Sonntag, April 30, 2017

Globalisierung. Spiel mit gezinkten Karten

Beim Thema Globalisierung geht es nicht mit rechten Dingen zu. Wer spielt hier falsch? Einer, eine Clique oder vielleicht sogar alle? Versuchen wir, es herauszu-finden.

Das Vernünftigste dürfte es sein, bei den Menschen anzufangen, die sich vor der Globalisierung fürchten. Wer sind diese Menschen, wo finden wir sie und was macht ihnen Angst?

Wir müssen nicht lange suchen, um festzustellen, dass wir ihnen in den verschiedensten Bevölkerungsgruppen begegnen: Arbeitslose, Zeitarbeiter, Leiharbeiter, Wissenschaftler mit befristeten Verträgen. Das Ungewisse macht Angst. Es ist nicht nur die Furcht, morgen vielleicht auf der Straße zu stehen, arbeitslos, mittellos. Da ist auch die Sorge, nicht weiter voran zu kommen, irgendwann „abgehängt“ zu sein, das Gespenst, sein Alter in Armut zu verbringen. Und was soll aus den Kindern werden? Sie sollten es besser haben. Und nun?

Wo immer wir uns umsehen, es ist überall dasselbe: in Deutschland wie in Frankreich und Italien, in den Niederlanden, in Dänemark, in Griechenland, Spanien, Portugal, in ganz Europa.

Alle diese Probleme überall – die müssen doch eine Ursache haben. Das sagt einem schon der „gesunde Menschenverstand“. Und was sagt der noch? An allem ist die Globalisierung schuld, sagt er uns. Ob das wirklich stimmt? Richtig oder falsch – das sei für den Augenblick noch dahingestellt. Auf jeden Fall ist der einzelne Mensch ratlos, fühlt sich hilflos. Genau das ist ein gefundenes Fressen für eine ganz bestimmte Gattung von Politikern,  für die „Rechtsaußen-Populisten“.

Die „Rechtsaußen“ sind so gut wie überall in Europa auf dem Vormarsch. Hier und da ist Schlimmes, wenn nicht gar das Schlimmste, zu befürchten. Die „Rechtsaußen“ sind dabei, ein kompliziertes, aber erstmals seit über 70 Jahren friedliches Europa, in seine Bestandteile zu zerlegen. England ist raus, Frankreich steht auf der Kippe.

Das Rezept ist einfach. Erstens: Die Globalisierung ist an allem Unglück schuld. Zweitens: Die Nationalisierung ist das einzige Mittel, das verloren gegangene Glück zurückzubringen. Deutschland den Deutschen, Frankreich den Franzosen, Polen den Polen, Ungarn den Ungarn usw. Wenn wir erst mal wieder unter uns sind, wird alles wieder gut. 

Zurück in die Vergangenheit also. Zur Achtung vor dem Anderen wird wieder die Verachtung hinzugefügt. In den Niederlanden werden die Deutschen wieder die Moffen, in Frankreich die Boches, und die Deutschen sprechen wieder von den Polacken. Missachtung und Missgunst folgen. Jeder für sich. Alle gegen alle. Nationalismus gegen Globalisierung. Das Leben kann so einfach sein, wenn wir es mit den Augen der „Rechtsaußen-Populisten“ betrachten. Aber vielleicht geht das gar nicht. Vielleicht sind die „Rechtsaußen“ blind. Dann sollten wir ihnen nicht blindlings folgen.

Vieles spricht dafür, dass hier mit gezinkten Karten gespielt wird. Auf jeden Fall wird gepokert auf Teufel komm raus. Wir sollten aber noch etwas Geduld aufbringen; denn etwas haben die „Rechtsaußen-Populisten“ mit allen anderen Politikern gemeinsam: Sie überschätzen sich. Deshalb gehen sie mit der Globa-lisierung auf sehr merkwürdige Weise um.

Die Politik tut weltweit so, als sei Globalisierung nichts anderes als Welthandel. Natürlich gehört der Handel mit Waren aller Art von Land zu Land, von Kontinent zur Globalisierung. Die ist aber viel mehr.

Globalisierung ist die weltweite Ausbeutung von Menschen. Globale Unter-nehmen spielen die Menschen des einen gegen die anderer Länder aus. Wer am billigsten produziert erhält den Zuschlag. So wandern Produktionen von einem Land zum anderen, hinterlassen Arbeitslose an den ursprünglichen Standorten und produzieren zu Hungerlöhnen an den neuen.

Konzerne beherrschen die Welt. Sie sind jedem Staat, auch dem mächtigsten, weit überlegen; denn sie kennen, anders als Staaten, keine Grenzen. Grenzen sind für sie ein Fremdwort.

So bleibt unverständlich, weshalb die Medien von dem mächtigsten Mann der Welt sprechen, zurzeit soll das Donald Trump sein, und von der mächtigsten Frau der Welt, Angela Merkel. Das ist so  lächerlich, dass einem das Lachen vergeht.

Die US-Ölkonzerne pfeifen, und Herr Trump springt. Die deutsche Automobil-industrie hebt missbilligend die Augenbrauen, und Frau Merkel macht einen Hofknicks – gegen jede politische Etikette, gegen jeden Anstand.

