Samstag, Januar 14, 2006

Die Sprache ist ein Fieberthermometer

"Wo die Sprache korrumpiert wird, folgt bald Schlimmeres", hat neulich jemand gesagt. Wer es war, habe ich leider vergessen. Aber es ist die Wahrheit. Nicht die Sonne bringt es an den Tag (wie im Märchen), sondern die Sprache.

Der Missbrauch der Sprache zeigt immer auch den Missbrauch an, der dahinter steckt. So will die neue Bundesregierung nach heutigen Zeitungsmeldungen den Kündigungsschutz "weiterentwickeln".

Da denkt natürlich jeder daran, dass die Arbeitnehmer vor (ungerechtfertigten) Kündigungen geschützt werden sollen und nicht daran, dass die Arbeitgeber zu schützen seien.

So gedacht ist zu kurz gedacht. Die "Weiterentwicklung des Kündigungsschutzes "ist natürlich - wörtlich genommen - nicht auf eine Richtung festgelegt. Die Weiterentwicklung kann der einen wie auch der anderen Partei zugute kommen.

Aber auf diesen Gedanken kommt der Leser zunächst gar nicht, oft nicht mal bei längerem Nachdenken.

Ehrlich wäre es gewesen, anstelle von "Weiterentwicklung" von "Änderung des Kündigungsschutzes"zu sprechen. Das hätte den meisten Lesern die Augen geöffnet.

So zeigt der Sprachgebrauch buchstabengenau an, wie es um unsere Kultur steht - vordergründig um die Sprachkultur - , in Wirklichkeit aber um sehr viel mehr: die Art und Weise,wie wir miteinander umgehen, ehrlich oder verlogen.

Die Sprache registriert das alles so genau wie ein Fieberthermometer. Immer häufiger wird nicht nur erhöhte Temperatur, sondern Fieber angezeigt.