Dienstag, April 28, 2015

Black and out

Afrika. Der schwarze Kontinent, der nichts zu sagen hat. Der Kontinent, von dem wir keine Ahnung haben. Wer von uns kennt Afrika? Ich nicht.

Das dämmerte mir, als mir in der Ausgabe der ZEIT vom 16. April 2015 auf Seite 8 eine kleine Landkarte zeigte, dass die Hauptstadt von Burkina Faso Ouagadougou heißt.

Burkina Faso, das klingt für mich irgendwie opernhaft, romantisch, opulent. Das ist ziemlich daneben.  Burkina Faso heißt „Land der Ehrenwerten“ und ist ernst zu nehmen. Während der Zeit der Kolonialherrschaft wurde das Land Obervolta genannt, jedenfalls von uns in Europa. Weiß jemand, wie es hieß, bevor Frankreich es zu einer seiner Kolonien machte?

Im ZEIT-Artikel „Wir vertrauen nur uns selbst“ wird von der Revolution der jungen Burkinaden berichtet, die den Präsidenten Blaise Compaoré aus dem Land jagten, das er 27 Jahre lang diktatorisch regierte. Sein korrupter Klüngel ist aber noch im Land und muss gefürchtet werden, auch wenn die jungen Revolutionäre furchtlos sind.

Ich will nur auf zwei Einzelheiten hinweisen, die mir  über Burkina Faso hinaus wichtig erscheinen: Erstens (ich zitiere): „Langzeitherrscher sind in Afrika nichts Ungewöhnliches. In Angola regiert José Eduardo Santos seit 35 Jahren, in Äquatorial-guinea ist Teodoro Obiang ebenfalls seit 35 Jahren an der Macht, in Simbabwe herrscht Robert Mugave seit 34 Jahren, in Kamerun Paul Biya seit 32 Jahren, in Uganda Yoweri Museveni  seit 27 Jahren, im Tschad Idriss Déby seit 29 Jahren.“ 

Ich glaube, dass diese „endlosen“ Regierungen nicht als Zeichen für Stabilität anzusehen sind.

Zweitens (ich zitiere): Blaise Compaoré war mithilfe Frankreichs im Oktober 2014 gerade noch rechtzeitig außer Landes geflüchtet.“

Ich denke, dass die Kolonialherrschaft in tückisch versteckter Form immer noch besteht. Es scheint Afrika-Kenner zu geben, die wollen, dass wir den Kontinent nicht kennenlernen, seine Schwierigkeiten, seine Nöte.

Wie wenig ich von Afrika weiß, wenn ich mir die Schuljungenaufgabe stelle „Nenne mir mal die Afrikanischen Staaten, die du kennst – sprich von denen du schon mal gehört hast“. Meine stotterige Antwort:

Ägypten, Tunesien, Libyen, Marokko, Äthiopien, Nigeria, Elfenbeinküste, Ghana, Somalia, Kongo… da kommt nicht viel zusammen. Mit ein bisschen Nachhilfe fällt mir vielleicht noch das eine oder andere Land ein. Alles in allem aber: Setzen! Ungenügend!

Wenn ich jetzt erwähne, dass ich seit Jahren die Äthiopien-Initiative „Menschen für Menschen“ von Karlheinz Böhm finanziell unterstütze, dann wird das nicht viel zählen. Und dass ich schon mal von der Serengeti und Herrn Grzimek gehört habe, sollte ich lieber nicht erwähnen. Aber nun ist es passiert und zeigt, wie gut ich mich mit Afrika auskenne: so gut wie gar nicht.

Ich habe das Naheliegende gemacht, ich habe gegoogelt und nehme den globalen Alleswisser für den Augenblick ernst: Es gibt 56 Afrikanische Staaten – sechs-undfünfzig!  Wer außer Google weiß das schon?

Ich höre schon die spitze Frage „Muss man die denn alle kennen?“ Nein. Nächste Frage: „Machst du jetzt in Völkerkunde?“ Nein. „Willst du Wiedergutmachung für alles, was unsere „zivilisierten“ Staaten in Afrika angerichtet haben?“ Nein, weil das gar nicht wieder gutzumachen ist. Letzte Frage: „Ja, was willst du dann?“

Ich will, dass Schluss gemacht wird mit „Festung Europoa verteidigt sich gegen den Ansturm aus Afrika“. Ich will, dass sich Europa mit Afrika verbündet. Jeder von uns hat Probleme. Die lassen sich am besten gemeinsam lösen. Aber dazu muss man sich erst einmal kennen. Mit dem Kennenlernen anzufangen, ist höchste Zeit.

Kleine Nachbemerkungen: Wir lachen uns kaputt über die amerikanischen Touristen, die mit Begeisterung ihre Europe Sightseeing Tour absolvieren, aber in Wirklichkeit von nichts eine Ahnung haben. Wir dagegen, wir rappeln die US-Amerikanischen Bundesstaaten im Schlaf herunter, einschließlicht der Hauptstädte. Wirklich? Wie viele Bundesstaaten gibt es in den USA? Washington DC? Klar, jeder weiß, was DC heißt. Oder doch nicht? Ja, und dann die Japaner, jetzt auch die Chinesen. Sie knipsen alles wie wir alles in Japan und China knipsen. Spaß muss sein. Aber wir sollten den Spaß nicht übertreiben. Wir sollten uns davor hüten zu glauben, dass wir uns mit den Bildern, die wir auf unseren Reisen knipsen, auch schon ein Bild von dem Land gemacht haben, durch das wir reisen.
26. 04. 2015