Donnerstag, April 30, 2015

Nachrichten aus einer anderen Welt

Wenn sich Kommunikationsexperten (altdeutsche Bezeichnung: Werbefachleute) unterhalten, dann liest sich das so: User, Heavy Clicker, Marketer, Customer Journey, Conversion, Fault Clicks, Retail, White List, Publisher, Affiliate Basis, implementieren, Reportings, Road Map, Smart Data, All Data, Viewability usw. usw. So unterhalten sich die Werber von heute untereinander – von Angesicht zu Angesicht, one to one – in einer Fachzeitschrift, die genau so heißt: ONEtoONE (Altdeutsch: Direktmarketing).

Wen wundert es, dass sie an den meisten von uns vorbeireden, uns Filmschnipsel vorführen, die so sinnleer sind wie für Loriot ein Leben ohne Möpse.

So viel Sinnleere bietet natürlich viel Raum für die dümmlichsten Äußerungen (Statements):

„Werbung ist nur da erfolgreich, wo die Nutzer bestmöglich erreicht werden können.“ Wer hätte das gedacht?! Weiter im Text:

„Die digitale Erfolgsformel lautet: Die richtigen Inhalte auf dem richtigen Medium mit der richtigen Kampagne zu bespielen, um die richtigen Nutzer (gibt es auch falsche?) im richtigen Zeitraum mit der richtigen Botschaft zu bespielen.“ Die Dame, die diese Spielerei spielerisch von sich gab, meinte das ernst.

„Wichtig ist, dass Werbung heraussticht, sowie den User, wenn möglich, emotional packt. „ Und: „Wenn eine Ad eine Chance hat, gesehen zu werden, dann ist die Chance einer guten Viewability und damit einer guten Performance deutlich höher.“ An sich ein klarer Fall: Werbung, die nicht gesehen wird, wirkt nicht. Der Country Manager, der das zum Besten gab, hält das offenbar für eine neue Erkenntnis.

„Als Marketer wissen wir, dass wir mit unseren Kunden nur effektiv kommunizieren können, wenn es uns besser gelingt, das Verhalten und die Präferenzen jedes einzelnen Kunden zu verstehen.“ Deshalb werden Daten gesammelt wie verrückt. Das führt aber zu nichts, wenn man sich nicht in andere Menschen hineinversetzen kann. Dazu braucht es nur etwas Menschenkenntnis, ein bisschen Fantasie und Vorstellungsvermögen.

Ein offenbar aus der Mode gekommenes Rezept: Wenn du einen überzeugenden Werbetext schreiben willst, dann denke dir einen Empfänger aus, stell ihn dir vor, ganz leibhaftig, und dem schreibst du dann, ganz persönlich. Dann brauchst du den ganzen Umfrageklimbim nicht.

(Die Zitate stammen aus der Zeitschrift ONEtoONE 05/15, 27. April 2015)
29. 04. 2015

Dienstag, April 28, 2015

"Am Rande notiert"

Instrumentalisierung“. Alle wehren sich dagegen. Niemand will instrumentalisiert werden. Andererseits möchte jeder am liebsten die erste Geige spielen. Das wäre ja auch eine Art Instrumentalisierung. Aber das ist es nicht. Mit „instrumentalisieren“ ist nichts anderes gemeint als ausnutzen, missbrauchen. Das klingt natürlich nicht so bedeutend. Deshalb wird so gern auf die Pauke gehauen.

Selfie“ – das Bild, das wir uns von uns machen. Smart! Eigentlich macht man sich ein Bild von sich selbst ohne ein smartes Handy. Man braucht keinen Apparat, aber ein bisschen Gefühl und Nachdenken. Aber wer hat dafür noch Zeit?

Grenzüberschreitung“ – ein typisches Autofahrerproblem. Warum halten sich die meisten Autofahrer an die für die Stadt vorgeschriebenen 50 km/h? Aus Angst vor einer Strafe oder aus Vernunft? Da die Vernunft verdächtig oft beim Anlassen des Motors außer Kraft gesetzt wird, spricht viel für so eine Art Duckmäusertum. Wie soll sich bei so viel Angst vor der Strafe die Vernunft durchsetzen?

Sprachsünden“: „Die musikalische Qualität erlangt dadurch kein Minus“ – so Kantor Oliver Schmidt, Rellingen. Was soll das heißen? (Hintergrund: Ein bekannter Musiker musste absagen.) „Es wird trotzdem ein unvergesslicher Abend auf höchstem Niveau.“ So könnte man das auch sagen. (Die Vorstellung, eine musikalische Qualität könne ein Minus erlangen – Gänsehaut, Gänsehaut! Ein Minus erlangen. Welch ein Irrsinn!

Ermahnung“: Hütet eure Zunge. Wählt eure Worte mit Bedacht. Vor allem dann, wenn ihr Gesetze macht. Sagt klipp und klar, was ihr meint. Strengt euch an. Ladet nicht eure „Zeitnot“, eure Bequemlichkeit, Nachlässigkeit und Faulheit beim Bundesverfassungsgericht ab. Macht eure Arbeit gewissenhaft. Dazu gehört auch der sorgfältige Umgang mit unserer Sprache.

26. 04. 2015

Black and out

Afrika. Der schwarze Kontinent, der nichts zu sagen hat. Der Kontinent, von dem wir keine Ahnung haben. Wer von uns kennt Afrika? Ich nicht.

Das dämmerte mir, als mir in der Ausgabe der ZEIT vom 16. April 2015 auf Seite 8 eine kleine Landkarte zeigte, dass die Hauptstadt von Burkina Faso Ouagadougou heißt.

Burkina Faso, das klingt für mich irgendwie opernhaft, romantisch, opulent. Das ist ziemlich daneben.  Burkina Faso heißt „Land der Ehrenwerten“ und ist ernst zu nehmen. Während der Zeit der Kolonialherrschaft wurde das Land Obervolta genannt, jedenfalls von uns in Europa. Weiß jemand, wie es hieß, bevor Frankreich es zu einer seiner Kolonien machte?

Im ZEIT-Artikel „Wir vertrauen nur uns selbst“ wird von der Revolution der jungen Burkinaden berichtet, die den Präsidenten Blaise Compaoré aus dem Land jagten, das er 27 Jahre lang diktatorisch regierte. Sein korrupter Klüngel ist aber noch im Land und muss gefürchtet werden, auch wenn die jungen Revolutionäre furchtlos sind.

