Dienstag, April 07, 2015

Political Correctness - oder die Sache mit dem Zigeunerbaron

Was ist „politically correct“? Was ist damit gemeint? Was heißt das überhaupt? Ich will versuchen, darauf kinderleichte Antworten zu finden. Das heißt, dass auch Kinder verstehen sollen, was ich meine.

Es gibt eine ganz einfache Spielregel:  „Das tut man nicht, das sagt man nicht.“ Wer stellt diese Spielregel auf? Zu allererst sagen das die Eltern. „Du sollst nicht petzen.“ „Du sollst nicht schwindeln.“ Und dann kommt noch dies und das, was man tun oder lassen, was man sagen oder lieber nicht sagen soll. Das gehört zu einer guten Erziehung. Darin sind sich alle Eltern einig.

Auch wenn nicht alle Eltern in jedem Punkt einer Meinung sind – es geht ihnen darum, dass wir uns mit den anderen Menschen verstehen. Sie möchten erreichen, dass wir niemanden beleidigen und natürlich auch, dass wir nicht beleidigt werden. Das klappt in den meisten Familien ganz gut, auch wenn es manchmal kracht.

Aber dann fangen die Schwierigkeiten an. Zu den Spielregeln von Mama und Papa kommen die aus der Kita, aus der Schule, aus dem Sportverein. Das ist noch übersichtlich. Damit kann man noch ganz gut zurecht kommen. Aber dann wird es wirklich schwierig.

Von überall her prasselt es auf uns herein. Irgend jemand findet immer, dass wir etwas falsch machen, dass wir uns nicht richtig benehmen und etwas sagen, das man nicht sagen sollte – jedenfalls nicht so, wie wir es sagen.

Vorschlag: Jetzt setzen wir uns erst einmal hin und denken in aller Ruhe ein paar Augenblicke nach. Dann passiert etwas, womit wir gar nicht gerechnet haben: Plötzlich schwirren Fragen durch unseren Kopf, dabei hatten wir doch Antworten erwartet. Aber so ist das nun mal. Immer kommen erst die Fragen. Wenn die Ant-worten sich vordrängeln, dann ist etwas nicht in Ordnung. Nur vorlaute Leute kennen die Antwort schon vor der Frage.

Eine der ersten Fragen, die uns durch den Kopf gehen, ist wahrscheinlich diese hier: Wer sind die Leute, die uns sagen, was zu tun und zu sagen ist, und was nicht? Wissen sie mehr als Mama und Papa? Wissen sie es vielleicht besser? Das kann sein, denn Mama und Papa sind nicht allwissend. Aber es muss nicht so sein. Deshalb sollten wir immer genau aufpassen. Und wenn wir einen Grund haben zu sagen, nein danke, das sehe ich anders, dann sollten wir nicht klein beigeben. Dann sollten wir ruhig sagen, nee, das mache ich nicht mit.

Pippi Langstrumpf berichtete einmal von einem Negerkönig. Das war völlig in Ord-nung, als sie das erzählte.  Heute finden viele Menschen, dass Neger kein sehr gutes Wort ist. Es klingt so, als wenn wir auf die Menschen mit dunkler Hautfarbe hinabblickten. Dafür haben wir keinen Grund; denn kein Mensch hat sich seine Hautfarbe ausgesucht. Ob Schwarze, Weiße, Rote oder Gelbe – wir alle sind dasselbe: Mensch, und es gibt  keinen Grund, jemanden wegen seiner Hautfarbe zu verachten. Ich glaube, dem kann jeder zustimmen.

Wie so oft im Leben kann man aber auch hier übertreiben. Wenn jetzt aus den Pippi Langstrumpf-Büchern das Wort Neger gestrichen wird, und ein paar andere altmodische Wörter auch, dann können wir sagen: das muss nicht sein. Wenn ich jetzt sage, man soll anderen das Wort nicht im Mund rumdrehen, dann ist auch das übertrieben, aber Pippi Langstrumpf den Mund verbieten, das sollten wir nicht tun.

Es wird aber nicht nur über das Wort Neger gestritten, sondern auch über die Bezeichnung Zigeuner. Und der Zigeuner macht es uns noch schwerer als der Neger.

