Montag, September 24, 2018
„Es
regnet und die Sonne scheint. Die Welt ist außer Rand und Band. Es kommt das
Gute und das Schlechte, ganz wie es mechte. Das ist nicht neu. Das war schon
immer so. Drum sei nicht traurig, bleibe froh.“
24. September 2018
Montag, September 10, 2018
Dumm, dümmer, Diktatur
1979 sind DDR-Bürger mit einem
Heißluftballon in die Bundesrepublik gefahren (Ballonfahrer fliegen nicht, sie
fahren!) Sie starteten in Pößnitz. Daraufhin hat die DDR-Regierung das Spielen
und Hören des Schlagers „Kauf dir einen bunten Luftballon“ in Pößnitz verboten.
Ich
finde das ziemlich dumm. Ich hätte dagegen gehalten mit „Das gibt’s nur einmal,
das kommt nicht wieder.“ Aber sowas bringt eine Diktatur nicht fertig. Humor
und Witz sind in Diktaturen Mangelware. Auch das macht sie so uner-träglich und
unerträglich traurig.
Ich
würde als Diktator die besten Köpfe damit beauftragen, Witze über mich
auszudenken. Das wäre erstens wirklich lustig und würde zweitens nach Groß-zügigkeit aussehen, die natürlich nur
vorgetäuscht ist.
Weichgespült
Die Schönfärberei ist nicht
auszurotten. Und sie hat ja auch ihre Berechtigung; denn sie macht das
Zusammenleben erträglicher, manchmal sogar erst möglich. Gerade deshalb sollten
wir uns vor Übertreibungen hüten. Das ist das eine. Das andere: Bisher hatte
ich vermutet, dass der Hang zur Schönfärberei etwas typisch Deutsches sei.
Jetzt lese ich bei George Carlin (about
Soft Langu-age) dass es im Amerikanischen nicht besser aussieht.
„I don’t like words that hide the truth. I don’t like
words that conceal reality”, schreibt er und fährt fort: “I don’t like
Euphemisms, or euphemistic language. And
American English is loaded with euphemisms.”
Amerikanern
fällt es schwer, mit der Wirklichkeit zurechtzukommen (uns auch). Deshalb
versuchen sie, sich durch eine weichgespülte
Sprache vor dieser Wirk-lichkeit zu
schützen (wir auch). So haben sie das Schreckliche eines „shell shocks“
umbenannt in „battle fatigue“. Geändert hat sich dadurch nichts. Das Entsetzen
bleibt, ein Schock bleibt, was er ist: ein Schock. Aus „battle fatigue“ wurde „operational
exhaustion“. Geändert hatte sich nichts. Daraus wurde dann „post-traumatic
stress disorder“. Das war schon doppelt so lang wie die ur-sprüngliche Bezeichnung.
George
Carlin geniert sich nicht, mal so richtig in die (Sprach)scheiße zu greifen und
regt sich darüber auf, dass Toilettenpapier auf einmal Badezimmer-Tissues
heißen soll. Ich will das mal so sagen: Scheiß drauf !“
Die armen Reichen
Kurz
notiert, was seit Tagen auf meinem Schreibtisch wartet. Es geht um Postboten
und Lieferdienste. Da schreibt DIE ZEIT
am 23. August zum Thema „Drohnen statt Postboten“. Auch wenn man vier Treppen
hochlaufen muss, um eine Sendung abzugeben, gibt es selten mehr als „hallo, danke,
tschüss“.
Der
Postbote Brandl hat München gedanklich
in Trinkgeldzonen verwandelt: Rot sind Grünwald oder Bogenhausen, die Viertel
des Besserverdienenden. „Dort gibt es kaum etwas“ sagt er. Grün hingegen sind
die Arbeiterviertel Giesing und
Hasenbergl. „Da kommen in zwei Stunden schon mal sechs, sieben Euro
zusammen.“ – Es liegt mir auf der Zunge zu sagen: typisch. Also sage ich es.
Der Reiche trennt sich schwer vom Geld. Er überschätzt den Wert des Geldes. So
arm kann reich sein.
Sonntag, September 02, 2018
Sommer in der Lewitz
Sommer in der Lewitz. So fing
das Schreiben an.
Es wird im Sommer 1946 gewesen sein. Das erste ordentliche Schuljahr nach dem
Krieg. Große Ferien, wie es sich gehört. Morgens, Tau lag noch auf den Wiesen,
ab in die Lewitz mit ihren endlosen Wiesen: Heu machen.
