Sonntag, Juli 20, 2008

Vom dummen Umgang mit unserer Sprache

Zu lesen in der Pfingstausgabe 2002 HAMBURGER ABENDBLATT: „Am 26. Mai fällt der erste Spatenstich für das EppendorfVillage.“

Heiliger Strohsack! Seit wann fallen denn die Spatenstiche? Wenn sie fallen würden, fielen sie bestimmt vom Himmel, und das wäre mordsgefährlich. Bestimmt würde der eine oder andere getroffen, und zwar tödlich. „Zur rechten und zur linken sah ich einen halben Investor sinken.“

Nein, Spatenstiche werden ganz einfach gemacht. Mit ihnen macht man – meist symbolisch – einen Anfang. Und Anfänge fallen ebensowenig vom Himmel wie die Spatenstiche. Ein bißchen Arbeit bleibt auch heute noch.

Vom dummen Umgang mit unserer Sprache

Zu lesen in der Pfingstausgabe 2002 HAMBURGER ABENDBLATT: „Am 26. Mai fällt der erste Spatenstich für das EppendorfVillage.“

Heiliger Strohsack! Seit wann fallen denn die Spatenstiche? Wenn sie fallen würden, fielen sie bestimmt vom Himmel, und das wäre mordsgefährlich. Bestimmt würde der eine oder andere getroffen, und zwar tödlich. „Zur rechten und zur linken sah ich einen halben Investor sinken.“

Nein, Spatenstiche werden ganz einfach gemacht. Mit ihnen macht man – meist symbolisch – einen Anfang. Und Anfänge fallen ebensowenig vom Himmel wie die Spatenstiche. Ein bißchen Arbeit bleibt auch heute noch.

Moderieren hat ein Junges bekommen

Ursprünglich meint moderieren „mäßigen, einschränken“ (nach dem lateinischen moderari = ein Maß setzen, mäßigen, lenken).

In Rundfunk und Fernsehen hat das Wort eine andere Bedeutung: die verbindenden Informationen und Kommentare zu einer Sendung sprechen. Soweit Wahrig Deutsches Wörterbuch.

Ein Moderator ist – ebenfalls nach Wahrig – jemand, der einen (meist selbstverfaßten) kommentierenden Verbindungstext zwischen Programmteilen spricht, z. B. im Fernsehen, er kann auch der Leiter einer Diskussion sein. In diesem Fall gilt mehr die ursprüngliche Bedeutung des Wortes: mäßigen, lenken.

Neuerdings hat das Wörtchen „moderieren“ ein Junges bekommen: anmoderieren. Was ist denn das? Wird da nur noch ein bißchen moderiert? Wird da nur ein Anfang gemacht und den Rest schenkt sich der Moderator, weil er keine Lust hat, oder weil die Zeit für den vollständigen Text fehlt? Nein, die Sache ist viel einfacher: Wir haben es hier mit einem Fachwort von Fachidioten zu tun.

Mit anmoderieren ist nicht anderes gemeint als ansagen, eine Sendung ansagen, eine Sendung ankündigen, sie einleiten. Anmoderieren klingt natürlich viel schöner, nicht wahr? Jedenfalls für die Fachidioten.

Damit kommen wir zum nächsten modischen Fachwort: Trailer. Klingt toll, meint aber nichts anderes als Vorschau, Voranzeige, Vorankündigung (eines Films, einer Sendung).

Daß wir es wirklich mit Fachidioten und nicht mit Fachleuten zu tun haben, wird spätestens dann klar, wenn wir hören, was der Sprecher einer Fernsehanstalt gesagt hat: „Die Präsentation entwickelt sich weiter, so wie die Sehgewohnheiten der Zuschauer“.

Der Junge weiß nicht, daß Gewohnheiten das Gegenteil von Entwicklung sind.

Richtig ist, daß die Fernsehsender zunehmend etwas anders machen: Sie verzichten immer mehr auf Ansager, auf Moderatoren zugunsten von Trailern, sprich filmischen Vorschauen. Daran sollen wir uns gewöhnen.

Weil wir uns anscheinend nicht schnell genug an diese neue Mode gewöhnen, wird allerhand dummes Zeug geredet, in der Hoffnung, daß wir die Trailer möglichst bald besser finden als zum Beispiel Dénes Törzs.

Ich jedenfalls biete 10 Trailer für einen Dénes Törz, nein: 20, 30 Trailer. Ich will gar keine. Dénes ist mir tausendmal lieber.

