Donnerstag, August 17, 2017

Beim Wort genommen

„Speak you English?“ Dieses Buch von Gunther Bischoff zum Verlernen typisch deutscher Englischfehler ist leider in Vergessenheit geraten. Dabei gehörte es heute mehr denn ja auf den Schreibtisch eines jeden Journalisten.  Das würde uns vor manchen Peinlichkeiten wie „public viewing“* bewahren. Und es wäre Ansporn für die Schreiber zu überlegen, ob es wirklich sinnvoll ist, gedankenlos an die Stelle eines deutschen Wortes ein englisches zu setzen.

Eitle Weltläufigkeit der Autoren soll hier nicht unterstellt werden, und um den Unfug „Deutsche schreibt deutsch!“ geht es schon gar nicht. Es gibt immer wieder und nicht einmal so selten Fälle, in denen ein englischer Begriff schärfer, genauer, treffender ist. Dies sei vorsichtigerweise erwähnt, um unnötige Empörung gar nicht erst entstehen zu lassen.

Sehen wir uns ein paar Beispiele an:

„buzzword“ – wetten, nicht jeder versteht auf Anhieb, was damit gemeint ist. Nichts anderes als „Schlagwort“.

„Open air“- Kino ist nichts anderes als ein „Freiluft“-Kino. Gibt es irgendeinen Grund für die englische Bezeichnung?

„slow motion“ – eine Bildfolge ganz langsam ablaufen lassen, damit jede Einzelheit mit dem Auge erfasst werden kann. „Zeitlupe“ drückt das doch viel beeindruckender aus – oder?

„snapshot“ – zu Deutsch: „Schnappschuss“. Hier könnten wir ein Unentschieden geben. Aber wenn sich der Autor an deutsche Leser wendet, wäre da Schnappschuss nicht die bessere Wahl?

„breaking news“. Wie lange ist es her, dass wir bei Eiligen, bei Wichtigem, Telegramme verschicken, sogar Blitztelegramme! Aber das mit dem Blitz traf die Sache ja. Da kommen wir, vielleicht überraschend, auf „Blitzmeldung“, „Eilmeldung“. Nichts anderes meint „breaking news“: eine wichtige Nachricht, die die geplante Sendereihenfolge durchbricht, die eben wie ein Blitz dazwischen-fährt.

„war room“ – kann was mit Krieg zu tun haben, hat es glücklicherweise aber nicht immer. „Einsatzzentrale“ trifft die Sache in der Regel besser, beeindruckt aber weniger. Dieses Kriegerische stammt wahrscheinlich aus Amerika. In amerikanischen Unternehmen ist ja schon beinahe jeder Abteilungsleiter ein „Officer“. Aber vor dieser Einstellung müssen wir ja nicht strammstehen.

„newsroom“ – für jede Redaktion, ob Funk, Fernsehen oder Zeitung etwas, das es schon immer gab. Irgendwo mussten die Informationen schließlich landen, was aber nichts mit bestimmten Räumlichkeiten zu tun hatte, sondern auch heute noch eine Sache der Organisation ist. Wir haben es hier mit einem virtuellen, nicht wirklich existierend Raum zu tun. Aber das Kind hat jetzt einen Namen, nur im Deutschen nicht.

Stimmt nicht! „Nachrichtenzentrale“. Geht doch. Aber irgendwie fehlt da der Duft der großen, weiten Welt. Lassen wir den Kindern die Trompete.


Donnerstag, August 10, 2017

Heute schon geappt?

Hurra, der neue Rechtschreib-Duden ist da, 27. Auflage! 5.000 neue Wörter stehen drin, andere tauchen nicht mehr auf. „Appen“ soll eins der neuen sein, meint wahrscheinlich das Anwenden einer App. Bisschen komisch vielleicht, aber warum nicht? Das bringt unser Deutsch nicht aus dem Gleichgewicht.

Hauptsächlich englische Wörter reißt das Deutsche an sich und gemeindet sie ein. Dazu gehört auch „Hoody“. Das ist so ein Fummel mit Kapuze. Das wäre nun wirklich nicht nötig gewesen. Wäre es nicht viel lustiger, einen Kapuzenpulli „Kapuziner“ zu nennen? Aber jetzt ist es eben ein Hoody.

