Sonntag, März 29, 2015

Wir räuchern uns selbst aus

Braunkohlekraftwerke sind die schlimmsten Dreckschleudern. Niemand zweifelt daran, und wir haben hier in Deutschland 500 davon. Sie sobald wie möglich stilllzulegen, wäre das Gebot der Stunde. Und tatsächlich hat unser Wirtschafts-minister Sigmar Gabriel einen ersten Schritt dahin gemacht.  Er hat eine Klimaabgabe für Kohlekraftwerke vorgeschlagen die älter als 20 Jahre sind. Kein mutiger Schritt, eher ein Schrittchen, denn die Freibeträge sind in einem sogenannten Eck-punktepapier so hoch gesetzt, dass für 90 Prozent der fossilen Stromerzeugung kein Cent gezahlt werden muss. Und trotzdem wehren sich die Braunkohleländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen mit Händen und Füßen dagegen. So werden die Klimaschutzziele, die sich unsere Republik gesetzt hat, nicht erreicht. Aber das kümmert Frau Kraft und die Herren Tillich und Haseloff nicht. Für alle Gebäude sind vernünfigerweise Rauchmelder Vorschrift. Die brauchten wir in riesiger Ausführung über den Dreckschleudern. Den Lärm, den sie Tag und Nacht verursachten, könnten selbst harthörige Ministerpräsidenten (m/w) nicht überhören. So aber räuchern wir uns selbst aus. 29. 03. 2015

Samstag, März 28, 2015

Kuhhandel - der alternativlose Kompromiss

Schon als sich die Große Koalition anbahnte, schwante mir Böses, und ich hoffte, es würde so weit nicht kommen. Aber dann kam es doch so weit.

Seitdem leben wir in einer Diktatur. Die GROKO kann machen, was sie will, und sie macht es. Was mich daran besonders traurig macht: Der von mir bisher aus guten Gründen sehr geschätzte Bundestagsabgeordnete Dr. Ernst-Dieter Rossmann spielt das Spiel mit.

Der Bundestag hat heute, am 27. März 2015, für die PKW-Maut gestimmt, für die Herr Alexander Dobrindt, Verkehrsminister und CSU-Mitglied, sich so ins Zeug gelegt hat. Gratulation, Herr Dobrindt, Sie haben einer am Boden liegenden Demokratie in den Hintern getreten – kopflos war sie ja schon – und die 80-Prozent-Klicke GROKO hat Beifall geklatscht.

Was heute passierte, war schon vorgestern im Hamburger Abendblatt zu lesen. Ich zitiere: „SPD ‚mit Bauchgrimmen’ für die Pkw-Maut. Aus Gründen der Koalitionsräson. Schließlich habe die CDU auch den Mindestlohn akzeptiert.“

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte, dass die SPD „die umstrittene Infrastrukturabgabe allein aus Gründen der Koalitionsräson mitträgt. Die Union habe im Koalitionsvertrag den Mindestlohn akzeptiert, die SPD sage umgekehrt Ja zur Maut. ‚Das ist ein Kompromiss, an den fühlen wir uns gebunden. Und der wird jetzt umgesetzt.’“ So weit, so schlecht.

Was uns als Kompromiss serviert wird, ist nichts anderes als ein Kuhhandel. Das ist das eigentlich Böse an der ganzen Sache.

Ein Kompromiss geht so: Ich will alles, du willst alles, und zum Schluss einigen wir uns auf die Hälfte für jeden. Aber dabei geht es immer um ein und dieselbe Sache und nicht um grundverschiedene Dinge wie Maut und Mindestlohn.

So belügt sich die Große Koalition selbst und uns gleich mit. Ich finde nicht, dass wir uns das gefallen lassen sollten. 27. 03. 2015

Dienstag, März 24, 2015

Vom Sinn des Sinnlosen und anderen Dingen

Hinter den Sinn des Begriffs sinnlos zu kommen, stellt sich als schwieriger heraus als man im ersten Augenblick annimmt. Bedeutet sinnlos nur zwecklos, oder steckt noch mehr dahinter, vielleicht überflüssig? Schwierig zu sagen. Manchmal gibt uns unsere Sprache eine harte Nuss zu knacken auf.

Ich habe noch keine Antwort gefunden, die mich zufrieden stellt. Angezettelt hat meine Denkversuche eine lächerliche Kolumne in der WELT am SONNTAG von heute, 22. März 2015. Unter dem Titel „Wow!“ wurden auf Seite 58 (Stil) „Neue Produkte vorgestellt, die das Leben schöner machen“ – eins fragwürdiger, sinnloser als das andere: hässliche Punps für 870 Euro, eine noch hässlichere Lederjacke um die 4.730,00 Euro, ein „Vintage-Paravent“ (‚Suns and Moons’) für 4.720,00 Euro, jedenfalls in dieser Preisgegend.

Direkt neben diesen für mich sinnlosen Angeboten dann der die ganze übrige Seite füllende Beitrag „Ganze Sätze, ganzes Glück. Ein Minisprachkurs in 13 Lektionen.“ Da haben die Autorinnen Ischka Lehmann und Brenda Strohmaier mit Fleiß vom sinnvoll erscheinenden bis zum Sinnlosen alles Mögliche und Unmögliche zusammengekratzt.

Sollten Frauen wirklich mehr zu sagen haben als Männer. Der Gedanke drängt sich auf, wenn man liest, welche Quellen die beiden Damen anführen: Da ist die Sprachwissenschaftlerin Mechthild von Scheurl-Defersdorf,  die Kognitions- und Sprachforscherin Elisabeth Wehling, Sprachcoach Gabriele Zienterra, die sich Expertin für wertvolle Kommunikation nennt. Diese Damen haben uns offenbar eine Menge zu sagen. Jedenfalls sind sie davon überzeugt. Nebenbei: Erstaunlich, welche Berufe es heutzutage gibt.

Achtsamkeit für jedes Wort und jeden Ausdruck predigt Mechthild von Scheurl-Defersdorf. Das bleibt einem ja jedes Wort im Munde stecken. Natatürlich sollte man seine Zunge hüten. Aber das ist etwas anderes, sinnvolleres.

Mit der Empfehlung der Dame, nicht Alles, was wir beispielsweise am nächsten Tag vorhaben, in die Gegenwartsform zu pressen (Morgen gehen wir ins Kino statt morgen werden wir ins Kino gehen). Das kann tatsächlich Druck ausüben, weil so die Zukunft zur Gegenwart gemacht wird – alles auf einmal denken, alles auf einmal machen. Außerdem ist das eine ziemliche Sprachschlamperei.

Allerdings, wenn es konkret wird, fällt es den Expertinnen schwer, die richtigen Worte zu finden. Mir wird empfohlen, statt „Ich muss morgen meine Steuerer-klärung machen“ sagen „Ich werde mich morgen meiner Steuererklärung widmen.“
Widmen? Wenn das nicht lächerlich ist!

Zugegeben, es ist ein Unterschied, ob ich sage, etwas sei schwer oder etwas sei nicht leicht. Das Schwere wiegt schwerer als das Leichte, belastet also. Da kann ich der „Expertin für wertvolle Kommunikation“ Gabriele Zienterraa folgen.

Aber spätestens hier fragt es sich: Sind zuerst die Wörter da, oder erst die Gedanken?  Folgen die Gedanken und Gefühle den Wörtern, oder ist es nicht doch umgekehrt?

