Montag, Juli 18, 2016
Warum verhunzen wir unsere
Sprache? Warum sind so hübsche Wörter wie Singsang-Serie, Plapperprogramm,
labormittelernst, himmelblau dumm und Hoolygänse so selten? Warum drängeln sich
hässliche Wörter immer mehr in den Vordergrund?
Was um die Ecke liegt, ließ sich
bisher zu Fuß erreichen. Jetzt heißt es fußläufig.
Was mit den Händen gemacht werden kann, wird heute händisch genannt. Aus einordnen ist längst verorten geworden. Und jetzt noch verfußt!
Martin Hofstetter, Greenpeace-Experte,
hat dieses Wort in die Welt gesetzt. Experte hin, Experte her, hätte er doch
bloß den Mund gehalten, hätte er es doch einfacher gesagt!
Wir brauchen bodenständige
Landwirte, die dort arbeiten, wo sie zu Hause sind. Wir brauchen keine
Finanzinvestoren, die mit ihren Käufen kleine Bauern von ihrem Land verjagen.
Das ist das Wichtige, und das Wörtchen verfußt wird zur Lappalie.
Damit ist die Frage nicht
beantwortet, warum wir unsere Sprach verhunzen. Wenn wir es nicht wissen, dann
können wir es doch vermuten.
Ein Grund könnte sein, dass wir uns
nicht die Zeit nehmen, nach dem richtigen Wort zu suchen. Liegt es an der
Nebensprache des Behörden-, Verwaltungs-, Justiz-Deutsch? Vielleicht spielt
auch das SMS-140-Zeichenlimit eine Rolle.
Gestolpertes Immigrantendeutsch
der Kids wird cool gefunden und nach-geplappert. (Ich gehen Pauli.) Sollte es
daran liegen? Nicht auszuschließen auch, dass einige Sprachwissenschaftlerinnen
der Humboldt-Universität etwas damit zu tun haben. Ihre Ansicht, Koffer müsse Koffa
geschrieben werden und Computer Computa, macht nachdenklich. Die Begründung der
Damen: Die Endung er sei männlich und müsse neutralisiert werden. So lässt sich
unsere Sprache verhunzen.
Es sieht so aus, als hätte einfaches,
treffsicheres, elegantes Deutsch, das auf die Form achtet und damit den Inhalt
angemessen vorträgt, nur wenige Freunde. Bleibt zu hoffen, dass sie nicht klein
beigeben und sich weiter bemühen, den Sprachmüll zu beseitigen.
Das Smartphone-Syndrom
Orthopäden, Soziologen und
Psychologen sind gleichermaßen beunruhigt über die Nutzung des Smartphones. Gründe
genug für die Sorgen gibt es.
Orthopädien fürchten, dass zu den bisherigen Haltungsschäden ein
weiterer hinzukommt. Der ständig nach unten gerichtete Blick auf das
Smarthphone spricht dafür. Nachdenklich machen auch die Pläne, die Ampeln an
Zebrastreifen mit zusätzlichen tiefergelegten Leuchten auszustatten, damit die
Smartphonisten den Kopf nicht heben müssen, wenn sie über die Straße wollen.
Soziologen beunruhigt die offensichtlich zunehmende Unfähigkeit,
von Angesicht zu Angesicht zu sprechen, ohne den immer häufiger zu beobachten
Umweg über das Smartphone. Nicht nur die Überbeanspruchung des Daumens und das
ständige Wisch-und-weg machen nachdenklich. So sollen schon einige Soziologen
befürchten, dass – natürlich nicht von heute auf morgen – die Fähigkeit,
überhaupt zu sprechen, deutlich eingeschränkt wird. Da die Natur sich mehr am
Marathon orientiert und weniger am Sprint, die Entwicklung also nicht von heute
auf morgen erfolgt, dürfte es noch eine Weile dauern, bis die Menschheit
verstummt.
Psychologen sind nicht weniger irritiert, und sie teilen ihre
Befürchtungen wahrscheinlich mit den Soziologen. Sie fürchten, dass die
Smartphone-Technik alle diskriminiert, die kein Smartphone haben. Diese Furcht
ist tatsächlich nicht unbegründet.
Wer kein Smartphone hat, bleibt
von den zusätzlichen Informationen ausgeschlossen, die überall mit diesem komischen Zeichen, dem QR-Code, angeboten
werden. Wie dumm kommt man sich vor, wenn eine Krankenkasse voller Stolz
mitteilt, dass man alle Einzelheiten über seinen Vertrag über das Internet
abrufen kann. Und wenn man dann feststellt, dass das nur über den QR-Code geht.
Ist das nicht Erpressung? Ja, das ist Erpressung. Wie anders sollen wir
verstehen, dass wir ohne Smartphone ausgegrenzt werden, dass wir dazu gezwungen
werden, und ein Smartphone anzuschaffen? Noch eine Zwei-klassengesellschaft!
Wo bleibt das Positive?
In der internationalen Politik
ist es nicht zu finden. Überall ein Hauen und Stechen. Auch in Europa, in der
veruneinigten Europäischen Union. Also: Wo ist es, das Positive? Es hat sich
ins Private zurückgezogen.
Karlheinz Böhm, Menschen für
Menschen. Rupert Neudeck, Cap Anamur. Hermann Gmeiner, SOS-Kinderdorf. Dies und
so manches andere Gute sei privat? Aber ja; denn es geht immer auf einen
Menschen zurück, der das Gute in die Tat umsetzte, so wie Erich Kästner sagte:
„Es gibt nichts Gutes, es sei denn man tut es.“ Diese Menschen haben es getan
und viele andere, von denen wir nichts wissen, auch. Jede Tat zählt, auch die
geringste.
Um Gutes zu tun, muss man Mensch
sein. Ein Staat kann das nicht. Behörden und Verwaltungen können das nicht.
Nicht, dass sie unmenschlich sein wollen. Aber zum Schluss sind sie es doch –
im bösesten Fall bis zum Krieg, im Kleinen wie im Großen. So bleibt alles Gute - privat.
Paris / Nizza
Wie passen Paris und Nizza
zusammen – am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag? In Nizza fährt ein
„Irrer“ mit einem Lastwagen mitten in Tausende fröhlich feiernder Menschen
hinein und tötet mehr als achtzig von
ihnen. Und in Paris, etwa zur selben Zeit ein Open Air-Konzert
klassischer Musik unter dem Eiffelturm, bis hin zur Europa-Hymne von Beethoven
und dann zum Schluss – natürlich – die Marseillaise. Wie das zusammenpasst?
Keine Antwort. Es wird wohl auch keine geben.
PS: Sozialpsychologen – wirklich,
die soll es geben – werden uns die Sache erklären. Aber eine Antwort haben auch
sie nicht. Sie tun nur so. Deshalb sollten wir sie nicht zu ernst nehmen.
