Montag, September 09, 2013

Ganz allein

Am 7. September 2013 veröffentlichte das Hamburger Abendblatt einen sehr anrührenden Beitrag: „Frau Hansen wird unsichtbar.“

Es geht um das Alleinsein, um Einsamkeit, um verlassen zu sein von allen Menschen.
Frau Hansen ist 81 oder 82, wohnt im dritten Stock, ist nicht mehr gut zu Fuß. Schon die wenigen Schritte zum nächsten Supermarkt strengen an. Aber das ist nicht das Problem.

Frau Hansen ist inzwischen ganz allein. Verwandte? Freunde? Bekannte? Es gibt sie nicht mehr. Sie sind tot. Sie allein ist übrig geblieben. Nachbarn, Mitbewohner? Mietshäuser sind anonym. Man kennt sich nicht. Man sieht sich nicht. Und wenn man sich sieht, ist ein kurzer Gruß alles – wenn überhaupt.

Frau Hansen hat vor drei Tagen das letzte Mal mit jemandem gesprochen. Das war die Kassiererin im Supermarkt. Ein Wortewechsel mag das gewesen sein. Ein Gespräch war es sicherlich nicht.

Vor drei Tagen ein paar Worte gehört. Vor drei Tagen ein paar Worte gesagt. Im Tod ist man allein. Aber schon im Leben?

„Ach, wenn Sie jetzt weggehen, bin ich für den Rest des Tages allein“, sagt ein alter Mann in einem Pflegeheim zu seiner Betreuerin, die nur 23 Minuten am Tag Zeit für ihn hat. „Allein“, sagt der alte Mann und weint. (Quelle: DER SPIEGEL 25, 2010.)

Sonntag, September 08, 2013

Die große Schlamperei

Bei der Hamburger Polizei fallen 40 bis 45 Prozent der Bewerber für den mittleren Dienst durch die Deutsch-Tests. Im gehobenen Dienst sind es 35 Prozent.

Das Niveau der Tests soll hoch sein, was einleuchtet. Gerhard Ruschmeyer, Leiter des Zentralen Personalmanagements der Hamburger Polizei, sieht keinen Grund, dieses Niveau abzusenken.: „Polizisten müssen sich präzise ausdrücken und den Sachverhalt gerichtsfest zu Papier bringen können. Deutsch ist ein K.-o.-Kriterium.“ Und weiter: „Ich habe die Vermutung, dass die Grundanforderungen in Deutsch nicht so hoch sind, wie sie sein sollten.“ Ich denke, daran ist kaum zu zweifeln. Aber wie ist es dazu gekommen?

Den Anfang finden wir in den 70er- und 80er Jahren. Formale Fertigkeiten wie richtiges Schreiben und Rechnen traten in den Hintergrund. Dann die Rechtschreibreform, die trotz ihrer Nachbesserungen alles nur noch schlimmer gemacht hat. Und schließlich die Idee, das Schreiben mit einer Anlauttabelle zu lernen. Dieser Idee steht allein schon die durch Dialekte geprägte Aussprache entgegen.

Der große Vorzug dieser Methode? Ihre Verfechter sagen, die Kreativität der Kinder würde gefördert, wenn sie so munter losschreiben dürften, wie sie sonst plappern. Da scheinen mir ganz unterschiedliche Dinge durcheinander zu geraten.

Die richtige Rechtschreibung muss geübt werden, die Kreativität der Kinder nicht; denn die bringen sie von Haus mit. Das Einüben des richtigen Schreibens tötet nicht den Einfallsreichtum der Kinder.

Was heißt überhaupt Kreativität? Steht sie auf irgendeinem Lehrplan? Nein. Sollte sie das? Vielleicht. Aber das hat nichts mit Deutschunterricht zu tun.

Munter drauflos schreiben wie wir ebenso munter drauflos plappern? Der Fantasie freien Lauf lassen? Erst mal aufschreiben, was einem da durch den Kopf geht? Ja bitte,  aber richtig geschrieben!

Und was die Kreativität angeht – die gibt es ja nun in vielen Spielarten. Wie ich als Banker Kunden Schrottpapiere (Derivate ist der Fachausdruck) andrehe, hat durch-aus etwas mit Kreativität zu tun. Auf so etwas muss man erst mal kommen. Aber das ist nur ein Beispiel von unendlich vielen.