Die
Grasschwaden gewendet, immer wieder, bis sie Heu waren, voller Duft und voller
Diesteln. Abends dann Forke für Forke aufgeladen, so hoch, dass einem
schwindlig werden konnte. Den „Baum“ der Länge nach über die Fuhre gelegt und
festgezurrt. Dann ging es los. Nach Hause. Hans und Lotte wussten den Weg. Die
Arbeit war getan. Zum Abladen war es zu spät. Das kam am nächsten Morgen. Zeit
zum Träumen. Zeit, die Diesteln zu vergessen.
Dann
fing wieder die Schule an. Und wie es sich gehörte, musste ein Aufsatz
geschrieben werden über die Erlebnisse in den Ferien.
Über
die Eins für meinen Aufsatz habe ich mich riesig gefreut. Diese Freude am
Schreiben habe ich noch heute.
Flaschenpost...
„Flaschenpost“. Wir Kinder im Dammer Pfarrhaus
hatten unsere Freude an den unterschiedlichsten Spielen, zum Beispiel „Tippel-Tappel“. Das spielte man
draußen. Man suchte sich einen festen, geraden Stock, etwa so lang wie ein
Spazierstock. spitzte ein Hölzchen, etwa eine Handspanne lang, an beiden Enden
an, grub eine Rille in die feste Erde, legte das Hölzchen quer darüber und
versuchte es mithilfe des Stockes so weit man konnte zu schleudern.
Drinnen
spielten wir oft „Flaschenpost“. Dazu setzten wir uns im Kreis, legten in
unsere Mitte eine leere Flasche und ließen sie durch einen kräftigen Griff
kreiseln. Alle warteten voll Spannung bis sie wieder still lag und mit der
Öffnung auf jemanden von uns zeigte. Das Unheimliche an diesen Spiel:
Derjenige, auf den die Flasche zeigte, würde als nächster sterben. Mir war
immer sehr mulmig bei diesem Spiel. Aber anscheinend hat das Flaschenorakel sich
immer an mir vorbei gedreht. Ich lebe noch, einige Mitspieler dagegen nicht mehr.
Die französische Generation. Das ist die meiner Großeltern.
Sie sprachen von Trottoir und
meinten den Bürgersteig. Sie nannten das Zugabteil Coupé, den Bahnsteig Perron,
und wenn es um Geld ging, waren das pekuniäre
Angelegenheiten. Wir sprechen Englisch bzw. das, was wir dafür halten. Englisch
in seiner einfachen Form ist die Weltsprache, obgleich mehr Menschen Spanisch
sprechen.
Angstmacherei...
Angstmacherei. Wir haben vor allem und jedem
Angst. Das ist überall zu lesen, jeden Tag. Es stimmt aber nicht. Wir haben
keine Angst. Wir machen uns Sorgen. Das ist aber etwas ganz anderes.
Habe
ich Angst, bin ich verängstigt, weil so viele Flüchtlinge zu uns kommen? Bestimmt nicht, und die meisten anderen
wahrscheinlich auch nicht. Vielleicht frage ich mich besorgt, wie wir für sie
sorgen sollen, ob wir wirklich alle auf-nehmen können.
Es
ist an der Zeit, dass unsere Damen und Herren Journalisten genauer,
gewissenhafter, mit der Sprache umgehen.
Wolken in Kopf. Viele Gedanken, die einem
durch den Kopf gehen, sind so flüchtig wie die eiligen weißen Wölkchen am
blauen Sommerhimmel. Da hilft nur festhalten, aufschreiben. Und wenn sich die
Gedankchen wie ein zartes Wölkchen auflösen? Nicht traurig sein, es kommen
immer wieder neue.
Gedächtnis. Es ist wie ein Schwamm, hat
alles aufgesogen und gibt nichts freiwillig wieder her. Gewalt anwenden ist
sinnlos. Dann bockt das Gedächtnis nur
wie ein störrischer Esel. Gut zureden nützt auch nichts. Am besten, man läßt
sein Gedächtnis links liegen. Das gefällt ihm nicht, denn es ist eitel. Und
deshalb meldet es sich meist von selbst, wenn wir sagen: „Pa, dann eben nicht!
So gesehen ist das Gedächtnis wie ein
kleines bockiges Kind.