Vor allem: Wir sollten nicht
denken lassen, sondern selbst denken. Das ist anstrengend und führt nicht immer
zur gewünschten Erkenntnis. Trotzdem: Wir sollten es tun.
Freitag, Juli 15, 2016
Philosoph Jürgen Habermas - klar und unverständlich
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Jürgen Habermas, ist zurzeit international meistzitierter deutscher
Philosoph. Donnerwetter, kann ich da nur sagen! Respekt! Aber einen Diener muss
ich doch nicht machen, oder?
DIE ZEIT vom 7. Juli bringt ein Gespräch mit ihm zum Brexit unter dem
Titel „Die Spieler treten ab.“ Ich habe da ein paar Stellen angestrichen, die
mich beschäftigt haben.
„Der gedankliche Horizont
schrumpft, wenn nicht mehr in Alternativen gedacht wird.“ Das finde ich auch. Gutes Deutsch ist es
aber nicht. Ein schrumpfender Horizont? Aber immerhin: Was Habermas meint, ist
zu verstehen.
Abgesehen davon: Schon Jakobowsky (Denny Kaye in „Jakobowski und der
Oberst“) wusste, dass es nicht nur eine, sondern mindestens zwei Möglichkeiten
gibt. Frau Merkel sollte sich diesen Film einmal ansehen. Er könnte sie von
ihrer Alternativlosigkeit heilen.
Hellwach ist der Philosoph allemal. Auf Hinweis und Frage der
ZEIT-Redakteure, „Bürger fürchteten den Kontrollverlust und glaubten, nur die
Nation sei der Fels, auf den sie noch bauen können. Beweist das nicht, dass die
Transformation von nationaler in transnationale Demokratie gescheitert ist?“ Antwortet
Habermas: „Ein Versuch, den man gar nicht
erst unternimmt, kann nicht gescheitert sein.“ Wie wahr!
Dann wird Herr Habermas wirklich philosophisch, wie man sich
Philosophen eben so vorstellt, nämlich unverständlich, zumindest aber schwer
verständlich. Der folgende Text muss übersetzt werden:
„Die sozialpathologischen Züge
einer politisch enthemmten Aggressivität deuten darauf hin, dass die alles
durchdringenden systemischen Zwänge einer ungesteuert ökonomisch und digital
zusammen-wachsenden Weltgesellschaft die Formen der sozialen Integration
überfordern, die im Nationalstaat demokratisch eingespielt waren.“
Das Ganze bitte noch einmal? Lieber nicht. Vielleicht geht es
einfacher. Ein erster Versuch: In den
Nationalstaaten kennen wir die Spielregeln und beherrschen sie. Die
Globalisierung verstehen wir nicht. Da gilt nur noch die Wirtschaft, das
Kapital. Da wächst nichts zusammen. Da wird etwas zusammengezwungen, über
unsere Köpfe hinweg. Das macht uns wütend. Und das soll pathologisch, das soll
krankhaft sein?
Als das Gespräch auf das Thema Kontrollverlust des Nationalstaats
kommt, spricht Habermas verständlicher – „Aushöhlung
der nationalen Demokratien, die den Bürgern bisher die Chance gegeben haben,
über wichtige Bedingungen ihrer gesell-schaftlichen Existenz mitzubestimmen.“ Auch
nicht gerade elegant, aber immerhin, es geht.
Noch deutlicher wird Habermas ein paar Takte weiter: „Nach der Ideologie des Silicon Valley
werden ja Markt und Technologie die Gesellschaft retten und so etwas
Altmodisches wie Demokratie überflüssig machen.“
Später spricht er von der „vollständigen Abdankung der Politik vor den
Imperativen unregulierter Märkte“.
Im weiteren Verlauf des Gesprächst kritisiert Jürgen Habermas –
durchaus verständlich formuliert, die Trägheit der Merkel-Regierung „Es ist kein Zeichen von Realismus, wenn
sich die politische Führung dem bleiernen Lauf der Geschichte überlässt. ‚In
Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod‘… bevor man eine
unversuchte Alternative verwirft, sollte man sich unsere Gegenwart als die
Vergan-genheit der Gegenwart eines künftigen Historikers vorzustellen
versuchen.“
Gegenwart als Vergangenheit vorstellen? Ist das nicht ein bisschen
geistiges Kobolzschießen? Erinnert mich an zwei Dinge: Frau Merkels „alles von
hinten her denken“ und an die Äußerung von Karl Valentin „Heute ist die gute
alte Zeit von morgen.“
Donnerstag, Juli 14, 2016
Eine kleine Zeitreise
Seit jeher messen wir die Zeit.
Wir teilen sie in Jahrtausende, Jahrhunderte, Jahrzehnte, in Jahre, Monate und
Tage. So geht es weiter: die vierundzwanzig Stunden des Tages, die sechzig
Minuten der Stunde … und schließlich berechnen wir die Zeit in tausendstel
Sekunden. Verstanden haben wir die Zeit aber nicht.
Wir können die Zeit nicht
begreifen. Sie bleibt unfassbar für uns. So sehr wir uns bemühen: Immer wieder
schlägt uns die Zeit ein Schnippchen. Manchmal kommt uns eine Sekunde vor wie
eine Ewigkeit, ein anderes Mal ist eine Stunde so flüchtig wie ein Wimpernschlag.
Es kommt vor, dass uns die Zeit auch für das Wichtigste fehlt. Manchmal haben
wir gar kein Zeit, und dann wieder so viel Zeit, dass wir gar wissen, was wir
damit anfangen sollen. Woran liegt das? Liegt es an uns? Liegt es an der Zeit?
Es sieht ganz so aus, als machten
wir den Fehler, der die Zeit für uns so uner-klärlich macht. Wir verstehen ihre
Flüchtigkeit nicht, verstehen nicht ihre Unab-hängigkeit von unserem Denken,
von unserem Ordnungswahn
Aber das sind nur Dinge, die für
Philosophen wichtig sind. Das sind die Men-schen, die uns die Welt erklären,
die sie selbst nicht verstehen, genau so wenig wie die Zeit. Die Zeit ist für
sie so unbegreiflich wie für alle anderen. Der einzige Unterschied zwischen den
Philosophen und uns: Sie haben nicht begriffen, dass sie es nicht begriffen
haben.
Mit diesem Problem wollen wir die
Philosophen allein lassen. Das wird ihnen vermutlich nur recht sein, schon
deshalb, weil wir ihnen mit der Zeit zu leichtfertig umgehen – wie sie finden,
bis zur Lächerlichkeit. Tatsächlich gibt es viel über unseren Umgang mit der
Zeit zu lachen. Das wollen wir uns einmal genauer ansehen.
