größe Sigmar Gabriel Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz als einen der intelligentesten Politiker Deutschlands. Heute fragt man sich, wie er dazu kam. Niemand widerspricht diesem Urteil heftiger als Olaf Scholz selbst.

Schlimm genug der schon recht dümmliche Vergleich des G20-Gipfels mit dem Hamburger Hafengeburtstag. Fragwürdig die ohne Not ausgesprochene totale Sicherheit – die der Gäste, die der Bürger, die Sicherheit aller? Und als es an allen Ecken und Enden lichterloh brannte, war Beethovens IX. in der Elbphilharmonie Pflicht, nicht aber der Weg zu den Brandstätten, den Scherben, den Plünderungen? Ist das zu verstehen? Kann sich ein Bürgermeister noch weiter von seinen Bürgern entfernen?

Aber dann, endlich! Herr Scholz bittet die Bürger um Entschuldigung. Ein Mann kommt wieder zur Besinnung. Nein, kommt er nicht!

„Polizeigewalt hat es nicht gegeben“, so der Erste Bürgermeister. Der Vorwurf eines zu harten Einsatzes der Polizei sei eine Denunziation. Und das sagt der Herr, obgleich zurzeit 35 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte laufen. In 27 Fällen geht es um den Verdacht der Körperverletzung im Amt. (Quelle: SPIEGEL ONLINE, 14. Juli 2017, 11.44 Uhr)

Mag sein, dass sich die erhobenen Vorwürfe als gegenstandslos erweisen. Eigentlich sollte man das hoffen. Aber der Erste Bürgermeister Hamburgs weiß es schon jetzt: Da war nichts.

Und nun? Scholz muss weg. Scholz muss zurücktreten. Das gebietet schon der Anstand? Unsinn. Das ist Oppositionsgenöle. Das ist Politik auf niedrigstem Niveau. Billig!

Lassen wir ihn doch. Hamburgs Bürger müssen Olaf Scholz ja nicht noch einmal wählen, nicht mal seine Partei. Aber das ist ein anderes Thema. Das führt an den Anfang zurück: Die Frage nach der Intelligenz der Politiker.






Wörter haben Flügel

Hat man sie erst einmal in die Freiheit entlassen, fliegen sie davon und sind nicht wieder einzufangen. Nicht einmal Diktatoren schaffen das, und wenn sie zehnmal versuchen, sie in ein Gefängnis zu sperren.

Niemandem gelingt es, so sehr er sich auch bemühen mag, Gesagtes ungesagt zu machen. Das gelingt auch dem selbsternannten „Rote Flora“-Anwalt Andreas Beuth nicht.

„Wir als Autonome und ich als Sprecher der Autonomen haben gewisse Sympathien für solche Aktionen, aber bitte doch nicht im eigenen Viertel, wo wir wohnen. Also warum nicht irgendwie in Pöseldorf oder Blankenese?“ Das sagte Beuth zu den anarchistischen Krawallen in der Schanze.

Nach heftiger Kritik und „Nachhilfe“ durch andere prominente Flora-Vertreter versuchte er, sich zu korrigieren: „Solche Aktionen sind sinnentleerte Gewalt und haben eine Linie überschritten.“ Er versuchte es. Vergebens. Gesagt ist gesagt und kann nicht ungesagt gemacht werden.


Gegen den Bildungswahn

Bildung, Bildung, Bildung. Die Politiker aller Parteien sind sich einig: Es muss mehr in Bildung investiert werden. Eine Bildungsoffensive ist notwendig. Milliarden müssen investiert werden. Bildung ist Investition in die Zukunft – nicht so sehr aus kulturellen Gründen,  sondern aus wirtschaftlichen. Damit es uns auch in Zukunft gut geht. Deshalb ist jeder dafür, die Politiker, wir alle. (Zu befürchten ist: besser als es uns gut tut.)

Es wird höchste Zeit, mit diesem Bildungswahn Schluss zu machen. Wir brauchen keine Bildungsinvestition. Wir brauchen ein Bildungsdivestment. Ein was? Ja, ein Divestment. Das heißt, wir sollten uns hier tatsächlich wirtschaftlich verhalten wie ein Unternehmen, das nicht notwendige Bereiche abstößt, verkauft und sich damit wieder auf das Wesentliche konzentriert.