Ich will nur auf zwei Einzelheiten hinweisen, die mir  über Burkina Faso hinaus wichtig erscheinen: Erstens (ich zitiere): „Langzeitherrscher sind in Afrika nichts Ungewöhnliches. In Angola regiert José Eduardo Santos seit 35 Jahren, in Äquatorial-guinea ist Teodoro Obiang ebenfalls seit 35 Jahren an der Macht, in Simbabwe herrscht Robert Mugave seit 34 Jahren, in Kamerun Paul Biya seit 32 Jahren, in Uganda Yoweri Museveni  seit 27 Jahren, im Tschad Idriss Déby seit 29 Jahren.“ 

Ich glaube, dass diese „endlosen“ Regierungen nicht als Zeichen für Stabilität anzusehen sind.

Zweitens (ich zitiere): Blaise Compaoré war mithilfe Frankreichs im Oktober 2014 gerade noch rechtzeitig außer Landes geflüchtet.“

Ich denke, dass die Kolonialherrschaft in tückisch versteckter Form immer noch besteht. Es scheint Afrika-Kenner zu geben, die wollen, dass wir den Kontinent nicht kennenlernen, seine Schwierigkeiten, seine Nöte.

Wie wenig ich von Afrika weiß, wenn ich mir die Schuljungenaufgabe stelle „Nenne mir mal die Afrikanischen Staaten, die du kennst – sprich von denen du schon mal gehört hast“. Meine stotterige Antwort:

Ägypten, Tunesien, Libyen, Marokko, Äthiopien, Nigeria, Elfenbeinküste, Ghana, Somalia, Kongo… da kommt nicht viel zusammen. Mit ein bisschen Nachhilfe fällt mir vielleicht noch das eine oder andere Land ein. Alles in allem aber: Setzen! Ungenügend!

Wenn ich jetzt erwähne, dass ich seit Jahren die Äthiopien-Initiative „Menschen für Menschen“ von Karlheinz Böhm finanziell unterstütze, dann wird das nicht viel zählen. Und dass ich schon mal von der Serengeti und Herrn Grzimek gehört habe, sollte ich lieber nicht erwähnen. Aber nun ist es passiert und zeigt, wie gut ich mich mit Afrika auskenne: so gut wie gar nicht.

Ich habe das Naheliegende gemacht, ich habe gegoogelt und nehme den globalen Alleswisser für den Augenblick ernst: Es gibt 56 Afrikanische Staaten – sechs-undfünfzig!  Wer außer Google weiß das schon?

Ich höre schon die spitze Frage „Muss man die denn alle kennen?“ Nein. Nächste Frage: „Machst du jetzt in Völkerkunde?“ Nein. „Willst du Wiedergutmachung für alles, was unsere „zivilisierten“ Staaten in Afrika angerichtet haben?“ Nein, weil das gar nicht wieder gutzumachen ist. Letzte Frage: „Ja, was willst du dann?“

Ich will, dass Schluss gemacht wird mit „Festung Europoa verteidigt sich gegen den Ansturm aus Afrika“. Ich will, dass sich Europa mit Afrika verbündet. Jeder von uns hat Probleme. Die lassen sich am besten gemeinsam lösen. Aber dazu muss man sich erst einmal kennen. Mit dem Kennenlernen anzufangen, ist höchste Zeit.

Kleine Nachbemerkungen: Wir lachen uns kaputt über die amerikanischen Touristen, die mit Begeisterung ihre Europe Sightseeing Tour absolvieren, aber in Wirklichkeit von nichts eine Ahnung haben. Wir dagegen, wir rappeln die US-Amerikanischen Bundesstaaten im Schlaf herunter, einschließlicht der Hauptstädte. Wirklich? Wie viele Bundesstaaten gibt es in den USA? Washington DC? Klar, jeder weiß, was DC heißt. Oder doch nicht? Ja, und dann die Japaner, jetzt auch die Chinesen. Sie knipsen alles wie wir alles in Japan und China knipsen. Spaß muss sein. Aber wir sollten den Spaß nicht übertreiben. Wir sollten uns davor hüten zu glauben, dass wir uns mit den Bildern, die wir auf unseren Reisen knipsen, auch schon ein Bild von dem Land gemacht haben, durch das wir reisen.
26. 04. 2015

Samstag, April 25, 2015

Rassismus vom Feinsten

Es war einmal ein Mann, der hieß Ernst Neger. Der war Dachdecker, lebte in Mainz und war dort als humorvoller Mann eine Fastnachtsgröße. Dieser Ernst Neger war ein moderner Mensch. Deshalb dachte er sich für seine Firma ein Markenzeichen aus, ein Logo, wie man heute sagt. Das zeigte in plakativer Form einen Neger mit großen Ohrringen. In seiner Rechten schwang er einen Dachdeckerhammer.  Heute ist der Enkel von Ernst Neger der Chef der Firma „Thomas Neger Metallsystem und –bedachungen GmbH“. Und der Neger mit den dicken Lippen und den handtellergroßen Ringen in den Ohren ist auch immer noch da.

Und nun gibt es eine Aktion „Das Logo muss weg“. Ich denke, das Weghabenwollen des Logos ist zu kurz gedacht. Der Name Neger muss weg! Thomas Neger sollte sich umgehend darum bemühen, seinen diskriminanten Familiennamen in Farbiger oder Schwarzer umwandeln zu lassen. Das ist sein gutes Recht.

(Quelle: dpa-Meldung im Hamburger Abendblatt. Titel: „Kann ein Logo rassistisch sein? Mohrenkopf heißt längst Schokokuss Diskussion um die Dachdeckerfirma Neger in Mainz.“)

Die Bibel wird weiblicher - und die Welt immer verrückter

Am 30. März 2015 widmete das Hamburger Abendblatt eine Dreiviertelseite dem Thema einer „weiblicheren“ Bibel. „An der Modernisierung der Texte arbeitet ein Team von 70 ehrenamtlichen Experten“ steht im Untertitel.

Wie heißt es doch? „Viele Köche verderben den Brei.“  Darin rühren die Experten nun schon seit 5 Jahren. Hoffentlich setzt der Sprachbrei trotz eifrigen Rührens nicht doch noch an, wie es schon einmal passierte. Weil das Wort Scheffel – ein altes Getreidemaß – vielen unbekannt war, machte man aus der Redewendung „sein Licht unter den Scheffel stellen“ den Satz „sein Licht unter den Eimer stellen.“ Glücklicherweise war damit diese „moderne“ Bibelfassung tatsächlich im Eimer; sie wurde zurückgezogen. Das Hämewort „Eimerbibel“ allerdings überlebte.

Ich gebe zu: Was genau ein Scheffel ist, weiß kaum jemand. Aber was damit gemeint ist, weiß jeder, zumindest ahnt es jeder. Wissen Sie, was hier passiert? Hier wird Nachdenken, hier wird Bildung wegmodernisiert.

Wenn schon Nachhilfe gegeben werden muss, dann wären erklärende Fußnoten eine einfache Möglichkeit.

