Freitag, Dezember 27, 2013

Weniger ist mehr, ist mehr Armut

Zu den Wörtern, die andere, vertraute Wörter beiseite schieben, sie ins Vergessen schubsen und damit unsere Sprache ärmer machen,  gehört escalieren. Die anderen Wörter gehen verloren: sich steigern, verschärfen, ausweiten, zuspitzen – der Duden hält noch viel mehr Wörter bereit, die eine Situation genauer beschreiben als escalieren.

Dieser um sich greifenden Spracharmut liegt Faulheit zugrunde, zumindest Bequem-lichkeit. Beliebte Ausrede: der Zeitdruck. Gut, den gibt es in Tageszeitungsredak-tionen und vielleicht noch anderswo, z.B. in Spiegel online, in den TV-Nachrichten. Nein, es ist nicht der Zeitdruck. Es ist die Faulheit, es ist die Bequemlichkeit.

Wer wie die Journaille den Anspruch erhebt,  mit der Sprache professionell  umzugehen, der sollte das treffende Wort finden und nicht in die Schublade mit den Textbausteinen greifen.

Ach ja, die Scala. Nicht die Mailänder, sondern die die im Wörterbuch steht: Leiter, Treppe. Nun kann man ja auf einer Leiter, einer Treppe nicht nur nach oben gehen, sondern auch nach unten.

Ich weiß, wenn es nach unten geht, dann deescaliert die Sache. Aber das schreibt niemand. Es ist immer nur von Escalation, von nach oben, die Rede. Warum? Wenn etwas escaliert, dann kann es doch genau so gut nach unten wie nach oben gehen.
 26. 12. 2013

Dienstag, Dezember 24, 2013

Da ist noch viel Luft nach oben

Auch so eine dumme, abgegriffene Floskel. Gemeint ist, dass es noch mehr Möglich-keiten gibt, als behauptet wird. Man könnte mehr erreichen, wenn man nur wollte.

Diesem Sinnspruch „…noch viel Luft nach oben“ folgen vor allem Politiker, Manager und ander „High Browed People“ – der kleine Sprachalltagsbürger bringt solche Wortfurze nicht fertig.

Da spricht der SPD-Obmann Grant Hendrik Tonne von einer Lebenszeit-verschwendung. (Hamburger Abendblatt, 29. November 2013, Seite 16). Zeitverschwendung hätte doch genügt. Aber nein, da war ja noch Luft nach oben. Lebenszeitverschwendung klingt viel bedeutender, nicht wahr?

Wie bei der Technik, die auch in ihren einfachsten Formen seit einiger Zeit Technologie genannt wird, und wie das Kleine und das Große Einmaleins plötzlich Mathematik sein sollen, obwohl es sich um nichts anderes handelt als um einfaches Rechnen. 

Donnerstag, Dezember 19, 2013

Unpünktlich - auf die Sekunde genau

Immer wieder dauern TV-Sendungen länger, als sie geplant waren. Dann verrutscht der ganze Zeitplan, auf den man sich eingerichtet hat. Das ist keine große Katastrophe. Damit kann man sich abfinden. Nicht alles lässt sich auf die Minute genau planen. Das leuchtet ein.

Was nicht einleuchtet, ist Folgendes: „Endlich“ wird das Heute Journal angekündigt. Das übliche Bild: Claus Kleber und Gundula Gause oder Marietta Slomka und Heinz Wolf. Die beiden Paare erscheinen in der bekannten Kulisse, die sich aus dem Hintergrund aufbaut – peu à peu. Unten im Bild läuft eine Zeitleiste, die sich von Sekunde zu Sekunde dem Beginn der Sendung nähert. Und dann auf einmal ist es so weit: Tick, tick, tick: Das Heute Journal beginnt auf die Sekunde genau, wenn auch unpünktlich.

Mein Gott, ist das albern! Eine langweilige Sportreportage, ein Krimi wie tausend andere, irgendeine „Frau sucht Bauer“-Serie – das Unwichtigste vom Unwichtigen überschreitet die Sendezeit. Keine Entschuldigung, kein Wort des Bedauerns. Aber das Heute Journal wird auf die Sekunde genau gestartet – wie gesagt: mit Verspätung.

Fremdsprache

Unter Fremdsprache verstehen wir – wie sollte es anders sein? – die Sprache, die nicht unsere Muttersprache ist. So viele Nachbarn wir Deutsche auch haben – Dänen, Polen, Franzosen, Niederländer, Belgier, Tschechen und so gut wir uns mit ihnen inzwischen verstehen – ihre Sprachen sind für uns Fremdsprachen.

Es gibt aber noch eine weitere Fremdsprache, die bisher noch nicht so richtig entdeckt worden ist und deshalb auch nicht als Fremdsprache anerkannt wird. Diese Fremdsprache begegnet uns beispielsweise mit so rätselhaften Wörtern wie Kooperationsdichte oder fremdschämen. Diese Wörter waren bisher unbekannt und sind uns deshalb (noch) fremd. Ich hoffe, sie bleiben es auch.

Warum sollten wir statt engere Zusammenarbeit in Zukunft „höhere Koopera-tionsdichte“ sagen und schreiben? Und weshalb müssen wir uns „fremdschämen“, wenn wir uns ganz einfach schämen – für andere?