Wesentlich sind Inhalte. Sie lassen sich immer häufiger nicht mehr erkennen. Der Duden bezeichnet mit „bildungssprachlich“, eine Ausdrucksweise, die immer weniger Menschen verstehen. Wer kann schon etwas mit dem Begriff Divestment anfangen, außer Wirtschaftswissenschaftlern? Ranking, Diversität, Evaluierung, Random-Verfahren – viele ahnen, was gemeint ist, die meisten dürften keine Ahnung haben. Rangfolge, Vielfalt, Bewertung, Zufalls-Verfahren wird jeder verstehen, sogar der höchstgebildete Mensch. Nicht wenige werden auch vor den Bezeichnungen Facility-Management, Facility-Manager ratlos und sprachlos stehen. Was, bitte schön, ist an Haus/Grundstücksverwaltung, an    Hausverwalter, Hausmeister so schlimm?

Wohin dieses bis zur Unverständlichkeit aufgeblasene Bildungsdeutsch führt, zeigt der hemmungslose Einsatz von Technologie anstelle von Technik. Selbst der einfachste technische Vorgang wird zu Technologie hochstilisiert. Wir haben uns daran gewöhnt. Wir merken schon gar nicht mehr, wie oft ohne nachzudenken gesprochen und geschrieben wird. Wir nehmen es nicht mehr so genau damit. Das ist gefährlich; denn diese Oberflächlichkeit beschränkt sich zum Schluss nicht nur auf die Sprache.

Es wird Zeit, dass wir uns zur Ordnung rufen. Da die Sprache der Verständigung dient, sollten wir uns von dem „bildungssprachliche“ Unfug postwendend trennen. Was wir hier brauchen, ist, was wie ein Blitz aus heiterem Himmel eingeschlagen ist: Divestment. Wir könnten auch sagen: Rückbau, pardon, Abriss. Reißen wir den Sprachprotz kurz entschlossen ab! Den Protz wohlgemerkt. Nichts gegen verständliche Fachbegriffe, schon gar nichts gegen Fremdwörter. Nichts gegen oft zu unrecht geschmähte Anglizismen, von denen nicht wenige unsere Sprache bereichern.

Das wäre aber nur der erste Schritt. Der zweite müsste sofort folgen. Nur der würde den Begriff Bildungsoffensive rechtfertigen. Es ist höchste Zeit, dass Schulkinder wieder richtig schreiben und damit auch richtig denken lernen. Es ist nicht schlimm, Fehler zu machen, aber es ist schlimm, sie nicht wichtig zu nehmen. Und es ist wichtig, sie zu berichtigen. Vor allem ist es wichtig, dass wir uns für jeden verständlich ausdrücken, für jeden – vom Tellerwäscher bis zum Hochschulprofessor. Hier ist jeder Cent, jeder Euro gut investiert.

Die Schriftstellerin Oriana Fallaci hat bewiesen, dass es geht – mit ihrer einfachen eindringlichen Sprache. Sie hat nie vergessen, was ihre Mutter, eine einfache Frau, ihr gesagt hatte: „Schreibe so, dass auch ich es verstehe.“




Ab in den Waschzuber

Schreckliche Zeiten damals. Schmutzige Wäsche wurde über Nacht eingeweicht, am nächsten Tag im Waschkessel gekocht, dann mühselig auf dem Waschbrett gerubbelt, geschrubbt usw, usw.

Wie gut haben wir es heute. Alles geht viel schneller, alles ohne Mühe. Kein krummer Rücken, ganz besonders dann nicht, wenn es unter Politikern darum geht, schmutzige Wäsche zu waschen, wie jetzt in der „Aufarbeitung“ der G20-Gipfel-Katastrophe.

Wer hat Schuld? Wer nicht? Und wer nur ein kleines bisschen? Wer hat schon vorher alles besser gewusst? Wer, vor allem, hätte es besser gemacht? Natürlich die Kritiker von heute.

Der Bürgermeister muss weg. Die Bundeskanzlerin auch. Steht noch jemand auf der Liste? Die Linke vielleicht, die sowieso immer alles verbockt? Oder doch die Rechte? Und wenn beide – was dann?