Kleiner Gedanke zwischendurch, der gut hierher passt: Müssten wir alte Maße wie Meile, Elle, Dutzend, Mandel, Schock usw. in anderen Texten nicht auch um-schreiben? Da hätten wir viel zu tun, nicht wahr? Und deshalb lassen wir das.

Weiter im Text: „Es begab sich aber zu der Zeit…“ – so hat Luther das geschrieben. Natürlich kommt heute niemand auf die Idee, zu sagen „Es begab sich aber zu der Zeit als Bundeskanzlerin Angela Merkel dies und jenes anordnete“.  Aber was Luther geschrieben hat, versteht jeder. Also Finger weg von platt machender Anpassung an das Alltagsdeutsch von heute.

Als wenn das alles nicht schlimm genug wäre: Jetzt soll der neue Bibeltext auch noch gendergerechter werden.  Ganz gendergerecht geht wohl nicht, haben die Experten festgestellt. Wie verquast die Experten (m/w) denken, zeigen einige Beispiele:

„Wir schauen sehr genau, wo im Text patriarchalische Muster unsachgemäß verstärkt werden“, so Prof. Christoph Kähler. Lieber Herr Kähler, wo hat Herr Luther „patriarchalische Muster unsachgemäß verstärkt“?

Frau Professor Christine Gerber fügt den lutherschen Brüdern die Schwestern hinzu. Auf den Gedanken, dass Luther die Schwestern mitgemeint hat, kommt die Professorin nicht. Und so werden wir auch in der Bibel in Zukunft unter der Umständlichkeit der „Bürgerinnen und Bürger“, der „Schülerinnen und Schüler“, der „Aktieninhaberinnen und Aktieninhaber“ leiden. Glücklich, wer noch eine „alte“ Bibel zu Hause hat!

So bemüht die 70 Experten seit 5 Jahren sind, unserer Sprache Gewalt anzutun  - sie sind längst überflügelt von einer Arbeitsgemeinschaft der Berliner Humboldt-Universität, die für „feministisches Sprachhandeln“ kämpft.

Die Damen sprechen nicht, sie sprachhandeln. Sie sind der Meinung, dass Hauptwörter, die auf „er“ enden, Frauen und Mädchen diskriminieren, herabsetzen, weil es eine männliche Wortendung sei. Das wollen die Damen nicht länger hinnehmen, und sie schreiten auch gleich zur Tat, zum Sprachhandeln. Sie tauschen das „er“ ganz beherzt gegen „a“ aus.

Das liest sich dann so: Koffa statt Koffer – Computa statt Computer – Kella statt Keller – Tella statt Teller.

Wahnsinn? Nein, Wirklichkeit! An irgendeiner Universität gibt es keine Professoren mehr, sondern nur noch Professorinnen.  Das hat mit einer Überfüllung der Frauenquote nichts zu tun. Auch die Herren Professoren nennen sich jetzt Professorinnen.

Die Bibel wird weiblicher, die Professoren auch. Goethe, Schiller, Kleist, Fontane, Heine  und wer weiß noch wer, werden umgeschrieben. In spätestens 20 Jahren sind Böll, Grass, Lenz an der Reihe. Und niemand sollte sich wundern, wenn auch Bach, Mozart, Beethoven und andere Klassiker ummusiziert werden. 13. 04. 2015

Autofahren wie die Flieger fliegen

Wer heute einen Autokatalog aufschlägt, ganz gleich von welcher Marke, erfährt vergleichsweise wenig über das Auto, umso mehr aber über Unterhaltungs-programme (Film, Fernsehen, Hörspiele, Musik) die er während der Fahrt genießen kann. Übertroffen wird dieses Angebot zunehmend durch die sogenannten Assistenzsysteme. Sie nehmen dem Fahrer das ab, was er eigentlich tun sollte, aufmerksam und verantwortungsvoll Auto fahren.

Warum in den Rückspiegel blicken, wenn das der „Toterwinkel-Assistent“ tut?  Warum darauf achten, dass man in der Spur bleibt und nicht in den Gegenverkehr gerät, wenn der „Spurhalte-Assistent“ einem das abnimmt? Warum den richtigen Abstand zum vorausfahrenden Auto halten? Dafür gibt es doch auch einen „Assistenten“. Auf Straßenschilder achten – Überholverbot, Geschwindigkeits-vorgaben usw.? Nicht nötig. Das „intelligente“ Auto nimmt seinem Fahrer alles dies und noch mehr ab. Sogar die passende Parklücke wird erkannt, das Auto parkt ganz allein – längs oder quer, wie es gerade richtig ist, und das Einfädeln in dern Verkehr, also das „Ausparken“ geht auch ohne den „Piloten“.

„Drive by wire“ so wie in der Fliegerei „Fly by wire“. Ist das Fortschritt, oder ist das Wahnsinn?

Einerseits ist das Computerfliegen – so die Statistiken – sicherer als das früher notwendige Von-Hand-Fliegen mit Pilot, Copilot und dem für die Technik zustän-digen dritten Mann. Seinen Platz haben die Computer eingenommen.

Andererseits können auch Computer nicht alles. Auf jeden Fall können sie nicht alles richtig machen, aber vieles falsch. Weil die Piloten aber immer seltener selbst fliegen, sondern sich von den Computern fliegen lassen, verlernen sie das Fliegen. Und wenn die Computer verrückt spielen, sind die Piloten oft aufgeschmissen. Sie verstehen den Computer nicht, der Computer versteht sie nicht, und richtig selbst fliegen? Da fehlt die Übung.

Zitat aus dem SPIEGEL vom 4. April 2015: „ Kritisch wird die Situation dann, wenn die Automatik streikt, wenn etwas Unerwartetes passiert Plötzlich müssen die Hightech-Piloten die komplexe Situation durchschauen, richtig reagieren – und wieder fliegen wie ihre Vorväter. Nicht wenige beherrschen das nicht mehr, mangels Übung.

In Einzelfällen haben die Bordcomputer massive Sicherheitsprobleme herbeigeführt und auch tödliche Unglücke verursacht.

‚Das eigentliche Fliegen rückt stark in den Hintergrund’ sagt ein Kapitän des Ferienfliegers TUIfly. Weil er das vermisst, hat der 44-Jährige gerade wieder seinen Privatpilotenschein erneuert und mietet ab und zu kleine Flugzeuge wie eine Cessna 172. Was er mit ihr macht, ist das, was Berufspiloten sonst nie erleben: Er fliegt von Hand und ganz allein, er genießt die berühmte Freiheit über den Wolken, Linkskurve, Rechtskurve, wie und wann er will.“

Damit zurück zum Autofahren. Was die Hersteller Fortschritt nennen, Entlastung des Autofahrers, ist nichts anderes als eine Entmündigung, ein Programm zum „Entlernen“. Ich frage mich, weshalb die Fahrschulen nicht längst Alarm schlagen. Sie werden bald überflüssig. Prototypen des automobil fahrenden Automobils sind ja schon unterwegs.

