Mittwoch, Oktober 31, 2012

Ergebnisoffen - ein Wort, das etwas ganz anderes meint

Seit geraumer Zeit bieten sich vor allem Politiker ergebnisoffene Gespräche an. Sie machen es immer dann, wenn sie unterschiedlicher Meinung sind.

Das Angebot klingt großzügig. Wer nicht genau hinhört, glaubt, dass unterschiedliche Ansichten besprochen werden mit dem Ziel, zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen. So klingt das, und anders ist das auch nicht zu verstehen.

Warum sollte ich mich mit jemandem unterhalten, wenn das Ergebnis schon feststeht? Wenn nur mein Standpunkt gilt, und der andere von vornherein nicht?

Mit dem Versprechen eines ergebnisoffenen Gesprächs wird also nur Theater gemacht: Man zeigt sich großzügig, verständnisvoll und ist damit ein guter Demokrat.

Nun machen Sie mal halblang, könnte man mir jetzt sagen. Die Leute sprechen doch miteinander, und vielleicht suchen sie sogar gemeinsam nach Lösungen. Streichen Sie doch einfach das Wort „ergebnisoffen“.

Sie sehen, würde ich da sagen. Genau darum geht es mir. Streicht wenigstens eines der Wörter, mit denen wir für dumm verkauft werden sollen.

31. 10. 2012

Samstag, Oktober 27, 2012

MALI-ziös

Aus dem „Großdeutschen Reich“ ist ein ziemlich kleines Deutschland geworden. Mali in Westafrika ist vier Mal so groß. Auf der Landkarte sieht Mali gar nicht so groß aus, aber es ist nun mal so groß.

In Mali gibt es – zumindest von hier aus betrachtet – ein politisches Problem. Das berührt viele Menschen, die dort leben. Und diese „Berührung“ wird den Menschen nicht gefallen.

Im Norden von Mali – ich habe das nur gelesen, ich war nicht dort-  haben Islamisten, von al-Qaida unterstützt, die Macht übernommen. Dieser Norden ist so groß wie Frankreich. Dort wollen sie einen Gottesstaat aufbauen, nach den Regeln der Scharia. So wie ich das verstehe, bedeutet das: zurück in die Vergangenheit um
300, 400, 500 Jahre oder noch mehr.

Ein kleines Problem scheint das nicht zu sein, nicht nur, was die Geographie betrifft.
Da ist es ja nur verständlich, ja, wünschenswert, dass sich die vorbildlich demokra-tische Bundesrepublik einschaltet, um hier vernünftige Verhältnisse herzustellen. Und das geht dann so:

Frau Merkel, Herr de Mazière, Herr Westerwelle und Herr Niebel beschließen, dass die Bundeswehr in Mali helfen müsse. „Freiheitliche demokratische Staaten können nicht akzeptieren, dass der internationale Terrorismus ein sicheres Rückzugsgebiet erhält.“ – so begründet Frau Merkel den Einsatz deutscher Streitkräfte.

Das klingt erst mal so richtig überzeugend. Aber dann? Deutschland als Weltpolizist, der überall für Ordnung sorgt? Das haben nicht mal die USA geschafft.

Nun gut, man könnte es ja mal versuchen. Aber es gibt keinen Grund dafür. Es gibt nur einen Gegengrund.: Es heißt im Abendblatt-Artikel vom 26. 10. 2012, dass die Regierung von Mali demokratisch nicht legitimiert ist. Sie soll aber nach Frau Merkel unterstützt werden. Mit der rein christlich-protestantischen Weltauffassung scheint das wenig zu tun zu haben.  So viel zum Allgemeinen, zum Grundsätzlichen.

Auch die Einzelheiten langweilen nicht. Und die lesen sich nicht so staatstragend.
„Bevor sich Deutschland an einer Mission in Mali beteilige, müssten Ziel, Dauer, Zweck und der politische Endstatus feststehen“ (FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff).

Welche Aufgaben sollen die deutschen Soldaten lösen, Frau Merkel? Sie sollen nicht kämpfen, sondern die malischen Streitkräfte, etwa 2.000 Soldaten, ausbilden – für was? Aufstandsbekämpfung, für territorialen Schutz oder für Stabilisierung? Wenn alle diese Äußerungen keine Lügen sind, sie schrammen ganz dicht daran vorbei.

Wie leichtfertig Frau Merkel mit diesem Thema umgeht, macht die Skepsis des Bundeswehrverbands klar: Uns treibt die Sorge um, dass die Bundeswehr wieder einmal unüberlegt und verantwortungslos in einen Einsatz entsendet wird, der Teil einer nur lückenhaften politischen Konzeption ist“ – so André Wüster zur „Welt“.

Zum Schluss kommt zur Sprache, dass vor allem Frankreich, unterstützt durch die USA, am Thema Mali interessiert ist. Gibt es, bei aller Freundschaft zu Frankreich, einen Grund, dieses Spiel mitzumachen? Nein.

England hat heute den USA mitgeteilt, dass Einsatzflughäfen für US-Flugzeuge für einen Einsatz gegen den Iran nicht zur Verfügung gestellt würden – bei aller Freundschaft. Und welche Freundschaft könnte enger sein als die zwischen England und den USA?!