Die Empfehlung von Frau Scheurl-Defersdorf, in ganzen Sätzen zu reden, ist vernünftig. Wenn ich nur die Hälfte von dem sage, was ich meine, muss der Zuhörer das Fehlende hinzufügen, so gut das geht. Das klappt nicht immer. Das angeführte Beispiel zeigt allerdings, dass es durchaus geht. Statt „Darf ich mal durch?“ zu sagen „Lassen Sie mich bitte durchgehen.“ Das Beispiel ist ziemlich albern.

Ohne Frage ist eine kluge Wortwahl wichtig. Aber ist es wirklich so, wie Frau Scheurl-Defersdorf zum Schluss des Beitrags erwähnt wird? „Hebammen berichten, dass Geburten leichter gehen, wenn die Frauen ihre Kinder ‚bekommen’ und nicht ‚kriegen’.“ Wenn das wirklich so sein sollte, käme es doch darauf an, der werdenden Mutter im richtigen Augenblick zu sagen, dass sie ein Kind bekommt, bekommen wird und nicht kriegt, kriegen wird. Frage: Wann ist der richtige Augenblick gekommen?

Gesetzt den Fall, das „Bekommen“ erleichtert die Geburt wirklich, warum dann nicht einen Schritt weiter gehen und sagen: „Sie werden einem Menschen das Leben schenken.“? Das ist so positiv, da wird alles wie von selbst gehen. Aber das würde vielleicht die Hebamme überflüssig machen. Und wenn dann Frau Scheurl-Defersdort anmerkt: „Alles, was Hand und Fuß hat, braucht neun Monate“, dann frage ich mich, dauert ein Seminar in ihrem Institut Lingva Eterna auch so lange? Keine Ahnung, aber das Basisseminar umfasst 85 Stunden.

Eigentlich wollte ich nicht so bissig werden. Aber bei so viel Besserwisserei und Betulichkeit und geistfernem Höhenflug kam mir dann doch die Galle hoch.

Dennoch macht auch das Sinnlose Sinn: Es regt zum Nachdenken an. Und was die sinnlosen Kaufempfehlungen angeht, die ich anfangs erwähnte: Sollte dies und jenes gekauft werden, löst sich die Sinnlosigkeit in Sinn auf. Allerdings nur, wenn die Menschen, die an der Herstellung des Unsinnigen gearbeitet haben, dafür anständig bezahlt wurden. So gesehen dürfte es eigentlich nichts Sinnloses geben. Schließlich hilft auch die Herstellung sinnfreier Produkte Menschen, ihr täglich Brot zu verdienen.

(Bemerkung am Rande: Sinnlos, sinnfrei, sinnvoll, unsinnig und sinnig, und dann noch das Hintersinnige. Unsere Sprache, so reich an Sinn und Unsinn – das reinste Vergnügen!)

Wie zu lesen ist, macht Sinnlosigkeit nicht sprachlos. Das bringt mich zum SPIEGEL-Beitrag „ Die Leiden des Doktor L.“ in Ausgabe 13/ 21. 3. 2015.

Marc Hujer, der Autor dieses Beitrags, schreibt eine zwei Seiten lange Liebes-erklärung? an Norbert Lammert, den derzeitigen Bundestagspräsidenten.  Und wenn es keine Liebeserklärung ist, dann ist es auf jeden Fall eine Huldigung. So oder so: Die beiden gefallen mir. Der Herr Lammert und der Herr Hujer.

Kleine Einschränkung zwischendurch: Was, Herr Hujer meinen Sie, wenn Sie schreiben „Er redet klug, aber häufig über sein Publikum hinweg“? Spricht er so, dass ihn die Leute nicht verstehen, vielleicht so von oben herab? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe Herrn Lammert bisher gut verstanden, was nicht bedeutet, dass ich seiner Meinung sein musste. Aber das ist ein anderes Ding.

Ihr gemeinsamer Ausflug in die Welt, in der wir leben, führte Sie beide auch in die Welt der beiden Staatsfernsehsender ARD und ZDF. Nicht einmal die beiden berichten live über wichtige Debatten des Bundestages, stellen Sie fest.

Bei aller vernichtenden Kritik, die beide Sendeanstalten (Sende-ANSTALTEN!) verdienen: Wer sollte sich ansehen, was gar nicht mehr stattfindet: wichtige Debatten?

Debatten. Für und Wider. Argument und Gegenargument. Florett oder auch Degen. Zur Sache kommen, ohne gemein zu werden. Gelegentlich ausfallend werdend in der Hitze des Gefechts, aber einräumen, dass man sich ver-sprochen hat, voller Absicht. Und die Rüge als gerecht hinnehmen. „Mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch!“ oder „Übelkrähe“. Oder der Zuruf Wehners an Barzel, den Dauerredner: „Nach 1.000 Worten Ölwechsel!“ Wo ist das alles geblieben?

Wo sind die Wehners, die Barzels, die Lambsdorffs, die Fischers, die Schmidts, die Strauß’, die Blüms? Verschwunden. Wir haben nur noch zwei: den Herrn Lammert und den Herrn Gysi. Wie anregend ihr Geplänkel, wenn es um die begrenzete Redezeit geht.

Beispiel: „Herr Gysi, leider gelten auch für prophetische Reden die profanen Regelungen unserer Gechäftsordnung.“ 

Und als Gysi dem Bundestagspräsidenten eine Uhr schenken möchte, weil er das Gefühl hat, seine Redezeit laufe schneller ab als die anderer Redner, erwidert Norbert Lammert: „Also, Herr Kollege Gysi, falls Sie den verwegenen Gedanken mit der Uhr weiterfolgen wollen, bitte ich Sie herzlich darum, die Wertgrenzen einzuhalten, die mich zwingen würden, zunächst beim Bundestagspräsidenten die Genehmigung einzuholen.“

So erfrischend das ist: Das  reicht nicht. Jedenfalls nicht für ein begeisterndes, mit-reissendes Unterhaltungsprogramm, um das sich Fernsehsender reißen. Aber genau darum geht es doch.

Das weiß Norbert Lammert. Das wissen auch alle anderen, nicht zuletzt die Fraktionsvorsitzenden der Union und der SPD. Aber sie wollen nicht mitspielen. Debatten vom Platz des Abgeordneten aus führen und nicht vom Rednerpult – lieber nicht. Keine Pulte, kürzere Redezeiten, mehr Spontaneität – alles was Herrn Lammert vorschwebt: in den Wind gesprochen.

Statt freier Rede, frei von der Leber weg: Papierdeutsch, brav vom Blatt gelesen. Wie sagt Norbert Lammert? „Wenn da einer aus der siebten Reihe zum Rednerpult schreitet, mutiert ihn allein diese Strecke zum Festredner.“

Aber machen wir uns nichts vor. So schön das   alles wäre, es brauchte mehr Frei-heit und weniger Fraktionszwang – mindestens das. Es brauchte den Mut der Abge-ordneten zu reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Man muss nicht Lammert oder Gysi heißen, wenn man etwas Wichtiges zu sagen hat.

Und da ist noch etwas, das vielleicht nicht die Sache des Norbert Lammert ist: Kanzlerin und Minister vor das Parlament zitieren. Rede und Antwort stehen müssen. Mehr Demokratie im Parlament, im Bundestag. Das könnte spannend werden.  Demnächst im Fernsehen?
23. 03. 2015

Sonntag, März 22, 2015

Falsch? Richtig?