Zurück zum Kern des Themas:

„Was Hänschen nicht lernte, lernt Hans nimmermehr.“  Das war so. Das ist so. Das bleibt so. Und deshalb noch einmal:

Richtiges Schreiben steht dem Einfallsreichtum der Schüler nicht im Wege. Im Gegenteil: Wenn sie sicher sind, verständlich und genau schreiben zu können, wsenn sie das gelernt haben, dann können sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen, dann sind sie kreativ.

Schmeißen Sie Ihre Alte raus...

Schmeißen Sie Ihre Alte raus… (gender-gemäße Sprache)

Eine auch mit finanzieller Unterstützung von Staat arbeitende Wirtschafts-organisation wirbt mit ihrer „Aktion Heizungspumpentausch“ für den Austausch alter Aggregate gegen neue, umweltgerechtere (Bericht Quickborner Tageblatt vom 30. August 2013) und schreibt: „Schmeißen Sie Ihre Alte raus und gewinnen Sie 100 Euro!“ „Die Grünen lassen den Spruch durchgehen , Frauenbeauftragte lehnen ihn ab“, schreibt die Zeitung.

Vor allem Britta Rudolph, Frauenbeauftragte in Husum protestiert heftig. Sie findet es „inakzeptabel, dass hier Sexismus auf Kosten der Frauen hingenommen wird, nur um einen Werbeeffekt zu erzielen.“ Da das Wort „Alte“ groß geschrieben wurde, ist für Sprachexperten die Sache klar, findet Frau Rudolph: „Es soll eine Assoziation auf das umgangssprachliche Synonym für Ehefrau hergestellt werden.“

Ich gestatte mir folgende Anmerkungen: Erstens: Ich finde diese Werbekampagne nicht besonders intelligent und charmant schon gar nicht; so plump muss man nicht werben, auch nicht für eine gute Sache. Zweitens: Ich finde die Bezeichnung „Alte“ für die Ehefrau schrecklich. Wer auch nur ein wenig Anstand und Respekt hat, spricht nicht so. Drittens: „Feuern Sie Ihren Alten und holen Sie sich einen neuen Computer ins Haus!“ Würde Britta Rudolph auch hier protestieren? Da sie eine Frauenbeauftragte ist, wohl kaum. Da brauchten wir wohl einen Männerbeauftragten.

Gender-gemäß sollen wir denken, sprechen und schreiben? Vielleicht genügt es, respektvoll, höflich und freundlich zu sein.

Trickkiste

Wie Politiker gern in die sprachliche Trickkiste greifen, zeigt folgendes Beispiel: SPIEGEL ONLINE Netzwelt berichtet am 6. September unter „Internet-Verschlüsselung: Bundesregierung redet Snowden-Enthüllungen klein“, dass die Bundesregierung aktuelle Snowden-Enthüllungen als „völlig unbewiesene Behauptungen“ bezeichnet. Es geht darum, dass der Geheimdienst sogar verschlüsselte Kommunikation im Internet knackt.

Der Sprecher des Innenministeriums „verlautbart“, dass sich schon einmal eine Behauptung Snowdens als falsch herausgestellt habe. Er sagt: „Damals hat Herr Snowden behauptet, in Deutschland würde die NSA flächendeckend bei deutschen Bürgern die gesamte Kommunikation abfischen. Dieser Verdacht ist völlig ausgeräumt worden und hat sich als gegenstandlos erwiesen.“

Nun haben weder der Whistleblower Edward Snowden noch die an den Enthüllungen beteiligten Medien diesen Vorwurf erhoben. Die Bundesregierung stellt hier selbst eine Behauptung in den Raum, um sie danach widerlegen zu können – ein klassisches Ablenkungsmanöver. Die Bundesregierung weist also einen Verdacht zurück, der nicht geäußert wurde – um tatsächliche Vorwürfe nicht weiter kommentieren zu müssen.

Ein übler Trick, aber kein neuer. Ein Trick, zu dem nicht nur Politiker greifen. Die Größen der Wirtschaft tricksen genauso gern und genauso raffiniert. Das wird sich nicht ändern. Einziges Gegenmittel: Aufpassen und sich nicht für dumm verkaufen lassen! Ist aber nicht einfach.

Chuzpe – Unverfrorenheit

Warum sind unsere Fernsehinterviewer in ihren Gesprächen mit Politikern so zurückhaltend? Warum haben sie nicht den Biss, der ihre Kollegen in den USA auszeichnet?