Politik ist weltweit erpressbar geworden. Wirtschaft und Politik würden das nie zugeben. Aber es fragt sie ja auch niemand danach. Warum eigentlich? Stecken wirklich alle unter einer Decke?

Bleibt für den Augenblick festzustellen: Ja, es wird mit gezinkten Karten gespielt. Politik und Wirtschaft sind ertappt. Die „Rechtsaußen-Populisten“ mischen mit. Der kleine Mann, ob Straßenfeger oder Professor, ist der Dumme.

Wie wäre es mit einem neuen Spiel?













Alles Feinste bleibt privat

Der Wahlkampf in Schleswig-Holstein wird lauter. Auch peinlicher? Das kommt auf den Standpunkt an.

Das Hamburger Abendblatt auf seiner Titelseite der Wochenendausgabe 22./23. April: „Müssen Politiker mehr über ihr Privatleben verraten? Ministerpräsident Albig fordert Volksvertreter auf, sich den Bürgern als ‚ganz normale‘ Menschen zu zeigen“.

Dass zwischen Politikern und „normalen Bürgern“ oft Welten liegen, wird kaum jemand bestreiten. Das macht Verständnis und Verständigung schwierig bis unmöglich. So betrachtet hat die Anregung Albigs etwas für sich. Die Frage, was oder wer ein „normaler Mensch“ ist, überschlagen wir mal, sonst wird die Sache zu schwierig.

Herr Albig will zeigen, „dass wir (die Politiker) ganz normale Menschen sind mit Stärken und Schwächen und nicht elitäre Politikmaschinen.“ Wähler wollen wissen: „was das eigentlich für Menschen sind, die für sie Politik machen. Sind sie ganz anders als wir, oder haben sie nicht dieselben Probleme? Wie lösen sie sie? Sind sie vielleicht doch nicht so anders?“

Das alles klingt einleuchtend. Aber ist es das wirklich? Beurteile ich die politische Auffassung, die Herr Albig für seine Partei vertritt, anders, wenn ich erfahre, dass er sich scheiden lassen will und seine neue Lebensgefährtin heiraten will?

Was Herr Albig hier zur Sprache bringt, erinnert mich an die aus den USA importierte Unsitte von Managern, ungefragt zu erzählen, dass sie verheiratet sind, so und so viele Kinder haben und überhaupt ganz „normale Menschen“ sind. Will das wirklich jemand wissen? Macht es uns den Manager sympathischer, der tausende von Mitarbeitern auf die Straße setzt, um den shareholder value zu steigern?

Manager versuchen hier,  sich ihre Rolle schön reden. Und jetzt auch die Politi-ker?

Herr Albig spricht vom Menschen hinter dem Politiker. Haben wir es hier mit einem Fall von Schizophrenie zu tun? Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein zu Hause, aber nicht in der Politik.

Vor Menschengedenken, als die Werbung die Umworbenen und sich selbst ernst nahm, warb die Cigarettenmarke Muratti Privat mit „Alles Feinste bleibt privat.“ Das sollten wir wieder beherzigen.


Montag, April 17, 2017

Festung Europa

Wir haben über Jahrhunderte hinweg Afrika ausgeplündert, machen es heute noch auf unterschiedlichste Weise – nehmen die Bodenschätze als wären sie unser Eigentum, benutzen Afrika als Müllkippe für unseren Wohlstandsschrott, zu dem nicht nur ausgebrauchte Technik gehört, sondern -  schlimmer noch – Lebensmittelreste wie Hühnchenflügel, nehmen damit den einheimischen Bauern die Lebensgrundlage; denn gegen unsere subventionierten Dumpingpreise haben sie keine Chance.

In unserer raffiniert verpackten Habgier nehmen wir den Menschen in Afrika so gut wie alles, was sie zum Leben brauchen, vor allem den Lebensmut.

Was sie bei sich nicht mehr finden, suchen sie jetzt bei uns. Aber wir wollen sie nicht haben. Wir wehren uns mit Händen und Füßen. Wir wehren uns mit Frontex und schrecken vor nichts zurück.

Ein privates Seenotrettungsschiff ist dieser Tage mit 400 aus dem Mittelmeer gefischten Flüchtlingen in Seenot geraten. Anlass für unsere Grenzschutzagentur Frontex, diese und andere private Retter zu beschuldigen, sie würden mit ihren Rettungsaktionen zur Flucht nach Europa ermutigen. Nichts davon ist wahr*. Aber niemand geht auf die Barrikaden. Wir sollten uns schämen!

Wir sprechen von europäischen Werten, nicht zuletzt von christlichen, die unser Europa geprägt haben sollen und lassen die Ausgeplünderten zur Hölle fahren. Wer hätte gedacht, dass der Weg zur Hölle durchs Mittelmeer führt?

* DIE ZEIT berichtet am 6. April unter dem Titel „Retten schadet nicht“ über eine Studie von Rob Gruijters (Institut für Soziologie in Oxford) und Elias Steinhilper (Scuola Normale in Florenz). Diese Studie widerlegt die Frontex-Behauptungen. Trotzdem will Österreichs Außenminister Sebastian Kurz den „NGO-Wahnsinn im Mittelmeer“ beenden, und der Staatsanwalt von Catania kündigt Ermittlungen gegen die zivilen Retter an.


Ostermontag, 17. April 2017