Unsere Parteien benehmen sich durch die Bank wie kleine Kinder in der Buddelkiste: Machst du meine Burg kaputt, haue ich deine in Klump. Únd wenn du frech wirst, kriegst du eins mit der Schippe auf den Kopf. Bis dann die Mamas
mit einem Klaps auf den Po die Welt wieder in Ordnung bringen.

Vielleicht sollten wir unsere Politiker auch mal übers Knie legen. Sie scheinen sich daran gewöhnt zu haben, dass wir über jeden unsinnigen Streit, den sie vom Zaun brechen, großzügig hinwegsehen. Diesen Fehler dürfen wir uns nicht länger erlauben.

















Dienstag, Juli 11, 2017

Ein altes Wort wird wieder neu

Hilfsschule und  Hilfsschüler sind Wörter, die längst in Vergessenheit geraten sind.  Wer sie heute noch benutzt, äußert sich politisch unkorrekt. Das ist zu respektieren, wenn auch nicht immer. Es gibt auch heute noch Unterschiede, die man machen sollte.

Aber seinerzeit war das so, was die Schule angeht: Hilfsschule, Volksschule, Mittelschule, Oberschule, Gymnasium – alles klar geregelt. Jeder wusste bescheid. Jeder fand sich zurecht. Das ist heute anders.

Selbst einige Semester in Philologie schützen nicht mehr davor, rat- und hilflos vor Begriffen zu stehen, die anscheinend gerade aus dem Himmel gefallen sind.
Meme (Singular: Mem)? Gestern noch nicht gehört, heute überall zu lesen und zu hören.

Also ab in des Teufels Küche.  Google weiß es bestimmt. Richtig. Ein, zwei drei Klicks höchstens, und man weiß, was gemeint ist: „Bewusstseinsinhalt, zum Beispiel Gedanke.“ Aha.

Glücklicherweise hilft das Stichwort „Gedanke“ auch dem modernen Hilfs-schüler auf die Sprünge. Ein Mem teilt Gedanken mit. Die lassen sich auf unterschiedliche Weise vermitteln – durch einen Text, durch ein Foto, durch ein Filmchen und was sonst noch immer. Eigentlich alles wie gehabt, alles wie gewohnt, alles ganz normal. Und warum fährt jetzt die ganze Welt auf „Meme“ ab?

Auf diese Frage hat noch niemand geantwortet. So bleibt für den Augenblick nur die Vermutung, dass es sich um eine Fangfrage handelt, mit der auch Oberstudienräte zu Hilfsschülern erklärt werden können, weil sie keine vernünftige Antwort geben können.. So kommen wir wieder zum Anfang des Textes zurück.











So gewinnt das Wort „Hilfsschüler“ seine Bedeutung wieder zurück.


Gelobt sei, was hart macht

Was Friedrich Nietzsche so alles geschrieben hat! Unter anderem auch „Gelobt sei, was hart macht.“ Soweit überliefert ist, hat er das nach einem steilen Bergaufstieg notiert, der ihn atemlos machte und fast ans Ende seiner Kräfte brachte.

Er ahnte nicht,  dass fast 120 Jahre nach seinem Tod diese Härte ins Lächerliche gezogen würde. Von der Härte des Aufstiegs war schon längere Zeit nicht mehr die Rede, von der Härte des Abstiegs desto häufiger und nachdrücklicher. Viele steigen ab, ohne vorher aufgestiegen zu sein. Ein unangenehmes Thema.

Nun ist nichts so schlecht, dass man es  nicht wenigstens etwas besser machen könnte. Dazu dürfte auf jeden Fall die Entdeckung eines deutschen Politikers gehören: der hart arbeitende Mensch.

Der SPD-Kanzlerkandidat hat den hart arbeitenden Menschen ins Spiel gebracht. Arbeit genügte anscheinend nicht. Es musste schon harte Arbeit sein.

Harte Arbeit gibt es natürlich, und Menschen, die sie auf sich nehmen, die sie leisten müssen, gibt es auch. Alle Zeitarbeiter, Leiharbeiter und ähnlich benachteiligte können ein Lied davon singen, eine Strophe trauriger als die andere. Aber das gilt doch nicht für alle. So klingt das aber. Und so ist es auch gemeint. Deutschland, das Land der bis zur Erschöpfung Schuftenden?

Hart arbeiten ist zum geflügelten Wort geworden. Unter harter Arbeit ist nichts zu machen. Wer nur arbeitet, zählt nicht.