Freitag, Oktober 26, 2012

Immer häufiger wird eingebrochen

Einbrecher haben Hochkonjunktur. Die Tage werden kürzer, es dämmert und dunkelt früher – ideale Voraussetzungen für Einbrecher.

Nun hat damit nicht jeder Einbruch etwas zu tun. So ist zum Beispiel heute, am
26. Oktober 2012, im Hamburger Abendblatt zu lesen „Export deutscher Sportboote bricht ein“ (Seite 23). Auf Seite 26 handelt es sich um einen anderen Einbruch. Da geht es um den Gewinn bei Max Bahr.

So folgt ein Einbruch dem anderen. Fehlt nur noch, dass es zu Serieneinbrüchen kommt und am Schluss der Zusammenbruch steht.  Irgendwelchen Journalisten,
Wirtschaftsexperten und anderen Wahrsagern wird das noch einfallen. Da müssen wir im Zweifelsfall nicht allzu lange warten.

Ich als geborener Pessimist sehe die Sache eher optimistisch. So schlimm wird es nicht kommen. So schlimm kam es noch nie. Vielleicht sollten wir alle uns ein bisschen mehr anstrengen.

Sollte es bei einem deutschen Sportboot wirklich mal zum Wassereinbruch kommen, gibt’s nur eins: lenzen, lenzen, lenzen! Dann bleibt das Pöttchen oben.
Wir sollten uns nicht immer gleich verrückt machen lassen.


Donnerstag, Oktober 25, 2012

Topmeldungen

Top ist ganz oben. Höher geht es nicht. Top ist Spitze. Hänschen Rosenthal würde vor Freude in die Luft springen.  Bei Topmeldungen, wie sie SPIEGEL-ONLINE sozusagen im Stundentakt bringt, sollte man nichts anderes erwarten.

Aber! Aber? Ist das wirklich so? Ich habe da meine Zweifel. Heute, am 23. Oktober 2012, steht ganz oben: „+++ Liveticker zum ipod mini +++ Apple zeigt ipad 4 und ipadmini“.

Das also ist die Topmeldung? Dass ich nicht lache! Da war doch vieles viel wichtiger.
Alle Politiker prügeln sich wie die Kesselflicker, nicht nur in den USA. Auch in Europa geht es hoch her und bei uns in Deutschland sowieso.

Wie wird es weitergehen? In der großen Politik und in der kleinen? Was heißt hier also top? Das heißt gar nichts.

Wichtig ist für mich, ob ich mit meinem Nachbarn vertrage. Wichtig ist, ob die Gemeinde mir das Fell über die Ohren ziehen will, oder ob die Grundstückssteuer so hoch (nicht so niedrig) wie bisher bleibt. Das und viele andere Kleinigkeiten sind meine Topthemen. Davon hat die SPIEGEL-Redaktion natürlich keine Ahnung. Wie sollte sie auch? Diese Unwissenheit teilt sie mit so gut wie allen anderen Medien.

Schwamm drüber deshalb? Nein! Die hochnäsigen Jungs und Mädels in der Redaktion
sollen die TOPMELDUNGEN  gegen LETZTE NACHRICHTEN austauschen. Dann kann jeder entscheiden, ob das für ihn Top oder Flop ist.

Jetzt ist aber Schluss!

SPIEGEL ONLINE, DIE ZEIT, die SÜDDEUTSCHE sind nicht die Bibel, aber sie kommen der Wahrheit oft nahe. (Na ja, die Bibel war da auch nicht immer so genau.)

Aber was SPIEGEL ONLINE heute, am 24. Oktober 2012, 16:56 Uhr, schreibt, schreit zum Himmel: „Der Aufschub, der Athen nun von den internationalen Gläubigern voraussichtlich gewährt wird, erleichtert aber vor allem einer Profession das Dasein: den Politikern. Genauer: den Regierenden in Athen. Und die haben das nicht verdient.“

So geht das nun schon seit Jahren, seit die Griechischen Politiker sich und ihre Republik in den Euro gelogen haben. Kein „Europäer“ scheint bereit zu sein, hier endlich mit der Wahrheit herauszurücken.

Die „kleinen“ Griechen, die so klein sind wie wir alle in allen anderen europäischen Ländern, diese „kleinen“ Griechen werden bis aufs Blut getrietzt. Selbst das, was sie nicht haben, soll ihnen abgenommen werden. Wäre ich in Athen, ich würde auch auf die Straße gehen. Woanders wäre ja auch kein Platz für mich.

Die Griechen, nein, die Griechischen Politiker, haben uns nach Strich und Faden belogen.

Die Griechen, 400 Jahre lang an der Kandare geführt von den Oberen des Osmani-schen Reichs, sind nicht mehr sie selbst. Sie haben jede Achtung vor sich selbst verloren. Und nun?

Jetzt sollen die, die schon alles haben und immer hatten, gerettet werden – die Politiker und die Banken und die Reeder und überhaupt alle, die nicht wissen wohin mit ihren Millionen und Milliarden. Na ja, die Schweiz, die Cayman-Inseln, Singapur und welche Verstecke sonst noch – irgendwo muss das Geld doch sicher unterge-bracht werden. Auf die Frage, was davon ins Paradies mitgenommen werden könnte, antwortet niemand. Die schon in die Grube gefahren sind, können nicht mehr ant-
worten. Wer antworten könnte, hält den Mund.