Vielleicht liegt es daran, dass ARD und ZDF staatliche Fernsehanstalten sind. Selbst wenn das nicht korrekt formuliert ist, wiederhole ich es: staatliche Fernsehanstalten. Wenn ich daran denke, wie viele Strippenzieher im Hintergrund dieser Sender wirken, kann ich nur recht haben.

Dafür spricht auch der Auftritt von Stefan Raab beim sogenannten Fernsehduell zwischen Frau Merkel und Herrn Steinbrück. Nur er hat mal nachgehakt, hat das Vorgekaute nicht einfach runtergeschluckt.

Dieser ganz persönliche Ärger erinnert mich an ein Interview, das vor einiger Zeit einer unserer Staatsfernseher mit Frau Merkel geführt hat.

Frau Merkel wurde eine Frage gestellt, die sie nicht beantworten wollte. Also gab sie eine Antwort, die mit der Frage gar nichts zu tun hatte. (Noch so ein Griff in die sprachliche Trickkiste.)

Ihr Staatsfernseh-Interviewer war mutig und sagte, das sei nicht die Antwort auf seine Frage. Frau Merkel erwiderte: „Aber es ist meine Antwort.“

Das mag schlagfertig klingen. Aber es war nichts anderes als eine bodenlose Frechheit. Ihr Gesprächspartner war – sprachlos. Schade! Er hätte nicht klein beigeben sollen.

Vielleicht begreifen unsere Fernsehinterviewer irgendwann doch noch, dass die Medien die vierte Gewalt in unserer Demokratie sind nach Exekutive, Legislative, Judikative.

Mehr Mut, meine Damen und Herren!  Sie müssen sich nicht alles gefallen lassen. Erinnern Sie sich im richtigen Augenblick daran, dass es Ihr gutes Recht ist, auf „Augenhöhe“ aufzutreten. Nehmen Sie dieses Recht für sich in Anspruch! 

Freitag, September 06, 2013

Vom Duden und anderem sprachlichen Unsinn

Ich fange mal mit einer Sprachentgleisung an, über die ich mich schon zig Mal aufgeregt habe und bestimmt noch oft aufregen werde: Gewunken. So war es wieder heute, am 24. August 2013, im Hamburger Abendblatt, Kreis Pinneberg, zu lesen.

Meine alte Retourkutsche: Wer sagt, man habe ihm gewunken, der müsste auch sagen: er wank mir zu. Erklärung: Stinken, stank, gestunken = winken, wank, gewunken. Aber das ist eine offensichtlich nicht enden wollende Geschichte.

Mutmaßlich: „…gegen mutmaßliche KZ-Aufseher wird möglicherweise Anklage erhoben…“ meldet DeutschlandRadio am 4. September. Unsinn! KZ-Aufseher waren die infrage stehenden Personen auf jeden Fall. Ob sie Verbrechen begangen haben? Das wird vermutet. – Ich habe den Verdacht, dass die Redakteure von den Haussjuristen der Sender, Zeitschriften und Zeitungen so eingeschüchtert worden sind, dass sie das Wörtchen „mutmaßlich“ auch dort verwenden, wo es bestimmt nicht angebracht ist. „Ein falsches Wort, und schon sind wir dran“ – so könnte der Rat der Juristen an die Redakteure lauten. So wird aus lauter Feigheit sprachlicher Unsinn produziert.

Chillen, Facilitymanager, Quartermanager, Stalker – für jeden Begriff gibt es einfache, zutreffende deutsche Wörter. Aber die machen natürlich nicht so viel her.

Chillen = faulenzen, entspannen, ausruhen, meinethalben auch abhängen. Gut, die Jungs und Mädels sprechen von chillen. Solle sie. Aber muss das nun auch in jeder Zeitung stehen? Zeitungen werden doch vorwiegend von älteren Herrschaften gelesen. Warum also die Jungs- und Mädelssprache? Wollen sich die Damen und Herren Redakteure jünger machen, oder sind sie zu faul, das treffende deutsche Wort zu suchen?

Facilitymanager/Quartermanager = Grundstücksverwalter, Hausmeister oder so? Das Einfache ist nicht mehr gefragt. Es ist wie mit der Putzfrau, die es nicht mehr gibt. Sie ist heute – zumindest – eine Raumpflegerin. Putzfrau ist politisch einfach nicht mehr korrekt.

