Freitag, März 06, 2015

Wie arm ist arm?

Eine schwierige Frage. Gibt es überhaupt eine Antwort darauf? Vielleicht lässt sich eine vernünftige Antwort finden, wenn wir die Frage anders stellen: Wie reich ist arm?

Der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes berichtet, dass 15,5 Prozent der Bundesbürger von Armut betroffen seien. Das sind einige Millionen. Viele arme Bürger also in einem reichen Land. Aber wie arm ist arm nun wirklich? Die Antwort: Wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens (in Deutschland) verdient, wird als arm bezeichnet.

An der Schwierigkeit, diese Prozentaussage in EURO auszudrücken, bin ich gescheitert – zu viele Statistiken, und jede scheint etwas anderes zu sagen! Dafür habe ich gelernt, dass es verschiedene Armuten gibt: zum Beispiel die Einkommensarmut (wenn man weniger als 60 Prozent des Durchschnitts-einkommens nach Hause bringt), die relative Einkommensarmut, die subjektive Armut – bei längerem Suchen hätte ich sicherlich noch die eine oder andere Armut entdeckt.

Welcher zivilisatorische Reichtum ist einem Armen in Deutschland eigentlich erlaubt, was billigen wir ihm zu, was gestatten wir ihm? Auch eine Frage, die mir durch den Kopf ging. Waschmaschine, Fernseher, Handy, Auto – muss das alles sein? Gab es doch früher auch nicht. Ach ja, früher! Lassen wir das.

Einen Vergleich der Armut in Deutschland mit der in anderen Ländern habe ich mir erspart, nicht aus Faulheit, sondern weil es ungerecht wäre. Ein Äthiopier würde wahrscheinlich selbst den ärmsten Deutschen für reich halten. Aber so geht das nicht. Dazu sind die Lebensbedingungen zu unterschiedlich.

Und dann meine Begegnung mit dem Statistiker Walter Krämer, der im Deutschlandradio Kultur-Interview am 22. Februar sagt: „15 Prozent Arme? – ‚Reiner Unfug!“  Er sagt, dass man Armut nicht am Reichtum messen kann. Selbst wenn alle über das Doppelte verfügten, die Reichen wie die Armen, blieben die Armen arm, obgleich sie nun doppelt so viel Geld hätten. Manchmal muss man wirklich einfach denken, um die Probleme zu erkennen.

Wenn man über Arme rede, sollte man schauen, wie es den Armen gehe und nicht den Reichen, sagt Krämer. Zitat aus dem Deutschlandradio-Interview: „Um über Armut zu reden, muss man die Reichen außen vor lassen und nur gucken, wie kommen die Leute über die Runden, die am unteren Ende der Einkommenspyramide leben? Und wenn es denen besser geht, nimmt die Armut ab. Punkt.“

Auf die Frage „Wie kann man denn Armut in Zahlen fassen oder wie kann man das definieren?“ sagt Krämer: „Erst wenn man guckt, wie viele Leute keine warme Wohnung haben, kein Dach über dem Kopf, hungern müssen zum Beispiel, richtig physisch am Existenzminimum leben. Das kann man durchaus ermitteln und wird auch in anderen Ländern getan, nur bei uns nicht.“

Mein Fazit: Weg von den unmenschlichen Statistiken, hin zu Vernunft und Herz!
05. 03. 2015