Montag, Februar 27, 2012

Sprach- und sonstige Schmuddeleien

„Anmoderation“ ist so ein Schmuddelwort. An, aber noch nicht fertig moderiert. Liegt in der Natur der Sache; denn es geht ganz schlicht um „Einleitung“, „Einfüh-rung“. Ein bisschen schmuddelig, nicht wahr, nicht ganz sauber. Noch alberner ist die Redewendung, dass Kinder heute sozialisiert werden, nicht mehr erzogen. Das mit der Sozialisierung scheint nicht so ganz zu klappen.

Ich will nicht vom Hundertsten ins Tausendste kommen, aber die Sache mit den „sozialen“ Netzwerken, die mit den“ Freunden“, kann ich mir nicht verkneifen. Was bei Facebook „Freunde“ genannt wird, sind nicht einmal Bekannte. Noch schlimmer lässt sich der Begriff Freundschaft kaum abwerten. Ob es noch schlimmer kommt?
Wie sagte Karl Valentin? „Heute ist die gute alte Zeit von morgen.“

Eine ganz andere Schmuddelei verbirgt sich hinter dem Umgang mit dem National-sozialismus. Da wird beispielsweise vom „Terrorsystem der Nazis“ geschrieben und gesprochen. Eine harmlos erscheinende Formulierung. Sie ist aber alles andere als
harmlos.

In Wirklichkeit war das „Terrorsystem der Nazis“ ein deutsches Terrorsystem. Die NSDAP hatte ungefähr 6 Millionen Mitglieder. Waren es diese 6 Millionen, die 6 Millionen Juden umgebracht haben? Schön wär’s, könnte man jetzt sagen; denn dann hätten alle anderen eine weiße Weste. Aber es waren ja viel mehr Deutsche an der Ausrottung der Juden und anderer „Untermenschen“ beteiligt – und sei es nur durch Billigung und Hinnahme von organisiertem Mord und Totschlag. Wäre es nicht ehrlicher, vom deutschen Terrorsystem in der Zeit des Nationalsozialismus zu sprechen?

26. 02. 2012

Freitag, Februar 24, 2012

Vorgegauckelt!

Noch ist Joachim Gauck nicht im Amt – am 18. März soll er gewählt werden – da gauckeln uns alle möglichen und auch alle unmöglichen Leute etwas vor, und das nicht zu knapp.

Die einen sprechen vom Super-Gauck und loben Joachim Gauck in den Himmel, andere wünschen ihn in die Hölle. Und dazwischen ist alles möglich, bis hin zu
Empfehlungen, wie er sein nicht CSU-gemäßes Leben in Ordnung zu bringen habe.
Horst Seehofers „Fehltritt“? Komplett vergessen.

Was heißt hier „Fehltritt“? Was heißt hier „wilde Ehe“? Lassen wir doch den „öffentlichen“ Menschen ein wenig Privates. Wir anderen machen es ja auch nicht anders und sind froh, wenn keiner etwas davon weiß, dass wir in „wilder Ehe“ leben und dass wir unserer Geliebten ein Kind gemacht haben. Verhüte Gott, dass das herauskommt.!

Schluss mit der Gauckelei! Kommen wir wieder zur Vernunft. Joachim Gauck ist ein ehrenwerter Mann. Und das sollte uns genügen.

Donnerstag, Februar 23, 2012

Ein Hospiz nebenan? Nein, danke! Eine Betrachtung zum „Lebensunwerten Leben“

Ein Hospiz nebenan? Nein, danke!
Eine Betrachtung zum „Lebensunwerten Leben“

Im Harburger Ortsteil Langenbek (Hansestadt Hamburg) soll im nächsten Jahr ein Hospiz eingerichtet werden, ein Hospiz, in dem bis zu 12 todkranke Menschen für die wenigen noch vor ihnen liegenden Tage eine letzte Heimat finden sollen, gepflegt und bis zu ihrer letzten Stunde betreut.

Das finden aber nicht alle gut. „Wenn jetzt bald die Baufahrzeuge bei uns hin und her fahren, danach vielleicht Kranken- und Leichenwagen – ich kann mir vorstellen, dass einige Nachbarn diese Perspektivem nicht gut finden“, sagt eine Anwohnerin.

„Anwohner befürchten einen Wertverlust ihrer Grundstücke“, schreibt das Hamburger Abendblatt in seiner Ausgabe vom 23. Februar 2012 auf Seite 14.

„Der DRK-Chef hat bereits Post vom Rechtsanwalt eines Blättnerring-Bewohners bekommen“, geht es weiter, „einige Leute befürchten eine Wertminderung ihres Grundstücks, fordern einen Sichtschutz.“

Bei so viel Hartherzigkeit, bei so viel Egoismus kommen böse Gedanken auf. Könnte es nicht sein, dass Menschen, die so denken und fühlen, dass Menschen, die nur sich selbst kennen, aber nicht die Nöte anderer, dass diese Menschen einem neuen Euthanasie-Programm zustimmen würden? Wer will das ausschließen?

Lebensunwertes Leben. Anscheinend ist es unanständig, in einem hochanständigen Wohnviertel seine letzten Lebensstunden zu verbringen. Der Leichenwagen könnte ja stören.

Samstag, Februar 18, 2012

Kann denn Sprache Sünde sein?

Ja, das kann sie. „Schuldentragfähigkeitsanalyse“ ist so ein sündhaftes Wort. Soll von Herrn Schäuble kommen. „Prüfen wir mal, ob der Schuldner seine Schulden wirklich abtragen kann.“ Das ist wohl gemeint. Aus diesem einfachen Satz machen wir dann eine „Schuldentragfähigkeitsanalyse“. Grund genug, dieses Wort für das nächste „Unwort des Jahres“ vorzumerken.

Ähnlich geeignet als Unwort des Jahres dürfte „Schattenwurf“ sein. Dafür gibt es allerdings andere Gründe. In diesem Unwort kommt unser Egoismus treffend zum Ausdruck.

Zur Erklärung: Den Schatten werfen, für den Schattenwurf verantwortlich sind die modernen Windmühlen, mit denen Strom erzeugt wird, den wir alle brauchen. Dumm ist nur, dass die „Flügel“ dieser Windmühlen – sofern die Sonne scheint – Schatten werfen, nicht nur einen, sondern ganz viele – im Minuten- oder sogar im Sekundentakt. Das ist natürlich außerordentlich störend für alle, die in der Nähe des Schattenwurfs, der Schattenwürfe, leben.