Laptop, E-Business, Stalker = es ist zu komisch. Nur aus Spaß spreche ich seit einer kleinen Ewigkeit von meinem Klapprechner oder dem meiner Frau, wirklich nur aus Spaß. Und jetzt kommt die Gesellschaft für deutsche Sprache und möchte, dass wir alle Klapprechner sagen und nicht mehr Laptop. So weit möchte ich nicht gehen.

Netzhandel anstelle von E-Business? Ich weiß nicht. Sicherlich gibt es nur wenige Unternehmen, die mit Netzen handeln. Es gibt ja nicht so viele Fischer, die Netze zum Fischfang brauchen, beispielsweise. Wäre Internet-Handel eine bessere Möglichkeit?

Der Stalker. Ich finde das Wort in deutschen Texten ziemlich bekloppt, abgesehen davon, dass man das ja wie sstoooker aussprechen müsste. Hier bin ich, ehrlich gesagt, ratlos. Die GfdS schlägt Nachsteller vor, na ja. Verfolger ginge vielleicht auch. Sollte es im Deutschen möglicherweise gar kein Wort für – ja, für wen geben? Handelt es sich im Irre, um Besessene, um Enttäuschte, um … könnte es nicht sein, dass hier ein einziges Wort nicht ausreicht, um den Verfolgerwahn (nicht den Verfolgungswahn) zu beschreiben?

Und was sonst noch so alles geschrieben wird:

Eindrückliche Schilderung. Gemeint ist eine beeindruckende Schilderung.

„Der alltägliche Dienst am Menschen“. Gemeint ist der tägliche Dienst! (Quickborner Tageblatt 24. 08. 2013)

Rückbauen. Ein schönfärberisches Wort, nichts weiter. Es geht ums Abreißen. Kein so schönes Wort, nicht wahr? Bauen, aufbauen, umbauen, abbauen, vorbauen… ja, ja, ja! Aber rückbauen?

Nachvollziehbar. Auch so ein inflationäres Wort. Zig Leute finden zig Dinge nicht nachvollziehbar. Komischerweise ist so gut wie immer von nicht nachvollziehbar die Rede. Dass jemand etwas nachvollziehen kann, wird so gut wie nie gesagat. Wie erklärt sich das?  Ganz einfach:  Keiner will zugeben, dass er etwas nicht verstanden hat. Oft genug will er es auch nicht verstehen.

In der Sorge, man könne ganz dumm dastehen, wenn man zugibt, etwas nicht verstanden zu haben, wird lieber gesagt, das könne man nicht nachvollziehen.  Das klingt doch viel besser.

Zunächst.  „Der Täter konnte zunächst nicht festgesellt werden.“ So liest es sich alle naselang in der Zeitung. Gemeint ist so gut wie immer, dass auch zum Zeitpunkt des Zeitungsberichts nicht klar ist, wer die Tat begangen hat. Also müsste es heißten: bisher weiß man noch nicht, wer die Tat begangen hat. Offensichtlich haben viele Schreiber hier die Schwierigkeit, die sie auch scheinbar und anscheinend verwechseln lassen.

Mutmaßlich: „…gegen mutmaßliche KZ-Aufseher wird möglicherweise Anklage erhoben…“ meldet DeutschlandRadio am 4. September. Unsinn! KZ-Aufseher waren die infrage stehenden Personen auf jeden Fall. Ob sie Verbrechen begangen haben? Das wird vermutet. – Ich habe den Verdacht, dass die Redakteure von den Haussjuristen der Sender, Zeitschriften und Zeitungen so eingeschüchtert worden sind, dass sie das Wörtchen „mutmaßlich“ auch dort verwenden, wo es bestimmt nicht angebracht ist. „Ein falsches Wort, und schon sind wir dran“ – so könnte der Rat der Juristen an die Redakteure lauten. So wird aus lauter Feigheit sprachlicher Unsinn produziert.

Chillen, Facilitymanager, Quartermanager, Stalker – für jeden Begriff gibt es einfache, zutreffende deutsche Wörter. Aber die machen natürlich nicht so viel her.

Chillen = faulenzen, entspannen, ausruhen, meinethalben auch abhängen. Gut, die Jungs und Mädels sprechen von chillen. Solle sie. Aber muss das nun auch in jeder Zeitung stehen? Zeitungen werden doch vorwiegend von älteren Herrschaften gelesen. Warum also die Jungs- und Mädelssprache? Wollen sich die Damen und Herren Redakteure jünger machen, oder sind sie zu faul, das treffende deutsche Wort zu suchen?

