Freitag, Februar 27, 2015

Trauma, Traumata, traumatisiert

Was ein Trauma ist, lässt sich ganz einfach erklären, wenn man ein bisschen Griechisch kann. Sonst hilft ein Wörterbuch. Ein Trauma ist eine Verwundung. Verwundungen gibt es viele, nicht nur körperliche. Auch die Seele kann verwundet werden, oder das, was wir dafür halten: unsere Gefühlswelt.

Wenn von Trauma die Rede ist, und das passiert täglich, beinahe pausenlos, dann ist so gut wie immer von seelischen Verletzungen die Rede. Über die körperlichen Traumata sprechen vorzugsweise die Mediziner.

Weil ich kein Arzt bin, spreche ich von den seelischen Verwundungen. Das scheint mir wichtiger zu sein, denn vor allem über sie wird ständig berichtet. Schon ein vergleichsweise harmloser Verkehrsunfall scheint heute bereits zu einem seelischen Schock zu führen. Jede Kleinigkeit, so mein Eindruck, kann zu einem Trauma führen. Anders lassen sich die vielen Berichte nicht erklären.

Sind wir empfindlicher, empfindsamer geworden als die Generationen vor uns? Das würde für uns sprechen. Oder sind wir nur wehleidiger? Rufen wir nach Hilfe, wo wir uns selbst helfen könnten?

Diese Fragen gingen mir durch den Kopf, als ich (Frontal 21 am 24. Februar 2015) einen Film über traumatisierte Bundeswehrsoldaten sah. Sie litten erkennbar. Sie hatten offensichtlich seelischen Schaden genommen, der sich dann auch körperlich bemerkbar machte. Und sie kämpfen zum Teil seit Jahren um Anerkennung ihrer Beschädigungen und um  finanzielle Hilfe. Das verstehe ich, und ich schlage mich auf ihre Seite.

Trotzdem: Irgendetwas scheint da nicht mit uns zu stimmen. Die Schilderung einer Soldatin, die sich freiwillig zum Einsatz im Kosowo-Krieg gemeldet hatte, gab mir ein Rätsel auf, das ich noch nicht gelöst habe. Sie war Sanitätssoldatin. Der Anblick der ersten beiden verwundeten Soldaten führte bei ihr zu einem Trauma, unter dem sie noch heute leidet. Wie ist das möglich?

Wenn ich kein Blut sehen kann, dann werde ich nicht Soldat. So einfach ist das. Was sollen denn die Notärzte sagen und die Rettungskräfte, die schon bei Verkehrsunfällen die schrecklichsten Dinge sehen? Sind die alle traumatisiert? Kaum, denn dann würden sie ihre Hilfe nicht leisten können. Sind sie gefühlsarm oder gar gefühllos? Sicherlich nicht. Der tägliche Umgang mit dem Unglück – stumpft er ab? Ich glaube, nein. Aber er braucht seelische Stärke. Vielleicht ist die gottgegeben, hat möglicherweise etwas mit Religion, mit Glauben zu tun.

Auf diesem Umweg kam ich wieder zu den traumatisierten Soldaten und der traumatisierten Soldatin und zu einer ganz anderen Überlegung. Wie war es eigentlich mit den Millionen Soldaten im Zweiten Weltkrieg, die ungefragt in den Krieg gezwungen wurden, die nicht freiwillig dabei waren? Wie haben sie ihre Erlebnisse verarbeitet? War das eine Generation aus Stahl und ohne jedes Gefühl – auf allen Frontseiten, nicht nur der deutschen? Das ist kaum vorstellbar.

Wie sind sie mit ihren seelischen Verwundungen fertig geworden? Kennt jemand die Antwort? 
27. Februar 2015