Können wir da nicht zu einem Kompromiss kommen? Wie wäre es, wenn sich die Windmühlen nur nachts bei Neumond, wenn es total dunkel ist, drehen dürfen. Dann können sie keine Schatten werfen. Vielleicht könnte man sogar so weit gehen, dass die Windmühlen auch bei bedecktem Himmel arbeiten dürfen; die geworfenen Schatten dürften da nur ein Schatten ihrer selbst sein und kaum jemanden stören.

(Einwurf: Ich weiß nicht, weshalb mir jetzt ein ganz anderer Wurf einfällt: der Faltenwurf. Natürlich könnte ich jetzt herumalbern und von Wurfball – spielten wir im Sportunterricht in der Schule – oder auch vom Maulwurf sprechen. Ach, da gäbe es noch ganz andere Möglichkeiten. Das alles will ich mir verkneifen.)

Weiter im Text!

„Hab isch gesehen mein Kumpel“ überschreibt Uwe Hinrichs seinen Essay im SPIEGEL vom 13. Februar. (Untertitel: „Wie die Migration die deutsche Sprache verändert hat“.)

„mit diesen Problem“, „aus den Lager heraus“, „wer soll den neuen Kabinett angehören“, „wir haben hier ein Rest“, „ich mach dir kein Vorwurf“ – das alles und noch mehr wird vor allem gesprochen, kommt inzwischen aber auch in Examens-arbeiten vor, also schriftlich. Junge Leute wissen oft gar nicht mehr, wie es einmal korrekt lautete. („mit diesem Problem“, „aus dem Lager“, „ wer soll dem neuen Kabinett angehören“, „wir haben hier einen Rest“, „ich mache dir keinen Vorwurf“.)

Da kann Herr Hinrichs erklären so viel er will. „Hinter dem, was Puristen als Verfall, ja als Verlotterung anprangern, steckt nur die Strategie, die Sprachstrukturen zu vereinfachen, um das Kommunizieren mit Nichtmuttersprachlern zu erleichtern.“ – Schreibt Herr Hinrichs. Das mag so sein, aber Sprachsünden sind das in jedem Fall. Und die, finde ich, müssen nicht sein.

Alles läuft darauf hinaus, wer sich wem anpasst. Der Alphabet dem Analphabeten oder umgekehrt? Das muss jeder für sich entscheiden. Glücklicherweise müssen wir nicht so schreiben wie offenbar mit „Nichtmuttersprachlern“ gesprochen wird.

Das würde sich dann so lesen: „Ich weiß nicht, wo die gibs“, was heißen soll: „Ich weiß nicht, wo es das gibt.“ Eine Linguistin, die sich mit dem „Kiezdeutsch“ in Berlin befasste – mir ist der Name entfallen – hat diese Sprechweise notiert. So muss ich nicht sprechen – und schreiben schon gar nicht.

Wenn ich einfach denke, einfach spreche und einfach schreibe, wird man mich verstehen – nur vielleicht die Linguistin nicht, die von Systematizität schrieb. Wer soll das verstehen?

Wieviel Vergnügen intelligente Sprache bereiten kann, zeigt eine englische Parole, die auf einer Demonstration gegen das leichtfertige ACTA-Projekt durch die Gegend getragen wurde: „ Respect Existence or Expect Resistance“.

Donnerstag, Februar 16, 2012

Alles geht durcheinander

Deutschland wird zurzeit, also im Augenblick, von allen möglichen Seiten hoch gelobt. Ober vielleicht nur hochgelobt? Das ist ein Unterschied. Dabei geht es nur um die Wirtschaft, nicht etwa um die Verantwortung für Europa. Das wäre ja auch ein bisschen zu viel verlangt – oder? Nee, wir sollten uns da nicht aus der Verant-wortung stehlen.

Dass Deutschland wieder ein von vielen Seiten willkommenes Stückchen Europa ist, haben wir unseren Nachbarn zu verdanken. Das ist nicht unser Verdienst. Deshalb sollten wir bescheiden bleiben, vielleicht sogar bescheiden werden. Jedenfalls sind wir nicht der Lehrmeister Europas. Wir haben keine Vorschriften zu machen.

Wenn wir verlangen, dass mit der Korruption in Griechenland endlich Schluss gemacht wird, dann ist das zwar richtig, aber wir sollten nicht vergessen, dass Korruption auch bei uns kein Fremdwort ist.

Zurück zum Anfang: Alle Welt sagt, dass Deutschland Vorbild ist und mit seiner Tüchtigkeit zeigt, wie man Krisen vermeidet oder bewältigt. Da ist es nicht weit zum Aufschrei der BILD-Zeitung: „Wir sind Papst!“ Irren wir uns da vielleicht?

SPIEGEL ONLINE berichtet am 29. Dezember 2011 „Deutschland verkommt zum Billiglohnland“. „Millionen Deutsche arbeiten für einen Hungerlohn.“ Das ist schlimm genug heute. Morgen wird es noch viel schlimmer sein. Dann werden sich die Armen, die Unterbezahlten von heute, zu Tode hungern. Wer es nicht glaubt, kann es im Hamburger Abendblatt vom 13. Februar 2012 auf Seite 28 nachlesen: „Post und Hermes tolerieren Lohndumping“.

Wohin soll das führen? Die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer? Für das tägliche Leben zu sorgen ist schwierig genug. Und im Alter, wenn man nicht mehr arbeiten kann? Die hoffnungslose Armut. Unterkunft im lieblosen Alten-Asyl. Wer arm ist stirbt nicht unbedingt früher, aber das Sterben dauert länger.

Weil ich gerade beim Durcheinander bin: Da haben wir in einem anderen Bereich zwei Ansichten, die nicht zusammenpassen. Vor den Risiken der unberechenbaren Atomkraftwerke fürchten sich viele. Deshalb setzen sie sich für erneuerbare Energien ein, zum Beispiel für die Stromproduktion durch „Windmühlen“.

Leider sieht das nur so aus. Die Wirklichkeit ist anders, siehe Quickborner Tageblatt vom 14. Februar: „So haben sich im Aktionsbündnis Gegenwind-SH inzwischen 60 Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Sie kritisieren die „Verspargelung“ der Landschaft, Geräuschbelästigungen, Schattenwurf*, sorgen sich um den Naturschutz, bringen Wertverluste ihrer Häuser und Grundstücke an“.