Die Entmündigung ist aber nicht alles. Es kommt noch schlimmer. Die Assistenzsysteme nehmen dem Autofahrer jede Verantwortung ab. Leichtsinn wird sich breit machen; denn jeder Unsinn und die Schuld an Unfällen kann auf die „Assistenten“ abgeladen werden. Wer wird haften? Der Autofahrer, der seinen „Assistenten“ vertraut hat oder der Autohersteller?

Wie war es damals? Vor der Kurve Gas weg und aus der Kurve heraus mit Gas. In kitzligen Situationen warnte der Popo gefühlvoller als es ein Computer kann. Auf Brücken gefriert Nässe schneller zu Eis als auf der Straße? War bekannt. Wissen das auch Computer?

Ohne Frage hat es Fortschritte gegeben, Aber nicht alles, ich könnte auch sagen, das wenigste, hat etwas mit Fortschritt zu tun.

13. 04. 2015

Donnerstag, April 23, 2015

G36 - Das Schießgewehr, das nicht schießt. Oder die Wut über den verlorenen Groschen

Alle hacken sie jetzt aufeinander rum. Das führt zu nichts oder zu noch Schlimme-ren. Erschreckend ist jedenfalls, wie leichtfertig nicht nur mit unserem Geld umgegangen wird, sondern auch mit dem Leben unserer Soldaten.

Nach allem, was zu erfahren ist, wurde ein Auftrag erteilt, der den Notwendigkeiten der Soldaten nur mangelhaft entspricht. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE vom 22. April heißt es (Zitat): „Tatsächlich war damals von einem Einsatz in Gefechten mit schnellen Schussfolgen und einem hohen Munitionsverbrauch nicht die Rede, da die Bundeswehr noch keine entsprechenden Einsätze hatte.“ 

Die Waffenbeschaffer des Bundesverteidigungsministeriums konnten sich so etwas nicht vorstellen? Offenbar nicht. Vom MG42 der Wehrmacht, mit dem man – so heißt es – Bäume umsägen konnte, so rasend schnell schoss es, hatten die Herren noch nichts gehört?

H & K hat diesen fragwürdigen Auftrag ausgeführt und meint, damit der Pflicht entsprochen zu haben. Ich finde, das ist nicht in Ordnung. - Offenbar schießt das G36 unter bestimmten Bedingungen daneben. Dann gehört es ausgemustert, und ein wirklich treffsicheres Gewehr muss her.  Das zu entwickeln, soll 10 Jahre dauern? So ein Unfug! Aber irgendjemand (aus dem Waffenbeschaffungsamt?) soll das gesagt haben. Für Konstruktion, Produktion und Einsatz eines Jagdflugzeugs hat man 1944/45 6 Monate gebraucht. Wahrscheinlich gibt es bereits irgendwo ein besseres Gewehr. Das kann man  dann kaufen oder in Lizenz nachbauen.  Es sei denn, man besinnt sich auf frühere Fähigkeiten, macht es selbst besser und in kürzester Zeit.

Zum Schluss: Wie lange soll das so weitergehen? Ein Gewehr, das nicht richtig schießt, eine Drohne, die nicht richtig drohnt, Flugzeuge, die nicht abheben, Hubschrauber, mit denen die Marine nichts anfangen kann, U-Boote die vom Meerwasser angefressen werden usw. usw. Über alles und noch mehr wurde nicht nur einmal berichtet.

Vor zig Jahren hat der SPIEGEL mit seinem Bericht „Bedingt abwehrbereit“ eine Art Staatskrise ausgelöst. Und heute? Keiner regt sich auf. Alles ganz normal. Ist es das wirklich?

Wenn diese Schießgewehrgeschichten die einzigen wären – es wäre schlimm genug.  Aber es sieht ja woanders genau so oder so ähnlich aus:

Marode Straßen, Brücken, die zusammenzubrechen drohen. Lappalien? Schwer-transporte zu den Seehäfen müssen über Umwege geführt werden, da Brücken auf den direkten Strecken die Last nicht tragen. Teuer für die Transporteure? Teuer für alle. Kein Geld für die Sanierung der Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals, aber Milliarden für die Fehmarn-Belt-Querung. Wer zahlt? 

Schulden bis über beide Ohren, die 60%-Verschuldungsgrenze längst gerissen, aber den Lehrmeister spielen. Andere zur Ordnung rufen.  Wie lange wollen die anderen dieses Spiel noch mitspielen? Es wird Zeit, aufzuwachen und die Dinge in Ordnung zu bringen. Schluss mit der Selbstgefälligkeit! Schluss mit dem Selbstlob und nicht jede Lobhudelei glauben. Wir müssten besser sein. Und wir könnten es. Wir müssen nur die Ärmel hochkrempeln, zupacken und aufhören, uns und anderen etwas vorzumachen, ihnen und uns Märchen zu erzählen.

Nur ein Pessimist, ein Schwarzseher, ein Miesmacher kann so etwas schreiben. Wirklich?  Wer hat denn die Sachen so mies gemacht, dass sie nicht funktionieren? Schon vergessen? Dann bitte alles noch einmal lesen. Vielleicht fällt dann der Groschen. Ach ja, den gibt es ja gar nicht mehr. Dieses Stichwort wird Beethoven-Liebhaber möglicherweise an „Die Wut über den verlorenen Groschen“ erinnern. Ja, die Wut kann einen schon packen. – Peter Gudelius, 22. 04. 2015

Donnerstag, April 16, 2015

Der Bürger, das unbekannte Wesen

Unsere Regierung will mit uns sprechen. Das ist neu. Das hätte sie längst tun sollen. Aber sie hat ja alle Hände und Köpfe voll mit dem Regieren zu tun. Da fällt es schwer, an den Bürger zu denken und mit ihm zu sprechen und, bevor man etwas sagt, zuzuhören. Aber nun soll es ja losgehen. So jedenfalls ist es im Hamburger Abendblatt vom 14. April 2015 auf Seite 3 zu lesen.

„Bis Oktober gibt es nun deutschlandweit 150 Veranstaltungen von mehr als 70 verschiedenen Organisationen, bei denen die Bürger sagen sollen, wie sie sich ‚gut Leben in Deutschland’ vorstellen. Das ist das Motto, unter das die Bundesregierung die ganze Reihe gestellt hat.“ (Zitat HA)

Was dabei herauskommen wird? Es ist zu befürchten: nichts! Das jedenfalls lässt das folgende Zitat aus dem Hamburger Abendblatt vermuten:

„Mit dem Bürgerdialog knüpft die Regierung an den Zukunftsdialog an, den es unter Schwarz-Gelb in der vergangenen Legislaturperiode gegeben hatte. Dabei hatte Merkel mit Experten und Bürgern einen Dialog zu Grundsatzfragen der kommenden Jahre geführt.“

Was ist dabei herausgekommen? Nichts! Na, vielleicht die Große Koalition, die von keinem Bürger gewählt worden war. Die zimmerten sich die Politiker zurecht und nannten ihren Kuhhandel Kompromiss.