DIE WELT 03. 07. 2002

"... unter schwachem Wachstum leiden."

Nicht zum ersten und bestimmt nicht zum letzten Mal war neuerdings wieder die Schreibe und die Rede davon, daß die Wirtschaft unter schwachem Wachstum leidet.

Wie kommt das? Wieso leidet sie? Wenn wir an unsere Jungenszeit denken, dann haben wir eher unter zu starkem Wachstum gelitten, gelegentlich jedenfalls. Wir merkten das an einem unangenehmen Ziehen in den Kniekehle. Junge, hieß es dann, du wächst zu schnell.

Unter zu schwachem Wachstum haben wir höchsten seelisch gelitten, wenn Schulkameraden auf einmal schneller wuchsen als wir selbst. Vielleicht leidet auch die Wirtschaft nur seelisch unter zu schwachem Wachstum, weil sie dem Wahn nachläuft, daß alles immer größer werden müßte. Aber wachsen ohne Ende gibt es nicht.

Vielleicht sollten wir einmal der Frage nachgehen, ob die Wirtschaft nicht unter zu starkem Wachstum leidet – nicht im Augenblick, aber manchmal wächst sie ja atemberaubend schnell. Was da passiert sieht toll aus, ist aber gar nicht so lustig. Weil allen alles aus den Händen gerissen wird, langt auch jeder kräftig zu, was die Preise angeht, die Preise für die Waren, die Preise für die Arbeit, die Preise für alles. Auf die Dauer bereitet das Schmerzen; denn auf einmal geht es nicht mehr steil nach oben.

Und dann beginnt die Wirtschaft unter schwachem Wachstum zu leiden. Nicht jeder Preis wird erzielt, den man verlangt, vielleicht muß man sogar ein paar Abstriche machen. Ist das unter schwachem Wachstum leiden?

Schauen wir uns mal die Jahresringe eines Baumes an. Die gibt es richtig starke und richtig schwache und so alle möglichen Zwischenstärken. Von leiden würde ein Baum sicherlich nicht sprechen, da er weiß, daß er nicht in den Himmel wachsen wird, und daß nicht jedes Jahr ein gutes Jahr ist. Das müssen wir Menschen noch lernen.

23. 12. 2001

Fokussierte Kompetenzen

„Fokussierte Kompetenzen“

(manager magazin 2/01, Seite 184)

In einem Bericht über Studienangebote verschiedener Universitäten zum Thema

E-Commerce heißt es: „ ‚Fokussierte Kompetenzen‘ lautet das Zauberwort.“

Diesen Bericht kann man so oft lesen, wie man will, eine Antwort auf die Frage, „was sind fokussierte Kompetenzen“, findet man nicht.

Versuchen wir, uns einen Reim darauf zu machen. Damit das nicht allzu schwierig wird, fangen wir mit „Kompetenzen“ an. Wie viele Wörter hat auch Kompetenz unterschiedliche Bedeutungen, zum Beispiel: Zuständigkeit, Befugnis, Urteilsfähigkeit, Befähigung.

Im manager magazin Bericht geht es um Befähigung. Dieser Teil der Frage ist also geklärt.

Was aber ist eine fokussierte Befähigung? Wenn von Fokus und fokussieren die Rede ist – was immer häufiger vorkommt – dann ist gemeint, daß man sich auf etwas konzentrieren, daß man einer Sache besondere Aufmerksamkeit widmen will.

So gesehen, wäre eine fokussierte Befähigung eine konzentrierte Befähigung. Klingt beides nicht ein wenig blöd? Es klingt nicht nur so, es ist blöd! Es ist sprachlich so dumm wie nur irgendetwas.

Nur sprachlich? Nein, auch gedanklich; denn der Sprachfaulheit geht immer auch die Denkfaulheit voraus.

Was könnte mit „fokussierten Kompetenzen“ gemeint sein?

Fähigkeiten, die auf den Punkt gebracht wurden? Zusammengefaßte Fähigkeiten? Fähigkeiten, die sich ergänzen? Konzentrierte Fähigkeiten?

Wir könnten noch lange rätseln, was gemeint ist. Aber genau das sollten wir nicht tun. Wir sollten der Schlaumeierei des Autors nicht auf den Leim kriechen. Wir sollten einfach sagen: „Was du da geschrieben hast, verstehen wir nicht. Erklär uns mal, was du damit meinst“.

Wir werden etwas Wunderbares erleben. Der Autor kann uns nicht sagen, was er gemeint hat. Er weiß es nicht.