Facilitymanager/Quartermanager = Grundstücksverwalter, Hausmeister oder so? Das Einfache ist nicht mehr gefragt. Es ist wie mit der Putzfrau, die es nicht mehr gibt. Sie ist heute – zumindest – eine Raumpflegerin. Putzfrau ist politisch einfach nicht mehr korrekt.

Laptop, E-Business, Stalker = es ist zu komisch. Nur aus Spaß spreche ich seit einer kleinen Ewigkeit von meinem Klapprechner oder dem meiner Frau, wirklich nur aus Spaß. Und jetzt kommt die Gesellschaft für deutsche Sprache und möchte, dass wir alle Klapprechner sagen und nicht mehr Laptop. So weit möchte ich nicht gehen.

Netzhandel anstelle von E-Business? Ich weiß nicht. Sicherlich gibt es nur wenige Unternehmen, die mit Netzen handeln. Es gibt ja nicht so viele Fischer, die Netze zum Fischfang brauchen, beispielsweise. Wäre Internet-Handel eine bessere Möglichkeit?

Der Stalker. Ich finde das Wort in deutschen Texten ziemlich bekloppt, abgesehen davon, dass man das ja wie sstoooker aussprechen müsste. Hier bin ich, ehrlich gesagt, ratlos. Die GfdS schlägt Nachsteller vor, na ja. Verfolger ginge vielleicht auch. Sollte es im Deutschen möglicherweise gar kein Wort für – ja, für wen geben? Handelt es sich im Irre, um Besessene, um Enttäuschte, um … könnte es nicht sein, dass hier ein einziges Wort nicht ausreicht, um den Verfolgerwahn (nicht den Verfolgungswahn) zu beschreiben?

Und was sonst noch so alles geschrieben wird:

Eindrückliche Schilderung. Gemeint ist eine beeindruckende Schilderung.

„Der alltägliche Dienst am Menschen“. Gemeint ist der tägliche Dienst! (Quickborner Tageblatt 24. 08. 2013)

Rückbauen. Schönfärberei! Es geht ums Abreißen. Kein so schönes Wort, nicht wahr? Bauen, aufbauen, umbauen, abbauen, vorbauen… ja, ja, ja! Aber rückbauen?

Nachvollziehbar. Auch so ein inflationäres Wort. Zig Leute finden zig Dinge nicht nachvollziehbar. Komischerweise ist so gut wie immer von nicht nachvollziehbar die Rede. Dass jemand etwas nachvollziehen kann, wird so gut wie nie gesagat. Wie erklärt sich das?  Ganz einfach:  Keiner will zugeben, dass er etwas nicht verstanden hat. Oft genug will er es auch nicht verstehen.

In der Sorge, man könne ganz dumm dastehen, wenn man zugibt, etwas nicht verstanden zu haben, wird lieber gesagt, das könne man nicht nachvollziehen.  Das klingt doch viel besser.

Anstelle freundlich zugedachter Blumen bitten wir um… Mit dieser Floskel, die immer häufiger in Todesanzeigen zu finden ist, wird es nun ganz schlimm. Wer bittet hier? Natürlich die Trauernden. Warum sie das aber in Stellvertretung der Blumen machen, bleibt rätselhaft.

„Wir bitten, Ihrem Mitgefühl und Ihrer Verbundenheit mit einer Spende für …. Ausdruck zu geben.“ Oder: „Im Namen von …. bitten wir um eine Spende für… und von Blumen und Kränzen abzusehen.“ 

Einen kleinen Seitenhieb kann ich mir nicht verkneifen: Warum ist immer von freundlich zugedachten Blumen die Rede? Von Unfreundlichkeit kann ja wohl nicht die Rede sein.

Und noch etwas, auch wenn ich jetzt abschweife. Mir fällt auf, dass in zunehmendem Maße Dichter und Denker in den Nachrufen zitiert werden. Auf eine Zunahme des Bildungsbürgertums möchte ich das nicht zurückführen. Es werden wohl die immer professionelleren Undertaker sein, die die Literatur nach Brauchbarem durchsuchen. 