Langer Rede kurzer Sinn: Lasst die Griechischen Politiker am eigenen Elend zugrunde gehen. Hängt sie auf, sinnbildlich, lasst die vielen anderen armen Griechen laufen, laufen, bis sie ihr Ziel erreicht haben: ein menschenwürdiges Leben.

PS: Griechenland ist ein lächerlich kleiner Staat und verschlingt trotzdem eine Milliarde nach der anderen. Wovor fürchten wir uns? Vor der Wahrheit? Es sieht ganz so aus.

Wir sollten Schluss machen. Nur so kommen wir zu einem neuen Anfang.
 24. 10. 2012

Dienstag, Oktober 23, 2012

Voll gesperrt

Auf unseren Autobahnen und Straßen passieren immer wieder Unfälle mit so schrecklichen Folgen, dass Autobahn und Straße gesperrt werden müssen. Das ist verständlich. Aber muss voll gesperrt werden? Was heißt hier voll? Gesperrt ist gesperrt, und da kommt niemand mehr durch. Also weg mit dem „voll“!

Natürlich sollte ich nachsichtig sein. „Voll“ ist, was mir in der Schule als „Schmuck-wort“ erklärt wurde, ein Wort, das nicht nötig ist, aber die Geschichte ein wenig hübscher macht. Eine Vollsperrung macht allerdings nichts hübscher.  Sie macht unsere Sprache nur hässlicher. Dagegen sperre ich mich.

Gute Aussichten scheine ich aber nicht zu haben. Das zeigt das folgende Beispiel.

Seit einiger Zeit ist das Wort „wertschätzen“ im Schwange. Da wird dies und jenes nicht wertgeschätzt oder doch wertgeschätzt, das ist ziemlich egal.

Wenn ich etwas schätze, dann ist mir die Sache etwas wert. Dann muss ich die Sache nicht wertschätzen, weil ich es ja mit meiner Schätzung schon getan habe.

Nun hat schätzen noch eine andere Bedeutung. Schätzen bedeutet vermuten, glauben: „Ich schätze, wir schaffen das so schnell nicht.“

Wird wegen dieser doppelten Bedeutung jetzt so oft von wertschätzen gesprochen und geschrieben? Du liebe Güte! Können wir nicht so vernünftig miteinander reden, wie es früher auch ging?

Dieser Wunsch scheint „voll gesperrt“ zu sein.  Wo ist die Umleitung?

Mittwoch, Oktober 17, 2012

Frau Schludrigkeit

Frau Schavan hat es bei ihrer Doktorarbeit nicht so genau genommen. Das jedenfalls sagt ein Gutachter der Düsseldorfer Universität, der Uni, die ihr den Doktortitel verliehen hat und jetzt vielleicht aberkennen wird. Hat sie abgeschrieben, hat sie gemogelt, hat sie geklaut? Oder war sie nur schludrig?

Bitte lassen Sie mich einen Augenblick nachdenken. Danke. Also, wenn ich meinen Doktor mache, dann will ich ihm Rahmen meiner Möglichkeiten etwas Neues schaffen. Das soll nicht Papperlapapp sein. Darauf soll man sich verlassen können. Also muss ich sorgfältig arbeiten.

Ich weiß, dass das sehr schwierig ist, sehr anspruchsvoll. Ich bin selbst ein ziemlich schludriger Mensch, dem alles nicht schnell genug gehen kann. Immer wieder frage ich mich: Soll ich fünfe wirklich gerade sein lassen? Und dann sage ich: nein!

Ich fürchte, ich habe nicht immer nein gesagt. Und ich nehme an, Frau Schavan hat das auch nicht getan. Absolution? Vergebung? Ich weiß nicht.

Nein: Menschen in der Politik müssen nicht bessere Menschen sein als wir. Aber sie sollten auch nicht so tun, als seien sie es.

Das scheint mir das Problem der Annette Schavan zu sein und damit auch unser Problem. Die Jungs und Mädels der Politik wollen offenbar immer etwas besser sein als wir. Das scheint aber nur ganz selten zu gelingen.

Zurück zu Annette Schavan. Was würde ich ihr sagen, wenn sie mich fragte?

„Ach, gnädige Frau, würde ich sagen, bleiben Sie ruhig und gelassen. Verlassen Sie sich nicht auf Frau Merkel. Verlassen Sie sich auf sich selbst. Und sagen Sie: Wenn ich zu oberflächlich war, dann streichen Sie, bitte schön, den Dr. vor meinem Namen.  Ich kann auch ohne diesen Titel leben. Sollte Ihnen das schwer fallen, dann bitte, fragen Sie mich doch nicht.“


Strafe muss sein?

Es scheint mir noch gar nicht so lange her zu sein, da hieß es: „Strafe muss sein!“ Ohne wenn und aber. Wenn wir uns heute ungeschickt benehmen, wenn wir leichtfertig waren, wenn wir einen Fehler gemacht haben und ihn erkennen, dann sagen wir auch heute noch „Strafe muss sein!“ Aber so ganz sicher sind wir uns da nicht mehr. Deshalb das Fragezeichen.