Fangen wir mit dem Zeitfenster an. Darüber ist der
Zeitraum, an den wir uns gewöhnt hatten, so gut wie in Vergessenheit geraten.
Das Zeitfenster ist neuer und erfreut sich bei Politikern und Managern
unglaublicher Beliebtheit. Vor allem regt es die Phantasie an. Mal ist den
Damen und Herren das Zeitfenster zu schmal, zu eng, mal fürchtet man, es könne
sich schließen. Es soll auch schon mal geschlossen gewesen sein. Der Chef des
Hamburger Flughafens hatte sogar Angst, es würde schmelzen. Vielleicht sollten
die Herrschaften das Zeitfenster mal putzen. Dann hätten sie – das wäre zu
hoffen – endlich den Durchblick, der ihnen offenbar fehlt, zumindest, was die
Sprache angeht.
Mit dem Zeitraum wurde nicht so viel Unfug getrieben, eigentlich gar
keiner. So geht es auch mit dem Zeitrahmen und der Zeitspanne. Alles Begriffe, die uns vertraut sind. Deshalb können
wir gleich einen Sprung machen zum Zeitgraben.
Wir tun das in der Hoffnung, nicht hineinzufallen, denn er soll riesig sein,
also auch tief und damit gefährlich. Wer weiß, ob wir jemals wieder herauskämen.
Diese Wortschöpfung war in der ZEIT vom 19. Mai zu lesen.
Nachdem wir glücklicherweise
nicht in den riesigen Zeitgraben gefallen sind, kann es uns glatt passieren,
dass wir uns ganz unverhofft in einem Zeitkorridor
wiederfinden. Das kann uns Angst machen, denn der Zeitkorridor wird meist als
eng bezeichnet. Menschen, die unter Klaustrophobie leiden, wird das zu schaffen
machen. Ihnen bleibt nur die Hoffnung, dass dieser Korridor nicht zu lang ist. Und
tatsächlich ist bisher nur von engen Zeitkorridoren gesprochen und geschrieben
worden, die Länge der Zeitkorridore kam noch nicht zur Sprache. Möglicherweise
ist ihre Länge nicht der Rede wert. Eines aber dürfte feststehen:
Sprachklaustrophobiker werden den Zeitkorridor auf jeden Fall meiden. Ihnen
macht diese sprachliche Enge zu viel Angst.
Setzen wir unsere Zeitreise fort.
Jede Station wird sich von ihrer besten Seite zeigen, um uns zu amüsieren oder
auch nachdenklich zu machen.
Die erste Station, auf der wir
kurz Halt machen, heißt „im Zuge der
Zeit“. Vor vielen Jahren in
geschäftlicher Korrespondenz eine beliebte Floskel. Das haben die Chefs
ihren Sekretärinnen einfach so in den Stenoblock diktiert. Dass die Zeit sich
noch nie in einen Zug gesetzt hat, wurde nicht zur Kenntnis genommen. Mal
abgesehen davon: Hätte man vor der Erfindung der Eisenbahn etwa „in der Kutsche
der Zeit“ gesagt? Wohl kaum. Fahren wir fort.
Nächster Halt: Zeitraffer. Da jagen wir die Zeit so
richtig vor uns her. Natür-lich nur bildlich gesprochen, und das im wahren
Sinne des Wortes. Neuerdings immer häufiger im Fernsehen zu sehen. Da flimmert
eine Bildgeschichte ganz normal über den Bildschirm, nur die Wolken am Himmel,
die rasen wie verrückt. Das passt überhaupt nicht zusammen. Ein Grund dafür ist
nicht zu erkennen. Eine Marotte der Filmer. Eine Modeerscheinung und deshalb
wohl nicht von Dauer.
Gleich danach: Zeitlupe. Da ziehen wir die Zeit in die
Länge, machen aus Sekunden Minuten, wenn nicht noch mehr. Auch das machen wir
mit Bildfolgen, damit unsere langsamen Augen sehen können, was die Kürze der
Zeit uns verbirgt.
So geht unsere Zeitreise weiter,
von Aufenthalt zu Aufenthalt, von Zeitspanne zu Zeitnot, über Zeitnahme und Zeitnehmer. Diese beiden nehmen uns nicht die Zeit, sie klauen uns
nicht unsere Zeit. Sie halten im sportlichen Wettbewerb nur fest, wie viel Zeit
jemand für irgendetwas gebraucht hat – für einen Hundert-meterlauf oder ein
Autorennen.
Damit erreichen wir die nächste
Station unserer Zeitreise. Sie heißt Zeitvertreib.
Hier sollten wir uns einen etwas längeren Aufenthalt gönnen. Für Ungeduldige:
wenigstens ein paar Augenblicke.
Was machen wir nicht alles, um
uns die Zeit zu vertreiben! Wir amüsieren uns, wir sind ausgelassen,
leichtsinnig, wir schweben über den Dingen, über der Zeit. Wir leben zeitvergessen.
In uns die Ewigkeit, von der wir glauben, sie habe mit der Zeit nichts zu tun.
Dass wir uns irren, tut nichts zur Sache. Wir glauben, zeitlos glücklich zu
sein.
Aber gelingt uns das wirklich?
Können wir die Zeit vom Hof jagen – einfach so in die Wildnis der
Unendlichkeit? Aber das wäre ja auch wieder Zeit. Oder wäre das die Unzeit? Die Zeit, die es nicht gibt.
Sozusagen ein Schwarzes Loch? Eine Zeit, so fest zusammengefügt, das nichts,
aber auch gar nichts, nicht einmal die Andeutung von Zeit nach außen dringen
könnte?
Das ist wohl wieder ein Thema für
unsere Philosophen und Astrophysiker, nicht für uns. Unsere Unzeit ist viel
schlichter. Wir kommen (zu einem Besuch) zur Unzeit, zu einem Zeitpunkt, der
nicht passt.
Der Zeitpunkt ist auf unserer Reise eine so kleine Station, dass wir
uns dort nicht weiter aufhalten wollen. Wer aber will, kann hier aussteigen.
Ein Blick auf den Zeitfahrplan
zeigt, dass noch einige Stationen vor uns liegen. Wir werden einige Zeit für
die Weiterreise brauchen. Die sollten wir uns nehmen.
Ob es sich lohnt, wird sich
herausstellen. Einige Neugier dürften allein die Stationen Zeitgeist, Zeitgeschichte, Zeitgeschehen, Vorzeit, Endzeit, Unzeit
wecken.
Selbst geduldige Sprachreisende
werden sich jetzt fragen, wann endlich die Reise ein Ende nimmt, wann das Ziel
der Zeitreise erreicht sein wird. Das lässt sich im Augenblick nicht sagen.