Natürlich ist es doof, wenn man sich für irgendetwas oder irgendjemanden schämen muss, ganz besonders dann, wenn man mit der Sache eigentlich nichts zu tun hat. Aber „fremdschämen“?  Das schiebt die Scham zur Seite: „Ich schäme mich eigent-lich gar nicht. Ich tue nur so. Die anderen sollten sich schämen. Wie schamlos!

Samstag, Dezember 14, 2013

So herzlos, so beamten- und juristenhaft!

Jede Zunft hat ihre eigene Sprache, auch wenn Zünfte heute nicht mehr Zunft genannt werden. So manches Wort, so mancher Begriff erscheint sonderbar. Aber das ist nicht schlimm.

Schlimm ist die Sprache, ist der Jargon der Beamten und Juristen. Sie sprechen von „freiheitsentziehenden Maßnahmen“  und meinen Gefängnis, eingesperrt sein bis zur Einzelhaft. Sie sagen „begrenzen“ bezeichnen damit die Brutalität, einen Menschen mit verdrehten Armen und Beinen platt zu machen, auf den Boden zu pressen, so dass er sich nicht mehr rühren kann und nur noch ein einziger Schmerz ist.

Das ist kein Rückblick in vergangene Zeiten. Das ist heute. Das Hamburger Abendblatt hatte dieser Tage eine Notiz darüber, allerdings nur am Rande. Es ging um ein anderes Thema.

Kapitalismus mit Kapitalismus bekämpfen



So hat das einer der Autoren der letzten SPIEGEL-Ausgaben nicht gesagt. Aber genau das hat er gemeint. Genau darum ging es.

Der Autor zíeht den Hut vor den vielen Non Governemental Aktivisten und sagt ihnen zugleich, dass sie nicht nur erfolglos seien, sondern die Auswüchse des Kapitalismus noch fördern – unabsichtlich natürlich.

Das überrascht und trifft. Trifft auch mich. Alle meine Spenden, alle meine Protest-E-Mails bewirken das Gegenteil von dem, was ich erreichen will? Ich bin „begeistert“!

Der Logik des Autors kann ich so gut wie nichts entgegensetzen. Er sagt: „Nur wenn umweltfreundliche Unternehmen für ihr Verhalten belohnt werden, ändert sich etwas.“ Das leuchtet ein.

Der Autor hat also nichts gegen den Kapitalismus. Er will ihn nur gegen den Kapitalismus einsetzen. Eigentlich will er das Kapitalismus-System retten, die Idee, dass nur der Erfolg Sinn macht.

Das Gesetz des Kapitalismus ist einfach: Wo du Gewinn machen kannst, mache Gewinn. Scheue keine Kosten, Hauptsache, du gewinnst zum Schluss. Darauf kommt es an.

Deshalb sagt der Autor: Nur wenn umweltfreundliche Unternehmen für ihr Verhalten belohnt werden, wenn Umweltfreundlichkeit als Erfolg gilt, dann ändert sich was.

Dieser Logik ist nichts entgegenzusetzen. Aber welche Gesellschaft funktioniert logisch?

Die Erkenntnis des SPIEGEL-Schreibers wird  Theorie bleiben, Wunschtraum. Denn wer bestimmt die Regeln? Die Regierungen nicht. Nicht einmal die so genannten demokratischen. Die Wirtschaft sagt, wo es lang geht. Niemand will es zugeben. Aber es ist so.

Wir verprassen, was unser kleiner Planet in Jahrmillionen für uns bereit gestellt hat. Wir sind undankbar und pressen unserem Ernährer mehr ab, als er leisten kann. Wir ruinieren den Acker, von dem wir leben müssen. Und das machen wir für das Wertloseste auf der Welt: das Geld.

Montag, Dezember 09, 2013

Viele Köche verderben den Brei

Ganze Legionen haben an dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD gearbeitet. Das sieht man dem 185 Seiten Zeile für Zeile an. Angies Märchenbuch? Ich habe Dieter Rossmann schon vor ein paar Tagen geschrieben, dass es sich hier um keinen Vertrag handelt, sondern um eine Mischung von Märchen-, Gesangs- und Gebetbuch geht. Weniger bissig wurde das Werk als eine unverbindliche Absichtserklärung bezeichnet. So müssen wir das wohl sehen.

Herr Gabriel hat auf dem JUSO-Kongress dieser Tage gesagt, dass sich 90 % dessen, was Peer Steinbrück im Wahlkampf gefordert hat, im Koalitionsvertrag wiederfindet. Glaubt er das wirklich? Die JUSOs haben es jedenfalls nicht geglaubt. Sie haben der Großen Koalition mehrheitlich eine Absage erteilt.

Vielleicht hat Herr Gabriel ja aber auch etwas ganz anderes gemeint: die weitgehende Übereinstimmung in der Unverbindlichkeit. „Wir werden prüfen“, „wir werden darauf hinwirken“, „wir wollen unterstützen“, „wir erwarten“, „wir wollen uns einsetzen“, „wir streben an“ – so liest es sich immer wieder im Koalitionsvertrag. „Das Regierungsprogramm“ 2013 – 2017“ der SPD – geschrieben, als die SPD noch Opposition war - klang nicht ganz so lau, aber lau genug, um im Falle eines Wahlsieges nicht immer und überall Wort halten zu müssen.

Wieviel  Selbstbetrug sich die Koalitionsgespräche-Partner leisten, überrascht. Das ist deren Sache. Dass im Vertrag zig Unwahrheiten stecken und viele Mogeleien, ist viel schlimmer. Wir werden es aushalten müssen.
08. 12. 2013