Warum zahlen so viele Politiker so gern mit der allerkleinsten Münze? Warum haben sie es überhaupt mit der Härte? Straftaten, selbst die nur vermuteten, werden mit aller Härte des Gesetzes verfolgt. Das Gesetz allein genügt nicht. Die Härte darf nicht fehlen.

Liebe Politiker, nehmt doch den Mund nicht immer so voll! Aber den Mund verbieten kann man niemanden, auch dem nicht, der gar nichts zu sagen hat und es trotzdem sagt. Das ist wirklich ein starkes Stück.










Sonntag, Juli 09, 2017

Total abgefahren

Wohin wir auch blicken: Nur Terror, Katastrophen, Unglück über Unglück –Horrornachrichten, endlos. Soll man den Weltuntergang befürchten oder – Alternative – herbeiwünschen? Man traut sich fast nicht mehr, in einer Zeitschrift zu blättern; fast – tauchten da nicht immer wieder bunte Seiten auf, die uns die Welt mit anderen Augen sehen lassen, die  – mehr noch – eine für uns ganz neue Welt schaffen.

Dieser Aufgabe widmen sich vor allem die Automobilanzeigen. Sie sind groß, bunt und überraschend wie Sendboten aus anderen Welten. Tatsächlich. Sie haben mit unserer Welt nichts zu tun, wie wir gleich sehen werden. Nehmen wir Volkswagenanzeigen als Beispiele.

Auf den Gedanken, ein Modell Phideon zu nennen, muss man erst mal kommen. Da muss man über das Kleine Latinum hinausgekommen sein. Anders ist der Hinweis nicht zu verstehen, dass an der Wiege dieses Namens die römische Göttin Fides gestanden habe, die Göttin für Treue. Da geht jedem gebildeten Menschen ein Licht auf: Phideon ist das Schlüsselwort für Zuverlässigkeit und Eleganz.

Der Auftritt auf höchstem Niveau verpflichtet. Ohne Frage: Arteon, der Name  eines weiteren neuen VW-Modells hält phonetisch das anspruchsvolle Niveau. Nur die Erklärung kommt nicht mehr so klassisch. Art sei dem englischen art für Kunst entliehen, heißt es, und eon erinnere an Phideon. Na ja.

Es wird Zeit, dieses Niveau zu verlassen. Ehrlich gesagt, ist die Welt, die uns Arteon verspricht, auch viel spannender als der Name.

Der Arteon steht bereit für uns, „Alle Abenteuer der Stadt“  zu meistern, so heißt es sinngemäß. Um welche Abenteuer es sich handelt, wird nicht gesagt. Die Staus morgens, abends, immer? Die verdammt aussichtslose Parkplatzsuche? Die Strafe für das Parken in der zweiten Reihe, auf dem Radweg, auf dem Fußweg? Das ist das, was Autofahrer zu recht und zu unrecht als Abenteuer empfinden.
Ach, Arteon, wie schaffst du das?

Damit nicht genug. Arteon sei eine völlig neue Form von Volkswagen, ist zu lesen, zu erkennen an seiner konsequenten Linienführung. So ganz scheinen das die Schreiber selbst nicht geglaubt zu haben. Sicherheitshalber erwähnen sie deshalb den „konsequenten Anstieg Ihres Herzschlags.“ Bleibt zu hoffen, dass der Anblick eines VW Arteon nicht zu einem Herzinfarkt führt. Bestimmt kommt dann ein gerissener Anwalt und droht mit Vorsatz oder sonstwas Üblem.

Über den VW-Slogan „Wir bringen die Zukunft in Serie“ soll hier kein Wort verloren werden. Da kann sich erst mal jeder selbst seine Gedanken machen.







Zum Glück gibt's Vorurteile

Wahrscheinlich haben wir alle mehr Vorurteile, als wir zugeben würden, und wir fühlen uns gar nicht wohl dabei. Was ist los mit uns? Warum geben wir nicht zu, dass wir Vorurteile haben?

Das liegt wahrscheinlich an dem Vorurteil, dass Vorurteile grundsätzlich schlecht sind. Dabei übersehen wir, dass das gar nicht stimmt. Wenn wir von den Charakterzügen „der“ Amerikaner, „der“ Russen, Polen, Franzosen und und und sprechen, dann geht es nicht immer um Negatives. Unser Vorurteil kann auch positiv ausfallen.