Denn das ist eine Frage der Zeit.
Kein Grund, nervös zu werden.
Allerschlimmstenfalls könnten wir in Zeitnot
geraten. Das sollte uns nicht erschrecken; denn Zeit gibt es im Überfluss. Die
Not kann also nicht allzu groß werden.
Tatsächlich weisen weitere
Stationen auf unserer Zeitreise darauf hin, zum Beispiel Zeitzünder und Zeitbombe.
Dort wollen wir lieber nicht Halt machen. Auch bei der Ortszeit verzichten wir auf einen Aufenthalt, obgleich diese
Station einen eher harmlosen, aber doch wenig einladenden Eindruck macht. Auch
die Zeitzone lassen wir ohne
anzuhalten hinter uns, selbst wenn uns da vielleicht etwas entgeht. Bei der Weihnachtszeit ist sicherlich ein längerer Aufenthalt
angebracht. Bis dahin ist es aber noch weit.
Ehe unser Zeitzug sich auf der Zeitschiene wieder in Bewegung setzt
und das monotone Rattern der Zeitachse
uns von Station zu Station begleitet und ermüdet, nehmen wir erst mal eine Auszeit.
Zwei Welten, zwei Sprachen
Der Jammer wird immer größer, von Jahr zu Jahr, von Tag zu Tag.
Politiker klagen, dass wir, das Volk, sie nicht verstehen. Wir dagegen sagen:
Die Politiker verstehen uns nicht. Wer hat recht? Beide. Und woran liegt das?
Wir sprechen verschiedene Sprachen. Wörter, die hier dies bedeuten,
meinen dort etwas ganz anderes. Das Ganze wird dann mit einer reichlichen
Portion Überheblichkeit und einer nicht zu knappen Prise Rechthaberei gewürzt.
Schauen wir uns als Beispiel das Gespräch mit Katarina Barley an, der SPD-Generalsekretärin, veröffentlicht in
JEWISH VOICE FROM GERMANY, Juli 2016:
Gleich zu Anfang der missglückte Versuch, bildhaft zu sprechen. Frau
Barley sagt, Malu Dreyer, SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, habe einen
klaren Kompass. Klarer Kompass?
Vielleicht hat sie klare Vorstellungen. Aber mit dem Kompass ist das so eine
Sache bei Politikern. Auch starker
Kompass kam im Politikersprech schon vor.
Gut, das sind Lappalien. Wenigstens sieht es so aus. In Wirklichkeit
ist es mehr. Es zeigt, wie schludrig gedacht und gesprochen wird. Leider sind
wir da nicht besser als unsere Politiker. Auch wir schludern.
Das wirklich Schlimme aber ist, dass die Politiker offenbar in einer
anderen Welt leben als wir, dass sie anders denken, und dass wir hinter vieles,
was sie sagen, ein Fragezeichen setzen sollten.
Katarina Barley, Zitat: „Wir
müssen auf die diffusen Ängste in unserer Gesellschaft mit einer positiven,
zukunftsgerichteten Vision antworten.“ Sind unsere Ängste wirklich zu
undeutlich? Und warum muss auf diese Ängste erst jetzt geantwortet werden?
„Wir müssen deutlich machen,
dass in all den Veränderungen, die vielen gerade Angst machen, auch Chancen
stecken… die großen Möglichkeiten der Digitalisierung.“ Habe ich Chancen, oder habe ich Angst, wenn
mein Arbeitsplatz wegdigitalisiert wird? Frau Barley spricht über das Große
Ganze. Sie vergisst, oder hat sie es nie gewusst, dass dieses Große Ganze dem
Einzelnen gar nichts nützt? Dass er sich nicht nur allein gelassen fühlt,
sondern allein gelassen ist?
„Wir müssen deutlich machen…“ – dies und jenes und sonst noch was. Dann,
liebe Frau Barley, machen Sie es doch!
Zur Frage, der Redakteure „… ist die SPD am besten, wenn sie als
Märtyrer auftritt?“: „Die SPD war immer
in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels stark. Derzeit erleben wir eine solche
Situation. Und das ist die Zeit, wo es Sozialdemokratie besonders braucht.“
Wo sieht Katarina Barkley die Stärke der SPD heute? Der kleine Mann auf
der Straße sieht davon nichts. Wie auch? Es gibt sie nicht. Die SPD hat mit der
Großen Koalition ihre Seele verkauft. Das kann Frau Barley natürlich nicht
sagen, selbst wenn sie das erkannt haben sollte.
So lebt sie in einer Parteienwelt, die mit dem Alltag und den Sorgen,
die der mit sich bringt, so gut wie nichts zu tun hat.
Als sie vor 22 Jahren, so sagt sie, in die SPD eingetreten ist, konnte
sie sich nicht vorstellen, Berufspolitikerin zu werden. Jetzt ist sie eine. Ist
Politik ein Beruf? Und wenn ja, wo erlernt man ihn?
Zum Schluss des Gesprächs wird es richtig niedlich. Macht spielt bei
Katarina Barley keine Rolle, sagt sie. Im nächsten Satz dann aber doch: „Ich glaube, ich habe da einen sehr
weiblichen Ansatz: Nicht Macht um der Macht willen, aber Macht, um etwas
verändern zu können.“ Wie selbstlos! Die Welt, durch die rosarote Brille
betrachtet. Und was ist zu sehen? Die SPD in Pink, in rosarot – nur nicht rot,
wie es sich gehört.
Logik? Völlig unlogisch
Bei gutem Wetter kann man von der
französischen Küste aus die Kreidefelsen von Dover sehen. Es sind ja auch nur
einige Seemeilen, die zwischen dem Kontinent und der Insel liegen. Pardon, es
muss genau anders herum heißen: zwischen der Insel und dem Kontinent. Dieser
Unterschied ist wichtig. Warum, wird sich noch herausstellen.
Zwischen der bitischen Insel und
den USA liegen einige tausend Seemeilen. Auch schnelle Schiffe brauchen einige
Tage von da nach dort und umgekehrt. Zwischen diesen Entfernungen liegen
Welten. So groß ist der Unterschied zwischen Ärmelkanal und Atlantik. Logisch,
nicht wahr?
Alles andere als logisch. Das
zeigen die neuesten Ereignisse. Die Mehrheit der Briten hat sich am 23. Juni
entschieden, die Europäische Union zu verlassen, mehr LEAVE als REMAIN. Sie
haben sich entschieden, etwas zu verlassen, zu dem sie nie wirklich gehörten.
Das redeten sich die Leute auf dem Kontinent nur ein.
Für die Briten ist der Ärmelkanal breiter als der Atlantik. Amerika ist den Briten näher als der
Kontinent. Sollte es die Sprache sein, die die Nähe bringt? Wohl kaum. Schließlich heißt es "England and America are two countries seperated by the same language."