Da begegnete mir heute der Fall Gäfgen in SPIEGEL ONLINE (10. Oktober 2012).
Deshalb setze ich dem Fragezeichen gleich ein zweites hinzu.
Um das zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen.

Magnus Gäfgen ist ein Mörder. Er hat einen 11-jährigen Jungen entführt und umgebracht und wollte mit der Entführung viel Geld von den Eltern erpressen.
Gäfgen wurde zu „lebenslang“ verurteilt, wobei lebenslang heutzutage nicht ein Leben lang bedeutet.

Jetzt, im Oktober 2012, hat Gäfgen einen Prozess gegen das Land Hessen gewonnen. 3.000,00 Euro hat ihm der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt zugesagt,
denn hessische Polizeibeamte haben ihm mit Zufügung erheblicher Schmerzen gedroht, wenn er weiter schweigen würde. Das ist rechtens, aber nicht verständlich.

Vor allem aber ist mir eins unverständlich. Nach dem SPIEGEL ONLINE-Bericht  vom 10. 10. 2012 hat Gäfgen schon während des Mordprozesses das erste juristi-sche Staatsexamen ablegen können. Das Gefängnis, pardon, die Justizvollzugsanstalt –
eine Art Uni?

Magnus Gäfgen als „gelernter“ Jurist, so sagt man ja heute, nach Verbüßung seiner „lebenslangen“ Haftstraße Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt? Da können wir uns auf etwas gefasst machen.

Ich habe mir unter einer Gefängnisstrafe immer etwas ganz Schreckliches vorgestellt: ganz allein in einer kleinen dunklen Zelle, jeder kann reinkucken, auch wenn ich auf dem Klo sitze – keine Minute allein und doch ganz allein.

Jetzt erfahre ich, dass meine Fantasie mal wieder mit mir durchgegangen ist. In einer hessischen Justizvollzugsanstalt kann man Jura studieren, vorausgesetzt, das Strafmaß reicht aus. Bei „lebenslang“ sollte mindestens ein Staatssekretär des Justizministers drin sein. Mal sehen, was aus Magnus Gäfgen noch wird.

Weil die Mörder schon mal unter sich sind, will ich schnell noch den norwegischen Massenmörder Breivik erwähnen. Der hat sein „lebenslänglich“ mit noch mehr Komfort. Er soll hinter seinen „schwedischen Gardinen“ über drei Zimmer verfügen: Schlafzimmer, Wohnzimmer, Arbeitszimmer.

Was ist dem noch hinzuzufügen?

Montag, Oktober 15, 2012

Ghostwriter's Nachtgedicht

Ich bin der Ober Flächlich, der Oberkellner

Ich serviere meinen Gästen schon seit über 30 Jahren.
Man liebt mich, obgleich ich oberflächlich bin.

Ich nehme jeden Auftrag gern entgegen und serviere,
jeder weiß es, was die Herrschaft wünscht.

Das Heiße kalt, das Kalte heiß noch einmal aufgekocht?
Ein jeder Wunsch ist mir Befehl.

Ich diene meinen Gästen schon seit über 30 Jahren.
Für meine Gäste ist mir alles recht.

Die Fliege in der Suppe ist ein alter Witz.
Den gibt es bei mir nicht.

Entscheidend ist der Schwindel in der Brühe.
Und den serviere ich. Die Brühe ist umsonst.

Gnä Frau, mein Herr, ich rate Ihnen nicht zu zögern.
Bestellen Sie, bevor die Küche schließt.

Nur dann genießen Sie, was Sie schon immer wollten:
Die kleinen Lügen mit den allerschönsten Folgen.

Natürlich hat dies süße Leben seinen Preis.
Den zahlt der Herr von Welt aus seiner Westentasche.

Das denkt der Herr von Welt und irrt.
Er zahlt mit einer peinlichen Erkenntnis:

Er fand die richtigen Worte nicht und gab den Auftrag,
sie zu suchen.  Der Diener fand sie, nicht der Herr.

Jetzt weiß der Herr, wie schwach er ist: Denn nur der
Diener hat die Kraft, die aus der Unwahrheit eine
Wahrheit schafft.

Anmerkung: Wenn Herr Grass seine letzten Ergüsse – siehe Hellmuth Karasek im Hamburger Abendblatt vom 13. Oktober 2012 – als Gedichte bezeichnet (schon seine Israel-Beschimpfung stolperte ungelenkt dahin und sollte doch ein Gedicht sein) – wenn das so ist, dann sind die paar Worte, die ich über den Ghostwriter verloren habe, allemal ein Gedicht.. Da will ich kein(en) Grass drüber wachsen lassen.

Wenn mir jemand sagt: „Ich verstehe nicht, was Sie da sagen wollen – Gedicht hin und her, was meinen Sie denn nun wirklich?“ Dann, ja dann, muss ich aus der Schule plaudern:

Ghostwriter wirken im Hintergrund. Sie legen ihren Auftraggebern die Worte in den Mund, die die Herren oder Damen nicht gefunden haben. Das hört sich gut an, und es liest sich auch gut. Eine feine Sache, aber nur so lange, wie alle den Mund halten, ihre Karten nicht auf den Tisch legen.