Nicht einmal diesen beiden einfachen Wörtern können wir noch vertrauen. Es ist zum Verzweifeln. Aber dagegen müssen wir uns wehren. Sonst bleiben nur noch Verzweiflung, Unsicherheit und zum Schluss die vollkommene Dummheit.

Wie sollen wir falsch von richtig und richtig von falsch unterscheiden, wenn uns von falschen Gerüchten berichtet wird?

Ist ein falsches Gerücht die Mitteilung einer verbürgten Tatsache? Das könnten wir annehmen. Ist ein richtiges Gerücht eine unverbürgte Nachricht, etwas, was sein könnte, aber nicht so sein muss? Das haben wir bisher immer so verstanden, oder?

Vielleicht ist beim Schreiben der Presse-Info „das falsche Gerücht“ nur so durch-gerutscht. Aber auch das wäre schlimm genug: schneller schreiben als denken. News im Sekundentakt.

Müssen wir das alles wissen? Nein. Wollen wir das alles wissen. Nein. Und warum muss dann alles das geschrieben werden?

Fragt sich, ob das die richtigen oder die falschen Fragen sind. Wer traut sich die richtige Antwort zu, selbst wenn sie sich später als falsch herausstellen sollte?
22. 03. 2015

Samstag, März 21, 2015

Die Joseph Goebbels-Shows

Es gibt im deutschen Fernsehen zwei sehenswerte, zwei bemerkenswerte politische Satiresendungen: „Quer“ von Christoph Süß, Bayerischer Rundfunk (ARD) und die „Heute-Show“, Oliver Welke, ZDF.

Spritzig, witzig und kein bisschen ängstlich. Bissig, aber nicht billig. Zwei Aufrechte gegen die flachen Talkshows, mit denen Günther Jauch, Maybritt Ilner und andere langweilen – degeneriert zu einem Jahrmarkt der Eitelkeiten, oder war das von Anfang an so? Leute, die sich für klug halten, reden durcheinander. Und so gemein die Übersetzung von Talk-Show in Quasselrunde auch klingt, sie trifft zu.

Wie wohltuend anders dagegen „Quer“ und „Heute-Show“! Da geht es wirklich zur Sache, zu Dingen, die uns bewegen, zu Sachen, die uns beschäftigen. Da sprechen uns Christoph Süß und Oliver Welke aus dem Herzen, und das mit Verstand. Endlich wird Klartext gesprochen, aber nicht verletzend, trotz aller Schärfe.

Ja, da freut sich der Bürger mindestens so wie die Claqueure in der „Heute-Show“ und denkt, nein, fühlt: „Siehste, so iss es. Das ist Demokratie. Das ist Freiheit. Das ist Meinungsfreiheit. Wir lassen uns doch nicht den Mund verbieten.“  Ein gutes Gefühl, ohne Zweifel.

Natürlich können wir das so sehen. Aber sehen wir die Sache richtig? Sollten wir zu gutgläubig, zu blauäugig sein? Es sieht so aus. Spätestens wenn wir uns fragen, was die Satire bewirkt, die uns so begeistert, fangen wir an zu zweifeln. Und es dauert nicht lange bis wir befürchten, „Quer“ und „Heute-Show“ bewirken eigentlich nichts. Aber da irren wir uns.

Die Wirkung ist fantastisch: wir Ahnungslosen werden ruhig gestellt. Süß und Welke haben Dampf abgelassen. Kein Überdruck mehr, der den Kessel zum Platzen bringen könnte. Und so kann der Politikunsinn, den wir täglich über uns ergehen lassen müssen, weiter betrieben werden.

Diese wunderbare Wirkung hat bereits das Propaganda-Genie Joseph Goebbels erkannt und befördert. Er hat sogar Werner Finck, wenn auch „leicht gedrosselt“, nach zeitweisem Verbot wieder im Kabarett der Komiker in Berlin auftreten lassen.

Auch wenn ein Goebbels weit und breit nicht zu sehen ist: Die Wirkung ist wie damals.

Die Konsequenz? Mehr Satire, mehr Kritik und weniger Talk, und das auf allen Kanälen! Vor allem aber: Nicht nur kritisieren lassen, sondern selbst kritisieren.
21. 03. 2015

Donnerstag, März 19, 2015

Schlussstrich

Nach einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung sind 77 Prozent der Deutschen dafür, „die Geschichte ruhen zu lassen“. 55 Prozent meinen, wir sollten endlich „einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen“. Fragt sich nur: Geht das überhaupt? Und wenn ja, wie?

Ich denke, es geht nicht. Was geschehen ist, ist geschehen. Ein Schlussstrich macht es nicht ungeschehen. Das Schändliche, das Entsetzliche bleibt, wie auch das Schöne, das Wertvolle. Wer würde unter unsere Klassiker, Goethe und Schiller und viele, viele andere, einen Schlussstrich ziehen wollen? Nicht einmal die, die niemals einen Blick in den „Faust“ oder „Wilhelm Tell“ werfen würden. Nicht einmal die.

Aber das Thema Auschwitz? Schlussstrich? Eigentlich zieht der sich von selbst. Die wenigen Überlebenden sterben dahin. Bald sind sie alle tot. Und mit den Tätern sieht es nicht anders aus. Ein, zwei, drei Jahre vielleicht, und auch sie sind dahin. Aus den Augen, aus dem Sinn? So einfach ist es nicht. Und der Autor des ZEIT-Beitrags vom 29. Januar 2015, „Neues Erinnern, 70 Jahre nach Auschwitz“, Heinrich Wefing, macht es sich nicht leicht.

Er stellt fest, dass sich die Art und Weise unserer Erinnerung verändert. Vergan-genheit wird anders sortiert, Wichtiges rückt in den Hintergrund, was mit Schlussstrich erst einmal nichts zu tun hat. „Erinnerung ist nichts Statisches, nichts Abgeschlossenes. Jede Generation hat einen eigenen Zugang zum Holocaust“, schreibt Heinrich Wefing und kehrt damit an den Anfang seines Beitrags zurück.

Dort notiert er: „Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat gefordert, der Besuch eines ehemaligen KZs sollte in Zukunft für alle Schüler ab der neunten Klasse verbindlich werden.“ und schließt die Frage an: „Was bringt verordnete Erinnerung?“ Ich sage: Sie bringt bei den Schülern nichts außer Verdruss und Langeweile.

Heinrich Wefing spannt den Bogen weiter. Wie erinnert sich Deutschland? Wie erinnern wir Deutschen uns? Nicht wenige von uns stammen aus der Türkei, aus Spanien, Italien, aus Syrien, dem Libanon und wer weiß woher. Sie sind Deutsche mit einer anderen Vergangenheit, aber mit unserer Gegenwart. Wie sollen sie einen Schlussstrich ziehen?

Ein anderer Beitrag aus der ZEIT vom 29. Januar 2015 „Böhmen, Pommern, Syrien“ (Andreas Kossert) gibt scheinbar zusammenhanglos eine Antwort. Er erinnert an die 14 Millionen Flüchtlinge aus Ostpreußen, Pommern, Westpreußen, Schlesien, aus dem Baltikum, die in den Resten Deutschlands strandeten. Willkommen waren sie nicht. Im Gegenteil: Oft waren sie verhasst. Zigeuner wurden sie genannt, Gesindel. Im Emsland hieß es nach dem Krieg: „Die drei großen Übel, das waren die Wildschweine, die Kartoffelkäfer und die Flüchtlinge.“ Besatzungsoldaten mussten die Einheimischen nicht selten mit vorgehaltener Maschinenpistole zwingen, Familien bei sich aufzunehmen (Zitat aus dem ZEIT-Beitrag). Das ist mir erspart geblieben, aber die Zurückhaltung im Pastorat des mecklenburgischen Dörfchens, in dem wir untergekrochen waren, die war zu spüren. So richtig christlich war die Pastoren-familie nicht. Und die Hühner legten nur für die Bauern ihre Eier, nicht für uns.