Statt Zigeuner soll es jetzt Sinti und Roma heißen. Zigeuner klingt verächtlich, Sinti und Roma dagegen anerkennend, wird gesagt. Das sollten wir uns mal genauer ansehen.

Betrachten wir die Sache erst mal von einer lustigen Seite. „Der Zigeunerbaron“ heißt eine unglaublich beliebte Operette (das ist so die Vorform des Musicals). Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgend jemand wirklich will, dass es jetzt „Der Sinti- und Roma-Baron“ heißt. Und wer will ein „Sinti- und Roma-Schnitzel bestellen, wenn er Appetit auf ein  Zigeunerschnitzel hat? Ich behaupte: niemand.

Und wenn ich da an das Wörtchen herumzigeunern denke, womit gemeint ist, durch die Gegend zu sausen, Land und Leute kennenzulernen und frei zu sein, was soll ich da noch sagen?

Vielleicht haben die Leute, die das Wort Zigeuner am liebsten ganz streichen wollen, daran nicht gedacht. Das kann passieren. Es gibt Schlimmeres. Schlimmer wäre es, wenn man nicht zugeben will, dass man über das Ziel hinausgeschossen ist. Auf jeden Fall finde ich, dass die Leute übertreiben, die uns „Neger“ und „Zigeuner“ verbieten wollen. Das sind keine Schimpfwörter. Wer uns das weismachen will, macht alles nur noch schlimmer. Statt „Neger“ jetzt „Schwarzer“? Nicht alle Neger sind schwarz, sondern braun. Statt „Neger“ jetzt „Farbiger“? Farbig sind wir doch alle – Schwarze, Weiße, Rote, Gelbe – wir alle sind dasselbe: Menschen. Also, Leute, lasst die Kirche im Dorf und wendet euch wichtigeren Dingen* zu; es gibt genug davon.

Bin ich da zu kritisch? Ich war mir da nicht ganz sicher. Aber dann habe ich gelesen, dass nicht alle Sinti und Roma in dem Wort Zigeuner eine Beleidigung sehen, oft sogar ganz im Gegenteil; sie nennen sich voller Stolz Zigeuner.

*Für wichtiger halte ich es, wieder zu einer einfachen Ausdrucksweise zu kommen. Was ist verkehrt daran, wenn ich von Bürgern einer Gemeinde spreche oder von Schülern eines Gymnasiums, von Lesern einer Zeitung? Ich missachte damit die Frauen und Mädchen. Das halte ich für ziemlichen Unsinn; denn jeder weiß, dass Bürger und Schüler und Leser natürlich auch Frauen und Mädchen sind.

Die meisten Frauen und Mädchen längst sind so selbstbewusst, zu recht, dass sie auf die Umständlichkeit von „Bürger und Bürgerinnen“, Schüler und Schülerinnen“ lieber von heute auf morgen verzichten. Sie brauchen auch das große Feministinnen-„I“ nicht mehr.

Aber es sind eben nur die meisten, nicht alle Frauen und Mädchen, die so denken. Wie weit der Mangel an Selbstbewusstsein führen kann, zeigt eine Frauengruppe der Berliner Humboldt-Universität. Sie ist allen Ernstes der Meinung, dass Hauptwörter, die mit „er“ enden , dass Hauptwörter, die mit „er“ enden, Frauen und Mädchen herabsetzen. Deshalb schlagen sie vor, die Wortendung „er“ durch „a“ zu ersetzen. Also: Computa statt Computer – Koffa statt Koffer – Kella statt Keller usw. usw. Und das ist noch eines der harmlosesten Beispiele.

Was wie Wahnsinn aussieht, ist hier und da inzwischen Wirklichkeit. An irgendeiner Universität gibt es keine Professoren mehr, sondern nur noch Professorinnen. Nein, das hat mit einer Übererfüllung der Frauenquote nichts zu tun. Auch die Herren Professoren nennen sich jetzt Professorin.

Darüber wäre noch viel zu sagen und zu schreiben. Im Augenblick beschränke ich mich darauf zu sagen: Ich sehe im Geiste von Pippi Langstrumpf negerschwarz.

(Die ursprüngliche Unterzeile: „Ein Thema zwischen Vernunft und Hysterie“) 29. 03. 2015/30. 03. 2015