Im Allgemeinen ist das auch so. Man schreibt und schreibt und wird mehr für das Schweigen und weniger für das Schreiben bezahlt. Wie so vieles ist auch dies eine Frage des Geldes.

Mittwoch, Oktober 10, 2012

Die Reichensteuer - Fluch und Segen

Das Reizwort Reichensteuer hat wieder mal Hochkonjunktur. Alle hacken aufeinander ein. Die Reichen fühlen sich ungerecht hoch besteuert, den Armen kann die Steuer für die Reichen gar nicht hoch genug sein. Offensichtlich ein unüberbrückbarer Gegensatz. Deshalb wird so erbittert hin und her debattiert. Aber vielleicht gibt es einen Ausweg. Machen wir doch mal einen kleinen Gedankenausflug.

Bevor wir ihn beginnen, bevor wir den ersten Schritt tun, sollten wir uns die Stelle anschauen, von der aus wir uns auf den Weg machen wollen. Was sehen wir? Da hat doch jemand zwei Wörter in den Sand gemalt: Reichtum das eine, Armut das andere. Ein Gegensatz, so groß wie zum Beispiel rechts und links. Aber dieser Anfang sollte uns nicht entmutigen. Allerdings sollten wir uns Klarheit darüber verschaffen, was diese beiden Wörter wirklich bedeuten.

Wann ist man reich? Wann ist man arm? Hier geht es wohlbemerkt um die materiellen Inhalte der beiden Begriffe. Es gibt ja auch einen anderen Reichtum als den geldlichen, so wie es auch andere Armuten gibt, zum Beispiel die geistige.

Die Statistiker der EU haben recht genaue Vorstellungen von finanzieller Armut. Wer im Monat über 940,00 € verfügen kann, – das sind 60 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens – wird als armutsgefährdet bezeichnet. Wer nur 50 %, also etwa 750,00 €, im Monat hat gilt als relativ einkommensarm – wobei ich das Relative hier nicht verstehe. Mit monatlich 600,00 € gilt man als arm. In der Schweiz wird anders gerechnet. Wer nach Bezahlung der Mietkosten einer zweckmäßigen Wohnung und der Krankenversicherungsprämie über etwa 822,00 €  verfügen kann, gilt dort als arm. Jetzt wissen wir wenigstens ungefähr, was unter arm zu verstehen ist.

Wie sieht es nun mit dem Reichtum aus? Wann ist man reich – was das verfügbare Geld angeht? Ganz allgemein könnten wir sagen, dass derjenige reich ist, der mehr hat, als er zum Leben braucht. So ungefähr würde das wohl ein Armer Mensch sehen, und es wäre gar nicht so einfach, ihm zu widersprechen.

Wenn wir auf die Armutszahlen zurückgreifen, könnten wir zu dem Ergebnis kommen, dass jeder reich ist, der im Monat über 1.500,00 € verfügen kann. Schließlich verfügt er über 900,00 € mehr als der nach Stastistikerberechnungen Arme. Aber reich ist man mit 1.500,00 E monatlich verfügbaren € wohl doch nicht.
Und selbst, wenn man jeden Monat davon etwas zurücklegen kann, reich wird man so kaum.

Was zu befürchten war: Es ist viel schwieriger zu sagen, wo Reichtum beginnt. Bei der Armut ist das, wie wir gesehen haben, viel einfacher. So bleibt uns wohl nichts Anderes übrig als zu raten, wir könnten auch sagen, zu spekulieren. Probieren wir es einfach mal.

Ist man mit 10.000,00 € im Monat reich? Oder liegt die Untergrenze eher bei 20.000,00 € pro Monat? Schwer zu sagen. Nur eins dürfte sicher sein: So viel zu  essen und zu trinken ist schlicht unmöglich. Eine hochanständige Wohnung, ein nicht allzu bescheidenes Auto, hübsche Urlaube und noch ein paar Annehmlichkeiten, alles das dürfte sich erübrigen lassen. Fängt hier der Reichtum an?

Seien wir nicht kleinlich. Erhöhen wir auf 40.000,00 € im Monat. Damit erreichen wir im Jahr fast eine halbe Million. Das sollte eigentlich reichen. Da dürfte der Reichtum anfangen, der Einkommensreichtum.

Vom ererbten Reichtum, dem Reichtum, der ohne jede Arbeit, ohne jede eigene Anstrengung den bereits Reichen zufließt, ist hier noch nicht einmal die Rede.

So schwierig es zu sagen ist, was Reichtum ist, zu einer gewissen nicht ganz
weltfremden Vorstellung sind wir gekommen.

Bevor wir uns nun dem Reizwort Reichensteurer zuwenden können, braucht es noch eine kleine Zwischenbetrachtung, die zugegebenermaßen mit Faustzahlen arbeitet.

Ein Jahreseinkommen von einer halben Million € ist zurzeit mit 43 % Einkommen-steuer belegt. Da gehen also schon mal 215.000,00 € an den Staat. Bleiben 285.000,00 €. Stimmt aber nicht. Die 43 % lassen sich durch Abschreibungen – das sind ganz legale Tricks – runterrechnen. Es bleibt also genug übrig, um sternenweit von der Armutsgrenze entfernt zu bleiben.