Worauf der ganze Beitrag hinausläuft? Zwei Zahlen machen das deutlich: 2014 nahm das Bundesland Brandenburg 6.000 Flüchtlinge auf. Im April 1949 lebten dort 655.466 Vertriebene, ein Bevölkerungsanteil von 24,8 Prozent.

„Was, wenn heute die Deutschen gezwungen würden, Flüchtlinge in ihren behag-lichen Eigenheimen Obdach zu geben? Die bloße Vorstellung wirkte wie eine ungeheure Provokation“, so Andreas Kossert. (Allein in Quickborn mit 20.000 Einwohnern wären 20.000 Flüchtlinge unterzubringen und alle würden immer noch komfortabler leben als es 1945 möglich war.) An alles das sollten wir uns erinnern, wenn von Überfremdung, von Überforderung gesprochen, geschwafelt wird.

Deshalb: Keinen Schlussstrich ziehen! Keine Erinnerungen auslöschen! Herz zeigen!

PS: Wie listig Herzlosigkeit heute versteckt wird, zeigt folgende auf den ersten Blick so einleuchtende, aber in Wirklichkeit infame Überlegung: Einwanderung, pardon –Immigration? Klar doch! Aber wir wollen nicht alle. Nur die sind uns willkommen, die uns nützlich sind, Fachkräfte, die wir dringend brauchen, damit es uns weiter so gut geht wie bisher. Wir wollen nicht helfen, wir wollen uns selbst helfen. Also machen wir einen Unterschied zwischen guten und schlechten Einwanderern, Immigranten, Flüchtlingen. So richtig wie im Märchen: Die guten ins Töpfchen, also zu uns, die schlechten ins Kröpfchen, also sonstwohin. Dreitausend sind im letzten Jahr im Mittelmeer ums Leben gekommen.
19. 03. 2015

Kleinigkeiten, zur Sprache gebracht

Ein Hamburger Unternehmen versteht sich als DOCUMENT MANAGEMENT, besser: will als soches verstanden werden. Was könnte das bedeuten? Vielleicht Aktenaufbewahrung? Oder Unterlagenarchivar? Keine Ahnung, aber es wird schon so etwas Ähnliches sein. An das DOCUMENT MANAGEMENT-SPRACH-MONUMENT kommt eine deutsche Bezeichnung natürlich nicht heran.

Genau ist es nach meiner Ansicht mit FACILITY MANAGEMENT, FACILITY MANAGER. Haus- oder Grundstücksverwaltung, Hausmeister. Klingt natürlich nicht so pompös, sondern provinziell. Weniger Sein statt Schein ist angesagt.

Hinter der Abkürzung BID verbirgt sich die Bezeichnung BUSINESS IMPROVEMENT DISTRICT, in Hamburg zurzeit furchtbar angesagt. Was steckt dahinter? Nichts anderes als dass Unternehmen Geld rausrücken, um ihre Umgebung – Verzeihung – ihren district ein bisschen hübscher zu machen. Natürlich zur Freude aller Bürger – ach, wie gemeinnützig – und für das eigene Wohlergehen. Im hübscher Umgebung mach Shoppen einfach mehr Spaß. Und Spaß muss sein.

Man muss aber nicht immer aufs Englische zurück greifen, es geht auch anders, wenn man Eindruck schinden will. Ein gutes Beispiel ist das Wörtchen SOZIALISATION. Wahrscheinlich ein Begriff, mit dem Soziologen seit jeher umgehen, wenn auch bis vor Kurzen sozusagen hinter verschlossenen Türen, im Turm der Wissenschaften. Jetzt können wir diesem Wörtchen kaum noch entkommen, es begegnet uns auf allen Kanälen, sozialisieren und sozialisiert inbegriffen.

Wenn wir mal genau hinsehen, uns einen Augenblick zurücklehnen und dann in unserer alten Sprachkiste kramen, taucht plötzlich ein ganz unscheinbares Wort auf: Erziehung. Sollte SOZIALISATION wirklich etwas anderes sein als Erziehung? Erziehung nicht nur durch die Eltern, nicht nur in der Familie, in der Nachbarschaft, auch in der Schule und nicht zuletzt durch die Spielregeln des kulturellen Lebens, ob deutsch, italienisch, spanisch usw. meinethalben auch griechisch.

So viel Pompdeutsch, so viel elitärisches Geschwurbel. Unser geduldiges Deutsch erträgt das alles, und uns bleibt auch nichts anderes übrig. Sollten Sie jetzt einwenden, so schreibt man, man schreibt eben anders als man spricht, ein bisschen hochgestochener – sollten Sie das glauben, dann hören Sie mal in Interviews im Deutschlandfunk hinein und genießen das sprachliche Hightec, das Ihnen in jeder Talkshow geboten wird.

Was politisch korrekte Äußerungen angeht, hier nur der Hinweis auf die Operette „Der Zigeunerbaron“ von Lehar. Das müsste ja nun „Der Sinti- und Romabaron“ heißen. Und ob es wirklich ein Restaurant gibt, auf dessen Speisekarte anstelle des Zigeunerschnitzels „Sinti-und Roma-Schnitzel“ steht? Aber auch im politisch Korrekten muss es ja Ausnahmen geben.

Vom politisch Korrekten zum Behördendeusch ist es nicht weit, nur ein Katzensprung sozusagen. Zum Weinen und zum Lachen zugleich ist das Eine wie das Andere. Das  möchte ich  Ihnen, meinen Lesern, mit einer landläufigen Redewendung vor Augen führen.

„Die Einzelraumbefeuerungsanlage ist aus.“ Das haben Sie bestimmt schon zig Mal gehört, immer dann, wenn nichts mehr geht, wenn alles vorbei ist, wenn Schluss gemacht werden muss, immer dann sagt das das irgendjemand.

Für den Fall, dass Sie da immer weggehört haben und deshalb jetzt ein wenig verwirrt und ratlos sind: Gemeint ist „Der Ofen ist aus.“ So sagt es jedenfall die Umgangssprache. Aber im Behördendeutsch sind der Kanonenofen und der Kachelofen eben nicht einfach  Öfen, mit denen man ein Zimmer heizen kann, sondern eine Einzelraumbefeuerungsanlage.
19. 03. 2015

Mittwoch, März 18, 2015

Glückliche Zeiten

Überall ist zu lesen und zu hören und fernzusehen, dass es Deutschland beneidenswert gut geht, jedenfalls wirtschaftlich und im Vergleich zu anderen Ländern. Das mag im Großen und Ganzen zutreffen, aber die Wirklichkeit scheint es doch nicht zu sein, jedenfalls dann nicht, wenn man die Sache ganz persönlich betrachtet. Und daran führt nichts vorbei. Jeder von uns führt sein eigenes Leben und nicht das Leben von Deutschland.  Alles Glück und jedes Unglück ist persönlich. Jeder Erfolg und jeder Misserfolg ist persönlich. Wenn man das alles zusammenzählt, mag ja ein erfolgreiches Deutschland herauskommen. Ein glückliches auch? Ich schiebe das Große und Ganze jetzt mal beiseite und werde persönlich.