Schon der Dialogtitel „Gut leben in Deutschland – was uns wichtig ist“ deutet darauf hin, dass es sich hier um ein Wahlprogramm handelt, rechtzeitig eingefädelt vor der nächsten Bundestagswahl.

Der Dialog „soll schließlich zu einem Aktionsplan werden, der vielleicht noch in dieser Legislaturperiode zu der einen oder anderen politischen Entscheidung führen soll.“ Da werden vor der Wahl hübsche Bilder gemalt, die dann schnell wieder abgehängt werden – die Farben für die Bilder liefert der Dialog mit den Bürgern.

„Gut leben in Deutschland…“ – was fällt einem da ein? Zuerst vielleicht gut essen, aber bitte billig. Verwöhnt werden. Tolle Reisen machen. Weniger arbeiten. Mehr Freizeit. Mehr Ruhe. Keine Aufregung. Bloß keine Experimente. Und nicht das bisschen, das wir haben, mit anderen teilen usw. usw.

Der Ausgangspunkt „Gut leben“ ist falsch, ist beschämend, ist ein Armutszeugnis. Die Tiefe fehlt, das Gefühl für Verantwortung. Es müsste doch auch anders gehen, was vermutlich anstrengender wäre. Aber einen Versuch wäre es wert, einen Versuch, den die Regierung dem Bürger schuldig ist.

Wie wäre es mit dem Motto „Verantwortungsvoll leben in Deutschland, verantwortungsvoll regieren in Deutschland“?

Zu gefährlich wahrscheinlich, weil da mit großer Wahrscheinlichkeit vor allem die Verantwortungslosigkeit zur Sprache kommt:

Der Tanz um die „Schwarze Null“ auf Kosten notwendiger Sozialleistungen. Peinliche Angeberei als Klassenbester in der EU trotz maroder Straßen und Brücken. Verschwendungssucht auf allen Ebenen, aber den anderen Nationen sagen, wie sie wirtschaften sollen. Den Lehrmeister spielen, auch was den Anstand angeht, aber selbst rüpelhaft auftreten. Den Supermann geben und nicht mal ein Schießgewehr haben, mit dem man wirklich treffen kann.

Schaffen wir die „-losigkeit“ ab. Dann bleibt die Verantwortung. Die verlangt der Bürger von der Regierung. Und die Regierung soll sie auch vom Bürger verlangen.

Aber es scheint wieder mal das alte Lied zu sein. Der Dialog wird von oben nach unten geführt und nicht umgekehrt, wie es in einer Demokratie sein sollte. Hören die Lokal-, Regional-Politiker wirklich zu, wenn sich der Bürger an sie wendet?  Und wenn sie es tun, geht das nicht immer mehr verloren, je weiter, je höher diese Dinge gereicht werden? Wenn sie dann ganz oben angekommen sind, in der Bundes-regierung, ist dann noch zu erkennen, was der Bürger wollte? Zweifel sind angebracht. 15. 04. 2015

"Wo angeblich niemand gegen Ausländer ist"

Genau da hat es gebrannt – in Tröglitz, Sachsen-Anhalt. Ein Haus, in dem 40 Flüchtlinge untergebracht werden sollten, wurde in Brand gesteckt. „Die Politik“ ist betroffen, sogar empört. Was sie selbst möglicherweise dazu beigetragen hat, kommt nicht zur Sprache.

Klar. Die in der ehemaligen DDR haben es nicht gelernt, mit Ausländern umzugehen.
So ein Quatsch! Als wenn es „bei uns“, in Dortmund, Bochum und sonst noch wo verständnisvoller zuginge. Fremdenfurcht, Fremdenfeindlichkeit, Fremdenhass gibt es überall, auch in Frankreich und anderswo – hier und da vielleicht sogar noch schlimmer als bei uns. Das entschuldigt nichts.

Wie verworren das Für und Wider sein kann, zeigt ein Beitrag aus der SPIEGEL-Ausgabe 16  vom 11. April 2015 „in Sachen Tröglitz“.

Der Exbürgermeister von Tröglitz schrieb in seinem Weihnachtsbrief an die Bürger: „Wir möchten eigentlich keine Asylanten hier in Tröglitz haben, weil wir die bisherige soziale Struktur schon durch einheimische Kriminelle  und sich unsozial benehmende Menschen genügend überanstrengt sehen.“ Eine klare Ansage.

Als Herr Nierth im Februar 2015 schrieb, „Ängste schüren  und Sorgen mit absur-den Mitteln aufbauschen hilft uns jetzt nicht mehr weiter.“ – da war es zu spät. Seine Weihnachtsbotschaft steckte zu fest in den Köpfen.

Herr Nierth hat sein ehrenamliches Bürgermeisteramt aufgegeben, weil er sich von Rechtsradikalen bedroht fühlte. Das war wohl so. Das ist verständlich. Nicht zu verstehen ist sein Weihnachtsbrief.

Was traurig macht ist, dass wir eins vergessen haben: „Wir alle sind Ausländer, überall.“  So oder so ähnlich hatte das vor Jahren die Lufthansa formuliert. Daran sollten wir uns immer wieder erinnern, jeden Tag. 15. 04. 2015

Kritik - mal so, mal so

„Bürokratiemonster Flüchtlingshilfe?“ schreibt das Hamburger Abendblatt am 14. April 2015 und schildert, leider ziemlich verworren und schwer verständlich, wie sich vor der Hilfsbereitschaft die Bürokratie aufbaut wie ein Türsteher vor einer gefragten Disco.

71.400,00 € stehen für Flüchtlinge zur Verfügung. Die „zuständige“ Behörde hat zu wenig Mitarbeiter, um die Verteilung zu regeln. Das soll eine Stiftung für 20.000,00 € tun. Die wären dann schon mal futsch, und für die Flüchtlinge blieben nur noch 51.400,00 €. Das scheint dann doch noch vernünftiger geregelt worden zu sein – hoffentlich.

Aber das ist nicht alles. Die Stiftung „soll die Antragsteller beraten, die Ent-scheidungen des Sozialausschusses vorbereiten aber vor allem die 17 Einrichtungen untereinander vernetzen und Bundesmittel einwerben, um den Geldfluss zu verstetigen.“ 17 Einrichtungen! „Neun Anträge liegen bereits vor, zumeist von Sportvereinen.“ Herrjeh, was haben Sportvereine mit Flüchtlingshilfe zu tun? Was immer das alles bedeutet, es scheint mit viel sinnloser Arbeit verbunden zu sein.