Bestimmt wird der Duden noch viel Prügel einstecken für „seine“ neue Rechtschreibung. Das ist aber ungerecht. Der Rechtschreibduden schreibt nicht mehr vor, sagt nicht, was richtig oder falsch ist, sondern er beschreibt. Er beschreibt die Entwicklung unserer Sprache, notiert an die Stelle nicht mehr benutzter Wörter neue – jetzt gerade sage und schreibe 5.000.

Auch wenn so Manchem so Manches nicht gefällt – niemand ist ja gezwungen, alles mitzumachen – schließen wir uns der Großzügigkeit an, die unsere lebendige Sprache (die reichste weltweit?) uns vormacht.

Bastian Sik – „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ – hat in einem Deutsch-landfunk-Gespräch gerade sinngemäß gesagt: Schreibt man uns erst einmal vor, wie wir zu sprechen und zu schreiben haben, dann wird es nicht lange dauern bis  man uns auch das richtige Denken diktiert. Wie das geht und wohin das führt, haben uns Deutschen zwei Diktaturen gezeigt. Das sollte reichen.


Wir plagen uns schon genug mit dem Unsinn der political correctness herum, die uns den Negerkuss und – noch schlimmer – Astrid Lindgrens Negerkönig verbieten will. Mit welchem Recht?

Mittwoch, August 09, 2017

Schon radikalisiert?

Radikalisieren ist seit einiger Zeit angesagt. Mal ist die Rede davon, wie Leute radikalisiert werden und mal von denen, die sich selbst radikalisieren. Das ist kein einfaches Thema. Es geht in die Tiefe – radix: die Wurzel.

Wie geht das eigentlich, sich selbst radikalieren? Wie machen wir es, dass wir nur noch eine Lösung kennen und und sie durchsetzen wollen. Rücksichtslos, alles sozusagen mit Stumpf und Stiel ausrotten?

Wir sehen nur noch schwarz oder weiß, Freund oder Feind, gut oder böse. Wir sehen nicht nach links oder rechts, nicht nach vorn, nur noch zurück auf das, was wir nicht wollen, um keinen Preis.

Und wie ist es mit der Radikalisierung anderer? Da gibt es zwei Möglichkeiten. Die erste: Wir brennen so für unsere radikale Ansicht, dass wir dieses Feuer mit allen unseren Mitteln weitertragen wollen, vielleicht sogar das Gefühl haben, das tun zu müssen. Ein gefährliches Spiel.

Die zweite: Wir wollen einfach nur herausfinden, wie weit wir andere Menschen verführen können. Wir wollen uns unsere Überlegenheit beweisen und die anderen mit unserer Stärke beeindrucken. Das ist die teuflische Variante.

Eine ziemlich philosophische Betrachtung? Nein, überhaupt nicht. Es ist nur die Reaktion darauf, dass alle Welt mit dem Begriff Radikalisierung nur so um sich wirft – bis zur Unerträglichkeit.

Weil das Wörtchen radix schon gefallen ist: Mindestens genauso auf die Nerven gehend ist die seit einiger Zeit um sich greifende Unsitte, jeden Menschen irgendwo wurzeln  zu lassen.

Zugegeben: Ohne unser Vorfahren gäbe es uns nicht – Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, von Adelsgeschlechtern mal abgesehen – aber ist es nicht beleidigend, wenn unsere Eltern so zu Wurzelzwergen degradiert werden?

Haben wir deutsche Wurzeln oder ganz einfach deutsche Eltern? Und – beispielsweise – unsere türkischen Nachbarn, hier geboren und genauso wie wir hier zu Hause, sind die vielleicht entwurzelt?

Überhaupt: Das Rumgezicke mit Migrationshintergrund usw. Was heißt hier Hintergrund? Haben wir nicht einfache Begriffe, die jeder versteht? Einwanderer, Zuwanderer meinethalben, Flüchtling (ach, dieses verquälte „Flüchtende“ grammatisch und in jeder Hinsicht falsch, so wie das Wörtchen gebraucht,  verbraucht wird.)
Dieses Gezicke haben wir der sogenannten political correctness zu verdanken. Aber wer hat die erfunden? Und mit welchem Recht? Und wer befindet darüber, was korrekt ist und was nicht? Wir sollten uns nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen von selbsternannten Tugendwächtern. Es genügt, wenn wir ganz einfach höflich sind. 