Heute, am 17. März 2015, las ich im Hamburger Abendblatt „Eltern verzweifeln an Kita-Kosten.“ Und weiter: „Wegzug, Verzícht auf Kinder oder Arbeit. Eltern im Kreis Pinneberg müssen von August an mehr für die Betreuung ihrer Kinder zahlen – dabei klagen sie schon heute über die hohe finanzielle Belastung.“ Sie klagen zu Recht, finde ich. „Für einen Ganztagesplatz müssen Eltern demnach ab dem 1. August 296 Euro pro Monat zahlen.“ – so das Hamburger Abendblatt. Und weiter: „Für die Betreuung von zwei Kindern in der Zeit von 8 bis 17 Uhr plus Essengeld zahle eine Familie 800 Euro pro Monat…“. Das wäre für uns seinerzeit unbezahlbar gewesen. Darauf komme ich noch zurück.

Zunächst aber noch zu dem offenkundigen Unsinn, den sich irgendwelche Menschen in Verwaltung und Politik ausgedacht haben. Zitat: „Einige (Eltern) würden ihren Job ganz aufgeben, andere ihre Arbeitszeit so reduzieren, dass sie Zuschüsse zu den Kita-Kosten bekommen und am Monatsende mehr auf dem Konto haben, als wenn sie voll arbeiten.“  Zitat: „Das ist ein volkswirtschaftlicher Irrsinn“, sagt  Nadine Mai, Kreiselternvertreterin. Das heißt:  Wenn ich weniger arbeite, bekomme ich mehr Geld. Wer bezahlt diesen Irrsinn? Natürlich Deutschland. Aber das bin ich ja nicht. Oder doch?

Wie haben wir das eigentlich gemacht? Wie haben wir uns durchs Leben geschlagen? Wie haben wir unsere Söhne großgezogen? Ich weiß, das lässt sich nicht so einfach wiederholen, selbst wenn wir es wollten. Aber ein paar Blicke darauf verführen viel-leicht zum Nachdenken. Und das muss nicht verkehrt sein. Es sind aber wirklich nur ein paar Blicke. Mehr würde zu weit führen in vieler Hinsicht.

Als wir jung waren und ein junges Ehepaar, hatten wir beide Arbeit, die an-spruchsvoll war, die uns Freude machte und unseren Ehrgeiz anstachelte, und wir verdienten gut, sehr gut. Trotzdem hatten wir keine Flausen im Kopf. Wir hatten uns ein kleines Häuschen zurechtgezimmert. Die 54 Quadratmeter reichten, später nicht nur für uns, sondern auch für unseren ersten Sohn.

Der erste Sohn. Er beendete zunächst einmal die Karriere einer ausnehmend tüchtigen Chefsekretärin. Eine totale Umstellung, nicht Termine machen, sondern Terminen folgen, die der hungrige Sohn bestimmte. Übrigens: Die Pampers waren damals noch nicht erfunden. Das alles war nicht einfach, aber es ging. Auch das eine Einkommen anstelle von zwei reichte. Es ging weiter voran.

Tausend und abertausend Einzelheiten müssen jetzt übersprungen werden, sonst kommt die Geschichte nie zu einem Ende. Aber doch noch dies und das:

Damals brauchte eine Ehefrau die Genehmigung ihres Ehemanns, um Arbeit anzunehmen; er konnte es verbieten.  Für uns war das kein Thema, für einige Nach-barinnen aber doch. (Frage: „Hat Ihr Mann Ihnen das erlaubt?“)

Das Wort Karriereknick gab es damals noch nicht, den Knick vielleicht schon.  Als die Söhne aus dem Gröbsten heraus waren, machte sich die ehemalige Chef-sekretärin auf den Weg und arbeitete sich hoch bis ins Chefsekretariat eines internationalen Mineralölunternehmens. Sowas ging damals. Heute nicht?

Und was die Quote angeht, unsere aktuelle Frauenquote? Die gab es auch nicht. Ich bin versucht zu sagen: „Wie war die Welt doch schön!“ Aber das will ich mir verkneifen. Sie war anders, die Welt. Sie war einfacher.

Klar, das Oben und Unten gab es damals schon genauso wie immer. Ich nehme an, wir haben es nicht so ernst genommen. Der Kinderwagen, in dem unser erster Sohn den ersten sonnigen Sommer seines Lebens im Freien verbrachte, hatte schon einige andere Babys der Familie beherbergt; es war gebraucht – second hand, damals noch kein geläufiger Begriffe – wäre geschmeichelt gewesen. Aus dem Jungen ist ein tüchtiger Mann geworden.

Unsere beiden Jungs sind in kurzen Lederhosen groß geworden. Die gingen nicht so schnell kaputt. Weder die Söhne noch wir hatten irgendwelche Schwierigkeiten damit, dabei waren Lederhosen keineswegs „in“. Der „in“-Fimmel, der heute so viele verrückt macht, kam erst später.

Bin ich jetzt von Hundertsten ins Tausendste gekommen? Ich hoffe, nicht. Und deshalb sicherheitshalber: Schluss für heute!
17. 03. 2015

Dienstag, März 17, 2015

Quer Beet

„Am Ende der Welt.“ Im Pazifik hat ein Zyklon ein ganzes Inselreich hinweg gefegt. Wie eine Atombombe hätte er gewirkt, heißt es. Überall die schrecklichsten Bilder und Berichte. Das Herz könnte einem stehen bleiben. Spendenaufrufe über Spendenaufrufe. Andere Länder wollen helfen, die Not zu lindern. Ein Zyklon mit einer Geschwindigkeit von 300 Kilometern in der Stunde – etwas, das immer schon mal vorkam im Pazifik oder eine Folge des Klimawandels?

Wütete der Zyklon wirklich „am Ende der Welt“, wie es Claus Kleber im ZDF-heute journal sagte? Die Menschen von Vanuatu sehen das gewiss anders. Für sie war es eher „das Ende der Welt“.

Gedankensprung: Von allen Enden der Welt stürzen Nachrichten auf uns ein. Katastrophenmeldungen drängeln sich nach vorn. Welche sind wichtig, welche nicht? Was bedeutet es, wenn in den Anden ein Bus in eine Schlucht stürzt und alle Insassen um Leben kommen? Für die Passagiere den Tod, für die Angehörigen Trauer. Und für uns? Nichts! Ich weiß, das klingt herzlos. Aber ist es das wirklich? Wir können nicht an jedem Grab stehen.

Das Busunglück in den Anden ist eine Meldung vom Ende der Welt. Die Meldung von der Beinaheauslöschung des Inselstaats Vanadu ist das nicht. Sie ist eine Nachricht, die alle Menschen betrifft, ganz gleich wo sie leben – sofern dieser Typhoon eine Folge des von uns inszenierten Klimawandels sein sollte.

Fazit: Weniger „Nachrichten“ wären mehr. Aber wir müssen ja nicht alles lesen, müssen nicht alles sehen, müssen nicht allem und jedem zuhören. Sortieren müssen wir schon selbst. Und das sollten wir uns auch von niemandem abnehmen lassen.

„Weiche“ Ziele. Weil ich mir unter „Fassbomben“ nichts so richtig vorstellen konnte außer der von mir vermuteten Form, habe ich mich mal umgesehen. Der Grund: „Fassbomben“ sollen geächtet, sollen verboten werden. Warum ausgerechnet die?

