Samstag, April 25, 2015

Autofahren wie die Flieger fliegen

Wer heute einen Autokatalog aufschlägt, ganz gleich von welcher Marke, erfährt vergleichsweise wenig über das Auto, umso mehr aber über Unterhaltungs-programme (Film, Fernsehen, Hörspiele, Musik) die er während der Fahrt genießen kann. Übertroffen wird dieses Angebot zunehmend durch die sogenannten Assistenzsysteme. Sie nehmen dem Fahrer das ab, was er eigentlich tun sollte, aufmerksam und verantwortungsvoll Auto fahren.

Warum in den Rückspiegel blicken, wenn das der „Toterwinkel-Assistent“ tut?  Warum darauf achten, dass man in der Spur bleibt und nicht in den Gegenverkehr gerät, wenn der „Spurhalte-Assistent“ einem das abnimmt? Warum den richtigen Abstand zum vorausfahrenden Auto halten? Dafür gibt es doch auch einen „Assistenten“. Auf Straßenschilder achten – Überholverbot, Geschwindigkeits-vorgaben usw.? Nicht nötig. Das „intelligente“ Auto nimmt seinem Fahrer alles dies und noch mehr ab. Sogar die passende Parklücke wird erkannt, das Auto parkt ganz allein – längs oder quer, wie es gerade richtig ist, und das Einfädeln in dern Verkehr, also das „Ausparken“ geht auch ohne den „Piloten“.

„Drive by wire“ so wie in der Fliegerei „Fly by wire“. Ist das Fortschritt, oder ist das Wahnsinn?

Einerseits ist das Computerfliegen – so die Statistiken – sicherer als das früher notwendige Von-Hand-Fliegen mit Pilot, Copilot und dem für die Technik zustän-digen dritten Mann. Seinen Platz haben die Computer eingenommen.

Andererseits können auch Computer nicht alles. Auf jeden Fall können sie nicht alles richtig machen, aber vieles falsch. Weil die Piloten aber immer seltener selbst fliegen, sondern sich von den Computern fliegen lassen, verlernen sie das Fliegen. Und wenn die Computer verrückt spielen, sind die Piloten oft aufgeschmissen. Sie verstehen den Computer nicht, der Computer versteht sie nicht, und richtig selbst fliegen? Da fehlt die Übung.

Zitat aus dem SPIEGEL vom 4. April 2015: „ Kritisch wird die Situation dann, wenn die Automatik streikt, wenn etwas Unerwartetes passiert Plötzlich müssen die Hightech-Piloten die komplexe Situation durchschauen, richtig reagieren – und wieder fliegen wie ihre Vorväter. Nicht wenige beherrschen das nicht mehr, mangels Übung.

In Einzelfällen haben die Bordcomputer massive Sicherheitsprobleme herbeigeführt und auch tödliche Unglücke verursacht.

‚Das eigentliche Fliegen rückt stark in den Hintergrund’ sagt ein Kapitän des Ferienfliegers TUIfly. Weil er das vermisst, hat der 44-Jährige gerade wieder seinen Privatpilotenschein erneuert und mietet ab und zu kleine Flugzeuge wie eine Cessna 172. Was er mit ihr macht, ist das, was Berufspiloten sonst nie erleben: Er fliegt von Hand und ganz allein, er genießt die berühmte Freiheit über den Wolken, Linkskurve, Rechtskurve, wie und wann er will.“

Damit zurück zum Autofahren. Was die Hersteller Fortschritt nennen, Entlastung des Autofahrers, ist nichts anderes als eine Entmündigung, ein Programm zum „Entlernen“. Ich frage mich, weshalb die Fahrschulen nicht längst Alarm schlagen. Sie werden bald überflüssig. Prototypen des automobil fahrenden Automobils sind ja schon unterwegs.

Die Entmündigung ist aber nicht alles. Es kommt noch schlimmer. Die Assistenzsysteme nehmen dem Autofahrer jede Verantwortung ab. Leichtsinn wird sich breit machen; denn jeder Unsinn und die Schuld an Unfällen kann auf die „Assistenten“ abgeladen werden. Wer wird haften? Der Autofahrer, der seinen „Assistenten“ vertraut hat oder der Autohersteller?

Wie war es damals? Vor der Kurve Gas weg und aus der Kurve heraus mit Gas. In kitzligen Situationen warnte der Popo gefühlvoller als es ein Computer kann. Auf Brücken gefriert Nässe schneller zu Eis als auf der Straße? War bekannt. Wissen das auch Computer?

Ohne Frage hat es Fortschritte gegeben, Aber nicht alles, ich könnte auch sagen, das wenigste, hat etwas mit Fortschritt zu tun.

13. 04. 2015