Dienstag, Dezember 30, 2008

Ein Stück weit authentisch

Diese vier Wörter haben es in sich: zwei billige Redewendungen, die uns bis in den Schlaf hinein verfolgen. In allen Gazetten, in allen Funk- und Fernsehsendungen, bis uns die Augen und Ohren zufallen.

Zwei Beispiele, die für alles andere stehen:

Erstens: „Ein Stück weit“

Katharina Fegebank, Landesvorsitzende der GAL in Hamburg, sagt in einem Interview (Hamburger Abendblatt 30. 12. 2008): „…dass uns die Finanzkrise ein Stück weit einen Strich durch die Rechnung macht.“

Ein Stück von was? Wie lang, wie weit ist eigentlich das Stück, von dem hier und auch sonst die Rede ist?

Ist es denn so schwierig, die Sache genauer beim Namen zu nennen und den „fast-word“-Begriff „ein Stück weit“ zu vermeiden? Da bieten sich auf Anhieb einige Möglichkeiten an:

Die Finanzkrise hat uns einen ziemlichen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Finanzkrise hat uns einen ziemlich kräftigen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie hat uns einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. So oder noch anders ginge es auch. Auf das gängige Automatendeutsch „ein Stück weit“ sind wir nicht angewiesen.

Zweitens: „Authentisch“

Claudia Roth im SPIEGEL Gespräch, Ausgabe 1/29. 12. 08: „Selbst die, die mich nicht leiden können, gestehen mir zu, authentisch zu sein.“ Und: „Politik ist zu wenig authentisch.“

Authentisch. Warum nicht glaubwürdig? Das ist doch wohl gemeint. Warum sagt Frau Roth nicht, dass es Menschen gibt, die sie für glaubwürdig, für ehrlich halten, für eine Frau, die Farbe bekennt und auch Gefühle zeigt?

Warum sagt sie nicht, dass die Politik nicht glaubwürdig genug ist, nicht immer das Vertrauen genießt, dass sie für sich in Anspruch nimmt. Sie müsste ja nicht sagen, dass Politik unglaubwürdig ist. Das wäre sicherlich übertrieben, wenn auch nicht so maßlos, wie diese Äußerung manchem erscheinen mag. Sie könnte auch sagen: Man sollte nicht alles glauben, was Politiker sagen. Aber das ginge dann doch wohl zu weit.

Lassen Sie uns über alles das doch mal in Ruhe ein Stück weit nachdenken!

Montag, Dezember 29, 2008

Zweierlei Sprache

Zwei Wörter haben es in letzter Zeit zum Modewort gebracht: Empathie und authentisch. Überall in der Presse begegnen uns die beiden. Und wenn Politiker

den Mund aufmachen, dauert es nicht lange, bis sie sagen, was die Schreiber schreiben: Empathie und authentisch.

Verliebt in diese Wörter wie die kleinen Jungs und Mädchen seinerzeit in geil und heute in cool? Nö, das ist es nicht. Da steckt etwas anderes dahinter: Feigheit bis

hin zur Verlogenheit. Schönfärberei? Das wäre zu schön gefärbt.

Mit Empathie mag man noch seine „Bildung“ hervorkehren. Nur Lieschen Müller

hat Mitgefühl, der Redakteur dagegen hat Empathie. Eine Idee, die Politiker gern

aufgreifen.

Bei authentisch ist das anders. Da geht es direkt zur Sache. Da wird gesagt (Claudia Roth im SPIEGEL-Gespräch, Ausgabe 1 / 29.12. 08): „Politik ist zu wenig authentisch.“

Gemeint ist: „Politik ist zu wenig glaubwürdig.“. Das wäre klar und deutlich, und auch ich würde das auf Anhieb verstehen, so wie Lieschen Müller und Herr Glos, unser Wirtschaftsminister, das auch verstehen würden. Wäre aber nicht so fein.

Und so besetzt authentisch den Platz, den bisher glaubwürdig eingenommen hat. Weil authentisch ein Modewort ist, wird es uns nicht für alle Ewigkeit begleiten; denn: Lügen haben kurze Beine.

Donnerstag, Dezember 18, 2008

Dauer-Spezial

Die DB-Bahn bietet in einer Anzeige im SPIEGEL 51 vom 15. 12. 2008 ein Dauer-Spezial an.

Worum geht es da? Was überhaupt ist ein Spezial, ganz zu schweigen von einem Dauer-Spezial?!