Ach ja, diese Sprengkörper sind besonders billig herzustellen. Man nehme ein Fass, fülle es mit einer Mischung von Chemikalien, die man in jeder Drogerie kaufen kann und füge eine gehörige Portion Nägel oder – nach Belieben – auch andere Metallstücke hinzu. Noch ein kleiner Aufschlagzünder, und fertig ist die „Fass-bombe“. Einfach herzustellen und konkurrenzlos billig. Ob das der Grund ist für den Protest? Steckt hinter der verlangten Ächtung etwa die Rüstungsindustrie, deren Produkte viel teurer sind? Ein teuflischer Gedanke? Ja, genau so teuflisch wie die „Fassbombe“ und alle anderen Bomben auch.

Und als wenn das nicht teuflisch genug wäre: Beklagt wird, dass die „Fassbombe“ gegen „weiche“ Ziele eingesetzt wird. „Weiche“ Ziele? Menschen! Geht es noch entsetzlicher?

Musikalisches Missverständnis. Letzte Nacht hörte ich in eine Deutschlandfunk-Sendung zur Buchmesse in Leipzig hinein. Garniert wurde das hochkulturelle Geplau-dere mit einem nicht endenwollenden Musikstück. Einfallslose Tonfolgen, nur mäßig variiert, dafür aber bis an die Grenze der Erträglichkeit wiederholt. Aber auch das Schlechte hat sein Gutes: Ein neues Wort für Musik, die keine ist: Tonologie.

Sprachtänzer. Wir würdigen diese Artisten im Sprachzirkus nicht gebührend. Das sollten wir aber tun. Anstelle von Müllverbrennung Thermische Verwertung zu sagen, ist doch ein in vieler Hinsicht atemberaubender sprachlicher Hochseilakt – oder? Nicht ganz auf diesem Niveau die Äußerung unseres Regierungssprechers Steffen Seibert, die Frage der Entschädigungszahlungen von Deutschland an Grie-chenland sei „abschließend und final“ geklärt. Doppelt gemoppelt. Aber ich sage mit aller Klarheit, aller Deutlichkeit und unmissverständlich: Man kann sich nicht oft genug wiederholen. Wer bietet mehr?

Profilierungssucht. Profilierungssucht eine Sucht, die sucht, was nicht zu finden ist. Klingt albern, ist aber so, zumindest, wenn man Herrn Schäfer-Gümbel von der SPD folgt, der ein schärferes Profil gegenüber der Union fordert.

Aber Herr Schäfer-Gümbel, das haben Sie doch bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union sozusagen an der Garderobe abgegeben. Erst haben Sie sich mit der Union wie die Kesselflicker geprügelt, und dann haben Sie gemeinsame Sache gemacht.

Bitte vergessen Sie nicht: Wir Wähler haben nicht die Große Koalition gewählt. Diese Große Koalition ist über unsere Köpfe hinweg erkungelt wurden. Sie waren zu feige, nicht Sie allein natürlich, eine Minderheitsregierung zuzulassen. Sie sind, natürlich nicht Sie allein, einem Wettbewerb ausgewichen, haben ihn verhindert. Was daran so schlimm ist? Eine Minderheitsregierung muss um ihre Ideen kämpfen. Eine Große Koalition (GROKO) setzt sie durch. Bei uns zurzeit mit einer diktatorischen 80%-Übermacht.

Und jetzt, Herr Schäfer-Gümbel, jetzt suchen Sie nach dem an der Garderobe abgegebenen Profil Ihrer Partei? Zu spät! Die Garderobieren sind längst nach Hause gegangen. Pech für Sie!

Das war nun wirklich quer Beet durch alle möglichen und unmöglichen Themen. Wie wäre es mit Widerspruch?

Montag, März 16, 2015

Der Wahnsinn kennt keine Grenzen

Vor ein paar Tagen wurde von einem Mädchen aus dem Ruhrgebiet berichtet, das in Syrien oder im Irak gegen den sogenannten IS gekämpft hatte und dabei zu Tode gekommen ist. 19 Jahre oder so. Ein bisschen früh zum Sterben.

Mitleid hat sich bei mir nicht eingestellt, vielleicht Verzweiflung. Weil dieser Tod, so sehe ich das, genau so sinnlos ist wie der von tausenden fanatisierten deutschen Jungs, die sich Ende des letzten Weltkriegs wie die Irren, wie die Wahnsinnigen, begeistert dem Tod auslieferten – für einen Wahnsinn, den sie für Sinn hielten. Ich denke dabei besonders an die Jungs der Waffen-SS-Division Hitlerjugend, die den alliierten Streitkräften selbstmörderischen Widerstand leisteten.

Der Mensch ist unbelehrbar. Ein weiterer der unendlich vielen Beweise: Eine Meldung von SPIEGEL ONLINE heute, am 15. März 2015.

„Der Krieg in der Ostukraine… Anziehungspunkt für junge Leute aus Deutschland. Mehr als hundert junge Deutsche kämpfen aufseiten der prorussischen Separatisten, schreibt die Welt am Sonntag.“

Haben die Jungs und Mädels nichts Besseres zu tun, als sich und andere ins Unglück zu stürzen? Aber vielleicht sehen sie den Tod nicht als Unglück, sondern als Erlösung. Das wäre eine Erklärung. Aber keine Entschuldigung für ihren Wahnsinn.

Bleibt die Frage: Müsst ihr auswandern, um Probleme zu lösen? Haben wir hier nicht auch Probleme? Ich weiß, das ist eine ziemlich blöde Frage. Aber müsst ihr darauf  eine blöde Antwort geben? Müsst ihr in den Krieg ziehen? Schenkt euch das!

Bleibt zu Hause. Wir haben hier genug Probleme. Versucht mal, die zu lösen. Kämpft! Aber bitte ohne Kalaschnikows Das bringt nichts, wie der Todesmarsch der RAF es gezeigt hat. Mit Wörtern ist der Kampf um Gerechtigkeit nicht zu gewinnen?
Wenn ihr es noch nicht probiert habt, dann könnt ihr es auch nicht wissen.

Macht eure Klappe auf, haltet nicht länger den Mund! Auch Wörter können ins Herz treffen, nicht nur die Kalaschnikow. Und redet euch nicht damit heraus, dass das doch nichts nützt. Das wäre zu billig.

Ihr habt nicht die Geduld, einen Krieg mit Wörtern zu führen? Zugegeben: Dieser Krieg braucht Zeit. Aber die habt ihr doch! Ihr seid jung. Also los jetzt!

16. 03. 2015

Montag, März 09, 2015

Ein Stück aus dem Tollhaus

Wir sitzen in einem Irrenhaus und keiner lässt uns raus, jedenfalls keine unserer Regierungen. Dabei wollen wir alle raus. Wir hatten schon etwas dagegen, in diese Klapsmühle gesteckt zu werden. Aber wir hatten keine Chance. Nun sitzen wir in der Falle.

Natürlich geht es wieder um die Griechen. Damit fängt der Irrsinn schon an. Es gibt „die Griechen“ gar nicht. Es gibt griechische Menschen und einen griechischen Staat. Das ist ein ziemlich großer Unterschied, genau so wie bei uns.

Nun tun alle Staaten so, als sprächen sie für alle ihre Bürger. Das ist natürlich Quatsch. Sie tun nur so. Weil aber alle Staaten zusammenhalten, spielen sie ihr eigenes Spiel an ihren Bürgern vorbei.