Es muss mehr als eine Logik
geben. Anders ist die Sache nicht zu erklären. Vielleicht verhält es sich so
wie mit der Materie und der Antimaterie, ein Thema über sich die vermeintlich
klügsten Köpfe bisher nicht einigen konnten.
Zur Logik gehört die Unlogik, wie
ein kurzer Blick zurück zeigt. Die Gründung der USA war nichts anderes als ein
Protest gegen Great Britain. Die Anlässe waren gering, die Auswirkungen
gewaltig. Amerika setzte Great Britain damals vor die Tür. Scheidung! Die
Briten haben das bis heute nicht zur Kenntnis genommen. Sie gehen lieber mit
Amerika ins Bett als mit dem Kontinent zu kuscheln. Logik mit drei
Fragezeichen.
Auf der Suche nach Erklärungen
können einem die merkwürdigsten Ideen kommen. Sollten die Briten nicht
wahrgenommen haben, dass es ihr Empire, ihre Weltherrschaft gar nicht mehr
gibt? Das könnte ein Grund sein für ihre Ansichten, ihr merkwürdiges Verhalten.
Die Briten betrachten Amerika
immer noch als einen Teil des Empire, einen zwar treulosen, dem man aber die
Treue halten sollte? Das könnte eine Erklärung sein. Logisch ist sie nicht.
Das zeigt die Schwäche der Logik.
Gefühle sind stärker. Gegen Gefühle kann die Logik nichts machen, egal, ob wir
das gut finden oder auch nicht. Die Rat- und Rastlosigkeit der Politik wird uns
noch lange geschäftigen – Ärmelkanal und Atlantik hin und her.
Schon Asterix und Obelix fanden
in Great Britain gewisse Absonderlichkeiten vor: Sie trinken heißes Wasser mit
einem Tropfen Milch und nennen es Tee. Und wenn sie nachmittags ihre tea time
haben, kämpfen sie nicht. Viel scheint sich nicht geändert zu haben.
Dienstag, Juli 12, 2016
Europa, Europa
Die Europäische Union. Das große Thema, seit sich die
Briten für „Leave“ entschieden haben. Europa war auch vorher schon ein großes
Thema. Nur sprach niemand darüber – und wenn doch, dann hinter verschlosse-nen
Türen. Das ist nun anders.
Das reinste Tohuwabohu. Jeder schimpft über jeden. Alle haben schuld.
Keiner hat schuld. Wenn etwas schief läuft, sind es die anderen. Wenn etwas gut
läuft, ist man es selbst. Es ist erstaunlich, wie viel Unfug 28 Staaten und
eine Kommission zustande bringen und wie sie sich die Brocken vor die Füße
werfen. Und über 500 Millionen europäische Bürger sehen fassungslos, sehen
ratlos zu. Vor allem aber: Sie tun nichts. Das muss Gründe haben.
Können sie nichts tun? Wollen sie nichts tun? Was ist los? Da haben sich
28 demokratische Staaten zusammengetan und ihre Zusammenarbeit ist auch eini-germaßen
demokratisch, schließlich gibt es ein Europaparlament. Das wird alle paar Jahre
gewählt.
Dumm ist nur, dass sich immer weniger Bürger an dieser Wahl beteiligen.
1979 waren es durchschnittlich 63 Prozent, 2009 nur noch 43 Prozent. Den
Negativ-rekord stellte 2004 die Slowakei mit knapp 17 Prozent auf. Das ist kein
Grund für Pfuirufe. Europa ist einfach zu weit weg. Bratislawa ist näher als
Brüssel.
Aber das ist es nicht allein. Möglicherweise ist etwas ganz anderes
viel wichtiger. Wissen wir eigentlich, welche Parteien sich im Europaparlament
zusammen-finden? Und wenn wir es wüssten, würden wir sie dann wählen?
Nehmen wir der Einfachheit halber unsere Bundesrepublik. Da haben wir
die Union (CDU/CSU), die SPD, die FDP, DIE GRÜNEN, DIE LINKE und noch ein paar
andere. Alles sehr übersichtlich. Das macht die Wahl nicht leicht, aber
leichter.
Im Europaparlament sieht die Sache anders aus. Da finden wir
Fraktionen, die uns einigermaßen ratlos machen. Wer hat sich da
zusammengeschlossen?
Hier einige Beispiele:
EVP – Christdemokraten, Konservative
S&D – Sozialdemokraten
EKR – Konservative, EU-Skeptiker
EFDD – EU-Skeptiker, Rechtspopulisten
ENF – Rechtspopulisten, Rechtsextreme
Grüne/EFA – Grüne, Regionalparteien
Alles klar? Nein. Da geht offenbar alles durcheinander. Bis auf eine
Ausnahme: die Sozialdemokraten. Aber bei den Konservativen gibt es schon zwei
Fraktionen wie bei den Rechtspopulisten.
Was heißt das? Im Zweifelsfall: Ich habe keine Ahnung, mit wem sich die
von mir gewählte deutsche Partei zu einer Fraktion im Europaparlament
zusammentut. Wer will mir übelnehmen, wenn ich deshalb nicht zur Europawahl
gehe?
Teil- oder zeitweise, das ist die Frage
Die britischen Jungs,
wie sie auch alle heißen, sind weg vom
Fenster. David Cameron wird in den nächsten Tagen zurücktreten, nicht erst im
September, und Theresa May wird in Downing Street No. 10 einziehen. So sieht es
jedenfalls heute, 11. Juli, aus. Andrea Leadsom, die zweite Dame im Wettbewerb,
hat aufgegeben. Sie hat das, nach
Presseberichten, mit Anstand gemacht: Sie hat gelächelt, hier und da, zeitweise.
Ich notiere das nur, weil einige Journalisten, in diesem Fall die von
SPIEGEL ONLINE, den Unterschied von zeitweise und teilweise nicht kennen. Mrs.
Leadsom hat nicht teilweise gelächelt – mit welchem Körperteil, bitte schön? –
sondern gelegentlich, von Zeit zu Zeit also, zwischendurch.
Liebe Schreiber, auch wenn euch der Schlusstermin der nächsten Ausgabe
im Nacken sitzt, reißt euch zusammen! Erinnert euch daran, dass ihr Deutsch
könnt. Sortiert die richtigen Wörter ins richtige Sprachfach. Zeigt, was ihr
könnt: lesenswertes Deutsch.
Montag, Juli 11, 2016
Schwulitäten
Als unsere Frauen und Mädchen vor langer,
langer Zeit den Mund aufmachten und uns Kerls tüchtig vors Schienbein traten,
war das schmerzhaft, aber in Ordnung. Das führte dann beispielsweise zu dem
großen I in MitarbeiterInnen und anderen sprachlichen Verrenkungen. Abgehakt.