Es scheint um ein spezielles Angebot zu gehen, um ein besonderes Angebot, das es nicht alle Tage gibt, ein Sonderangebot also. Aber das kann es doch nicht auf Dauer geben – oder?

Ach ja, vielleicht handelt es sich um eine „Rückübersetzung“ aus deutschem advertising English: „special offer" = Spezial, "permanent special offer“ ist eben ein Dauer-Spezial. Weiß der Teufel. Übrigens glaube ich nicht, das es im Englischen eine "permanent special offer" gibt. Oder sind die Werbeleute, die Advertiser, überall übergeschnappt?

Eins ist sicher: Das Wörterkarussell dreht sich so schnell, dass dir schwindlig wird, manchmal so schnell, dass du… eine Kotztüte brauchst, wie es sie früher in den Flugzeugen gab. Viel Vergnügen!

Samstag, Dezember 13, 2008

Einfach

Einfach.

Wenn etwas einfach ist, dann ist es leicht zu verstehen und leicht zu machen. Das stellt sich heute aber oft und immer öfter als Irrtum heraus.

Wie oft wird heute gesagt, geschrieben und auf internet-Seiten veröffentlicht: „Rufen Sie uns einfach an.“

Das würde man ja gern tun. Aber aus einem einfachen Anruf wird schnell ein zwei-facher, ein dreifacher und ein vielfacher. Die Sache fächert sich bis in die Unendlich-keit auf. Von einfach kann nicht mehr die Rede sein. Du sitzt in einer Warteschleife, wirst mit oberflächlichen Klängen, die als Musik missverstanden werden, abgespeist, gelangweilt und zum Schluss wütend gemacht. Einfach nur so. Weil die Herren Manager zu geizig sind, genügend viele Telefonanschlüsse zu bezahlen.

Eine Lüge also, ein Betrug? Wohl nur ein Schwindel, aber schlimm genug.

Die Jungs in den Unternehmen, die das Sagen haben, sollten dafür sorgen, dass einfach wirklich einfach ist: Wenn ich anrufe, habe ich den Gesprächspartner, der mir die richtigen Antworten auf meine Fragen geben kann. So einfach ist das.

Wenn es doch nur so einfach wäre!

Dienstag, Dezember 09, 2008

Google ist nicht Jesus

Google ist nicht Jesus. Vielleicht hat das niemand behauptet. Aber manchmal hat man das Gefühl, so sehr wird Google angehimmelt.

Jesus konnte über Wasser gehen, heißt es. Google behauptet es für sich und fällt dabei rein.

Hier ist der Beweis:

Ich möchte jemandem in Braintree, Massachusetts, einen Brief schreiben. Weil ich die Postleitzahl nicht kenne, suche ich nach ihr bei Google. Und siehe da: 02184! Wenn ich die auf den Briefumschlag schreibe, kommt der Brief sicherlich schnell an die richtige Adresse. Fein!

Google will mir aber noch mehr bieten, etwas, was ich gar nicht verlangt habe, einen Extraservice also. Google nennt korrekt den Ausgangspunkt meiner Ánfrage – Quickborn – und bietet mir an, eine Wegebeschreibung abzurufen. Google will mir den Weg von Quickborn nach Braintree aufzeichnen.

Das hat mich tief beeindruckt, aber nicht lange, weil Google mir mitteilte „Wir konnten keine Route zwischen Braintree und Quickborn berechnen. Zu dumm! Hat Google noch nichts davon gehört, dass man den Atlantik nicht nur mit dem Schiff, sondern auch mit dem Flugzeug überqueren kann? Ob zu Wasser oder in der Luft, beides lässt sich doch berechnen!

Wahrscheinlich hat Google mich ausspioniert und weiß, dass ich weder einen Dampfer noch einen Flieger habe. Wäre ich der Boss von GM oder Ford oder Chrysler, dann hätte Google sicherlich die Reiseroute berechnet.

Ach ja, wie zu lesen ist, sind die Herren zwar nicht ins Wasser gefallen, aber auf die Schnauze. Das wird ihnen nicht allzu weh tun. Den General Motors-, Ford- und Chrysler Mitarbeitern aber steht das Wasser bis zum Hals.