In aller Ruhe betrachtet: 50 % Einkommensteuer und der Fortfall der kaum noch überschaubaren Abschreibungsmöglichkeiten würde keinen Einkommensreichen an den Bettelstab bringen. Ganz im Gegenteil: Sie könnten sich als verantwortungs-bewusste Bürger sehen, könnten stolz darauf sein, wie viel sie zum Allgemeinwohl beitragen und würden so an einem Reichtum teilnehmen, der den Wert des Geldes weit übertrifft. Sie würden der Erkenntnis folgen, dass Geld nicht alles ist im Leben.

Das klingt verdächtig nach Nächstenliebe, mischt sich aber mit Eigenliebe. Unmut, Streit und ständige Spannungen zwischen Arm und Reich würden abnehmen, viel-
leicht sogar verschwinden. Wenn die Sache nicht einen Haken hätte.

Was wird der Staat, die jeweils amtierende Regierung (wir haben ja 17 Regierungen in Deutschland), mit den Mehreinnahmen machen? Wird das Geld wieder so ver-pulvert, wie es die Rechnungshöfe Jahr für Jahr notieren und beklagen? Schon diese Vermutung wäre für die Reichen ein verständlicher Wunsch, nein zu sagen. Verprassen können wir das Geld auch selbst.

Vielleicht macht der Staat aber auch etwas ganz Anderes. Vielleicht gibt er das Geld an die Bedürftigen weiter, holt sie so aus der Armutsgefährdung und sogar aus der Armut heraus. Bevor jetzt jemand begeistert in die Hände klatscht: Das wäre falsch.
Das wäre Umverteilung und würde das Problem nicht lösen. Und die Reichen hätten mit ihrem Misstrauen und ihrer Ablehnung Recht.

Es darf nicht darum gehen, einfach Geld zu verteilen. Es kommt darauf an, aus den Armen Bürger zu machen, die ihr gutes Einkommen haben. Das hätte einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Auch sie würden Steuern zahlen, was sie zurzeit nicht können, und niemand könnte sagen, dass sie den Reichen auf der Tasche liegen.

Das klingt so ein bisschen nach „fordern und fördern“, bedeutet aber etwas ganz anderes als diese zu kurz greifende Idee. Es geht darum, das Geld der Reichen in die Bildung zu stecken, in die Schulen, in bessere und mehr Lehrer, bessere Universi-täten oben drauf, in alles, was klüger und tüchtiger macht. Wenn wieder alle lesen und schreiben und rechnen können, hat sich das Reizwort Reichensteuer erledigt. Allen geht es besser. Auch den Reichen. Die können ihren wohlverdienten und angemessen besteuerten Reichtum in aller Ruhe genießen.

10. 10. 2012









Kinder mit Migrationshintergrund

Frau Foroutan hat im SPIEGEL 40 vom 01. 10. 2012 eine lesens- und beherzigens-werte Kritik zum Buch „Neukölln ist überall“ des Bürgermeisters von Berlin-Neukölln, Herrn Buschkowsky geschrieben. Trotzdem habe ich etwas zu mäkeln.

Auch die kritische Frau Foroutan schreibt von Kindern mit Migrationshintergrund. Alle sagen das so, es ist Sprachgebrauch, aber ich finde das nicht richtig. Es scheint  mir ein bisschen wie mit dem Negerkuss zu sein, den man zwar in den Mund nehmen, aber das Wort nicht aussprechen soll. Political correctness!  Wir werden uns daran noch mal verschlucken.

Migranten sind Einwanderer. Und Kinder mit Migrationshintergrund sind Einwande-rerkinder. So einfach ist das. Dann sollten wir das Kind auch beim Namen nennen.
Warum tun wir das nicht?

Fangen wir doch einfach mal damit an. Übersetzen wir Kinder mit Migrations-hintergrund in Einwandererkinder. Dann verstehen wir uns. Und die Soziologen verstehen uns auch. So wird alles einfacher und verständlicher. Und nur, wenn wir uns verstehen, können wir einigermaßen friedlich zusammen leben. Das wäre doch was, oder?

PS: Sollte ich die Sache vielleicht zu hoch aufgehängt haben? Das könnte sein. Es gibt ja nicht nur den Migrationshintergrund, es gibt auch die Biodiversivität. Noch so ein Wort und kaum ohne zu üben stotterfrei auszusprechen. Bio-di-ver-si-tät, na bitte, es geht doch! Gemeint ist Lebensvielfalt, na gut: biologische Vielfalt.

Wir müssen nicht gleich auf die lutherischen Grobheiten zurück greifen. Aber ein
wenig mehr Deutsch wäre doch angebracht. Tacheles müssen wir ja nicht gleich reden. Das wäre auch schon wieder ein anderes Thema.


Dienstag, Oktober 09, 2012

Kulturbeuteleien

Aller Anfang ist – leicht. Und wenn nicht, dann machen wir es uns leicht, so wie hier.
Fangen wir mal nicht dem Ergebnis an, sondern damit, wie man zu einem Ergebnis kommt. Schreiten wir sozusagen zur Tat und fangen mit kultivieren an, einem Verb, anders gesagt einem Tu- oder Tatwort.