Das alles erinnert an die Redewendung „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“


* „Schattenwurf“, das könnte das Unwort des Jahres werden. Aber vielleicht hat
„Transparenzbedarf“ noch bessere Aussichten, das Rennen zu machen.

Zum Durcheinander gehört aber auch Erfreuliches. SPIEGEL ONLINE schreibt am 13. Februar kurz vor Mitternacht: „Menschenkette stärker als der Neonazi-Auf-marsch.“ 13.000 Menschen haben eine 3,6 Kilometer lange Menschenkette gebildet. Damit erinnerten sie nicht nur an die Opfer der Bombennacht vor 67 Jahren, sie wehrten sich vor allem gegen die Neonnazis, die dieses Gedenken seit Jahren umfunktionieren wollen in einen „Holocaust der Alliierten am Deutschen Volk“.

Um halb acht abends begannen etwa 1.600 Neonazis ihren „Fackelaufmarsch“. Um acht Uhr mussten sie schon aufgeben. Um neun Uhr zogen die letzten Neonazis frustriert ab. So der SPIEGEL ONLINE-Bericht. Wie schön!

Weniger schön ist zu sehen, wie viel Geld im Krieg aufgewendet wird, um einen Menschen zu töten.

769 englische und 311 amerikanische Bomber sollen am 13./14. Februar 1945 3.300 to Bomben auf Dresden geworfen haben. Das sind, wenn ich richtig rechne, drei Millionen und dreihunderttausend Kilo. Totgebombt wurden 25.000 Menschen.
Um einen Menschen in Dresden umzubringen, brauchte man 132 kg Sprengstoff. Welch ein Aufwand!

Ich weiß, das klingt respektlos, das klingt zynisch. Trotzdem will ich diesen Gedanken weiterspinnen, ganz nach dem Wirtschaftsdenken unserer Tage:

Der Sprengstoff, mit dem 25.000 Menschen umgebracht wurden, musste produziert werden. Damit waren viele Menschen beschäftigt. Für ihre Arbeit bekamen sie Geld. Materialeinsatz und Beschäftigung steigerten das Bruttosozialprodukt – im Dresdner Beispiel das der USA und des United Kingdom. So hatte die Sache auch ihr Gutes.

Quatsch? Nein, Quatsch ist das nicht. Und gut ist auch nichts daran. Wir sehen hier nur, dass der Mensch des Menschen Feind ist – koste es, was es wolle. Und so ist mit dem Tod gut Geld zu verdienen, auch heute.

Mittwoch, Februar 15, 2012

Mein armes Griechenland

Ich muss gestehen, dass mich mit Griechenland kaum etwas verbindet. Gut, eine meiner beiden Nichten ist mit einem Griechen verheiratet. Das ist aber auch alles.
In der Schule hatte ich Russisch, Englisch, Französisch und Latein. Griechisch nicht.
Ich war noch nie in Griechenland. Ich kenne die Akropolis nur von Fotos und aus dem Fernsehen. Auf Ouzo stehe ich nicht, und Metaxa? Ein guter Weinbrand wahrscheinlich, aber nur einer von vielen. Eine geschenkte Flasche steht seit Jahren ungeöffnet herum. Da wären noch die Olympischen Spiele, leider entartet heutzutage. Da wäre der Marathonlauf, der heute weltweit durch die Metropolen gejagt wird. Noch etwas?

Ja. Da sind die alten Griechen, die uns immer als Vorbild vorgehalten werden. Sokrates, Pythagoras, Platon und noch ein paar andere, Diogenes in seiner Tonne vielleicht. Griechenland – die Wiege der europäischen Kultur? Wahrscheinlich ist das so. Aber was hat das mit uns zu tun?

Vor allem: Was hat das heute mit Griechenland zu tun? Ich würde sagen: nicht viel, vielleicht sogar nichts. Wir leben doch heute. Dann sollten wir uns auch so verhalten und nicht nur traurig in die Geschichtsbücher blicken. Sokrates wird uns heute nicht helfen. Also müssen wir uns selbst helfen. Das geht aber nur, wenn wir „den Griechen“ helfen Und wie geht das?

So wie die selbsternannten Retter Griechenlands es wollen, geht es wohl nicht: Am Ende des Totsparens steht der Tot. Die Gemeinheiten stecken dabei – wie der Teufel – im Detail: Die Gesundheitsversorgung soll um eine Milliarde und 100 Millionen Euro gekürzt werden. Bei Investitionen sollen 400 Millionen gestrichen werden. Die Militärausgaben will man um nur 300 Millionen Euro kürzen.

Die Welt steht Kopf: Gegen wen und für wen kämpft Griechenland? Milliarden für Panzer, U-Boote und anderen Militärunsinn?

Ich bin sicher: Die Griechen wollen das nicht. Sie wollen nur ihre korrupten Politiker los werden, die ihnen das Leben so schwer machen. Dabei sollten wir ihnen helfen.

Griechenland braucht einen Insolvenzverwalter, der ein marodes Land wieder in Gang bringt. Dazu gehört, die Horden korrupter Politiker aus dem Haus zu jagen und sie zur Verantwortung zu ziehen: Sie sollen zurückzahlen, was sie sich durch Gefälligkeitsgesetze ergaunert haben (Steuerfreiheit für die Reedereine z.B.). Dazu gehört, die Reichtümer der Überreichen aus dem Ausland zurückzuholen, damit sie endlich den Beitrag zum Allgemeinwohl leisten, wie es die Armen in Griechenland seit eh und je tun. Dazu gehört, Steuerflucht unmöglich zu machen. Alles andere würde sich dann von selbst ergeben.

Wer traut sich, „meinem armen Griechenland“ zu helfen? Ist da niemand?

Sonntag, Februar 12, 2012

Spaß muss sein, auch wenn es noch so ernst ist

Hans Rosenthal war einer der erfolgreichsten, einer der beliebtesten Unterhalter (Entertainer) im deutschen Fernsehen. Das ist lange her und stimmt immer noch.