Robustes Mandat. Ein reflektiver Mann.  Nahbar (unnahbar). Nicht frauenaffin. Sensible Sicherheitslage.  Obere Mittelschicht (untere Mittelschicht, mittlere Mittelschicht usw.) Gender-gemäße Sprache. Erinnerungskulturell. „Diese Vorfälle hätten so nicht passieren dürfen.“ So nicht? Aber wie dann? Und wünsche ich Ihnen noch einen guten Abend. (Noch einen? Nur diesen? Könnte man auf das „noch“ verzichten?


Robustes Mandat. Ich habe keine Lust, jetzt in eines meiner Wörterbücher zu sehen. Unter robust verstehe ich kräftig, stark, verlässlich geht vielleicht auch noch. Und ein Mandat ist schlicht ein Auftrag und die Berechtigung, etwas zu tun. So weit sehe ich klar.

Wenn ich dann aber lese, dass eine Truppe, welche auch immer, ein robustes Mandat erhält, um irgendwo einzugreifen, dann komme ich ins Grübeln. Gemeint ist doch, dass die Truppe Gewalt anwenden darf – wahrscheinlich anwenden soll. Und warum wird das nicht gesagt? Ich hätte da schon ein paar Gründe. Aber die soll jeder erst mal selbst herausfinden.

Ein reflektiver Mann. Irgendeine Frau hat das in irgendeinem Interview an irgendeinem dieser Tage gesagt. Was hat sie wohl gemeint? Vielleicht einen Mann, der wie ein „Katzenauge“ an einem Fahrrad funktioniert, einen Mann, der das Licht zurückschickt, das auf ihn gelenkt wird? Ein Mann, mit dem man sprechen kann, der einen versteht? Vielleicht war es das. Hätte die Dame dann ja auch sagen können.

Nahbar. Dieses Wort hat mich überrascht. Irgendjemand wurde als nahbar bezeichnet. Das sollte ein Lob sein. Es ging um einen Politiker, der sonst wohl eher als abweisend erlebt wurde. Plötzlich stellte er sich als umgänglich, als zugünglich heraus. Aber da unsere Sprache lebt – ich meine das jetzt nicht ironisch – ist        nahbar als Gegensatz zu unnahbar vielleicht doch eine Bereicherung.

Nicht frauenaffin. Dieser für mich neue Begriff tauchte in einer Filmkritik auf. Die Handlung würde Frauen wohl eher abstoßen, so habe ich das verstanden. Affin – in welcher Kombination auch immer, dürfte dürfte Karriere machen – zumindest in den Medien. Affin gehört zu den Bequemlichkeitswörtern wie Kultur. Man knallt es einfach so in den Text. Jeder wird sich schon seinen Reim darauf machen. Da hat der Autor dann wieder mal in Echtzeit funktioniert – war pünktlich mit seinem Beitrag, aber leider nicht genau.

Sensible Sicherheitslage.  Um was kann es hier gehen? Was heißt sensibel? Empfindlich, zart, zerbrechlich. Vielleicht auch gefühlvoll, aber das ist schon ziemlich weit hergeholt. Und eine Sicherheitslage? Da will ich nicht päpstlicher sein als der Pabst. Das ist so eine Mischung von Sicherheit und Unsicherheit. Nun wäre es sicherlich albern, von einer zarten oder empfindlichen Sicherheitslage zu sprechen oder zu schreiben. Aber wie wäre es, wenn wir von einer heiklen Situation, von einer schwierigen Situation sprächen, von einer Situation, die Fingerspitzengefühl verlangt?

Ich weiß, dass Begriffe wie Sensible Sicherheitslage Kürzel sind, vergleichbar mit den Kürzeln in der heute kaum noch genutzten Stenografie. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied: Die Stenografie ist genau, die geläufigen Sprachkürzel sind es nicht.

Obere Mittelschicht. Die Oberen 10.000 sind die Oberschicht, also die Reichen. Zur Mittelschicht werden die Wohlhabenden gezählt, oder die, denen es ganz einfach gut geht? Und dann haben wir noch die Unterschicht, das Proletariat. Dazu gehören heutzutage auch Studierte, wenn sie wenig oder gar zu wenig Geld haben.  Wie ich sehe, geht es ums Geld. Aber Geld ist nicht Alles, ist vielleicht das, worauf es gar nicht in erster Linie ankommt.