Kultivieren heißt, etwas urbar machen. Ein Stück Land dem natürlichen Zustand entreißen. Kultivieren heißt, aus etwas Grobem etwas Feineres zu machen. Das gilt auch für Menschen. Wer kultiviert ist, hat bessere Manieren, weiß sich zu benehmen, hat Anstand usw. usw.

Dazu gehört nicht nur der Umgang mit anderen Menschen, sondern auch der Umgang mit sich selbst. Man will sich in seiner Haut wohl fühlen und möchte, dass auch die anderen einen „gut riechen“ können.

Natürlich muss man dafür etwas tun. Also ist Körperpflege angesagt. Eine selbstver-
ständliche und einfache Sache, wenn man zu Hause ist. Aber unterwegs? Da fehlt sogar in hochklassigen Hotels dies und jenes, das im eigenen Bad selbstverständlich ist. Denken Sie nur mal an Ihre Zahnpasta. Mit dem überall vorhandenen Fön kann ich mir nicht die Zähne putzen.

Für dieses Problem gibt es seit zig Jahren eine Lösung – den Kulturbeutel, auch Reisenecessaire genannt, was eigentlich zutreffender, aber leider ein Fremdwort und nicht so einfach auszusprechen ist.

Die Frage, was in einen Kulturbeutel hineingehört, kann hier nur oberflächlich beant-wortet werden. Da spielen viel zu viele ganz persönliche Ansichten und Bedürfnisse eine Rolle.

Die Zahnbürste. Die Zahnpasta. Ein Stück Seife oder die bevorzugte Waschlotion.
Eine Nagelschere und Nagelfeile, Ach, es gibt so vieles bis hin zum Lippenstift und Kondom. Erkenntnis: Den Inhalt des Kulturbeutels bestimmt jeder selbst. Schließ-
lich ist Kultur etwas ganz Persönliches.

Mit diesem Persönlichen komme ich endlich auf das Problem, das mich seit einiger Zeit beschäftigt. Es gibt so viele Kulturen, dass sie nicht alle in einen Beutel passen.
Das sollten wir uns jetzt mal genauer ansehen.

34 Kulturen habe ich hier notiert. Ob wir mal versuchen herauszufinden, welche „Kulturen“ wir wirklich brauchen und welche nicht. Vielleicht passt das, was übrig bleibt, in unseren Kulturbeutel.


1)    Sprachkultur
2)    Verdrängungskultur
3)    Streitkultur
4)    Trauerkultur
5)    Entlassungskultur
6)    Diskussionskultur
7)    Sterbekultur
8)    Brotkultur
9)    Gratiskultur
10)    Stillkultur
11)    Esskultur
12)    Verfassungskultur
13)    Einbürgerungskultur
14)    Lesekultur
15)    Rauchkultur
16)    Kommunikationskultur
17)    Debattenkultur
18)    Wirtschaftskultur
19)    Alltagskultur
20)    Fehlervermeidungskultur
21)    Baukultur
22)    Aktienkultur
23)    Konsenskultur 
24)    Schreibkultur
25)    Tarifkultur
      26) Kultur des Tricksens
27) Kultur der Zurückhaltung
28) Kultur des Zweifelns
      29) Kultur des Hinsehens
      30) Kultur des Respekts
      31) Kultur der Verschwendung
      32) Kultur von Stabilität
      33) Kultur des Weniger
      34) Kultur der Fakelaki


In vielen Fällen ist nur der Umgang mit irgendetwas gemeint. Zum Beispiel wie wir schreiben, was wir von der Verfassung unserer Republik halten, ob wir lesen können oder nicht – und wenn ja, wie. Legen die jungen Mütter ihr Kind an die Brust, oder geben sie ihm lieber die Flasche – kurz: wie gehen sie mit ihrem Kind um.

Die meisten dieser Kulturunwörter, wenn nicht alle, sind Ausdruck der Bequemlich-keit, der Denkfaulheit, oder – schlimmer noch – der Unfähigkeit, das richtige Wort zu finden.

Von der Verfeinerung, vom Ursprünglichen des Begriffs Kultur – keine Rede.

Sonntag, Oktober 07, 2012

Eine Kleinigkeit, eine Lappalie, eine Petitesse

Die Überschrift begnügt sich nicht mit dem Wörtchen Kleinigkeit, sie hängt gleich noch zwei Fremdwörter ran, die auch nichts anderes sagen. Trotzdem ist die Über-schrift nicht so blödsinnig, wie sie aussieht. Sie will auf etwas Überflüssiges aufmerksam machen. Kleinigkeit genügt, Lappalie und Petitesse brauchen wir nicht.

Die brauchen wir so wenig wie die 12 bunten Prospekte, die die Post jeden Sonnabendvormittag in den Briefkasten wirft. Am 6. Oktober waren es jedenfalls 12:
Real, Kik, Praktiker, Max Bahr, Baby1One, Edeka, Poco Einrichtungsmärkte, Penny,
Famila, Einkauf Aktuell, Sonnenstudio, Marktkauf.