Dienstag, August 08, 2017

Aus der Spur

Das Auto von heute hilft uns mit den erstaunlichsten Assistenzsystemen, das zu tun, was wir früher ganz allein konnten: Aufmerksam, vorsichtig und rücksichtsvoll fahren – zur eigenen Sicherheit und die der anderen. Das haben wir in der Fahrschule gelernt und sind damit im Grunde genommen gut gefahren. Zugegeben: Wir haben Fehler gemacht. Aber machen Computer, machen Assistenzsysteme, keine? Sicherheitshalber sollten wir uns das nicht einreden lassen. Aber jetzt darüber zu sprechen, würde zu weit führen.

Nehmen wir uns Beispiel einmal den Spurhalteassistenten vor. Der sorgt dafür, dass wir nicht plötzlich auf die Gegenfahrbahn geraten. Könnte ja mal passieren, da wir nicht nur autofahren, sondern auch telefonieren, die neuesten Nachrichten sehen, vielleicht sogar einen Video-Clip, oder nach dem nächsten Restaurant oder Hotel suchen. Das alles lenkt natürlich ab. Dafür haben wir jetzt den Aufpasser. Der sorgt dafür, dass wir nicht aus der Spur geraten.

Wäre so ein Spurhalteassistent nicht auch etwas für die Politik? Eigentlich ja. Das werden wir gleich sehen. Und wir müssen unsere Automobilwelt dabei nicht einmal verlassen. Das Theater um Diesel und um Elektroantrieb spricht Bände.

Der Diesel vor allem, aber auch jeder Verbrennungsmotor ist des Teufels. Die Galgen stehen schon, die Stricke sind geknüpft, die Tage der Hinrichtung bekannt. Im einen oder anderen Land sollen zumindest DieselPKW nicht mehr zugelassen werden. Das ist die eine Seite. Und die andere?

Das Elektroauto. Schadstoffemission gleich null. Seine Technik ist die Rettung, die Rettung vor der Klimakatastrophe.  Ein Glaubenskrieg? Ja. Der Verstand kommt wieder mal zu kurz. Sowas hatten wir immer schon mal. Aber diesmal dürfte es besonders schlimm sein. Die ganze Angelegenheit gerät aus der Spur. Nicht nur die Automobilindustrie fährt ins Abseits.

Schalten wir doch mal vom höchsten Gang, von den Gefühlen,  ein, zwei Gänge runter, schalten wir auf Verstand.

Der Diesel ist eine Schmutzschleuder, ja. Das haben die Autohersteller – nachsichtig gesagt – verbockt. Dabei kann er „sauber“ sein, „sauberer“ als Benziner.  Das haben die Autohersteller selbst bewiesen. Sie können „saubere“ Diesel bauen. Das haben sie sogar schon gemacht. Die Sache ist erprobt. Mit Adblue geht das erwiesenermaßen. Den Herstellern ist das bis heute weniger wichtig als ihr Profit.

Zusammengefasst: Die Serienproduktion des „sauberen“ Dieselmotors ist von heute auf morgen möglich. Die Automobilindustrie muss es nur wollen – oder dazu gezwungen werden. Hier können wir wirklich einmal vom „gesunden Menschenverstand“ sprechen.

Der sagt uns aber noch etwas anderes. Der erinnert uns daran, dass unser Globus irgendwann einmal keinen Tropfen Mineralöl mehr hergeben kann. Egal, wie lange das noch dauert – irgendwann ist auch mit dem Dieselauto und dem Benziner Schluss. Übrigens auch mit vielen anderen Dingen, von denen einige noch wichtiger sind als Autos.

Daraus folgert: Lassen wir ab sofort nur noch „saubere“ (Adblue)Diesel auf die Straße und schaffen wir so schnell wie möglich die „Dreckschleudern“ ab. Und vergessen dabei nicht, dass auch dieser Diesel nicht für die Ewigkeit ist.

Das sieht nach der großen Stunde des Elektroantriebs aus. Null Emissionen, Strom aus der Steckdose. Alles schon ausprobiert. Alles funktioniert. Noch Fragen? Ja.

Fangen wir mit der Steckdose an. Es gibt zu wenige Ladestationen? Ja, aber das lässt sich ändern, daran wird mit Hochdruck gearbeitet, bald kein Problem mehr. Das Aufladen der Batterien dauert zu lange. Auch das wird sich ändern. Die Reichweiten lassen zu wünschen übrig?  Da geht es mit Riesenschritten voran.