Das kann nicht sein? Es ist aber so. Die griechische Regierung hat die anderen europäischen Regierungen mit gefälschten Papieren betrogen. Das waren nicht „die Griechen“. Und dann wurden Banken gerettet und die Regierungsclans, aber die Armen wurden immer ärmer und immer wütender. Sie wählten eine Partei, die sie auf ihrer Seite sahen, eine „linke“ Partei.

Damit ihre Partei regieren konnte, verbündete sie sich mit ihrem Gegenteil, einer rechtspopulistischen Partei.  Und so geht alles wieder von vorn los.  Der Staat und seine Bürger passen einfach nicht zusammen. Das ist auch bei uns zu beobachten.

Natürlich können wir den im Augenblick zuständigen griechischen Staatsmännern vorwerfen, dass sie sich sehr rüpelhaft benehmen. Darüber könnten wir hinweg sehen. Ehrlich gesagt, das möchte ich nicht.

Aber was Herr Panos Kammenos, der griechische Verteidigungsminister, von sich gibt, geht nun doch zu weit: „Wenn Sie Griechenland einen Schlag versetzen, dann sollten Sie wissen, dass die Migranten Papiere bekommen und nach Berlin gehen.“ Und wenn unter den Flüchtlingen auch Mitglieder der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sein sollten, sei Europa durch seine Haltung gegenüber Griechenland in der Schuldenfrage* selbst dafür verantwortlich, wird Kammenos zitiert.  *Schuldenfrage oder Schuldfrage?  - diese Frage sei erlaubt.

Ich denke, so sollte es nicht gehen. Vergessen wir mal den lächerlichen Staat Griechenland, der sich wie eine Großmacht aufführt und  uns schon viel zu lange auf der Nase herum tanzt.

Denken wir stattdessen an die Menschen in Griechenland, die nichts anderes wollen als wir: Für eine gute Arbeit gutes Geld erhalten und angemessene Steuern zahlen. Dann würden alle über die Runden kommen und der Staat Griechenland stünde glänzend da. Aber der ist möglicherweise gar nicht daran interessiert.  08. 03. 2015 

Sonntag, März 08, 2015

Verraten und verkauft.

Es geht um die sogenannte Vorratsdatenspeicherung. Nach SPIEGEL-Informationen (SPIEGEL ONLINE, 08. 03. 2015) will „die Bundesregierung in einem nationalen Alleingang die umstrittene Vorratsdatenspeicherung einführen.“

Der Europäische Gerichtshof hatte im vergangenen Jahr eine EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung kassiert, weil er unter anderem im anlasslosen massen-haften Vorhalten von Daten zu Fahndungszwecken einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte von EU-Bürgern sah.

Folglich wollte die Bundesregierung eine grundgerechtskonforme Richtlinie der EU abwarten. Die hat es aber anscheinend nicht eilig, die Bundesregierung dagegen schon, aus welchen Gründen auch immer. Deshalb sollen Innenminister de Maizière (CDU) und Justizminiter Maas (SPD) einen Kompromiss für ein Gesetz ausarbeiten. Maas war bisher gegen dieses fragwürdige Fahndungsinstrument. Nun anscheindend nicht mehr. Entsprechende Gespräche sollen schon laufen.

Die Empörung unter den SPIEGEL ONLINE-Lesern ist beachtlich. Innerhalb kurzer Zeit wurden 130 fast ausschließlich kritische Kommentare zum Thema veröffentlicht.  Ich habe mich hoffentlich deutlich genug geäußert, wenn auch zurückhaltender als die meisten Kommentatoren:

„Vorrat oder Verrat? – Was heißt Vorratsdatenspeicherung eigentlich? Es bedeutet nichts anderes, als alle Bürger vorsorglich zu verdächtigen. Misstrauen ohne Grenzen! Und da sollen wir der Politik vertrauen, sollen den hysterisierten Politikern vertrauen? Das dürfte doch ein wenig zu viel verlangt sein. Ich jedenfalls will von meiner Regierung nicht gefangen genommen werden. Ich äußere mich selten so emotional. Aber jetzt reicht’s. Peter Gudelius, 07. 03. 2015.“ So weit mein Kommentar. Ich fühle mich verraten und verkauft.

Wir Internet-/E-Mail-Menschen hinterlassen unvermeidlicherweise überall Datenspu-ren. Das wird von allen möglichen Unternehmen bis hin zur Unanständigkeit ausge-nutzt, und wir wissen nicht, wie wir uns dagegen wirksam schützen könnten – es sei denn durch den totalen Ausstieg aus dem System. Das dürfte für die Meisten unmöglich sein. Und nun will auch unsere Regierung das Spielchen spielen!

Bevor es uns endgültig die Sprache verschlägt, noch dies: „Datenschützer aller Länder, vereinigt euch!“

Freitag, März 06, 2015

Gender Pay Gap / Lückenbüßer

Die Lücke, die zwischen Mann und Frau natürlicherweise besteht, schließen die beiden ilm Allgemeinen ziemlich erfolgreich, nicht selten auch mit Vergnügen. Nur wenn es ums Geld geht, stimmt die Sache nicht.

Für ein-und-dieselbe Arbeit bekommt ein Mann mehr Geld als eine Frau. Das ist ungerecht, und jeder sieht das ein. Vielleicht nicht jeder. Auf jeden Fall ist Frau Schwesig, zurzeit Familienministerin unserer Republik, damit nicht einverstanden. Sie will das mit einem Gesetz ändern.

Das Dumme ist nur, dass sie das Problem nicht ganz begriffen hat. Jedenfalls ist das mein Eindruck. Sie beklagt, dass Frauen ihre Ansprüche nicht hartnäckig genug anmelden, dass sie nicht ehrgeizig genug sind und sich mit der Rolle der No. 2 zufrieden geben. Das mag alles so sein. Aber das ist nicht das Problem. Das Problem sind die Männer, das Problem ist die Männergesellschaft.

Wenn eine Frau mein Auto wäscht, dann soll sie dafür genau so viel bekommen wie ein Mann. Wenn eine Frau eine Arbeit wie ein Mann macht, dann muss sie dafür auch genau so gut wie ein Mann bezahlt werden. Das ist der Punkt. Ist das so schwer zu begreifen?

Warum redet Frau Schwesig wie so viele andere darum herum? KISS, liebe Frau Schwesig: Keep it simple and stupid! Ob ein Mann ein Hemd bügelt, was selten vorkommt, oder eine Frau, ist egal, Hauptsache alles ist picobello. Ob eine Frau die Räder an meinem Auto wechselt oder ein Mann, ist egal. Hauptsache, die Radbolzen sitzen wirklich fest. Nicht egal ist, wenn eine Frau dafür schlechter bezahlt wird. Warum geht das nicht in die Köpfe rein?
05. 03. 2015 

Wie arm ist arm?

Eine schwierige Frage. Gibt es überhaupt eine Antwort darauf? Vielleicht lässt sich eine vernünftige Antwort finden, wenn wir die Frage anders stellen: Wie reich ist arm?

Der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes berichtet, dass 15,5 Prozent der Bundesbürger von Armut betroffen seien. Das sind einige Millionen. Viele arme Bürger also in einem reichen Land. Aber wie arm ist arm nun wirklich? Die Antwort: Wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens (in Deutschland) verdient, wird als arm bezeichnet.