Kein einziger Prospekt war wichtig für mich, und ich glaube, das wird vielen anderen auch so gehen. Selbst einem ausgebufften Schnäppchenjäger wird es schwer fallen, allein die Supermarktangebote zu vergleichen um das günstigste Angebot herauszu-finden.

An diesem Sonnabend muss mich der Teufel geritten haben. Ich habe die 12 Prospekte auf die Küchenwaage gelegt: 375 Gramm. Donnerwetter! Da meine Postbotin Sabine jeden Haushalt in ihrem Bezirk mit den Prospekten versorgen muss, schleppt sie allein für die Briefkästen in meiner kurzen Straße mindestens 7,5 kg mit sich herum. Sabine hat bestimmt mehr als 100 Briefkästen zu versorgen, aber allein für die muss sie fast einen halben Zentner überflüssiges Papier transportieren und verteilen.

Sabine ist nicht allein die Leidtragende. Ihren Kollegen in unserem Städtchen geht es nicht anders. Ich kann gar nicht ausrechnen, wie schwer dieser Unfug wiegt. Damit meine ich die Kilogramm. Viel schwerer wiegt, dass für diese Unmengen von Papier Unmengen Bäume gefällt werden müssen. Das ist natürlich nicht schlimm; denn da wachsen ja neue nach. Aber so schnell wie Sabine die Prospekte verteilen muss, können die gar nicht wachsen.

PS: Baumlose Steppen haben natürlich einen Vorzug: Nichts stört unseren in die Ferne schweifenden Blick.

Die sind ja wie wir. Wie schrecklich!

Da ist ein ehrenwert erscheinender Mann namens Peer Steinbrück. Der will Bundeskanzler werden. Ab 2013 will er sagen, wo es lang geht – mit unserer Republik und auch ein bisschen mit Europa und noch ein bisschen weniger mit der Welt.

Der Mann hatte – so wie ihn das Hamburger Abendblatt heute (06. 10. 2012) sehr
freundlich schilderte, schon immer, schon als Schuljunge, eine große Klappe. Für eine Karriere in der Politik ist das offenbar eine gute Voraussetzung. Also, reden kann der Mann, wie ich von allen Seiten höre.

Tatsächlich ist er nach seinem Abtritt als Bundesfinanzminister wohl von allen möglichen Seiten eingeladen worden, etwas zu diesem und jenem Problem zu sagen, also eine Rede zu halten. Dafür hat er gewiss ordentliche Honorare erhalten, was in
Ordnung ist. Es soll sich um mehrere hunderttausend € handeln. Auch das dürfte in Ordnung sein. Neid ist nicht angesagt.

Anders als die Herren Gabriel und Dieter Rossmann, ebenfalls SPD, wollte Herr Steinbrück keine Auskunft über diese Einkünfte geben. Das war dumm, unverständ-lich dumm. Nach Drängeln von allen möglichen Seiten will er nun doch demnächst  klar Schiff machen, so wie ich die Ankündigung verstanden habe, wenigstens ein wenig. Das warten wir mal ab.

Eine Meute von CDU-, CSU-, FDP-Politikern hat gleich mächtig auf Herrn Stein-brück eingedroschen. Alles bis auf den letzten Cent soll er auf den Tisch legen, sagen sie. Das wäre auch in Ordnung. Das Dumme ist nur, dass die so selbstgerechten Damen und Herren für ihren Teil dazu nicht bereit waren und wohl auch nicht sind.
Nun gut: Das ist, wenn auch nicht anständig, so doch menschlich. Der Mensch an sich ist halt schwach. (Siehe Überschrift.)

Eben im Begriff, Partei für Herrn Steinbrück zu ergreifen gegen die Horde der Heuchler, lese ich, dass Herr Steinbrück als Bundesfinanzminister Beziehungen pflegte, die er nach seiner Ministerzeit fortsetzte. (Quelle: SPIEGEL ONLINE,
06. 10. 2012)

Ich muss mich daher mit dem Gedanken vertraut machen, dass Herr Steinbrück nicht der Weiße Ritter ist, als den ihn jetzt viele anbeten, sondern ein ganz normaler Mensch, so wie wir alle.

Das ist der springende Punkt. Unsere Politiker sind ja gar nicht anders. Sie sind genau so wie wir. Unsere Schwächen sind auch ihre Schwächen. Für ihren Vorteil kämpfen sie mit allen Mitteln, genau wie wir. Sie sind nicht immer fair. Das sind wir auch nicht. Sie reden oft an der Wahrheit vorbei, ich will nicht sagen, dass sie lügen,
aber auch da sind sie so wie wir.

Es gibt deshalb nichts, was wir unseren Politikern vorwerfen könnten? Sonst müssten wir erst einmal mit uns selbst zu Gericht gehen.

Doch es gibt etwas, etwas ganz Entscheidendes. Sie geben vor, für unser Wohl zu arbeiten und nur ihrem Gewissen verantwortlich zu sein. Dieses Versprechen wird nur unzureichend eingehalten. Allein der Begriff „Fraktionszwang“ spricht dagegen.

Unsere Politiker sind nicht anders als wir, im Guten wie im Schlechten. Aber sie tun so. Sie sehen sich als Vorbild und wollen, dass wir sie auch so sehen. Das sollten wir ihnen nicht durchgehen lassen.