Donnerstag, Dezember 04, 2008

Vergiftet

Unser Deutschland ist vergiftet bis in alle Ewigkeit. 12 Jahre lang hat das national-sozialistische Deutschland gehasst, verfolgt, gemordet. 12 Jahre? Waren es in Wirk-lichkeit nicht tausend Jahre? War da nicht vom tausendjährigen Reich die Rede?

(Wie vergiftet unser Land ist, zeigt der Beitrag der Süddeutschen Zeitung vom 29. November 2008 „Das ewige Puzzle“.

In dem nicht sehr umfangreichen Zweispalter, der sich auch nicht auf den vorderen Seiten befindet, (beides weist darauf hin, dass unsere Vergiftung immer noch akut ist und wohl auch nicht so schnell zu heilen ist – wenn überhaupt).

„Seit 50 Jahren klärt Justizbehörde Nazi-Verbrechen auf“, lautet der Untertitel. Die Rede ist von der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“.

„An diesem 1. Dezember (2008) arbeitet die Zentrale Stelle seit 50 Jahren, am Montag gibt es einen Festakt der Landesregierung, es kommen Bundespräsident Horst Köhler und Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. 1958 dagegen war die Behörde ein ungeliebtes Kind der Landesjustiz-verwaltungen. Der Ulmer Einsatzgruppen-Prozess war gerade zu Ende gegangen, die Täter, die Tausende Juden und Kommunisten in Litauen erschossen hatten, hatten unbehelligt in Deutschland gelebt. SZ-Kommentator Ernst Müller-Meiningen geißelte die deutsche „Zufallsjustiz“.

Auf den Druck hin gründeten die Justizminister der Länder die Zentrale Stele in Ludwigsburg. Sie taten das mehr oder weniger zähneknirschend. Lediglich vier Staatsanwälte sollten die hochkomplizierten Verfahren aufarbeiten., ganze Täter-

gruppen wurden ausgeklammert. Die Versetzung nach Ludwigsburg galt als Karriere-knick – zu viele Juristen waren dem NS-Regime zu Diensten gewesen. Immer wieder erwies es sich als schwierig, Unterlagen an die Polizei weiterzugeben, weil mancher Dienstchef von einer Anklage betroffen gewesen wäre. Konservative Politiker beschimpften die Ermittler als nützliche Idioten Moskaus, 1966 gab es einen Skandal. Oberstaatsanwalt Erwin Schulte, der erste Leiter der Stelle, musste zugeben, SA- und NSDAP-Mitglied gewesen zu sein.“

Wenn es auch gegen Ende des Beitrags heißt: „Trotzdem: Erstmals in der Geschichte hat ein Volk gegen sich selbst ermittelt.“

Das klingt wie eine gute Tat. Wie gut ist sie wirklich 170 000 Menschen sollen an den Morden des nationalsozialistischen Deutschland beteiligt gewesen sein. Nur 6500 Täter wurden in der Bundesrepublik verurteilt. Von 100 Tätern wurden also nur vier verurteilt, 96 kamen ungeschoren davon.

Aber es sind nicht die Täter, die verurteilten und die nicht verurteilten, die Deutschland vergiftet haben. Es sind diejenigen, die eine Aufarbeitung verhindert haben.

Leider hat diese unrühmliche Geschichte eine Fortsetzung, wenn auch nicht so dramatisch, aber um Gift geht es hier auch.

Auf ihrem Parteitag in Stuttgart, dieser Tage, hat die CDU versucht, ihre DDR-Vergangenheit aufzuarbeiten. Das ist ihr nicht gelungen.

Augenblick mal! Hat denn die CDU eine DDR-Vergangenheit? Ja, die hat sie, und zwar eine unrühmliche. Auch hier ein Anfang, der nicht hätte sein sollen: Helmut Kohl übernahm die Blockflöten-CDU in Bausch und Bogen, unbesehen – ein schnelles Geschäft sozusagen, das sich parteipolitisch auch auszahlte.

Es wird nicht aufgearbeitet. Es wird geschönt, geschummelt, verfälscht, und es wird gegiftet. Der Delegierte Niedergesäß: „Von diesen Halunken wollen wir uns nicht vorführen lassen.“ (Gemeint ist Karl Nolle, SPD-Abgeordneter, der nach der Wende nach Sachsen zog.) Niedergesäß weiter: „Von der CDU hat nie jemand im Politbüro gesessen.“ Welch Wunder, es war schließlich das Politbüro der SED.

Zum Schluss eine Frage: Wie wäre es mit ener Entziehungskur?