Allerdings: So oder so – Vorurteile sind Verallgemeinerungen. Es empfiehlt sich, dreimal darüber nachzudenken, bevor wir Alle und Alles gleich machen. Diese Verallgemeinerung ist die eine Seite des Vorurteils. Es gibt aber noch eine zweite. Die sollten wir auch einmal betrachten.

Unser Leben wäre unmöglich, wenn wir jede Erfahrung selbst machen müssten. Wir müssen als Kind nicht auf die glühende Herdplatte fassen, um zu erfahren, wie schmerzhaft das ist. Dieses Beispiel zeigt, dass wir, täglich unzählige Male auf Vorerfahrungen zurückgreifen, auf Vor-Urteile.

Vorurteile – so verstanden – helfen uns, unseren Weg durch die zig Informa-tionen zu finden, die uns täglich erreichen. Grund genug, beide Seiten des Vorurteils zu betrachten. Das sollten wir sehr sorgfältig machen. Es bewahrt uns in jeder Hinsicht vor Fehlern.




Merkels G20-Sternstunde

7. Juli 2017. Kein einfacher Tag für unsere Bundeskanzlerin. In wichtigen Themen keine Einigkeit. Die „Sherpas“ arbeiten angeblich wie besessen – hoffentlich an Lösungen, nicht an Schönfärberei. Nichts soll unter den Tisch gekehrt werden, so Frau Merkel. Das wird hoffentlich auch im Schlussprotokoll stehen.

Und dann die Randale! Übel, überflüssig, ein einziger Skandal. Melania Trump konnte stundenlang ihr Hotel nicht verlassen. Die Polizei konnte ihr keinen sicheren Weg garantieren. Eine Verkäuferin in Ottensen: Dann haben da sechs Leute die Schaufensterscheiben eingeschlagen, einfach so. Steine, Bengalos, brennende Autos, in Brand gesteckter Müll. Prügeleien, auch von der Polizei. Protest ja. Gründe genug dafür gibt es, mehr als genug, für Randale keinen.

Trotz allem: Die Bundeskanzlerin hat zur 9. Symphonie von Beethoven in die Elbphilharmonie eingeladen – die 9. Symphonie, die Europahymne, dazu der Chor „Freude, schöner Götterfunken…“! Beethoven und Schiller – zwei deutsche Europäer – wirklich: ein Grund zur Freude. Das ist – in Hamburg – Angela Merkels Sternstunde. Gratulation!



Andy Grotemaul

Wenn ich Herbert Wehner wäre, würde ich Hamburgs Innensenator Andy Grote so nennen. Aber ich bin nicht Herbert Wehner und werde es daher nicht sagen. Ich werde es auch deshalb nicht sagen, weil der Innensenator mit seiner Großmäuligkeit ja nicht allein ist.

Da wäre beispielsweise Hartmut Dudde, Einsatzleiter der Hambuger Poliizei: „Wenn wir sagen, hier ist Schluss, dann ist da Schluss. Da reagieren wird auch. Wir warten nicht ab, wenn Straftaten begangen werden.“ Oder Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer: „Wir sind so gut vorbereitet wie noch nie.“  Und dann das Versprechen des Ersten Bürgermeisters, Olaf Scholz: „Seien Sie unbesorgt: Wir können die Sicherheit garantieren.“ Als gewiefter Politiker hat er nicht gesagt, wessen Sicherheit der meinte. Die der Hamburger Bürger offenbar nicht.

Ehrlich gesagt, sollte dieser Dilettantismus niemanden überrascht haben. Schließlich hat Herr Scholz den G20-Gipfel schon vor Wochen mit dem Hamburger Hafengeburtstag verglichen; den hätte man ja auch immer gut im Griff gehabt. Geht es noch leichtfertiger?

Hochmut kommt vor dem Fall. So haben es ein paar Leute fertiggebracht, Hamburg zu Weltmetropole der Randale zu machen.

Es wird schwierig sein, einen wenn auch pfeffersäckischen guten Ruf wieder aufzupolieren. Erst mal müssen die Scherben auf Hamburgs Straßen zusammengekehrt werden. Dann ist Frau Merkel beim Wort zu nehmen: Wer Schaden erlitten hat, soll entschädigt werden. Herr Schäuble sei schon eingeschaltet. Und dann beginnt die eigentliche Arbeit.