Hans Rosenthal war Jude. Er hat das „Dritte Reich“ als einziger seiner Familie überlebt. Zwei „nichtjüdische“ deutsche Frauen haben ihn gerettet. Das hat Hans Rosenthal nicht vergessen. Deshalb ist Hans Rosenthal in Deutschland geblieben (oder ist er zurückgekehrt?)

Jedenfalls war er ein Fernsehstar, und die Frage Jude oder nicht, wurde nicht gestellt. (Ich kann mir nicht verkneifen zu sagen, dass diese Frage nicht gestellt wurde, weil niemand auf die Idee kam, Hans Rosenthal könne ein Jude sein.)

Unvergessen ist er wegen seiner Fernsehsendung „Dalli, dalli“. Die war „Spitze“. Wenn wir heute Ausschnitte daraus sehen, wissen wir auch, warum: Es ging mit rechten Dingen zu. Alles war nicht nur ehrlich gemeint. Es war ehrlich. So wie
Hans Rosenthal.

Hans Rosenthal hat sich – und die Berichte darüber klingen glaubwürdig – hat sich jeden Erfolg, auch den kleinsten, hart erarbeitet.

Das nach meiner Meinung schönste Ergebnis dieser harten Arbeit liest sich so:

Während RIAS in Zeiten des „kalten Krieges“ das Kürzel für „Radio im amerikanischen Sektor“ war, wurde das im Sender später umgemünzt in
„Rosenthal ist auf Sendung“.

Das ist so schön, dass ich es noch einmal wiederholen möchte.

RIAS = Radio Im Amerikanischen Sektor
RIAS = Rosenthal Ist Auf Sendung

Kann es ein schöneres Kompliment geben?

Freitag, Februar 10, 2012

Falsch verstanden

Vielleicht ist keine andere Sprache so reich wie die deutsche. Vielleicht bietet keine andere Sprache so viele Möglichkeiten zu schummeln, an der Nase herumzuführen, ja, zu betrügen. Eine wunderbare Möglichkeit, Gutgläubigkeit auszunutzen. Und die wird ausgenutzt, wie das Hamburger Abendblatt Anfang dieses Jahres (2012) unter der Zeile „Die Tücken der Katalogsprache“ mit vielen Beispielen zeigte. (Es ging um um die Texte von Internet-Reisebüros und in Katalogen. Hier einige davon:

„Meerseite“ bedeutet nicht Meerblick. Der Unterschied besteht in Hochhäusern, durch die die Aussicht versperrt ist.

„Zentral gelegen“ bedeutet fast immer ziemlich laut. Der „kurze Transfer vom Flughafen“ kann bedeuten, dass das Hotel mitten in der Einflugschneise liegt. Ist von einem „aufstrebenden Ferienort“ die Rede, sollte man vorsichtshalber mit vielen Baustellen rechnen.

So geht das „stundenlang“ weiter: Eine Unterkunft „an der Strandpromenade“ garantiert hupende Autos und Straßenlärm. Bei „unaufdringlichem Service“ sollte man damit rechnen, dass sich niemand blicken lässt. Und ein „beheizbarer Swimmingpool“ bedeutet noch lange nicht, dass er auch wirklich beheizt wird.

Ist die Sprache von „wöchentlicher Folklore“, dann dürfte schlicht nichts los sein,
Langeweile pur. Bei „touristisch gut erschlossen“ sollte man vorsichtshalber von einer Ballung von Hochhäusern ausgehen. (Benidorm dürfte dafür das schlagende Beispiel sein.) „Landestypische Bauweise“ weist darauf hin, dass du nachst nicht zur Ruhe kommst. Du hörst jedes Wort aus den Nachbarzimmern und alles, was die Nachbarn nachts so (im Bett) treiben.

Die „internationale Atmosphäre“ weist darauf hin, dass es Skandinavier, Briten und Russen im Hotel hoch hergehen lassen (Hamburger Abendblatt). Das finde ich gemein, denn wir Ballermann-Deutsche sind nicht besser.

Ja, ich finde es wirklich aufregend, was wir mit der Sprache machen können. Und dazu gehört auch dies: Statt „Gestensteuerung“ „Fuchtelsystem“ sagen. Ich glaube, das muss ich erklären, was allerdings nicht einfach ist.

Am Anfang war die Sprachsteuerung. Die erlaubte es Autofahrern zu sagen, was ihr Auto machen sollte – das habe ich natürlich sehr vereinfacht gesagt. Zu Beginn musste man sehr deutlich und vor allem Hochdeutsch sprechen. Den bayerischen Dialekt oder das Hamburger Missingsch verstand das System nicht. An der Lösung dieser Probleme wurde hart und hartnäckig gearbeitet, und ich bin überzeugt, dass die aktuellen Sprachsteuerungssysteme auch den Obernuschler Til Schweiger verstehen, was nicht für Herrn Schweiger spricht, der besser schweigen sollte, sondern für das System.

Aber wie es so geht. Warum eigentlich sprechen? Geht das nicht auch anders? Mit Hand- und Armbewegungen, ja sogar mit einem Fingerzeig müsste man doch noch besser fahren.

Gedacht, getan. So entstand die Gestensteuerung. Du zeigst nach rechts und das Auto biegt in die nächste nach rechts abbiegende Nebenstraße ein. Du zeigst nach rechts und es geht andersrum. Du zeigst mit dem Zeigefinger (linke oder rechte Hand?) nach oben, und schon hebt dein Auto ab. Rote Ampeln werden so überflogen, ganz legal und ohne einen Flensburger Punkt zu riskieren.

Aber sind das nun wirklich Gesten, mit denen du dein Auto steuerst, fragten sich einige aufmerksame Menschen. Ist das nicht eine einzige Fuchtelei?

Natürlich ist es das. Und deshalb finde ich, dass „Fuchtelsystem“ eine geniale
Worterfindung ist. Ich hoffe, dass es davon noch viel mehr geben wird, damit wir wieder erfahren, wohin wir gehören: Mit beiden Füßen auf die Erde!

Und zum Schluss für heute noch etwas ganz anderes. Wir können mit unserer wunderbaren Sprache die Dinge auch genau beim Namen nennen. Das geht übrigens auch in anderen Sprachen, beispielsweise im Russischen.