Was richtig war, sollte heute überflüssig sein. Ist es aber nicht, wie
die Damen von der Berliner Humboldt-Universität finden. Sie treiben ihre
Minderwertigkeitskomplexe auf die Spitze und darüber hinaus.
So bestehen die Humboldtdamen darauf, Computa zu schreiben oder Kella
oder Tella statt Computer, Keller oder Teller. Klarer Fall aus ihrer Sicht: die
beiden Buchstaben am Ende der Wörter – er – sind diskriminierend, weil
maskulin.
Schwamm drüber? Nein! Und warum nicht? Weil der Hang, der Drang,
im Blitzlichtgewitter der Öffentlichkeit
mitten auf der Bühne zu stehen, unwider-stehlich zu sein scheint. Von dieser
Sucht sind nicht nur die Humboldtdamen befallen.
Wie anders lässt sich erklären, dass wir jeden Tag Antworten auf Fragen
bekommen, die wir nicht gestellt haben? Will ich wissen, ob Anne Will lesbisch
ist? Nein. Ich will sehen, ob sie eine gute Sendung macht. Ihre Bettgeschichten
interessieren mich nicht.
Mit den Kerls ist es genauso. Die bilden sich auch ein, ihr Schwulsein
sei etwas Besonderes. Ist es aber nicht. Kommt sogar bei Affen vor. Verzeihung!
Und die vielen
Doofen, die Heteros? Denen hat es die Sprache verschlagen. Dem Himmel sei Dank!
Wenn die auch noch mit ihren Schlafzimmergeschichten anfin-gen – nicht
auszudenken.
Glaubenssache
Der Mensch ist gutgläubig und verführbar. Das ist seit Adam und Eva so,
und das wird sich nicht ändern. Diese menschliche Schwäche wird ausgenutzt,
verständ-licherweise. Aber es gibt Grenzen. Wenigstens sollte es sie geben. Sie
werden immer wieder überschritten – mit einer Schamlosigkeit, die zum Himmel
schreit.
Die „Publikation des Reflex Verlages zum Thema Lebensmittel. Qualität?
Sicherheit? Genuss?“, neulich der ZEIT oder der WELT beigelegt, ist ein
aktuelles Beispiel dafür, wie Wahrheiten,
die es gar nicht gibt, herbeigeredet, herbei-geschrieben werden.
Zitate:
„Auf den Tellern landet immer
hochwertigeres Essen – auch dank umfassender Kontrolle der Hersteller.
Verbraucher tun sich jedoch schwer, die Qualität zu erkennen.“ Welches Wunder!
„Kontrollinstanzen prüfen
einheimische und importierte Lebensmittel – auf Verunreinigungen oder falsche
Informationen. So gewährleisten sie den Schutz der Verbraucher.“ Gewährleisten?
„Verbraucher möchten mehr
regionale Nahrungsmittel - und passen
ihren Speiseplan den hiesigen Erntezeiten an. Noch fehlt es an aussagekräftigen
Qualitätssiegeln.“ Anpassung
an hiesige Erntezeiten? Erdbeeren zu Weihnachten! Und Qualitäts-siegel? Viel zu
oft Schönfärberei.
„Obst oder Meeresfrüchte kommen
oft aus fernen Ländern in unsere Märkte. Damit die Ware auf den langen Wegen
frisch bleibt, werden hohe Anforderungen an die Transporte gestellt.“ Und wie werden sie erfüllt?
„Bio, regional, traditionell –
Verbraucher fordern wieder mehr Natürlichkeit in der Lebensmittelherstellung.
Das dafür nötige Vertrauen können Siegel gewährleisten.“ Ach
ja. Wenn aus Frauenhaaren Erdbeeraroma hergestellt wird, dann ist das
natürlich?!
„Immer mehr Deutsche stehen der
industriellen Produktion von Fleisch- und Wurstwaren kritisch gegenüber. Zum
Schutz der Verbraucher wird die Branche gut kontrolliert.“ Wer’s glaubt, wird selig.
„Bei der Mehrheit der Deutschen
steht es fast täglich auf dem Speiseplan – das Brot. Dabei können Verbraucher
heute zwischen 3000 verschiedenen Sorten wählen.“ Eine maßlose Übertreibung! Es sind 300
Sorten. Damit dürfen wir zufrieden sein. Vermutlich hat kein anderes Land mehr.
Als Partner und Sponsoren nennt der Verlag „BVE – Bundesvereinigung der
Deutschen Ernährungsindustrie“ und „Lebensmittelwirtschaft – weil Essen
Gesellschaft ist“. Das erklärt alles, um mit Columbo zu sprechen.
Natürlich ist es das gute Recht
der Unternehmen und ihrer Organisationen, für ihre Leistungen zu werben. Wenn
die Dinge im besten Licht dargestellt werden, ist das in Ordnung. Teilwahrheiten,
Unwahrheiten und maßlose Übertreibungen sollten tabu sein – schon im Interesse
der Industrie. Es gibt gute Gründe, sich an Volkes Stimme zu erinnern: „Wer
einmal lügt, dem glaubt man nicht, selbst wenn er auch die Wahrheit spricht.“
Samstag, Juli 09, 2016
Spiel mit dem Feuer
Die NATO – North Atlantic Treaty Organzation
– kann es nicht lassen. Sie markiert zurzeit in Warschau wieder mal den starken
Mann. Dabei ist sie unvorstellbar schwach. Ein Fingerschnips von Putin, und die
baltischen Staaten, Polen usw. wären wieder russische Vasallen. Die paar
NATO-Soldaten könnten es nicht verhindern. Sie wären Kanonenfutter.
Warum fürchten die osteuropäischen Staaten Russland so sehr? Sie
behaupten, Angst zu haben, dass sie besetzt werden könnten wie die Krim.
Vielleicht fürchten die Menschen das wirklich. Ist diese Furcht gerechtfertigt?
Ich glaube, nein.
Russland eroberte die Krim im 18. Jahrhundert. Etwa 200 Jahre war sie
Teil Russlands. 1954 schenkte Chrutschow die Krim der Ukraine, die damals Teil
der Sowjetunion war. Russland hat sich unter Putin dieses Geschenk zurückgeholt.
Wie Putin das machte, war sicherlich nicht die feine Art. Aber steckte
dahinter der Gedanke, es mit Litauen, Estland und Lettland genauso zu machen?
Dafür sehe ich keine ernst zu nehmenden Anzeichen. Viele Menschen dort werden
aber das fürchten.