Jetzt habe ich mich vergallopiert. Ich wollte eigentlich nur sagen, dass ich es lächerlich finde von einer oberen Mittelschicht zu sprechen. Da hätten wir dann auch die mittlere Mittelschicht und darunter die untere Mittelschicht?  Wenn es sein muss, bitte schön! Für jede Statistik dürfte das eine Bereicherung sein.

Gendergemäße Sprache. Was soll ich mir darunter vorstellen? Bestimmt werde ich schlauer, wenn ich die Schublade „political correctness“ aufziehe. Also: Es gibt nicht nur Deutsch (als Sprache), sondern auch Männerdeutsch und Frauendeutsch. Anders kann ich das nicht verstehen. Das kann ziemlich anstrengend werden: Deutsch als Muttersprache, Männerdeutsch als erste, Frauendeutsch als zweite Fremdsprache – immer gendergemäß – und dann erst Englisch, Französich, Spanisch usw. Viel Vergnügen.

Ich tippe darauf, dass die Forderung nach einer gendergemäßen Sprache von einer Anhängerin des großen I (AnhängerIn) stammt. Immer noch so kleinmütig? Immer noch kein Selbstvertrauen? Immer noch fifty years behind?

Erinnerungskulturell. Das ist Politikersprech, wie es schöner nicht sein kann. Das finde ich „sprachkulturell“ unter jedem Niveau. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

SO. „Diese Vorfälle hätten so nicht passieren dürfen.“ Vieles darf „so“ nicht passieren, darf sich „so“ nicht wiederholen, „So“ nicht? Aber wie dann?

Mit diesem verdammten „so“ wollen sich alle an dem vorbeimogeln, was passiert ist, aber nicht hätte passieren dürfen. Sie wollen nicht sagen: „Das hätte nicht passieren dürfen.“ Sie haben anscheinend Angst davor, dass man ihnen die Schuld für das Versagen in die Schuhe schieben könnte.

Noch. „Ihnen noch einen guten Abend.“ Redensarten wie diese – immer wieder im Fernsehen zu hören - sind eigentlich Redensunarten. Grund genug, ein paar Worte darauf zu verwenden.

Was ist mit diesem noch gemeint? Ich vermute: nichts. Der ganze Satz wird so hingenuschelt, dass er zum einen Ohr rein und zum anderen Ohr rauskommt.  Dabei könnte man doch was daraus machen. Auf die Betonung kommt es an, was im Schriftlichen nicht ganz einfach darzustellen ist. Ich versuche es trotzdem.

„Und wünsche ich Ihnen noch einen guten Abend.“ Nur einen? Das wäre natürlich gemein.

Dann: „Und wünsche ich Ihnen noch einen guten Abend.“ Das wäre sehr mitfühlend, könnte aber die Befürchtung wecken, dass der Abend doch nicht ganz so gut wird, wie erhofft.

Ach ja, genauso rede ich ja auch. Also sollte ich mich nicht aufregen und schon gar nicht gegen andere giften. Aber das darf doch mal gesagt werden – oder?

Mittwoch, September 04, 2013

Strafexpedition

Strafexpedition? Seit wann leben wir wieder im Kolonialzeitalter? Die "guten" US-Raketen werden wie alle anderen nur Syrische Bürger töten, nicht aber Herrn Assad. Der soll ja auch für “Friedens"-Gespräche erhalten bleiben.

Es geht im Nahen Osten nicht um Menschen, sondern um Machtpolitik. Russland, China, USA, wer hat den größten Einfluss - und warum? Hat die UN Strafexpedi-tionen vorgesehen? Gibt es die UN überhaupt noch? Eine Völkergemeinschaft, die dafür sorgt, dass vereinbarte Spielregeln eingehalten werden?

Die Großen - die USA, China, Russland  sehen sich offenbar außerhalb der Völker-gemeinschaft. Auf jeden Fall benehmen sie sich so. Sunniten, Schiiten, Alawiten und Al Qaida-Fanatiker  schlagen sich im Nahen Osten gegenseitig die Köpfe ein. Viel-leicht sollte man sie auseinander treiben, jedem seinen Platz gewähren.

Ist nicht eine Ursache des Wahnsinns die überhebliche Kolonialpolitik Europas und des United Kingdoms seligen Angedenkens? Wer hat denn die künstlichen Staaten in Nahost und in Afrika geschaffen? Die Wiedergutmachung ist schwierig, vielleicht sogar unmöglich. Bemühen sollten wir uns trotzdem.