Hilfe sieht anders aus. Wenn jemand über Bord gegangen ist, und das sind die Flüchtlinge, dann diskutiere ich nicht mit dem Dritten, Zweiten, Ersten Offizier und dem Kapitän – dann schmeiße ich den Rettungsring ins Wasser.

Der Kritiker: Berechtigte Kritik, Daumen nach unten!

Der zweite Fall:

Im Berliner Emmy-Noether-Gymnasium, benannt nach einer jüdischen von den Nazis vertriebenen Wissenschaftlerin, hat eine Lehrerin das „Horst-Wessel-Lied“ singen lassen: „Die Fahne hoch! Die Reihen fest geschlossen. SA marschiert mit ruhig festem Schritt.“

Na und? Das kann man im Unterricht machen, wenn man ihn lebendig gestalten will: Singt mal, was damals gesungen wurde – und wie fühlt ihr euch? So sehe ich das.

Vielleicht kam ja auch die Bert Brecht-Version zur Sprache. Die geht nämlich so: „Der Metzger ruft. Die Augen fest geschlossen. Das Kalb marschiert mit ruhig festem Tritt.“

PS: Das Emmy-Nother-Gymansium gehört zum Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Kaum vorstellbar, dass hier Neonazismus praktiziert wird.

 Der Kritiker: Unberechtigte Kritik, Daumen hoch!
 15. 04. 2015

Sonntag, April 12, 2015

Randbemerkungen, 10. April 2015

Sich persönlich um etwas kümmern, und was Politiker darunter verstehen: Nicht ein-und-dasselbe.

Zitat aus SPIEGEL ONLINE, 10. April: „Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel wollen sich persönlich um mögliche zusätzliche Entlastungen der Kommunen angesichts anhaltender Flüchtlingsströme bemühen. Beide einigten sich auf die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, die in den kommenden Wochen Lösungen finden soll. In der Arbeitsgruppe, die sich voraussichtlich Ende April erstmals treffen wird, sollen nach Angaben aus Regierungskreisen außer Merkel und Gabriel auch Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) sowie je drei Ministerpräsidenten von Union und SPD vertreten sein.“ Wo ist da das Persönliche?

Niemand hat sie gewählt, aber alle zahlen. Zitat aus dem Hamburger Ábendblatt vom 10. April: „Große Koalition hat 293.000 Euro gekostet.“

Sie haben sich gekloppt wie die Kesselflicker. Dann haben sie gemeinsame Sache gemacht: die Große Koalition. Eine Koalition mit den Möglichkeiten einer Dikatur. Die Möglichkeiten werden genutzt.

Als wenn das nicht schlimm genug wäre – die Damen und Herren Kesselflicker lassen sich die endlosen Gespräche auch noch von uns bezahlen, von uns, den Steuerzahlern. Darauf muss man erst mal kommen.

Ich rede einer Diktatur, einem Diktator, wirklich nicht das Wort, aber die Kessel-flicker tun alles, um eine Diktatur herbeizuführen. Glücklicherweise fehlt der richtige Mann, es könnte auch eine Frau sein, die Manns genug ist. Aber der Mensch lebt nicht vom Glück allein. Wenn wir uns jetzt nicht wehren – wann dann?

Die Dumpfheit der Fremdenfurcht, der Fremdenfeindlichkeit, des Fremdenhasses ist, wie es scheint, in Sachsen, Sachsen-Anhalt zu Hause. Dazu kommt die Dummheit in Bayern. Kein Selbstbewusstsein hier und dort. Angsthasen, die sich in die (Leder)Hose machen, wenn sie einen Fremden sehen.

Erschreckend sind die Politikversuche, die Geistesschwäche in Sachsen und Um-gebung klein zu reden: Das seien Spätfolgen der DDR. So ein Unsinn. Wir hatten 25 Jahre Zeit, für Einsicht zu sorgen. Haben wir aber nicht gemacht. Abgesehen davon: Der Schwachsinn ist auch im sogenannten Westen zu Hause.

Wenn ich von Schwachsinn rede, ist Kritik am Missbrauch unserer Sprache nicht weit: Politiker und Manager tun sich in dieser Disziplin besonders hervor. Das fängt meist ganz harmlos und unauffällig an, wie folgendes Beispiel zeigt (Hamburger Abendblatt 8. April 2015).

Da wird von „sozialer Begleitung von Flüchtlingsunterkünften“ gesprochen, von Anschubfinanzierung zivilgesellschaftlicher Flankierung“. Das Geld soll im „vereinfachten Verfahren flüchtlingsnah“ eingesetzt werden.

„Soziale Begleitung“, „zivilgesellschaftliche Flankierung“, „flüchtlingsnah“ – jedes Wort unmenschlich! Von Verständnis, von Mitgefühl, von Hilfe, dem Einfachen zwischen Mensch und Mensch – kein Wort!  Alles wird sprachlich verbeamtet und klingt verlogen.

So geht es auch mit der „humanitären Hilfe“. Ein Schlagwort, ein Totschlagwort. Für die unsinnigsten Dinge und Ideen wird bis aufs Blut gekämpft, nicht selten jeder gegen jeden. Sowie dann genug Blut geflossen ist, soll humanitäre, sprich menschliche Hilfe geleistet werden. Das klingt so gut, so herzergreifend und ist schließlich auch berechtigt, nein, notwendig. Aber müsste die humanitäre Hilfe nicht viel früher einsetzen? Müsste sie nicht Mord und Totschlag verhindern? Was ist daran so schwierig?

Die Schwierigkeit ist die Leichtigkeit des Tötens. 10. 04. 2015

Informationsgesellschaft

Informationen, Informationen – überall, zu jeder Zeit. Es ist nicht zu bestreiten: Wir sind eine Informationsgesellschaft. Manchmal ist auch von Wissensgesellschaft die Rede. Aber das ist etwas ganz anderes.

Informationsgesellschaft heißt, dass du alles erfährst und im Grunde nichts weißt. Dass du nicht bescheid weißt. Denn du kennst nicht die Hintergründe. Manchmal willst du sie nicht kennenlernen, manchmal ist es kaum möglich, sie kennenzulernen.

Informationen sind Rohware, sind Rohstoff, der bearbeitet werden muss. Sonst kannst du damit nichts anfangen. Du musst über die Information, die du erhalten hast, nachdenken. Du darfst sie nicht einfach zur Kenntnis nehmen. Du musst ihr auf den Grund gehen. Du musst dir ein Bild machen. Erst dann verwandelt sich die Information in Wissen.