Nur eine Frage kommt nicht zur Sprache: Woher kommt der Strom, den wir aus der Steckdose zapfen? Bei allem Fortschritt, den die erneuerbaren Energien erreicht haben – und sie werden noch viel mehr schaffen – der Strom kommt aus Atom- und aus Kohlekraftwerken.

In Deutschland könnte die nicht sicher beherrschbare Atomkraft ein Auslauf-modell sein, so ganz sicher ist das aber noch nicht. Bleiben die Stein- und Braunkohlewerke. Sie produzieren auf die denkbar unsauberste Weise den Strom, den das Elektroauto aus der Steckdose zieht. Eine ziemlich schmutzige Angelegenheit. Nur der von erneuerbaren Energien produzierte Strom macht das Elektroauto so sauber wie es uns heute vorgegaukelt wird. – Aber die schaffen es ja vielleicht mit Ach und Krach, die Atomkraftwerke überflüssig zu machen, nicht aber die Kohle. Ach ja, die Kohle ist übrigens genau so endlich wie das Mineralöl. Irgendwann ist da nichts mehr.

Und noch etwas: In der oberflächlichen Schwarz/weiß-Diskussion der Alter-nativen Diesel/Elektro wird höchstens am Rande wahrgenommen, dass der Bau einer Lithium-Ionen-Batterie genauso belastend ist wie der acht Jahre lange Betrieb eines AdBlue-Diesel.

„Was lernt uns das alles?“ würde Paul Dahlke jetzt fragen, der laut BILD-Zeitung seinem Hund das Schwimmen lernte.

Die Anwort: Nicht nur schwarz/weiß sehen. Aus unterschiedlichen Auffassungen keine Feindschaft machen. Probleme gemeinsam lösen. Und Probleme gibt es mehr als genug. Dazu gehört beispielsweise die Speicherung des regenerativ erzeugten Stroms. Die Verfahren sind bekannt und in der Praxis erprobt. Und der mit Wasserstoff betriebene Motor. Er läuft, aber nur am Rande. Warum eigentlich?

Wir haben also nicht nur Probleme. Wir haben auch Problemlösungen. Keine davon fällt wie ein Geschenk von Himmel. Alles hat seinen Preis. Und noch sind wir zahlungsfähig.

Denken wir deshalb daran, dass Eigentum verpflichtet. Wenn wir schon unsere kleine Erde als unser Eigentum betrachten, dann sollten wir auch unserer Pflicht nachkommen, sie in gutem Zustand zu erhalten – genauer gesagt: sie wieder in einen guten Zustand zu versetzen. Dann könnten wir wieder in die Spur kommen: „keep your lane!“ Nichts ist wichtiger als das, um sicher das Ziel zu erreichen. Kein „crash“ und kein Ende im Straßengraben.

PS: Nachzutragen wären hier noch viele Einzelheiten, z.B.: Warum ist nur von DieselPKW die Rede, nicht von den LKW? Was ist mit den zigtausenden LKW, die aus allen möglichen Ländern durch Deutschland fahren? Ganz zu schweigen vom Abschied der USA aus dem Pariser Umweltschutzabkommen? Und welchen Wert hat die Parisvereinbarung eigentlich? Usw. usw. Ein Thema ohne Ende.

















Wo hast du eigentlich das Brot? Eine märchenhafte und doch wahre Geschichte

Ein wirklich altes Ehepaar, er 91, sie zehn Jahre jünger, beim Frühstück. Ihre Unterhaltung zeigt, dass sie sich immer noch sehr mögen. Als er ein, zwei Sätze nicht zu Ende bringt, weil ihm nicht mehr einfällt, was er sagen wollte, sagt sie: „Was meint denn mein neunzehnjähriger Doktor da mal wieder?“ Er: „Aber hör doch endlich einmal auf mit dieser witzlosen Zahlendreherei.“ Sie: „Warum, Ich fühle mich dadurch noch mal wie 18.“

Ihr Gespräch dreht sich um ihre zunehmende Vergesslichkeit. Namen von Freunden und Bekannten fallen ihnen auf einmal nicht mehr ein, später vielleicht doch, und manchmal fragen sie sich, was sie eigentlich aus der Küche holen wollten. Sie haben es vergessen. Oft hilft es ihnen, ins Wohnzimmer zurückzugehen und sich zu fragen, was sie wollten. Richtig, ich wollte eine neue Tasse holen.

Und dann sprechen die beiden darüber, wie peinlich es ihnen ist, unterwegs gute Bekannte zu treffen, die sie schon tausendmal gesehen und gesprochen haben und deren Name ihnen plötzlich nicht einfällt.