Sollte das aber wirklich der Grund für eine aggressive, eine
kriegerische NATO-Politik sein, wie sie heute praktiziert wird? Dass Russland
sich durch die NATO bedroht fühlt, ist verständlich. In Polen und im Baltikum
stehen NATO-Truppen. Vereinbart war, dass sie dort nicht sein sollten. Aber sie
sind da. Dafür wendet die NATO einen Trick an.
Nur ständig dort stationierte Truppen sollte es nach den Vereinbarungen
mit Russland nicht geben. Der Trick: Die Truppen werden regelmäßig
ausgetauscht. Wenn ich mich für einen Augenblick in die Russen hineinversetze,
finde ich, dass man mich hinters Licht geführt hat.
Natürlich halte ich Putin nicht für einen Engel. Für einen Teufel aber
auch nicht. So sehe ich auch Barak Obama. Entsprechend sollten sich beide
benehmen: friedlich.
Bevor mir jemand Blauäugigkeit vorwirft: Die NATO wurde gegründet, um
der aggressiven Politik Stalins Einhalt zu bieten – er hätte die Grenzen der
Sowjet-union sicherlich gern am Atlantik gesehen – aber das ist finstere
Vergangenheit. Ist da irgendjemand, der sie zurück will? Ich hoffe, nicht.
Wann wir Deutschland erwachsen? Ich fürchte, wir befinden uns immer
noch in der Pubertät.
Freitag, Juli 08, 2016
Nicht ganz bei Sinnen
Übergeschnappt. Von allen guten Geistern
verlassen. So lässt sich die Maßlosigkeit vielleicht am besten beschreiben, die
sich überall breit macht.
Zitat aus der Handelsblatt-Wochenendausgabe 1./2./3. Juli:
„Kommissions-präsident Jean-Claude Juncker auf die Frage, warum die
EU-Kommission Frankreich sein abermals viel zu hohes Defizit durchgehen ließ:
‚Weil es Frankreich ist.‘“ Überheblicher und verächtlicher geht es wirklich
nicht.
Was die Automobilindustrie zum Besten gibt, ist sicherlich harmloser,
lässt aber trotzdem am Verstand ihrer Manager zweifeln. So will uns BMW –
Pardon, die BMW Group – in einer Anzeige (STERN vom 7. Juli) weismachen, dass
„der Mensch immer mehr Zeit im Auto verbringt…“. Was das stundenlange Stehen im
Stau angeht, dürfte das zutreffen, ist aber nicht gemeint.
„Das Auto wird zum intelligenten Lebensabschnittspartner – Vernetzung,
Entertainment und Wellness inklusive.“ „Wechselt er (der Fahrer) vom
Selbstfahrmodus ins autonome Fahren, bewegen sich die Sitze und bilden eine
Sitzecke zur Entspannung.“ Offenbar ist BMW die Empfehlung der Hersteller von
Prototypen entgangen, in jedem Augenblick, in jedem Augenblick!, die Hände am
Lenkrad zu halten – für den Fall der Fälle. Der ist im Mai dieses Jahres einge-treten. Der Fahrer ist der Empfehlung offenbar nicht
gefolgt und ist jetzt tot.
Ach, und dann noch dies: „Das
Auto wird zum ‚Third Place‘, zum dritten Lebensraum zwischen Zuhause und
Arbeitsplatz – ein Begriff, geprägt vom Soziologen Ray Oldenburg.“ Einfältiger
dürfte es nicht gehen.
Wie dümmlich-harmlos dagegen Peugeot, ebenfalls mit einer Anzeige in
dieser STERN-Ausgabe: Der Neue Peugeot 2008 sei „EIN ECHTER CITY-SUV“. Ein
Sport- und Geländewagen für die Stadt? Ob das jemand im SUFF geschrieben hat?
Nicht ausgeschlossen.
Donnerstag, Juli 07, 2016
Wortgeklingel
Ich kann mir die Anziehungskraft des
Wörtchens nachvollziehen nicht
erklären. Liegt es an der Faulheit? An der Dummheit? An der Unfähigkeit, das
treffende Wort zu finden? – man muss es ja erst mal suchen, und das ist lästig.
Wie sonst lässt sich erklären, dass das Allerweltswort „nachvollziehen“ zig
andere Wörter beiseite drängt, die viel genauer sind. Eine Politikerin konnte
ein Problem nicht erkennen – pardon – nicht nachvollziehen. Na, sowas!
Aber so ist das nun mal. Eine abschließende, eine endgültige
Entscheidung macht natürlich viel mehr her, wenn sie final ist. Perspektivisch
gesehen, also mit Weitblick betrachtet, dürfte die Sache in Ordnung sein. Wer
sieht schon so genau hin?
Selbst wenn wir die Dinge unter die Lupe nehmen, also genau betrachten,
ergeben sich Fragen. Was sind zum Beispiel muskuläre
Probleme? Sie wurden neulich bei einem Fußballer festgestellt. Vielleicht
war es ein Muskelfaserriss oder eine Verspannung, eine Verhärtung? Auf jeden
Fall: Die Sache war muskulär.
Für den Augenblick bleibt mir nichts anderes übrig, als einen
sorgfältigeren Umgang mit unserer Sprache anzumahnen.
Wenn Politiker nicht weiter wissen, dann mahnen sie etwas an. Nun mache ich das
auch. Weil ich nicht weiß, wie es mit unserer Sprache weitergehen soll.
Lassen Sie uns noch ein paar Augenblicke weiter durch die Wunderwelt
unserer Sprache tingeln. Da verfolgen uns in diesen Tagen ganzseitige,
ganzbuntige Anzeigen der Áutomobilmarke Seat. „Routine neu erleben“, werden wir aufgerufen. Wie soll das gehen?
Routine bleibt Routine. Das hat schon Kurt Tucholsky erkannt. Wie kann man das
vergessen?
Nein, damit ist der Gipfel nicht erreicht. In einer Anzeige verspricht
SAP, „Antworten bekommen. Auf zukünftige Fragen.“ Bitte, ganz
langsam: Antworten auf Fragen, die noch gar nicht gestellt sind? Ist das nicht
ein bisschen vorlaut?
Montag, Juli 04, 2016
Dahingeplappert
„Einem rot-rot-grünen Bündnis fehlt bisher eine innere
Daseinsberechtigung, eine Erzählung,
die es politisch begründet, sein Existenz zwingend erforder-lich macht.“
schreibt Peter Dausend (DIE ZEIT, 23. Juni, Seite 5). Geschrieben wie auf
Stelzen. Da bleibt einem die Spucke weg.
Eine Erzählung fehlt? Wenigstens spricht Dausend nicht vom Narrativ.