Da haben in diesen Tagen Demonstranten in Moskau Transparente in die Luft gereckt, auf denen stand „Wir sind keine Opposition. Wir sind eure Arbeitgeber.“
So einfach und klar und unmissverständlich kann man sprechen. Man muss es nur tun. (Demonstriert wurde in Moskau gegen die Betrügereien, die Herr Putin angezettelt hat. Er will am 6. März zum Präsidenten Russlands gewählt werden.)

Der totale Irrsinn. Oder alles total normal?

Vor ein paar Tagen hat hier jemand einige Millionen im Lotto gewonnen. Der totale Irrsinn. Da blättert einer ein paar Scheine hin, wettet auf sein Glück und ist auf einmal Millionär. Niemand wurde betrogen. Ein ehrliches Spiel, die Wette auf das eigene Glück. Ich denke, das ist total normal.

Aber ist die Wette auf den Tod normal, so wie sie ein Fonds der Deutschen Bank anbietet? Die Anleger investieren in Zertifikate, die die Entwicklung virtueller Versicherungsverträge von 500 ausgesuchten Männern und Frauen zwischen 70 und 90 Jahren nachbildet. Für jede dieser Personen steht ein erwarteter Sterbetermin fest. Stirbt einer von ihnen früher als erwartet, steigt der Wert des Zertifikats.

Dieses Spiel mit dem Tod ist nicht nur total irrsinnig. Es ist unanständig. So etwas gehört sich nicht. Aber es wird gespielt, wie so viele andere Spiele auch, zum Beispiel das CDS-Spiel.

Nein, das ist nicht die TV-Sendung „Cannst Du Singen?“ Es ist das Spiel mit den
Credit Default Swaps.

Was ist daran faul? Ursprünglich gar nichts. Anfangs ging es darum, sich gegen ein Risiko zu versichern. Das ist total normal. Da kauft beispielsweise jemand Staatsan-leihen und hofft, damit Gewinn zu machen. Er könnte aber auch viel Geld verlieren. Dagegen will er sich versichern und schließt eine entsprechende Versicherung ab, eben eine CDS. Das kostet zwar etwas und mindert damit den erhofften Gewinn, sorgt aber dafür, dass man mit heiler Haut aus dem Geschäft herauskommt, wenn es schief läuft. So weit so normal total, total normal.

Heute geht man ganz anders mit den CDS um, und zwar so:

Ein Staat ist überschuldet und hat Schwierigkeiten, das durch Staatsanleihen geliehene Geld und die Zinsen dafür rechtzeitig zurückzuzahlen. Das ist für Investoren eine günstige Gelegenheit, viel Geld zu machen. Man kauft die Anleihen, von denen man nichts hält und schließt eine CDS ab. Man spekuliert darauf, dass die Anleihen den Bach runtergehen und macht damit Gewinn. Total normal ist das nicht, totaler Irrsinn aber auch nicht, denn der kommt erst noch, wie das nächste Beispiel zeigt:

Variante eins: Ich leihe mir marode Staatsanleihen und schließe dafür eine CDS ab. Schmiert die Staatsanleihe ab, worauf ich hoffe, bin ich fein raus und mache Gewinn. Ich setze auf die Katastrophe und mache Profit. Totaler Irrsinn? Total normal? Bitte, meine Herrschaften, entscheiden sie sich.

Variante 2: Das ist die raffiniertere. Ich habe überhaupt keine Anleihen des Staates, gegen den ich wette und schließe trotzdem eine Versicherung ab – eine CDS. Experten benutzen da den Begriff Leerverkäufe (oder Leerkäufe?).

Das muss man sich mal klarmachen. Ich habe kein Haus, aber ich schließe eine Gebäudeversicherung ab. Wer würde das machen? Nur Geisteskranke? Vermutlich. Das legt den Schluss nahe, dass wir es in der globalen Finanzwelt wirklich mit Geisteskranken zu tun haben. Unser Pech ist nur, dass die damit auch reich werden und uns arm machen.

Der Fall Griechenland zeigt es uns nur zu deutlich. Die Armen werden noch ärmer, die noch Arbeit haben, verlieren ihre Arbeit. Die Reichen haben ihre Reichtümer überall in der Welt versteckt; ihre Milliarden finden wir in Griechenland nicht mehr. Was dort bleibt, sind die Generationen von korrupten Politikern, die ihr Volk betrogen haben.

Ist das nicht irrsinnig? Nein, das ist kriminell.

Mittwoch, Februar 08, 2012

Anstand? Dass ich nicht lache!

Mit dem Anstand dürfte es ein für alle mal vorbei sein. Die letzten Meldungen* aus der Wirtschaft machen das deutlich. Aber was heißt Anstand? Anstand ist, wenn man das nicht tut, was sich nicht gehört. Wenn man nicht lügt, nicht betrügt und sich nicht auf Kosten seiner Mitmenschen bereichert. Die Herausforderung der „10 Gebote“ will ich mal beiseite lassen und damit auch den lieben Gott und alle anderen Götter und ihre Propheten auch.

Es gehört sich nicht, sich auf Kosten anderer zu bereichern. Es gehört sich nicht, die Notlage anderer auszunutzen. Es gehört sich nicht, den Gewinn eines Unternehmens höher zu bewerten als das Einkommen und damit das Auskommen seiner Mitarbei-ter. Aber alles das, was sich nicht gehört, wird gemacht. Nicht die Sonne, sondern der SPIEGEL bringt es mit seinem Beitrag „Moderne Sklaven“ an den Tag.

Nachdem der Missbrauch der Leiharbeit einigermaßen eingedämmt wurde, wird diese Art der Ausbeutung durch das System der Werkverträge fortgesetzt. „In den sächsischen Fabriken von Porsche und BMW sind festangestellte Mitarbeiter bald in der Minderheit, etwa die Hälfte der Beschäftigten dürften mittlerweile über Werk-verträge in den Fabrikhallen sein. – Bei BMW sind inzwischen 26 Dienstleistungs-unternehmen als Werkvertragpartner registriert, wie Thyssen-Krupp Automotive oder Wisag. – Wisag…entsendet rund 400 Mitarbeiter zu BMW und Porsche. Bei BMW schrauben sie Achsen zusammen, wenige Meter von den festangestellten Mit-arbeitern entfernt, aber für bis zu 1000 Euro brutto weniger im Monat. Dabei ist die Wisag kein direkter Vertragspartner von BMW, sondern vonThyssen-Krupp Automotive, der Leiharbeitsfirma, die von BMW engagiert wurde.“

„Bei Audi in Ingolstadt arbeiten in der Entwicklungsabteilung rund die Hälfte der Ingenieure auf Werkvertragbasis, schätzt die IG Metall. Sie verdienen bis zu 800 Euro weniger im Monat, müssen 40 statt 35 Stunden arbeiten, zahlen in der Kantine das Doppelte und gehen bei Prämienzahlungen leer aus.“

Der SPIEGEL Beitrag endet mit einem ganz besonders bösen Bubenstück. Bedingung einer Ausschreibung für den Bau eines Wohnparks in Heidelberg war: keine Werk-
verträge. Nach Monaten fand sich ein Unternehmen, das diese Bedingung akzeptier-te. Na bitte, könnte man jetzt sagen, es geht doch. Aber: die Firma hatte alle festen Mitarbeiter von anderen Baustellen für dieses Projekt abgezogen „und dort komplett durch Werkverträge ersetzt“.