Damit macht sich unser alter Herr auf einen Spaziergang, versehen mit dem Auftrag, ein Brot mitzubringen. Prompt passiert, was schon so oft passiert ist. Er trifft einen seiner früheren Patienten, man kommt ins Gespräch – nur: Wie heißt dieser Mann bloß? Als der, das ergibt sich glücklicherweise so, seinen Namen selbst erwähnt – große Erleichterung.

Beschwingt geht unser alter Herr nach Hause und berichtet von seiner Begeg-nung. Und seine Frau? Sie fragt: „Wo hast du eigentlich das Brot?“

Diese Geschichte beruht auf einem Text von Hans-Georg Voigt, den DIE ZEIT in ihrer Ausgabe vom 27. Juli veröffentlicht hat.)
06. 08. 2017


Freitag, August 04, 2017

Warum Herr Schreiber nicht mehr schreibt

Herr Schreiber, ein ausreichend erfolgreicher freier Journalist und Werbe-schriftsteller, stellte eines Tages fest, dass es aufgrund seines Alters angeraten sei, sich nach mehr Sicherheit umzusehen, nach einer festen Anstellung.

Wie es ein glücklicher Zufall wollte, stieß er auf die Möglichkeit, beim Presse- und Informationsamt der Bundesregierung unterzukommen, nicht von Fall zu Fall, sondern fest angestellt und auf Dauer. Genau das hatte ihm vorgeschwebt, und es fiel ihm nicht schwer, eine überzeugende Bewerbung einzuschicken.

Es dauerte nicht lange, und alles war unter Dach und Fach: die unbefristete Beschäftigung, eine zumutbare Arbeitszeit, Urlaub, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, ein angemessenes Gehalt. Schreiber, was willst du mehr?!

Jetzt wollte Herr Schreiber nur noch eins: schreiben. Damit hat er dann auch sofort losgelegt. Worum es ging, war ihm klar. Die Leistungen der Bundesregierung sollten im besten Licht dargestellt werden. Da kamen ihm die Erfahrungen als Werbeschriftsteller zugute. Darum ging es ja auch immer in der Werbung: das Produkt, die Dienstleistung, das Angebot – alles musste strahlen.

Natürlich, da gab es Grenzen. Zu voll durfte man den Mund nicht nehmen. Zumindest die Unwahrheit durfte man nicht sagen. So gut es ging, sorgte dafür das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Noch gefährlicher war es, wenn die Kunden der Sache auf die Schliche kamen und ein unehrliches Produkt mit Verachtung straften und nicht mehr kauften. Das war und ist die höchste Strafe, und jeder will sie vermeiden.

Das alles hatte Herr Schreiber im Kopf, als er seine ersten Texte für das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung schrieb. Damit hatte er kein Glück. Seine Texte wurden überarbeitet. Sie wurden richtig gestellt. Was er als kleinen Schritt „in die richtige Richtung“ darstellte (welch entsetzliche Polit-Formel!) sollte als der Fortschritt, die Lösung, der Durchbruch, zu lesen sein. Wenn nicht Lüge, so doch an der Wahrheit haarscharf vorbei.

Und nun schreibt Herr Schreiber nicht mehr, jedenfalls nicht für das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. In seinem Vertrag war auch eine Probezeit vereinbart. Die hat er nicht bestanden.

PS: Wie alle Märchen ist auch dieses Märchen wahr.






April, April!

Am 2. August 2017, war „Erdüberlastungstag“. Welch ein Unwort! Aber kein Unding. Alles, was wir uns ab heute von unserem kleinen Erdchen nehmen, alles das nehmen wir auf Kredit. Wir pumpen es uns, und unser Konto ist schon heute in den Miesen. Ein Wort sagt alles: Überziehungskredit, im Allgemeinen: Dispo. Die Zinsen dafür gehen über unsere Verhältnisse. Wir gehen pleite.

Das Dumme ist nur: Wir merken es nicht, jedenfalls nicht sofort. Wir leben weiter in Saus und Braus. Wir haben noch nicht verstanden, dass es genauso ist wie im ganz „normalen“ Leben. Wenn wir die Stromrechnung nicht bezahlen, wird uns der Strom abgestellt. Wenn wir die Miete nicht zahlen, fliegen wir raus und so weiter.

