Mittwoch, März 18, 2015

Glückliche Zeiten

Überall ist zu lesen und zu hören und fernzusehen, dass es Deutschland beneidenswert gut geht, jedenfalls wirtschaftlich und im Vergleich zu anderen Ländern. Das mag im Großen und Ganzen zutreffen, aber die Wirklichkeit scheint es doch nicht zu sein, jedenfalls dann nicht, wenn man die Sache ganz persönlich betrachtet. Und daran führt nichts vorbei. Jeder von uns führt sein eigenes Leben und nicht das Leben von Deutschland.  Alles Glück und jedes Unglück ist persönlich. Jeder Erfolg und jeder Misserfolg ist persönlich. Wenn man das alles zusammenzählt, mag ja ein erfolgreiches Deutschland herauskommen. Ein glückliches auch? Ich schiebe das Große und Ganze jetzt mal beiseite und werde persönlich.

Heute, am 17. März 2015, las ich im Hamburger Abendblatt „Eltern verzweifeln an Kita-Kosten.“ Und weiter: „Wegzug, Verzícht auf Kinder oder Arbeit. Eltern im Kreis Pinneberg müssen von August an mehr für die Betreuung ihrer Kinder zahlen – dabei klagen sie schon heute über die hohe finanzielle Belastung.“ Sie klagen zu Recht, finde ich. „Für einen Ganztagesplatz müssen Eltern demnach ab dem 1. August 296 Euro pro Monat zahlen.“ – so das Hamburger Abendblatt. Und weiter: „Für die Betreuung von zwei Kindern in der Zeit von 8 bis 17 Uhr plus Essengeld zahle eine Familie 800 Euro pro Monat…“. Das wäre für uns seinerzeit unbezahlbar gewesen. Darauf komme ich noch zurück.

Zunächst aber noch zu dem offenkundigen Unsinn, den sich irgendwelche Menschen in Verwaltung und Politik ausgedacht haben. Zitat: „Einige (Eltern) würden ihren Job ganz aufgeben, andere ihre Arbeitszeit so reduzieren, dass sie Zuschüsse zu den Kita-Kosten bekommen und am Monatsende mehr auf dem Konto haben, als wenn sie voll arbeiten.“  Zitat: „Das ist ein volkswirtschaftlicher Irrsinn“, sagt  Nadine Mai, Kreiselternvertreterin. Das heißt:  Wenn ich weniger arbeite, bekomme ich mehr Geld. Wer bezahlt diesen Irrsinn? Natürlich Deutschland. Aber das bin ich ja nicht. Oder doch?

Wie haben wir das eigentlich gemacht? Wie haben wir uns durchs Leben geschlagen? Wie haben wir unsere Söhne großgezogen? Ich weiß, das lässt sich nicht so einfach wiederholen, selbst wenn wir es wollten. Aber ein paar Blicke darauf verführen viel-leicht zum Nachdenken. Und das muss nicht verkehrt sein. Es sind aber wirklich nur ein paar Blicke. Mehr würde zu weit führen in vieler Hinsicht.

Als wir jung waren und ein junges Ehepaar, hatten wir beide Arbeit, die an-spruchsvoll war, die uns Freude machte und unseren Ehrgeiz anstachelte, und wir verdienten gut, sehr gut. Trotzdem hatten wir keine Flausen im Kopf. Wir hatten uns ein kleines Häuschen zurechtgezimmert. Die 54 Quadratmeter reichten, später nicht nur für uns, sondern auch für unseren ersten Sohn.

Der erste Sohn. Er beendete zunächst einmal die Karriere einer ausnehmend tüchtigen Chefsekretärin. Eine totale Umstellung, nicht Termine machen, sondern Terminen folgen, die der hungrige Sohn bestimmte. Übrigens: Die Pampers waren damals noch nicht erfunden. Das alles war nicht einfach, aber es ging. Auch das eine Einkommen anstelle von zwei reichte. Es ging weiter voran.

Tausend und abertausend Einzelheiten müssen jetzt übersprungen werden, sonst kommt die Geschichte nie zu einem Ende. Aber doch noch dies und das:

Damals brauchte eine Ehefrau die Genehmigung ihres Ehemanns, um Arbeit anzunehmen; er konnte es verbieten.  Für uns war das kein Thema, für einige Nach-barinnen aber doch. (Frage: „Hat Ihr Mann Ihnen das erlaubt?“)

Das Wort Karriereknick gab es damals noch nicht, den Knick vielleicht schon.  Als die Söhne aus dem Gröbsten heraus waren, machte sich die ehemalige Chef-sekretärin auf den Weg und arbeitete sich hoch bis ins Chefsekretariat eines internationalen Mineralölunternehmens. Sowas ging damals. Heute nicht?

Und was die Quote angeht, unsere aktuelle Frauenquote? Die gab es auch nicht. Ich bin versucht zu sagen: „Wie war die Welt doch schön!“ Aber das will ich mir verkneifen. Sie war anders, die Welt. Sie war einfacher.

Klar, das Oben und Unten gab es damals schon genauso wie immer. Ich nehme an, wir haben es nicht so ernst genommen. Der Kinderwagen, in dem unser erster Sohn den ersten sonnigen Sommer seines Lebens im Freien verbrachte, hatte schon einige andere Babys der Familie beherbergt; es war gebraucht – second hand, damals noch kein geläufiger Begriffe – wäre geschmeichelt gewesen. Aus dem Jungen ist ein tüchtiger Mann geworden.

Unsere beiden Jungs sind in kurzen Lederhosen groß geworden. Die gingen nicht so schnell kaputt. Weder die Söhne noch wir hatten irgendwelche Schwierigkeiten damit, dabei waren Lederhosen keineswegs „in“. Der „in“-Fimmel, der heute so viele verrückt macht, kam erst später.

Bin ich jetzt von Hundertsten ins Tausendste gekommen? Ich hoffe, nicht. Und deshalb sicherheitshalber: Schluss für heute!
17. 03. 2015