„Frei schwebend in der Wolke“ heißt der Beitrag in der SPIEGEL Ausgabe 6 vom 6. Februar, der die eben notierte Geschichte fortsetzt.

„Der Software-Konzern IBM plant eine Radikalreform seiner Belegschaft. Ein internes Papier zeichnet die Blaupause für die Arbeitswelt von morgen: Kleine Kernmannschaften dirigieren ein Heer freier Mitarbeiter – weltweit.“

„Das Papier beschreibt einen Konzern in Auflösung. Zigtausende feste Beschäfti-gungsverhältnisse könnten bei IBM abgebaut werden. Übrig bleiben soll eine Kernbelegschaft, ‚zur Aufrechterhaltung der Kundenbeziehungen’. Eine möglichst kleine Truppe von Festangestellten soll das Unternehmen steuern und managen.“

„Die meisten Mitarbeiter… sind von Nigeria über Finnland bis Chile weltweit in einer sogenannten globalen Talent Cloud verstreut und werden in sich verändernden Verbünden für einige Tage, Wochen, Monate oder Jahre für bestimmte Projekte angeheuert.“

Das ist eine raffinierte Form der Sklaverei. „Arbeitsverträge sollen – anders als heute – nicht mehr auf regionalen Vereinbarungen aufbauen. Im IBM-Modell gibt es stattdessen ‚globalisierte Arbeitsverträge’. Auf diesem Weg kann die nationale Arbeitsgesetzgebung umgangen werden, ebenso wie nationale Lohnregelungen und geltende Tarifverträge.“

So geht das pausenlos weiter, jede Einzelheit unanständiger als die andere. Zum Schluss heißt es: „An die Stelle staatlicher Vorschriften treten die Spielregeln privater Konzerne.“

Kapitalismus pur? Auf jedenfall der blanke Egoismus der Unternehmen.

Wird das gut gehen? Auf die Dauer wohl nicht. Wenn nicht genug Geld verdient wird, kann auch nicht genug ausgegeben werden. Wenn die Reichen (die reichen Unternehmen) nur einem Heer von Armen gegenüberstehen – wer soll dann ihren Reichtum mehren? Von den Armen wird nichts zu erwarten sein. Sie haben ja nichts. Die Reichen haben ihnen ja alles genommen.

* DER SPIEGEL 5/30. 01. 12 und 6/6. 2. 12

Sonntag, Februar 05, 2012

Ein Lob auf die Unwissenheit

Überall – in den Zeitungen, in den Zeitschriften, im Fernsehen, im Internet, erfahren wir, welchen Gefahren unsere Gesundheit, unser Wohlergehen, unser Leben ausgesetzt sind. Was immer ich mache, was immer ich unterlasse – es scheint alles falsch zu sein.

Die Ratschläge erschlagen mich. Bluthochdruck? Falsche Colesterinwerte? Neue Hüft- oder Kniegelenke – ja oder nein? Zu welchen Gefahren führen welche Operationen? Kann man sich vor Krebs schützen, und wenn ja, vor welchem? Zeigt der Pickel auf meiner Stirn, dass ich unheilbaren Hautkrebs habe?

Das sind nur ein paar Fragen, die mir jeden Tag gestellt werden. Und eine Antwort wird mir nicht gegeben. Jedenfalls keine, mit der ich etwas anfangen könnte.

Am liebsten würde ich mir die Bettdecke über den Kopf ziehen und nichts mehr hören und sehen. Aber das wird ja auch nichts helfen. Helfen kann nur eine ganz einfache Erkenntnis:

Je weniger ich weiß, desto weniger Gedanken muss ich mir machen. Anders gesagt: Dummheit schützt vor Schaden.

Das wäre es dann: Lassen wir uns von den Zeitungen, Zeitschriften, vom Fernsehen und vom Internet nicht verrückt machen. Die Welt ist schon verrückt genug. Da müssen wir nicht auch noch mitspielen.

Fast Food statt selber...

Fast Food statt selber denken. Ja, genau das. Es geht nicht ums Kochen. Es geht ums Denken und um das, was beim Nichtdenken herauskommt: Sprachmüll:

Lostreten. Politiker aller Couleur treten gern Diskussionen, Debatten und weiß der Henker noch was los. Warum treten sie? Warum gehen sie so brutal vor? (Klingt ja fast wie tot treten.) Sie haben keine Lust, sie haben keine Zeit, ihre eigene Sprache zu sprechen. Sie nehmen lieber die aus dem Polit-Sprechkasten. Das geht schneller, und sie müssen nicht überlegen.

Eine Diskussion anzetteln, in Gang bringen, ein Thema zur Sprache bringen… das ist zu unauffällig, da fehlt die Entschlossenheit. Nee, da treten wir doch lieber mal etwas los.

Mitnehmen. „Wir müssen die Menschen mitnehmen.“ Wird auch gern gesagt. „Wir müssen sie dort abholen, wo sie sind.“ Gemeint ist wohl: Wir müssen auf die Interessen, auf die Bedürfnisse und die Wünsche der Menschen eingehen. Wir müssen uns um sie kümmern. Warum sagen die Politiker das nicht? Vielleicht fürchten sie, dass die Menschen das ernst nehmen. Da ist natürlich das „Mitnehmen“
nicht ganz so verpflichtend. Nein, so schlimm ist es wohl nicht. Es geht auch hier vermutlich um die Faulheit, nach dem richtigen Wort zu suchen und es auszusprechen.