Trotzdem: Auch unsere immer noch nicht ganz sattelfeste Demokratie wird mit der hamburger Randaleveranstaltung fertig werden. Nicht klein beigeben. Stattdessen: Kopf hoch!




Merkel sieht schwarz

Es ist immer wieder erstaunlich, wie Politiker versuchen, mit billigster Münze durchs Leben zu kommen – und entnervend, dass wir das auch noch hinnehmen. So atemberaubend schnell unsere Welt sich verändert, Politiker sind da offenbar immer noch einen Schritt schneller – mindestens.

In ihrer heutigen Form werde die Autoindustrie nicht überleben, so Frau Merkel beim Europäischen Rat. Keine guten Überlebenschancen für Deutschlands wichtigsten Indu-striezweig mit rund einer Million Beschäftigten, findet sie. Dieser Befund ist ernst zu nehmen.

Die deutschen Automobilhersteller, alle wie sie da sind, dürften den Wechsel vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb gründlich verschlafen haben. Das ließe sich immer noch machen, sozusagen in einer Hauruckaktion? Das mag sein. Das Dumme ist nur, dass damit hunderttausende Arbeitsplätze verloren gingen – über Nacht. Wie das? Ein Verbrennungsmotor besteht aus einigen tausend Teilen, ein Elektromotor aus wenigen. Weniger Arbeit, weniger Arbeitsplätze, mehr Arbeitslose. Wie gesagt: von heute auf morgen. Das will natürlich niemand. Aber darüber wird nicht gesprochen. Und deshalb wird auch nichts getan, und wenn, dann das Falsche.

Die Alternative Wasserstoffantrieb – weitgehend entwickelt und in der Praxis erprobt – ist offenbar als Alternative kein Thema. Dabei stünden hier Arbeitsplätze nicht infrage. Die Motoren würden sich nicht ändern, nur der Kraftstoff.

Bitte jetzt nicht darüber reden, dass die Wasserstoffproduktion zu anspruchsvoll sei, zu teuer, und dann die Schwierigkeiten mit der Speicherung und überhaupt: die Wasser-stofftankstellen, von denen es zurzeit nur ein paar gibt. Sind das unlösbare Probleme? Bestimmt nicht.

Die deutschen Automobilhersteller sind weder auf die eine noch auf die andere Möglichkeit eingerichtet. Zukunft liest sich für sie so wie die Vergangenheit. Sie konnten sich jeden Unfug, jede Unverfrorenheit bis zu Betrug und Verlogenheit leisten. Die hatten ihre Bundeskanzler und jetzt ihr Bundeskanzlerin auf ihrer Seite. Wie eine Löwin kämpfte Frau Merkel für alles, was Audi, BMW, Mercedes, VW zu ihrem Vorteil für richtig und wichtig hielten.

Wer jetzt glaubt, Frau Merkel will das ändern, der irrt. Alle betroffenen Länder sollten bereit sein, „die Umstrukturierung unserer Autoindustrie in den kommenden Jahren zu begleiten und zu kompensieren“, sagt sie. Im Klartext: Die Automobilhersteller sollen auch in Zukunft ohne Rücksicht auf Vernunft subventioniert werden. Die Herren Krüger (BMW), Müller (VW),  Stadler (Audi), Zetsche (Mercedes), können sich die Hände reiben.

Das ist ja auch einleuchtend. Im Wahlprogramm von CDU und CSU wird erklärt, „dass die deutsche Automobilindustrie auch künftig ihre Weltmarktstellung behauptet.“ Deutschland solle führend werden bei der Produktion alternativer umweltfreundlicher Antriebe. Ein frommer Wunsch. Anscheinend fahren die Herren ihre Unternehmen lieber gegen die Wand – auf unsere Kosten.

Quelle: DER SPIEGEL, 8. Juli 2017

Freitag, Juli 07, 2017

Merkeleien

Frau Merkel liebt es, sich in aller Deutlichkeit undeutlich auszudrücken. Es wäre billig, sich darüber lustig zu machen, auch wenn dies und jenes zum Lachen reizt. Dahinter steckt auch nicht sprachliche Unlust oder Geringschätzung. Und wer jetzt mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihre sicherlich nicht sonderlich ausge-prägte rhetorische Begabung hinweist, lässt es an Hochmut nicht fehlen, wohl aber an Höflichkeit.

Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass unsere englischen Freunde von dieser entschiedenen Unentschiedenheit so beeindruckt sind, dass sie merkeln, to merkel, in ihr Vokabular aufgenommen haben und es wohl in ihre dictionaries  aufnehmen werden, über kurz oder lang. Wenn das keine Anerkennung, wenn das keine Auszeichnung ist – was, bitte, dann?

ZEIT-Autor Adam Soboczynski hat sich recht ausführlich und wohlwollend kritisch zu der immer wieder rätselhaften, verrätselnden Wortführung geäußert. Dazu nimmt er uns auf einen kurzen Ausflug ins Merkel-Philosophische mit: „Überall stoßen wir auf ein Denken, das kein Morgen kennt“ – „Alles, was noch nicht gewesen ist, ist Zukunft, wenn es nicht gerade jetzt ist“ – „Wir sind jetzt gerade im Sommer der Entscheidungen. Und dann kommen der Herbst und dann der Winter. Jetzt kommen überhaupt nur Entscheidungen.“ Wie gedankenschwer und lyrisch!

Eins allerdings hat Herr Soboczynski beiseitegelassen – den unsinnigen Gebrauch von „ein Stück weit“. Frau Merkel wird diese Redewendung, die uns täglich um die Ohren geschlagen wird, nicht erfunden haben, aber sie hat sie auf die Spitze getrieben mit „wir müssen ein Stück weit Flagge zeigen“. Ein Stück weit? Welches Stück, bitte schön? Da es sich wohl um die Nationalflagge gehandelt hat: - ein Stückchen Schwarz oder Rot oder Gold? Entweder zeigt man Flagge – ganz und gar und lässt sie im Wind wehen – oder gar nicht.



Montag, Juli 03, 2017

Der Totale Krieg

An Selbstbewusstsein hat es amerikanischen Präsidenten noch nie gefehlt, an Verstand mitunter schon. Das kommt in den besten Familien vor. Trotzdem gelang es der Welt immer wieder, einigermaßen aus dem Schlamassel herauszukommen, das manche der Herren angerichtet haben.

Mit diesen, wenn auch nicht guten, aber erträglichen Zeiten macht Herr Trump Schluss.

Klimaschutzabkommen? Weg damit. Freihandel? Lieber nicht. Kampf gegen Steueroasen und Steuerdumping? Vergiss es! Regulierung und Kontrolle der Finanzmärkte? Quatsch! Kein Export von Hormonfleisch nach Europa? Dann setzt es Strafzölle, die sich gewaschen haben. Und so weiter, und so weiter.

Das ist keine Blockade. Das ist nicht eine Kriegserklärung. Das ist der Totale Krieg, auf die Spitze getrieben wenige Tage von dem G20-Gipfel in Hamburg.

Was ist davon zu halten? Auf die leichte Schulter nehmen oder das Schlimmste befürchten. Das bisherige Verhalten von Donald Trump legt den Vergleich mit Adolf Hitler nahe. Alles, was der androhte, machte er auch. Niemand wollte es glauben. Die Folgen dieses Totalen Krieges sind bekannt.

Deutschland ist G20-Gastgeber. Der Chefunterhändler der Bundeskanzlerin hat sich auf den Weg nach Washington gemacht, um herauszufinden, ob Herr Trump zu Kompromissen bereit ist. Das ist ein Gebot der Höflichkeit, der Vernunft und der Verantwortung gegenüber allen anderen G20-Teilnehmern.

Kompromisse? Welch eine Idee! Das mit den Kompromissen hat schon einmal nicht geklappt. Und jetzt auf einmal soll das gehen? Welch eine Illusion!

Der Krieg ist erklärt. Dann soll er auch geführt werden – aber bitte von Herrn Trumpf allein. In den USA tobt er sich ja schon aus. Die europäischen Staaten haben anderes zu tun, besseres, als Krieg zu führen – untereinander schon gar nicht.


Deshalb sollten sie Herrn Trump ohne Kompromisse nach Hause schicken. Die zigtausendfachen gewaltfreien Bürgerproteste im Vorfeld des G20-Gipfels machen Mut.