An der Schwierigkeit, diese Prozentaussage in EURO auszudrücken, bin ich gescheitert – zu viele Statistiken, und jede scheint etwas anderes zu sagen! Dafür habe ich gelernt, dass es verschiedene Armuten gibt: zum Beispiel die Einkommensarmut (wenn man weniger als 60 Prozent des Durchschnitts-einkommens nach Hause bringt), die relative Einkommensarmut, die subjektive Armut – bei längerem Suchen hätte ich sicherlich noch die eine oder andere Armut entdeckt.

Welcher zivilisatorische Reichtum ist einem Armen in Deutschland eigentlich erlaubt, was billigen wir ihm zu, was gestatten wir ihm? Auch eine Frage, die mir durch den Kopf ging. Waschmaschine, Fernseher, Handy, Auto – muss das alles sein? Gab es doch früher auch nicht. Ach ja, früher! Lassen wir das.

Einen Vergleich der Armut in Deutschland mit der in anderen Ländern habe ich mir erspart, nicht aus Faulheit, sondern weil es ungerecht wäre. Ein Äthiopier würde wahrscheinlich selbst den ärmsten Deutschen für reich halten. Aber so geht das nicht. Dazu sind die Lebensbedingungen zu unterschiedlich.

Und dann meine Begegnung mit dem Statistiker Walter Krämer, der im Deutschlandradio Kultur-Interview am 22. Februar sagt: „15 Prozent Arme? – ‚Reiner Unfug!“  Er sagt, dass man Armut nicht am Reichtum messen kann. Selbst wenn alle über das Doppelte verfügten, die Reichen wie die Armen, blieben die Armen arm, obgleich sie nun doppelt so viel Geld hätten. Manchmal muss man wirklich einfach denken, um die Probleme zu erkennen.

Wenn man über Arme rede, sollte man schauen, wie es den Armen gehe und nicht den Reichen, sagt Krämer. Zitat aus dem Deutschlandradio-Interview: „Um über Armut zu reden, muss man die Reichen außen vor lassen und nur gucken, wie kommen die Leute über die Runden, die am unteren Ende der Einkommenspyramide leben? Und wenn es denen besser geht, nimmt die Armut ab. Punkt.“

Auf die Frage „Wie kann man denn Armut in Zahlen fassen oder wie kann man das definieren?“ sagt Krämer: „Erst wenn man guckt, wie viele Leute keine warme Wohnung haben, kein Dach über dem Kopf, hungern müssen zum Beispiel, richtig physisch am Existenzminimum leben. Das kann man durchaus ermitteln und wird auch in anderen Ländern getan, nur bei uns nicht.“

Mein Fazit: Weg von den unmenschlichen Statistiken, hin zu Vernunft und Herz!
05. 03. 2015



Donnerstag, März 05, 2015

Der eine und der andere Tod. Welcher zählt?

Wer glaubt, die folgenden Zeilen seien von Gefühllosigkeit diktiert, irrt. Das Gegenteil ist der Fall, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussehen mag.
Am Anfang dieser Betrachtung stehen Zahlen, und wir wollen jetzt einmal überlegen, was sie uns sagen. Wecken Sie Gefühle in uns? Wenn ja, welche? Lassen sie uns kalt, auch, wenn wir es nicht zugeben?

Gestern oder vorgestern sind im Krieg in der Ukraine zwei Soldaten und vier Zivilisten getötet worden, ums Leben gekommen. Und morgen wird es voraussichtlich ähnlich sein.

Zwischenfrage: Wer kennt den Unterschied zwischen dem Tod eines Soldaten und dem einer jungen Frau, die auf einen Bus wartete und stattdessen den Tod fand, den sie nicht suchte? Ist der eine Tod mehr und der andere weniger zu bedauern und zu betrauern? Weiß jemand die Antwort?

Ich mache jetzt einen großen Sprung, lasse die Toten in den kaum noch zu über-schauenden klein-großen Kriegen ungezählt beiseite. Ich wende mich einer größeren Zahl von Toten zu.

An der Ebola-Seuche sind  seit 2014 bis heute 9.000 Menschen gestorben. Wie schrecklich das ist, wurde so oft und so beeindruckend beschrieben, dass ich es hier nicht noch einmal schildern muss.

Auf jeden Fall hat sich die ganze Welt mit allen ihren humanitären Institutionen (UNO usw.) damit beschäftigt – voller Sorge, voller Selbstvorwürfe und – zugegeben – mit gewissen Erfolgen. Und alles soll unternommen werden, damit diese Seuche ausgelöscht wird, ein für allemal und koste es, was es wolle. Kein Protest. Jeder, der ein Herz hat, muss das wollen.

Wenn da nur nicht noch etwas anderes wäre, das uns beunruhigen sollte. Allein in Europa sterben jährlich 430.000 Menschen an Feinstaub. Der ist so fein, dass man ihn nicht sieht. Aber er ist tötlich. Also: Jeden Tag sterben hier etwa 1.200 Menschen an Feinstaub – in gut sieben Tage so viele wie an Ebola in anderthalb Jahren.

Ein Horror, aber keine Horrormeldung! Da haben wir es: den einen und den anderen Tod. Der eine eine Staatsakt, der andere anonym. Politik und Medien machen hier gemeinsame Sache.

Was Aufsehen erregt, zählt. Ansonsten: Wegsehen! Es wäre ja auch zu gruselig, uns vorzurechnen, dass der Tod etwa jede Minute  einen von uns aufs Feinstaubkonto bucht. Da bleibt uns ja die Luft weg.
04. 03. 2015

Dienstag, März 03, 2015

Hysterie

Warum versuchen so viele, uns Angst zu machen? Warum lassen wir uns Angst machen? Nein, ich bin alles andere als ein Held. Ich denke, manchmal ist es besser, nicht den starken Mann zu markieren. Das klären wir am besten  von Fall zu Fall.

Dass Osama Bin Laden die USA um den Verstand gebracht hat, ist eine Sache. Aber sie ist nicht meine Sache. Wird mich jemand totschießen, nur weil ich die Kölner Karnevalisten für Feiglinge halte, weil ich wollte, dass sie auf dem Rosenmontagszug auch den „Je suis Charlie“-Wagen zeigen? Ich weiß es nicht. Aber eins weiß ich: Ich will mir von niemandem auf der Nase herumtanzen lassen.

Warum lassen sich da die Kölner Karnevalisten und die Bremer Behörden ins Bockshorn jagen und nicht nur sie? Jeder Schritt zurück ist ein Schritt voran für die Extremisten.

Voreiliger Gehorsam? Hier ist er. Wollen wir wirklich einem religiös getarnten Irrsinn nachgeben? Ich nicht!

Bremen hat die ganze Republik in Panik versetzt. Und nun? Fehlalarm. „Polizei fährt Einsatz in Bremen zurück“ meldet SPIEGEL ONLINE heute, 01. 03. 2015. „Die unmittelbare Gefahr ist vorbei, aber die Lage ist nicht entspannt“, so geht es weiter. Die festgenommenen Personen seien inzwischen wieder freigelassen worden, „aber noch nicht außer Verdacht“, wie der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer mitteilte. Na, so was!

Zwischen Verantwortung und  - mit Verlaub – vollgeschissenen Hosen gibt es doch wohl noch einen Unterschied. In Bremen allerdings nicht. Und in Köln auch nicht. Hoffentlich bleiben das die Ausnahmen.
01. 03. 2015