07. 07. 2002

Ein Protokoll

Die Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen Richter und Angeklagtem.

Der Richter ein deutscher Richter, der Angeklagte ein Türke aus Anatolien,

der seit über dreißig Jahren in Deutschland lebt.

Richter:

Seit wann leben Sie in Deutschland?

Angeklagter:

Seit 1971, Herr Richter.

Richter:

Sie sind also schon seit 33 Jahren hier?

Angeklagter:

Ja, Herr Richter.

Richter:

Welche Gründe hatten Sie, hierher zu kommen?

Angeklagter:

Deutschland war die Zukunft. Ich wollte Zukunft.

Richter:

Können Sie das erklären? Was meinen Sie damit?

Angeklagter:

Ich wollte so leben, wie ich es für richtig halte.

Richter:

Und das war zu Hause nicht möglich?

Angeklagter:

Nein, Herr Richter.

Richter:

Können Sie das dem Gericht erklären?

Angeklagter:

Ja, Herr Richter.

Richter:

Dann bitte, was hielten Sie für richtig?

Angeklagter:

Das war einmal gutes Geld für Arbeit.

Und das war, ich konnte so leben, wie

die Tradition befiehlt.

Richter:

Und das war bei Ihnen zu Hause nicht

möglich?

Angeklagter:

Nein, Herr Richter.

Richter:

Und warum nicht?

Angeklagter:

Zu wenig Arbeit für zu wenig Geld. Das

war das. Und dann, wichtiger: keine

Tradition mehr.

Richter:

Keine Tradition?

Angeklagter:

Ja, Herr Richter, keine Tradition.

Richter:

Keine Tradition? Unglaublich!

Angeklagter.

Doch, Herr Richter, Sie müssen mir glauben.

Das ist doch so: Zu Hause müssen die Frauen

kein Kopftuch tragen. Und sie haben die

Erlaubnis vom Staat, wie Männer sich zu bewegen

in der Öffentlichkeit. Keine Achtung vor der

Historie. Keine Achtung vor dem Mann. Keine

Tradition.

Richter:

Und hier? Hier ist das alles anders?

Angeklagter:

Ja, Herr Richter. In Deutschland herrscht Tradition.

Tradition wird geachtet. Der Mann bestimmt. Das

ist von Gott bestimmt. Die Frau gehorcht. Das ist

auch von Gott gewollt.

Richter:

So leben wir doch nicht in Deutschland!

Angeklagter:

Nicht die deutschen Freunde. Wir leben so in

Deutschland. Das ist besser als zu Hause.

Richter:

Ach ja: Deutschland ist die Türkei, die Sie zu

Hause nicht mehr haben.

Angeklagter:

Das verstehe ich nicht.

Richter:

Das will ich Ihnen erklären.

Zu Hause, in der Türkei, haben Frauen und

Männer die gleichen Rechte. So sagen es die

Gesetze. Kein Mann hat das Recht, seine Frau

zu schlagen oder einzusperren. Ein Sohn ist

nicht mehr wert als eine Tochter. Töchter

dürfen nicht verkauft werden. Alles das ist

in Ihrem Land seit über achtzig Jahren geregelt.

Und das passt Ihnen nicht? Deshalb sind Sie zu

uns gekommen?

Angeklagter:

Ja, Herr Richter, wir sind hier, weil die Tradition

und die Ehre hier einen besseren Wert haben

als zu Hause.

Richter:

Sie werden Ihre Frau und Ihre Töchter auch in

Zukunft züchtigen?

Angeklagter:

Herr Richter, was soll ich tun? Es muss sein.

Ausnahmsweise folgte das Urteil nicht der

„political correctness“.

Der Angeklagte wurde zur sofortigen Rückkehr

in die Türkei verurteilt. Seine Frau und seine

drei Töchter konnten entscheiden, ob sie mit

ihm gehen wollten oder nicht. Sie alle blieben in

Deutschland. Das Überraschendste: Auch die

beiden Söhne des Angeklagten wollten nicht

zurück in die moderne Türkei. Sie wollten mit-

helfen, Deutschland zu modernisieren.

20. 11. 2004 PS: Auch dies ein Griff in die Mottenkiste. Auch wenn hier die political correctness fehlen sollte, so verdreht kann manches sein.

Vom verwirrten Umgang mit unserer Sprache

Auf Seite 10 der Zeitung DIE WELT vom 22. 05. 2002 ist zu lesen: „Die Wirtschaft wächst wieder leicht“. Eine gute Nachricht unter so vielen schlechten, die uns heute erreichen.

