Freitag, Juli 14, 2017
Je mehr man liest, desto
unwissender wird man. Eigentlich erwarten wir das Gegenteil: Je mehr wir lesen,
desto klüger werden wir. Ich bin mir da aber gar nicht mehr so sicher.
Ganz unvermutet stieß ich dieser
Tage auf eine Tätigkeit, einen Beruf, von dem ich noch nie etwas gehört hatte:
„Professur für die Soziologie des Essens.“ Eine Dame namens Jana Rückert-John
wurde da als Professorin erwähnt.
Natürlich will ich dieser Dame
nicht zu nahe treten, aber gewundert habe ich mich schon. Wenn ich an Essen
denke, dann sausen mir so alle möglichen Gedanken durch den Kopf – von
Heißhunger, Hunger, über Appetit, Haus-mannskost, zig-Sterne-Köche,
Fertiggerichte, Fast Food, 5-Minuten-Terrinen, Abende an festlicher Tafel, ein
Menü im „Chambre séparée“ und weiß der Teufel was sonst noch. Das ist schon
eine ganze Menge, und wahrscheinlich gibt es noch vieles andere.
Ob damit die Soziologie des
Essens gemeint ist? Soziologie ist ja so etwas wie Gesellschaftskunde.
Vielleicht geht es darum, wie wir essen – allein und in Gesellschaft.
Fingerfood oder japanisch mit Stäbchen? Mit Messer und Gabel? Und wie man
Messer, Gabel, Löffel auf den Tisch legt? Was gehört sich, und was nicht bei
Tisch? Trinksprüche gehören wahrscheinlich auch dazu. Nach dem zehnten Wodka zu
sagen „Auf Ihre Gesundheit“, ist zwar üblich, aber gemein. Ich glaube, wir
haben hier wieder ein fontanisches „weites Feld“ vor uns. Aber glauben heißt ja
nicht wissen. Jedenfalls: Klüger geworden bin ich nicht. Eher komme ich mir ziemlich
dumm vor. Ich denke, das wird sich wieder legen.
Jedenfalls war die Begegnung mit
der Soziologie des Essen für mich der Anlass, mir einmal die Seiten der
Wochenzeitung DIE ZEIT anzusehen, die ich sonst immer gleich wegschmeiße:
„Stellenmarkt“. Ich bin aus dem Staunen nicht rausgekommen.
Ich ahnte gar nicht, dass jedes
Kaff in Deutschland eine Hochschule, eine Univer-sität oder so etwas Ähnliches
hat. Wir platzen vor Bildung aus allen Nähten. Daran besteht kein Zweifel. Es
scheint nichts zu geben, was sich bildungswissenschaftlicher Betrachtung und
Bearbeitung entziehen könnte. Ich frage
mich, weshalb wir noch etwas in Bildung investieren sollen, wo wir doch schon
alles im Überfluss haben.
Gesucht hatte ich auf diesen
Seiten nach etwas ganz anderem – nach Hinweisen auf die befristeten Forschungs-
und Lehraufträge, die landauf, landab beklagt werden – ich vermute: zu recht.
Ich habe auf den 6
Stellenanzeigenseiten in der Ausgabe vom 13. Juli drei, vier Anzeigen mit
Befristung gefunden. Natürlich will das nichts sagen. Aber immerhin.
Etwas ganz anderes fiel mir auf.
In vielen Anzeigen heißt es zum Beispiel: „ Die …Universität ist bestrebt, den
Anteil von Professorinnen zu erhöhen. Sie ermutigt daher insbesondere Wissenschaftlerinnen zur Bewerbung...“ Oder:
„Schwerbehinderte Bewerberinnen
und Bewerber werden bei ansonsten im
wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt
eingestellt. Der Anteil der Frauen am
wissenschaftlichen Personal beträgt derzeit 25%. Die Hochschule strebt eine
weitere Erhöhung an.“ Eine weitere?
Ist das alles ernst gemeint?
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