Tolle Idee! Wie soll ich denn die unzähligen Informationen, die ich jeden Tag erhalte, in Wissen umwandeln? Das geht doch gar nicht. Nein, das geht wirklich nicht. Deshalb musst du eine Auswahl treffen, musst entscheiden, was für dich wichtig ist. Nur dann hast du die Aussicht, aus einem Teil der Informationsgesellschaft zu einem Mitglied der Wissens-gesellschaft zu werden.

22. 03. 2014 / 12. 04. 2015

Donnerstag, April 09, 2015

Ergebnisoffen

Ein durch und durch politisches Wort, ein Wort, das Politiker gern in den Mund nehmen. Sollen wir es ihnen durchgehen lassen? Nein. Ein Zitat aus dem Hamburger Abendblatt von heute, 9. April 2015, zeigt uns, warum wir das nicht tun sollten.

„Cannabis. SPD und Grüne wollen im Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft unter Hinzuziehung von Experten ‚ergebnisoffen beraten, ob und gegebenenfalls wie ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene in Hamburg durchgeführt werden sollte.’ “

Sehe ich großzügig über den hier unsinnigen Gebrauch des Wörtchens ergebnisoffen hinweg, dann bin ich mit dem Sprach-Tralala der Politiker einverstanden: Viel reden, wenig sagen, und das so, dass sich immer eine Ausrede finden lässt.

In diesem Fall, der mich so ärgert: Zwei Parteien wollen ein Thema beraten, zu dem sie unterschiedliche Auffassungen haben. Man  setzt sich zusammen. Man diskutiert. Man versucht, eine Lösung zu finden, mit der alle einverstanden sein können. Das Ergebnis kann so oder so oder so ausfallen. Niemand kennt es zunächst.

Man sollte meinen, das ist doch selbstverständlich, das kann doch gar nicht anders sein. Warum dann aber das Wörtchen „ergebnisoffen“? Entweder will hier jemand etwas Selbstverständliches aufbauschen, will das Thema und sich selbst wichtiger machen, oder es soll verschleiert werden, dass man gar nicht daran denkt, seinen Standpunkt aufzugeben. „Only for show“ – um es mal zeitgerecht auszudrücken.

So vielsagend kann das Nichtssagende sein. 09. 04. 2015

Dienstag, April 07, 2015

Political Correctness - oder die Sache mit dem Zigeunerbaron

Was ist „politically correct“? Was ist damit gemeint? Was heißt das überhaupt? Ich will versuchen, darauf kinderleichte Antworten zu finden. Das heißt, dass auch Kinder verstehen sollen, was ich meine.

Es gibt eine ganz einfache Spielregel:  „Das tut man nicht, das sagt man nicht.“ Wer stellt diese Spielregel auf? Zu allererst sagen das die Eltern. „Du sollst nicht petzen.“ „Du sollst nicht schwindeln.“ Und dann kommt noch dies und das, was man tun oder lassen, was man sagen oder lieber nicht sagen soll. Das gehört zu einer guten Erziehung. Darin sind sich alle Eltern einig.

Auch wenn nicht alle Eltern in jedem Punkt einer Meinung sind – es geht ihnen darum, dass wir uns mit den anderen Menschen verstehen. Sie möchten erreichen, dass wir niemanden beleidigen und natürlich auch, dass wir nicht beleidigt werden. Das klappt in den meisten Familien ganz gut, auch wenn es manchmal kracht.

Aber dann fangen die Schwierigkeiten an. Zu den Spielregeln von Mama und Papa kommen die aus der Kita, aus der Schule, aus dem Sportverein. Das ist noch übersichtlich. Damit kann man noch ganz gut zurecht kommen. Aber dann wird es wirklich schwierig.

Von überall her prasselt es auf uns herein. Irgend jemand findet immer, dass wir etwas falsch machen, dass wir uns nicht richtig benehmen und etwas sagen, das man nicht sagen sollte – jedenfalls nicht so, wie wir es sagen.

Vorschlag: Jetzt setzen wir uns erst einmal hin und denken in aller Ruhe ein paar Augenblicke nach. Dann passiert etwas, womit wir gar nicht gerechnet haben: Plötzlich schwirren Fragen durch unseren Kopf, dabei hatten wir doch Antworten erwartet. Aber so ist das nun mal. Immer kommen erst die Fragen. Wenn die Ant-worten sich vordrängeln, dann ist etwas nicht in Ordnung. Nur vorlaute Leute kennen die Antwort schon vor der Frage.

Eine der ersten Fragen, die uns durch den Kopf gehen, ist wahrscheinlich diese hier: Wer sind die Leute, die uns sagen, was zu tun und zu sagen ist, und was nicht? Wissen sie mehr als Mama und Papa? Wissen sie es vielleicht besser? Das kann sein, denn Mama und Papa sind nicht allwissend. Aber es muss nicht so sein. Deshalb sollten wir immer genau aufpassen. Und wenn wir einen Grund haben zu sagen, nein danke, das sehe ich anders, dann sollten wir nicht klein beigeben. Dann sollten wir ruhig sagen, nee, das mache ich nicht mit.

Pippi Langstrumpf berichtete einmal von einem Negerkönig. Das war völlig in Ord-nung, als sie das erzählte.  Heute finden viele Menschen, dass Neger kein sehr gutes Wort ist. Es klingt so, als wenn wir auf die Menschen mit dunkler Hautfarbe hinabblickten. Dafür haben wir keinen Grund; denn kein Mensch hat sich seine Hautfarbe ausgesucht. Ob Schwarze, Weiße, Rote oder Gelbe – wir alle sind dasselbe: Mensch, und es gibt  keinen Grund, jemanden wegen seiner Hautfarbe zu verachten. Ich glaube, dem kann jeder zustimmen.

Wie so oft im Leben kann man aber auch hier übertreiben. Wenn jetzt aus den Pippi Langstrumpf-Büchern das Wort Neger gestrichen wird, und ein paar andere altmodische Wörter auch, dann können wir sagen: das muss nicht sein. Wenn ich jetzt sage, man soll anderen das Wort nicht im Mund rumdrehen, dann ist auch das übertrieben, aber Pippi Langstrumpf den Mund verbieten, das sollten wir nicht tun.

Es wird aber nicht nur über das Wort Neger gestritten, sondern auch über die Bezeichnung Zigeuner. Und der Zigeuner macht es uns noch schwerer als der Neger.

Statt Zigeuner soll es jetzt Sinti und Roma heißen. Zigeuner klingt verächtlich, Sinti und Roma dagegen anerkennend, wird gesagt. Das sollten wir uns mal genauer ansehen.

Betrachten wir die Sache erst mal von einer lustigen Seite. „Der Zigeunerbaron“ heißt eine unglaublich beliebte Operette (das ist so die Vorform des Musicals). Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgend jemand wirklich will, dass es jetzt „Der Sinti- und Roma-Baron“ heißt. Und wer will ein „Sinti- und Roma-Schnitzel bestellen, wenn er Appetit auf ein  Zigeunerschnitzel hat? Ich behaupte: niemand.

