Mittwoch, Juni 21, 2006

Babylonisches Deutsch

Früher sprachen alle Menschen eine Sprache. Seit dem Turmbau zu Babel ist es damit vorbei. Seitdem verstehen sich die Menschen nicht mehr, jedenfalls nicht so ohne weiteres. Übersetzer bauen Brücken, aber nicht jede Brücke hält, was sie verspricht: Verständigung und Verständnis.

Das alles wäre nicht so schlimm, wenn nur zwischen den verschiedenen Sprachen Brücken gebaut werden müssten. Es ist aber viel schlimmer: Die Deutschen verstehen die Deutschen nicht mehr, und den Engländern und Franzosen geht es vermutlich genauso.

Bleiben wir beim Deutschen und nehmen wir uns das kleine Wörtchen "abfeiern" vor. Was war damit gemeint, und was ist heute damit gemeint?

Abgefeiert wurden früher - ist das schon so lange her? - Überstunden. Wenn man länger gearbeitet hatte als vereinbart und dafür kein Geld bekam, dann konnte man diese zuviel geleisteten Stunden "blau machen", als abfeiern. Das hatte irgendetwas mit Feierabend zu tun.

Heute hat das Wörtchen "abfeiern" anscheinend eine ganz andere Bedeutung, wahrscheinlich sogar mehrere Bedeutungen.

Im Kommentar zu einem Fußballweltmeisterschaftsspiel (welch ein Wort!) sagt der Reporter: "Jeder Spieler wird einzeln abgefeiert." Was kann er damit gemeint haben? Wahrscheinlich dies:
"Jeder Spieler wird wie verrückt gefeiert."

"Tanzen bis zum Abfeiern. "Tanzen bis zur Bewußtlosigkeit, bis zum Umfallen, oder was?
Es soll sogar - nach einem Zeitungsbericht - ein Auto zum Abfeiern geben (Marke wird nicht verraten). Ein Auto nach neuer Sprachregelung, dem man nicht widerstehen kann?

Wir verstehen uns nicht mehr. Wir brauchen Dolmetscher, Übersetzer: Allein kommen wir kaum noch zurecht.

Einspruch, Euer Ehren! Wir könnten schon ganz gut mit uns und unserer Sprache zurecht kommen - wenn wir es nur wollten. Dann fangen wir einfach mal damit an. Sagen wir das Einfache so einfach wie es ist. Und sagen wir das Schwierige so einfach, dass es jeder versteht.

Donnerstag, Juni 15, 2006

Dumme Sprüche jeden Tag

Sagt da doch jemand: "Da ist viel Potential nach oben." Ich habe mir aus Vergesslichkeit und Mitleid nicht gemerkt, wer das war. Soweit ich mich erinnere, war es irgendein Finanzgenie, einer dieser Analysten, die genau wissen, wohin Wirtschaft, Unternehmen und Aktienkurse sich entwickeln. Dummerweise liegen die meisten Vorhersagen neben der Wirklichkeit. Aber irren ist menschlich, nicht wahr?!

Wenn wir von Potential sprechen, dann meinen wir Leistungsfähigkeit, die Fähigkeit, etwas zuwege zu bringen und erfolgreich zu sein, nach oben zu kommen, möglichst an die Spitze.

Wenn wir genau hinhören und hinsehen, dann ist "viel Potential nach oben" ein weißer Schimmel, ein schwarzer Rappe, ein doppelt Gemoppeltes (ein Pleonasmus).

Oder gibt es auch ein Potential nach unten? Die Kraft, die Fähigkeit, den Willen und den Entschluss, Misserfolg zu haben?

Empfehlung: Erst denken, dann reden. Und wenn das Denken nichts gebracht hat: Mund halten!