Montag, September 22, 2008

Gelernt ist gelernt

Ich lese in letzter Zeit immer wieder, dass irgendwelche Leute „gelernt“ sind: Ein gelernter Ingenieur zum Beispiel. Gibt es auch ungelernte Ingenieure? Eine gelernte

Rechtsanwältin, eine gelernte Sozialpädagogin. Und die ungelernten Damen und Herren? Gelernt, gelernt, gelernt.

Ich habe das Gefühl, dass wir es hier wieder einmal mit der sogenannen „political correctness“ zu tun haben. In Lutherdeutsch: mit vollgeschissenen Hosen.

Selbst wenn feststeht, dass jemand jemanden umgebracht hat, schreiben die Gazetten von einem mutmaßlichen Verbrecher; denn er ist ja noch nicht von einem Gericht verurteilt worden.

Woher kommt die Angst? Haben wir zu viele Anwälte, die ihr Auskommen, ihr Einkommen suchen – um jeden Preis? Sind wir ein Volk von Streithanselen geworden? Haben wir einfach nicht mehr den Mumm, unsere Meinung selbst zu vertreten?

Ich habe meine Fragen noch nicht beantwortet. Damit habe ich mich sicherlich nicht „political correct“ verhalten.

Schon gevotet heute?

Nein? Dann wird es aber höchste Zeit. Sie wissen nicht, was ich meine? Dann will ich es Ihnen erklären. Ich will es jedenfalls versuchen.

Also: Mit dem voten ist es so ähnlich wie mit den Boxkampfrecords im Zweiten Deutschen Fernsehen. Da werden ja eingangs immer die beiden Boxer vorgestellt. Dazu gehört auch ein Überblick über ihre bisherigen Boxkämpfe – gewonnen, verloren, unentschieden. Wenn wir das zusammenfassen, ist das eine Bilanz, aber kein record. Und schon gar nicht ein Rekord, auch wenn es die ZDF-Kommenta-toren so aussprechen. Wie wir sehen, ist es mit dem Übersetzen so eine Sache, keine ganz einfache offensichtlich.

Mit dem voten ist es ähnlich. Der Unterschied: Hier wird etwas nicht falsch übersetzt, hier wird aus Faulheit ein englisches Wort in ein nicht passendes deutsches Korsett gepresst. Dem Geck, der am 21. September in ARTE die Ergebnisse der Abstimmung über den größten Dramatiker zum besten gab – diesem Geck lief der Mund über: „Sie haben gevotet.“ „Bevor wir zum Voting kommen.“ Es wurde gevotet bis zum-geht-nicht-mehr.

Was wurde wirklich gemacht? Es wurde abgestimmt. Es wurde gesagt, welcher Dramatiker der beste und welcher – na ja, nicht der schlechteste war. 50 Dramatiker standen zur Wahl. 10 kamen in die Endauswahl. Shakespeare an erster Stelle, Schiller an zweiter. Oder war es Moliere?

Ich fand diese abschließende Sendung albern, ganz einfach albern. Lasst mir das Vergnügen an „meinem“ Dramatiker, und sei er auch in eurem Voting der schlechteste!

Ach ja, am nächsten Sonntag, dem 28. September, können die Bayern voten. Mal sehen, was aus ihrem Voting herauskommt.

PS: Als wenn es nicht genug wäre mit dem voten; es geht noch besser! Auf einer Internetseite können wir „diesen Dienst bookmarken bei…“. Bookmarken? Was ist denn das? Ist vielleicht buchen gemeint, bestellen? Was auch immer: Ich habe nichts gebucht, nichts bestellt, nicht gebookmarkt.

Zurück in die Zukunft

Besuch heute (21. 09. 08) des Ellerauer Heimatmuseums. Gesehen, wie mühselig und anstrengend das Leben früher war. Manches davon selbst erlebt: Waschen in der Waschschüssel. Kartoffeln racken. Garben binden. HHKartoffelmehl machen. Strümpfe stopfen usw. usw. Der Waschtag. Erst die Kochwäsche, dann die Buntwäsche. Trocknen, mangeln usw. usw.

Heute haben wir es besser, finden wir. Was uns damals schwer von der Hand ging,

nehmen uns heute Maschinen ab. Aber arbeiten wir deshalb weniger? Nein, nur anders. Denn für die Maschinen müssen wir arbeiten, bevor sie für uns arbeiten. Wir müssen sie kaufen.

Wenn wir genau hinsehen, sind wir abhängiger geworden, weniger selbständig. Unselbständig also, hilflos im Falle eines Falles. Wenn heute der Strom ausfällt, bricht alles zusammen. Der Kühlschrank kühlt nicht. Die Ladenkasse rechnet nicht. Die Tür zum Supermarkt öffnet sich nicht; niemand kann hinein und niemand hinaus. Die Banken überweisen kein Geld. Die Tanksäulen geben keinen Kraftstoff. Alles steht still.