Klar, dass wir uns da zusammennehmen, wenigstens die meisten von uns. Wir schränken uns ein. Und wenn wir schon nichts auf die hohe Kante legen können für Unvorhergesehenes oder unser Alter, dann machen wir jedenfalls  keine Schulden, so schwer das auch fallen mag. Aber dass wir seit  dem 2. August auf Dispo leben – das lässt uns kalt?

Wahrscheinlich ist das gar nicht so. Wir wissen es nur nicht. Wir machen uns keine Gedanken darüber. Was soll man sich auch denken, wenn man das Wort „Erdüberlastungstag“ liest? Egal. Seit gestern leben alle Menschen auf unserem kleinen Erdchen auf Pump. Und niemand macht sich Gedanken darüber, wie wir aus unserem Dispo, aus diesem Schlamassel herauskommen könnten – wenn es überhaupt noch geht.

Schlimmer kann es nicht kommen? Aber ja! In Deutschland sind wir schon am 24. April in den Dispo geschlittert, leben seitdem über unsere Verhältnisse. Das erklärt die Überschrift „April, April“. Die Jahre werden immer kürzer. Nach nur 4 Monaten ist es in Deutschland zu Ende. Was alle Länder angeht, ist nach 7 Monaten Schluss. Natürlich könnten wir da viel öfter als bisher Silvester feiern. Die paar Millionen für das Feuerwerk kriegen wir trotz der Dispo noch zusammen.

Es wird Zeit, dass wir uns eine zweite Erde anschaffen. Oder wir reißen uns zusammen. Wenn wir jedes Jahr den Dispo-Moment um fünf Tage hinaus-zögerten, wären wir zur Jahrhundertmitte wieder im grünen Bereich, schreibt Stefan Schmitt in DIE ZEIT, 2. August, Titelseite.

Wenn jeder, der über seine Verhältnisse lebt, damit bei sich anfängt, sollte das zu schaffen sein. Das wird allerdings nur dann gelingen, wenn wir gleichzeitig Politik und Wirtschaft den Wahnsinn austreiben, das Glück der Menschheit hinge einzig und allein vom Wirtschaftswachstum ab. Es ist, wie wir sehen, nichts anderes als Raubbau.


Donnerstag, August 03, 2017

Ein Prinzgemahl verabschiedet sich

Es gibt Menschen, denen man nicht widerstehen kann. Sie öffnen einem das Herz. Man ist ihnen hilflos ausgeliefert – nicht durch das, was sie darstellen, sondern durch das, was sie sind. An der Spitze dieser wenigen steht ohne Frage Prinz Philip, der Mann an der Seite der Königin des Vereinigten Königreichs von England, mal links von ihr, mal rechts, noch öfter hinter, aber niemals vor ihr.

Philip aus dem deutschen Haus Battenberg, das sich später Mountbatten  nannte und schließlich in die Windsors verwandelte. Mit 96 Jahren ist er jetzt in den Vorruhestand getreten, nicht, wie zu erwarten, in  das nächste Fettnäpfchen. Im Trenchcoat und mit Bowler hat er im strömenden Regen Schluss gemacht. Der bezeichnete sich als „einen der erfahrensten Gedenktafel-Enthüller der Welt.

Der Mann wird uns fehlen. Auf den ersten Blick werden wir seine kühnen Sprüche vermissen. Wer sonst hätte dem Präsidenten von Nigeria gesagt: „Sie sehen aus, als wollten Sie gleich ins Bett gehen.“ Helmut Kohl mit „Guten Tag, Herr Reichskanzler“ zu begrüßen, ist ja auch nicht ohne. Zu einem schottischen Fahrlehrer: „Wie schaffen Sie es, die Leute hier so lange vom Suff abzuhalten, dass sie die Fahrprüfung bestehen können?“ Bei einer Commonwealth-Veranstaltung in Birmingham zu einem farbigen Teilnehmer: „Und? Aus welchem exotischen Teil der Welt kommen Sie?“ Antwort: „Ich bin aus Birmingham.“

Vor allem aber werden wir einen Mann vermissen, der sich selbst treu geblieben ist und seiner Frau und der Rolle des „Hausmannes“, die ihm unversehens zugeordnet war. Wie man diese (undankbare) Rolle mit Anstand und Größe ausfüllt – er hat es allen gezeigt.

So ein bisschen Prinz würde jedem von uns gut stehen. Aber das ist ein frommer Wunsch.
02. / 3. 08. 2017