Und wenn ich da an das Wörtchen herumzigeunern denke, womit gemeint ist, durch die Gegend zu sausen, Land und Leute kennenzulernen und frei zu sein, was soll ich da noch sagen?

Vielleicht haben die Leute, die das Wort Zigeuner am liebsten ganz streichen wollen, daran nicht gedacht. Das kann passieren. Es gibt Schlimmeres. Schlimmer wäre es, wenn man nicht zugeben will, dass man über das Ziel hinausgeschossen ist. Auf jeden Fall finde ich, dass die Leute übertreiben, die uns „Neger“ und „Zigeuner“ verbieten wollen. Das sind keine Schimpfwörter. Wer uns das weismachen will, macht alles nur noch schlimmer. Statt „Neger“ jetzt „Schwarzer“? Nicht alle Neger sind schwarz, sondern braun. Statt „Neger“ jetzt „Farbiger“? Farbig sind wir doch alle – Schwarze, Weiße, Rote, Gelbe – wir alle sind dasselbe: Menschen. Also, Leute, lasst die Kirche im Dorf und wendet euch wichtigeren Dingen* zu; es gibt genug davon.

Bin ich da zu kritisch? Ich war mir da nicht ganz sicher. Aber dann habe ich gelesen, dass nicht alle Sinti und Roma in dem Wort Zigeuner eine Beleidigung sehen, oft sogar ganz im Gegenteil; sie nennen sich voller Stolz Zigeuner.

*Für wichtiger halte ich es, wieder zu einer einfachen Ausdrucksweise zu kommen. Was ist verkehrt daran, wenn ich von Bürgern einer Gemeinde spreche oder von Schülern eines Gymnasiums, von Lesern einer Zeitung? Ich missachte damit die Frauen und Mädchen. Das halte ich für ziemlichen Unsinn; denn jeder weiß, dass Bürger und Schüler und Leser natürlich auch Frauen und Mädchen sind.

Die meisten Frauen und Mädchen längst sind so selbstbewusst, zu recht, dass sie auf die Umständlichkeit von „Bürger und Bürgerinnen“, Schüler und Schülerinnen“ lieber von heute auf morgen verzichten. Sie brauchen auch das große Feministinnen-„I“ nicht mehr.

Aber es sind eben nur die meisten, nicht alle Frauen und Mädchen, die so denken. Wie weit der Mangel an Selbstbewusstsein führen kann, zeigt eine Frauengruppe der Berliner Humboldt-Universität. Sie ist allen Ernstes der Meinung, dass Hauptwörter, die mit „er“ enden , dass Hauptwörter, die mit „er“ enden, Frauen und Mädchen herabsetzen. Deshalb schlagen sie vor, die Wortendung „er“ durch „a“ zu ersetzen. Also: Computa statt Computer – Koffa statt Koffer – Kella statt Keller usw. usw. Und das ist noch eines der harmlosesten Beispiele.

Was wie Wahnsinn aussieht, ist hier und da inzwischen Wirklichkeit. An irgendeiner Universität gibt es keine Professoren mehr, sondern nur noch Professorinnen. Nein, das hat mit einer Übererfüllung der Frauenquote nichts zu tun. Auch die Herren Professoren nennen sich jetzt Professorin.

Darüber wäre noch viel zu sagen und zu schreiben. Im Augenblick beschränke ich mich darauf zu sagen: Ich sehe im Geiste von Pippi Langstrumpf negerschwarz.

(Die ursprüngliche Unterzeile: „Ein Thema zwischen Vernunft und Hysterie“) 29. 03. 2015/30. 03. 2015 

Montag, April 06, 2015

Unanständig

Franz-Peter Tebarz-van Elst, vormals Bischof des Bistums Mainz, jetzt Angestellter der Vatikansverwaltung, erhält von seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem Bistum, ein monatliches Ruhestandsgehalt von 6.800,00 €, 70 Prozent seines Gehalts. Für seine Tätigkeit im Vatikan wird er mit 3.000,00 € Monatsgehalt entlohnt.  Das Bistum prüft zurzeit, ob diese Zahlungen gegeneinander verrechnet werden können. Ob Sparsamkeit, vielleicht sogar Geiz, oder Gerechtigkeitssinn hinter dieser Absicht stehen, weiß ich nicht. Das ist nicht das Thema.

Ich will mich nicht über die rund 10.000,00 € aufregen, die Herr Tebarz-van Elst monatlich als Bischof des Bistums Limburg eingestrichen hat. Vielleicht ist die Arbeit eines Bischofs wirklich so viel wert.

Ich halte es aber für unanständig, dass ein 56-Jähriger, der Millionen € der Gläubigen verprasst hat, ein Ruhestandsgehalt von 6.800,00 € monatlich erhält. Das sind 81.600,00 € im Jahr, in 10 Jahren 816.00,00 € und in 20 Jahren gut 1,6 Millionen €. Dann wäre der Herr 76. Wenn mein Eindruck zutrifft, dass Geistliche  sich eines besonders langen Lebens erfreuen, könnte die Zweimillionenmarke sogar noch überschritten werden.

Was will der Herr Franz-Peter Tebarz-van Elst mit all dem Geld?  Ehe ich mir darüber viele Gedanken mache, will ich ihn mal selbst fragen. Ich muss nur seine E-Mail-Adresse herausfinden. Mal sehen, ob mir das gelingt.

Mit der Unanständigkeit, die ich dem Herrn Tebarz-van Elst zuschreibe, steht dieser Herr nicht allein. Weltlichen Sündern fällt dies offenbar genau so leicht. Und sie lassen sich nicht lumpen, wie Thomas Middelhoff zeigt. Ich muss diesen Herrn gewiss nicht erklären. Wer es genau wissen will, kann ihn googeln.

Herr Thomas Middelhoff hat nach einem SPIEGEL-Bericht in Ausgabe 15/2015, Seite 55, einem Kölner Gericht vorgerechnet, dass 70.000,00 € Lebenshaltungskosten pro Monat für ihn „unverzichtbar und nicht in zumutbarer Weise reduzierbar“ seien. Macht 840,000,00 € im Jahr, in 10 Jahren 8,4 Millionen usw. usw.

Ich werde mir nicht die Mühe machen, Herrn Middelhoff zu fragen, was er mit diesem Geld machen will. Das werden ihn andere fragen, denen er zurzeit vorgaukelt, es sei pleite.

Wenn jemand behauptet, er brauche 70.000,00 € im Monat, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, dann ist das UNANSTÄNDIG. So sehe ich das. Sollte ich mit dieser Ansicht allein sein?