Wenn vor 60 Jahren Stromsperre war, und das gab es so gut wie jeden Tag gleich nach dem Krieg, dann konnten wir trotzdem kochen und heizen und Wäsche waschen und uns sowieso (kalt). Wir waren unabhängiger. Wir hingen nicht am Tropf. Wir lebten näher an den natürlichen Gegebenheiten.

Darüber nachzudenken lohnt sich. Wie werden wir wieder unabhängiger? Nein, nicht zurück in die Vergangenheit. Aber hinein in die Zukunft. Wie steht es mit Energie aus Wind, Sonne und Erde? e

Sonntag, September 14, 2008

Preisrätsel


Von Montag, 15. bis Samstag 20. September 2008 bietet ALDI als Sonderangebot ein Kilo Bananen für sage und schreibe 59 cent. (Handelsklasse 1, Ursprungsland: Mittelamerika.


Ein mir bekanntes, Gott sei Dank nicht verwandtes, durchaus wohlhabendes Ehepaar nennt ALDI die Quelle seines Reichtums. Das ist bei 59 Cent für ein Kilo Bananen einleuchtend. Fragt sich nur, für wen ÄLDI die Quelle der Armut ist.


Ich bin kein Südfrüchteimporteur. Ich habe auch keine Containerschiffe, keine Lastwagen, keine Lagerhallen. Ich bin weder Groß- noch Einzelhändler. Aber ich habe ein gewisses Vorstellungsvermögen. Das allerdings scheitert an diesen 59 Cent.


Bananen wachsen nicht im Urwald, sondern in Plantagen. Diese Plantagen machen Arbeit. Von dieser Arbeit müssen die Plantagenbesitzer und die Plantagenarbeiter leben. Wieviel Cent bekommen sie? Drei, vier, fünf oder vielleicht sogar 10 Cent pro Kilo?


Dann müssen die Bananen verpackt und auf Lastwagen verladen werden. Das kostet Geld. Die Lastwagen müssen zu einem Hafen fahren. Dort kommen die Bananen in Container, die auf Schiffe geladen werden. Nach der Fahrt über den Atlantik werden die Container ausgeladen und dann per Lastwagen zu den großen Händlern wie ALDI gebracht. Die verteilen die Bananen dann wieder mit Lastwagen an ihre Filialen.


Sollten die Plantagenbesitzer wirklich 10 Cent für ein Kilo Bananen bekommen, bleiben für die folgenden Schritte nur noch 49 Cent. Wer erhält davon wie viel? Und wer kann von dem, was er erhält, leben?


Bestimmt gibt es kluge Leute, die mir sagen können, wie das funktioniert. Ob die sich mal bei mir melden?


Ach ja, nur zum Vergleich: Kernlose Weintrauben aus Griechenland/Spanien bietet ALDI für 1,58 € das Kilo an. Jetzt fehlt es nur noch, dass mir jemand sagt, ich solle nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Mache ich doch nicht. Ich frage nur, wie man im „Herkunftsland Mittelamerika“ von 59 Cent je Kilo Bananen leben kann. In Griechenland und Spanien müsste man sich mit kernlosen Weintrauben ein goldene Nase verdienen im Vergleich zum Bananenpreis. Aber das glaube ich nicht. Wird da irgendjemand ausgebeutet?


PS: Weil ich nun mal nicht lassen kann. Mittelamerika ist kein Herkunftsland, sondern eine Region, ein Gebiet, das sich verschiedene Länder teilen. In welchem Land die Arbeiter in den Bananenplantagen für vermutlich so gut wie nichts arbeiten, wird nicht verraten.


Samstag, September 13, 2008

Indikative Kaufpreisangebote

Herr Schreiber, Wochenendkolumnist „Ich sag’ mal“ des Hamburger Abendblatts, hat sich neulich über die Unsitte verbreitet, Kleinigkeiten aufzublasen, um so mit möglichst unverständlichen Wörtern an Bedeutung zu gewinnen.

Diese Sucht ist weit verbreitet, wie das Hamburger Abendblatt von 4. September auf Seite 27 notiert. Unter dem Titel „Erste Interessenten für Motorenbauer Thielert“ wird der Insolvenzverwalter Bruno Kühler so zitiert: „… gebe es ‚mehrere indikative Kaufpreisangebote namhafter Investoren’. Aha!

Die Suche nach dem Attribut, dem Beiwort „indikativ“ bleibt erfolglos. Es gibt dieses Wort einfach nicht. Indikativ ist in den Wörterbüchern verzeichnet als Substantiv, als Hauptwort. In der deutschen Grammatik bedeutet es Wirklichkeitsform.

Da dämmert es. Herr Kühler meint ernst zu nehmende Angebote. Das klingt natürlich nicht so geheimnisvoll, nicht so dramatisch. Der Pfau Kühler schlägt ein großes Rad und kackt doch nur kleine Korinthen. Müssen wir uns an diese Hochstapelei gewöhnen? Nein!