Grund zur Freude, die allerdings durch die folgende Unterzeile ein wenig gedämpft wird: „Bundesbank: Konjunkturerholung aber noch nicht sicher – US-Wirtschaft noch instabil“.

Na ja, das kennen wir schon: Kein Glück ist gänzlich ungetrübt. Wir wollen uns also nicht aufregen. Darüber jedenfalls nicht, aber etwas anderes gibt Grund genug, sich ganz gewaltig aufzuregen: Der verwirrte Umgang mit unserer Sprache.

Da steht doch tatsächlich „Allerdings sei der eingeschlagene Wachstumspfad bisher so schwach, daß selbst kleine Störungen empfindliche Rückschläge zur Folge haben könnten.“

Liebe Leserin, lieber Leser, können Sie sich einen schwachen Pfad vorstellen? Können Sie das wirklich?

Nein, werden Sie sagen, das kann ich nicht. Ich kann mir einen schmalen Pfad vorstellen, einen, der steil bergan oder bergab geht. Ich kann mir vorstellen, daß ein Pfad gefährlich ist oder auch ganz harmlos. Sie werden sagen: Kurz und gut, ich kann mir alles mögliche vorstellen, nur keinen schwachen Pfad.

Sehen Sie, das ist es. Die Jungs und Mädels schreiben an uns vorbei. Sie denken nicht, sie fühlen nicht, sie haben nicht Deutsch gelernt. Aber sie schreiben.

Leider können wir ihnen das Schreiben nicht verbieten. Aber wir können ihnen das Denken empfehlen. Das sei hiermit geschehen.

Liebe Redakteurinnen und Redakteure, denkt doch mal, bevor ihr schreibt. Ihr werdet mehr Freude am Schreiben haben und eure Leser mehr Freude am Lesen.

PS: Wie das Datum zeigt, ist dies ein Griff in die Mottenkiste. Aktuell ist der Text noch immer.

Anchor men

Das sind die Großen im täglichen Nachrichtengeschäft des Fernsehens. Keine Kritik an ihrem Auftreten, an der Überlegenheit, mit der sie die großen Neuigkeiten verbreiten und die kleinen – meist mit viel Charme, manchmal herablassend – der Assistentin überlassen. Aber was macht sie zum Anker?

Ach, das ist gar nichts Besonderes. Es ist nur unsere zunehmende Unfähigkeit, Deutsch zu sprechen, es ist unsere Faulheit.

Angst vor Überfremdung braucht unser Deutsch nicht zu haben; es ist sogar mit dem englischen Cakes fertig geworden. Heute schreiben wir Keks, übrigens seit zig Jahren. Guten Appetit!

Anchor Men im Fernsehen sind Nachrichtensprecher, zugegegeben: die erfahrenen, die ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen helfen können, und die das auch tun. Aber müssen wir sie so verankern wie wir die Frauen verfronten?

Laßt uns doch mal wieder deutsch reden. So teutonisch ist unsere Sprache doch gar nicht. Sie kennt unendlich viele Zwischentöne. Ein bißchen Hinhören lohnt sich.

Frontfrauen

Frontfrauen

Heute heißen sie Soldatinnen, früher nannten wir sie Flintenweiber, soweit es sich

um russische Frauen und Mädchen handelte. Bei uns waren es Wehrmachtshelferinnen, Blitzmädel.

Aber davon will das Wort „Frontfrauen“ gar nichts wissen. Frontfrauen sind die Frauen, die im Fernsehen das Sagen haben.

Sie „benachrichtigen“ uns, sagen uns also, was Wichtiges passiert ist. Das muß nicht das sein, was die Frontfrauen für wichtig halten, aber sie bekommen es vorgeschrie-ben und sie servieren es uns. So halten sie die Stellung an der Nachrichtenfront.

Wenn wir uns einmal von dem an das Fernsehen gebundenen Begriff Frontfrauen trennen, wird die Sache viel spannender. Da gibt es eine ganze Menge Frauen, die uns eine ganze Menge zu sagen haben, die uns wirklich die Leviten lesen können, zum Beispiel Frau Hamm-Brücher, zum Beispiel Rita Süßmuth, zum Beispiel, zum Beispiel, zum Beispiel. An diesen Frauen mangelt es nicht. Wir sollten sie nur mal sagen lassen, was sie zu sagen haben. Wetten: Diesen Frauen hat man nichts vor-gesagt, sie haben selbst gedacht.