Rüberbringen. Immer, wenn beispielsweise bei einem Wahlkampf etwas in die Hose gegangen ist, dann hat man nicht rüberbringen können, was man rüberbringen wollte. Klarer Fall: Man hat es nicht geschafft. Man hat verloren. Warum wohl?

Vielleicht liegt es daran, dass man auf verschiedenen Seiten steht, die einen auf dem einen Ufer, die anderen auf dem anderen. Das erklärt alles, würde Columbo sagen.

Aber es geht ja hier um die Sprache. Und da klingt „wir haben das nicht rüber-gebracht“ nicht so negativ wie „wir haben uns nicht verständlich gemacht“ – „wir haben nicht überzeugt“, „man hat uns unsere Argumente nicht abgenommen“.

Natürlich soll sich niemand kleiner machen als er ist. Aber beim Namen nennen sollten wir die Dinge schon. Und wenn wir das machen, haben wir vielleicht beim nächsten „Rüberbringen“ die Nase vorn.

Ich weiß nicht, warum mir in diesem Augenblick ein so genannter Judenwitz einfällt. Ich werde ihn hier notieren, obgleich ich damit vielleicht auf irgendwelche schwarzen Listen gerate:

„Fragt ein kleiner Junge seinen Vater: „Papa, wie wird man reich?’ Antwortet der Vater: „Ehrlich währt am längsten“.

Das ist ein Witz? Nein! Das ist ein Judenwitz? Nein! Das sind wir, weltweit. Schauen wir uns einfach mal um. Aber vielleicht ist das gar nicht so einfach. Dabei sehen wir überall die Korruption, den davonrasenden Reichtum einer internationalen Minder-heit. Millliarden Menschen zappeln sich ab, um satt zu werden und ihren Kindern ein Leben ohne den täglichen Hunger zu ermöglichen.

Nein, das „ehrlich währt am längsten“ soll nicht länger wahr sein.

Nachvollziehen. Es scheint kaum noch jemanden zu geben, der etwas nachvollzie-hen kann. Das leuchtet ein, weil es immer wieder heißt „das kann ich nicht nachvoll-ziehen“. Was steckt hinter dem „Nichtnachvollziehbarem“?

Vollziehen heißt doch, etwas zu tun, lt. Wörterbuch „umsetzen, ausführen, durch-führen, verwirklichen, vollstrecken“. Da sollten wir meinen, „Ich kann das nicht nachvollziehen“ bedeutet „das würde ich nie tun.“ Weit gefehlt! Gemeint ist „das habe ich nicht begriffen, das habe ich nicht verstanden“. Aber wer gibt das schon zu?

Samstag, Februar 04, 2012

Hokus, pokus, fidibus, dreimal schwarzer Kater...

Das war, als wir kleine Jungs und Mädchen waren, der große Zauberspruch. Wenn wir fest daran glaubten, wirkte er. Sonst nicht. Aber er wirkte. Fragen Sie Zeitzeugen. Sie werden es Ihnen bestätigen.

Heute wirkt unser Zauberspruch nicht mehr. Der Grund dafür ist traurig. Irgendjemand hat, ohne uns zu fragen, unser Hokus, Pokus gegen Fokus ausgetauscht. Das ist wirklich ganz, ganz schlimm.

„Wir haben den Fokus nicht auf Leuten, die nicht singen können.“ (Sarah Connor) STERN Nr. 6. 02. 02. 2012, Seite 98.

Was ist denn der Fokus, mal ganz einfach gesagt? Er ist der Punkt, auf den sich alles richtet, dem die ganze Aufmerksamkeit gehört. „Wir konzentrieren uns auf …“, so haben wir das vor noch gar nicht langer Zeit gesagt. Aber heute ist der Fokus angesagt – der Lokus, in den wir alles hineinschütten, wenigstens, was die Sprache betrifft. Aber da hinter dem, was wir sprechen, hoffentlich auch immer ein paar Gedanken stecken, sollten wir besorgt sein. Sind wir wirklich zu einer gedanklichen, einer geistigen Wegwerfgesellschaft verkommen?

Hokus, pokus, fidibus… vielleicht können wir uns noch mal freizaubern. Versuchen sollten wir es.

Hier spricht die Öffentliche Hand

Das klingt komisch; denn Hände können doch nicht sprechen – wenn wir mal von der Gebärdensprache absehen. Aber die Öffentliche Hand kann offenbar vieles, das wir lieber nicht hören und nicht sehen würden.

In einem Hamburger Vorort, ich glaube, es ist Bergedorf, soll ein seit Jahren beliebter Markplatz „umgewidmet“ werden. Zugegeben: Dafür kann es Gründe geben, muss aber nicht sein. Die Marktbeschicker und die Marktbesucher, die Anbieter und die Käufer waren und sind mit ihrem Marktplatz durchaus zufrieden.

Nicht aber die Verwaltung, die Behörden. Die haben Pläne, die nicht zu verstehen sind. Und damit bin ich beim Thema. Dabei dreht es sich vordergründig um unsere Sprache, aber im Hintergrund, in Wirklichkeit um das Denken, das dahinter steckt.

„Durch eine höhere Nutzungsqualität wird auch die soziale Kontrolle verstärkt.“ – sagt die Öffentliche Hand. Was damit gemeint sein könnte, ist nur zu erraten. Vielleicht dies: Wenn nicht nur ein- zweimal in der Woche ein Markt abgehalten wird, sondern täglich hier nichts stattfindet, dann achten die Menschen auf das Nichts und sorgen dafür, dass alles seine Ordnung hat.

Nein, sagt die Öffentliche Hand, „die Sanierung steht nicht im Vordergrund, sondern die Rückgewinnung von Stadtraum“. Verstehe, wer das will. Stadtraum rückgewin-nen? Der ist doch da.

Was die Öffentliche Hand haben möchte, ist ein öffentlicher „Kombinationsplatz“ mit hoher „Aufenthaltsqualität“. Komisch. Den Kombinationsplatz hat Bergedorf doch schon; denn es ist ja nicht jeden Tag Markttag. An den anderen Tagen steht der Platz zur freien Verfügung.

Unter der hohen „Aufenthaltsqualität“ scheint die Öffentliche Hand ein paar Bänke und einen Brunnen zu verstehen. Das jedenfalls wird angedeutet.

