Donnerstag, März 19, 2015

Kleinigkeiten, zur Sprache gebracht

Ein Hamburger Unternehmen versteht sich als DOCUMENT MANAGEMENT, besser: will als soches verstanden werden. Was könnte das bedeuten? Vielleicht Aktenaufbewahrung? Oder Unterlagenarchivar? Keine Ahnung, aber es wird schon so etwas Ähnliches sein. An das DOCUMENT MANAGEMENT-SPRACH-MONUMENT kommt eine deutsche Bezeichnung natürlich nicht heran.

Genau ist es nach meiner Ansicht mit FACILITY MANAGEMENT, FACILITY MANAGER. Haus- oder Grundstücksverwaltung, Hausmeister. Klingt natürlich nicht so pompös, sondern provinziell. Weniger Sein statt Schein ist angesagt.

Hinter der Abkürzung BID verbirgt sich die Bezeichnung BUSINESS IMPROVEMENT DISTRICT, in Hamburg zurzeit furchtbar angesagt. Was steckt dahinter? Nichts anderes als dass Unternehmen Geld rausrücken, um ihre Umgebung – Verzeihung – ihren district ein bisschen hübscher zu machen. Natürlich zur Freude aller Bürger – ach, wie gemeinnützig – und für das eigene Wohlergehen. Im hübscher Umgebung mach Shoppen einfach mehr Spaß. Und Spaß muss sein.

Man muss aber nicht immer aufs Englische zurück greifen, es geht auch anders, wenn man Eindruck schinden will. Ein gutes Beispiel ist das Wörtchen SOZIALISATION. Wahrscheinlich ein Begriff, mit dem Soziologen seit jeher umgehen, wenn auch bis vor Kurzen sozusagen hinter verschlossenen Türen, im Turm der Wissenschaften. Jetzt können wir diesem Wörtchen kaum noch entkommen, es begegnet uns auf allen Kanälen, sozialisieren und sozialisiert inbegriffen.

Wenn wir mal genau hinsehen, uns einen Augenblick zurücklehnen und dann in unserer alten Sprachkiste kramen, taucht plötzlich ein ganz unscheinbares Wort auf: Erziehung. Sollte SOZIALISATION wirklich etwas anderes sein als Erziehung? Erziehung nicht nur durch die Eltern, nicht nur in der Familie, in der Nachbarschaft, auch in der Schule und nicht zuletzt durch die Spielregeln des kulturellen Lebens, ob deutsch, italienisch, spanisch usw. meinethalben auch griechisch.

So viel Pompdeutsch, so viel elitärisches Geschwurbel. Unser geduldiges Deutsch erträgt das alles, und uns bleibt auch nichts anderes übrig. Sollten Sie jetzt einwenden, so schreibt man, man schreibt eben anders als man spricht, ein bisschen hochgestochener – sollten Sie das glauben, dann hören Sie mal in Interviews im Deutschlandfunk hinein und genießen das sprachliche Hightec, das Ihnen in jeder Talkshow geboten wird.

Was politisch korrekte Äußerungen angeht, hier nur der Hinweis auf die Operette „Der Zigeunerbaron“ von Lehar. Das müsste ja nun „Der Sinti- und Romabaron“ heißen. Und ob es wirklich ein Restaurant gibt, auf dessen Speisekarte anstelle des Zigeunerschnitzels „Sinti-und Roma-Schnitzel“ steht? Aber auch im politisch Korrekten muss es ja Ausnahmen geben.

Vom politisch Korrekten zum Behördendeusch ist es nicht weit, nur ein Katzensprung sozusagen. Zum Weinen und zum Lachen zugleich ist das Eine wie das Andere. Das  möchte ich  Ihnen, meinen Lesern, mit einer landläufigen Redewendung vor Augen führen.

„Die Einzelraumbefeuerungsanlage ist aus.“ Das haben Sie bestimmt schon zig Mal gehört, immer dann, wenn nichts mehr geht, wenn alles vorbei ist, wenn Schluss gemacht werden muss, immer dann sagt das das irgendjemand.

Für den Fall, dass Sie da immer weggehört haben und deshalb jetzt ein wenig verwirrt und ratlos sind: Gemeint ist „Der Ofen ist aus.“ So sagt es jedenfall die Umgangssprache. Aber im Behördendeutsch sind der Kanonenofen und der Kachelofen eben nicht einfach  Öfen, mit denen man ein Zimmer heizen kann, sondern eine Einzelraumbefeuerungsanlage.
19. 03. 2015