Und dann ist da noch die „soziale Kontrolle“, die die Öffentliche Hand herstellen möchte. Was damit gemeint ist, muss wie gesagt, erraten werden. Möglicherweise hat man erkannt, dass eine Video-Überwachung zu teuer und auch überflüssig ist,
wenn nur alle Bürger sich in diesem „Stadtraum“ gegenseitig beobachten und kontrollieren, ob sich jeder korrekt nach Auffassung der Öffentlichen Hand verhält.

Mit diesem Unsinn beschäftigen sich die lokalen Politiker und schmeißen das Geld zum Fenster hinaus, das ihnen nicht gehört.

Wie wir sehen: Die Sprache, nicht die Sonne, bringt es an den Tag.

Wirtschaftswunderland

So gut wie allen Ländern in Europa geht es schlecht; den einen mehr, den anderen weniger, aber den meisten mehr. Zu hohe Schulden, zu viele Arbeitslose, eine schwächelnde Wirtschaft.

Unter den wenigen Ausnahmen ist Deutschland die größte. Das liegt nicht nur an der Tüchtigkeit, wie gern behauptet wird. Kein anderes Land in der EU hat auch nur annähernd so viele Bürger und so viele Menschen, die mit ihrer Arbeit Werte schaffen. Da kommt eine Menge zusammen. Deutschland, der Wirtschaftsmotor der EU! Deutschland muss die marode EU-Wirtschaft aus dem Schlamassel ziehen! Das klingt logisch. Aber ist es das auch?

Heiklen Fragen begegnet man am besten mit einer Gegenfrage. Das ist ein bewähr-tes Konzept. Also: Was heißt eigentlich Deutschland?

Es ist ja nicht Deutschland, das hier ein vermeintliches Wunder bewirkt, es ist ja nicht der Staat. Es sind die so ungefähr 40 Millionen Frauen und Männer, die jeden Tag zur Arbeit gehen und – hoffentlich – ihr Bestes geben. Auf jeden Fall versuchen sie es.

Es sieht so aus, als würden sie für diesen Versuch, als würden sie für ihre Arbeit bestraft. Und es sieht nicht nur so aus, es ist so. Dafür gibt es stattliche – pardon – staatliche Gründe. Die Lobby macht es möglich.

Der Mindestlohn für ehrliche Arbeit? Die Lobby und die von ihr gewonnenen Politiker haben etwas dagegen. (Es gibt inzwischen Ausnahmen, aber die lösen das Problem nicht.) Die Folge: Wenn das Hungergeld fürs Leben nicht reicht, dann gibt es Unterstützung vom „Staat“.

Verzeihung! Das ist gelogen. Das ist nicht der „Staat“. Wir Steuerzahler subventio-nieren die Unternehmen, die Hungerlöhne zahlen. Wir sorgen – ahnungslos – dafür, dass clevere Unternehmer uns ausnehmen wie die berühmte Weihnachtsgans.

Zu dumm, die Geschichte geht, so blöd wie sie ist, weiter. Da hätten wir das Thema
Leiharbeit. Das war ein blühendes Geschäft und ist es immer noch, obgleich es inzwischen eine neue und genau so gute Gelegenheit gibt. („Nach dem Missbrauch der Leiharbeit suchen viele Arbeitgeber das nächste gesetzliche Schlupfloch, um weiter Lohndumping zu betreiben.“ DGB-Chef Michael Sommer.)

Statt der Leiharbeit jetzt Werkverträge. Das ist die neue Masche. Wie das geht, zeigen Ausschnitte aus „Moderne Sklaven“, DER SPIEGEL 5/2012:

„Er (Gewerkschafter Bernd Kruppa aus Leipzig) befürchtet, das auch mit den Werkverträgen weitere Stammbelegschaften abgebaut werden. In den sächsischen Fabriken von Porsche und BMW sind festangestellte Mitarbeiter bald in der Minderheit, etwa die Hälfte der Beschäftigten dürften mittlerweile über Werkverträgen in den Fabrikhallen sein.“ (Die Rechtschreibfehler habe ich aus
dem SPIEGEL-Text übernommen.)

„Bei BMW in Leipzig sind inzwischen 26 Dienstleistungsunternehmen als Werkvertragspartner registriert, wie Faurecia, Thyssen-Krupp Automotive oder Wisag.

Wisag war einmal eine Gebäudereinigungsfirma, jetzt entsendet sie rund 400 Mitarbeiter zu BMW und Porsche. Bei BMW schrauben sie Achsen zusammen, wenige Meter von den festangestellten Mitarbeitern entfernt, aber für bis zu 1000 Euro brutto weniger im Monat. Dabei ist Wisag kein direkter Vertragspartner von BMW, sondern von Thyssen-Krupp Automotive, der Leiharbeitsfirma, die von BMW engagiert wurde.

Die IG Metall hat schon vor vier Jahren durchgesetzt, dass Leiharbeiter bei BMW den gleichen Lohn erhalten müssen wie Festangestellte. Thyssen-Krupp Automotive schickt allerdings kaum eigene Leute, sondern holt sie sich über Werkverträge bei der Wisag, für die der Tarifvertrag nicht gilt.

Bei Audi in Ingolstadt arbeiten in der Entwicklungsabteilung rund die Hälfte der Ingenieure auf Werkvertragsbasis, schätzt die IG Metall. Sie verdienen bis zu 800 Euro weniger im Monat, müssen 40 statt 35 Stunden arbeiten, zahlen in der Kantine das Doppelte und gehen bei Prämienzahlungen leer aus.

‚Audi hat erkannt, dass da etwas nicht stimmt’, sagt Johann Horn, IG-Metall- Bevollmächtigter in Ingolstadt und Aufsichtsratsmitglied des Autobauers. ‚Wir führen erste Gespräche mit Audi, wie wir das Problem beheben können’.“

Ist es nicht zum Verzweifeln? Und warum lassen wir unsere Politiker nach der Pfeife der Unternehmen tanzen? Was heute schon ungerecht ist, wird morgen zum Himmel schreien. Dann werden wir ein Millionenheer von Menschen habe, die „unterhalb der Armutsgrenze“ leben – wie das politisch korrekt heutzutage heißt. Nicht auszudenken, wenn die mal aufstehen und ihre Rechte einfordern, mit der Faust, mit Gewalt?!