Nee, Herr Dausend, noch ein Politmärchen fehlt uns nicht. Und was meinen Sie
mit „innere Daseinsberechtigung“? Wahrscheinlich meinen Sie Inhalt. Dann
schreiben Sie es doch! Sie schreiben: „Der Kampf gegen rechts, ein Bündnis der
progressiven Kräfte gegen die Feinde der liberalen Demokratie ist eine solche
Erzählung.“ Wenn Sie das ernst meinen, dann „gute Nacht“! Wie gesagt: Wir
brauchen keine Erzählungen. Wir brauchen Inhalte und nicht viele Worte.
Mit dieser bösen Anmerkung ist die Katze aus dem Sack. Jetzt weiß es
jeder: Zumindest was die Sprache angeht, priorisiere
ich das Einfache, das Ehrliche. Priorisieren. Was für ein scheußliches Wort!
Was würden Sie sagen, wenn ein Ober Sie fragt: „Mein Herr, haben Sie schon
gewählt? Was priorisieren Sie?“ Vermutlich würden Sie in schallendes Gelächter
ausbrechen, vielleicht sich aber auch an die Stirn tippen und das Lokal
verlassen, um in einem anderen Restaurant zu sagen, welches Menü Sie bevorzugen
würden.
Wie Politiker mit raffinierter Wortwahl uns an der Nase herumführen,
unsere Zustimmung, unser Kopfnicken ergaunern, hat Finanzminister Wolfgang Schäuble
kürzlich zum Besten gegeben. Er sagte (DIE ZEIT, 30. Juni – „Verscherbelt die
Regierung unsere Autobahnen?“): „Die Autobahngesellschaft müsse ein Schritt
sein, ‚um die Nutzung öffentlicher Infrastruktur, besonders der Autobahnen,
allmählich stärker nutzerorientiert
zu finanzieren.“ Nutzer-orientiert sieht auf den ersten Blick ausgesprochen
positiv aus, so nach Nutzen für den Autofahrer. Irrtum! Die Autofahrer sollen
zur Kasse gebeten werden.
Ich staune immer wieder darüber, wie viele Menschen und Unternehmen sich neu erfinden. Das klingt immer
ziemlich aufregend, sagt aber nur, dass man sich ändern will oder muss.
Ziemlich langweilig, nicht wahr? Ähnlich geht es mir mit dem in Mode gekommenen
Lebensentwurf. Sicherlich hat jeder
Mensch eine Vorstellung von seiner Zukunft. Aber ist das gleich ein Entwurf?
Ein Entwurf meint doch eigentlich etwas Neues, noch nicht Dagewesenes. Das
dürfte den meisten Lebensläufen fehlen. Ich bin gespannt, wann das Wörtchen
Lebensentwurf so abgewirtschaftet ist, dass stattdessen von Lebensdesign die Rede ist. Lange kann
das nicht dauern, nehme ich an. 04. 07. 2016
Eine kleine Zeitreise
Seit jeher messen wir die Zeit.
Wir teilen sie in Jahrtausende, Jahrhunderte, Jahrzehnte, in Jahre, Monate und
Tage. So geht es weiter: die vierundzwanzig Stunden des Tages, die sechzig
Minuten der Stunde … und schließlich berechnen wir die Zeit in tausendstel
Sekunden. Verstanden haben wir die Zeit aber nicht.
Wir können die Zeit nicht
begreifen. Sie bleibt unfassbar für uns. So sehr wir uns bemühen: Immer wieder
schlägt uns die Zeit ein Schnippchen. Manchmal kommt uns eine Sekunde vor wie
eine Ewigkeit, ein anderes Mal ist eine Stunde so flüchtig wie ein Wimpernschlag.
Es kommt vor, dass uns die Zeit auch für das Wichtigste fehlt. Manchmal haben
wir gar kein Zeit, und dann wieder so viel Zeit, dass wir gar wissen, was wir
damit anfangen sollen. Woran liegt das? Liegt es an uns? Liegt es an der Zeit?
Es sieht ganz so aus, als machten
wir den Fehler, der die Zeit für uns so uner-klärlich macht. Wir verstehen ihre
Flüchtigkeit nicht, verstehen nicht ihre Unab-hängigkeit von unserem Denken,
von unserem Ordnungswahn
Aber das sind nur Dinge, die für
Philosophen wichtig sind. Das sind die Men-schen, die uns die Welt erklären,
die sie selbst nicht verstehen, genau so wenig wie die Zeit. Die Zeit ist für
sie so unbegreiflich wie für alle anderen. Der einzige Unterschied zwischen den
Philosophen und uns: Sie haben nicht begriffen, dass sie es nicht begriffen
haben.
Mit diesem Problem wollen wir die
Philosophen allein lassen. Das wird ihnen vermutlich nur recht sein, schon
deshalb, weil wir ihnen mit der Zeit zu leichtfertig umgehen – wie sie finden,
bis zur Lächerlichkeit. Tatsächlich gibt es viel über unseren Umgang mit der
Zeit zu lachen. Das wollen wir uns einmal genauer ansehen.
Fangen wir mit dem Zeitfenster an. Darüber ist der
Zeitraum, an den wir uns gewöhnt hatten, so gut wie in Vergessenheit geraten.
Das Zeitfenster ist neuer und erfreut sich bei Politikern und Managern
unglaublicher Beliebtheit. Vor allem regt es die Phantasie an. Mal ist den
Damen und Herren das Zeitfenster zu schmal, zu eng, mal fürchtet man, es könne
sich schließen. Es soll auch schon mal geschlossen gewesen sein. Der Chef des
Hamburger Flughafens hatte sogar Angst, es würde schmelzen. Vielleicht sollten
die Herrschaften das Zeitfenster mal putzen. Dann hätten sie – das wäre zu
hoffen – endlich den Durchblick, der ihnen offenbar fehlt, zumindest, was die
Sprache angeht.
Mit dem Zeitraum wurde nicht so viel Unfug getrieben, eigentlich gar
keiner. So geht es auch mit dem Zeitrahmen und der Zeitspanne. Alles Begriffe, die uns vertraut sind. Deshalb können
wir gleich einen Sprung machen zum Zeitgraben.
Wir tun das in der Hoffnung, nicht hineinzufallen, denn er soll riesig sein,
also auch tief und damit gefährlich. Wer weiß, ob wir jemals wieder herauskämen.
Diese Wortschöpfung war in der ZEIT vom 19. Mai zu lesen.
Nachdem wir glücklicherweise
nicht in den riesigen Zeitgraben gefallen sind, kann es uns glatt passieren,
dass wir uns ganz unverhofft in einem Zeitkorridor
wiederfinden. Das kann uns Angst machen, denn der Zeitkorridor wird meist als
eng bezeichnet. Menschen, die unter Klaustrophobie leiden, wird das zu schaffen
machen. Ihnen bleibt nur die Hoffnung, dass dieser Korridor nicht zu lang ist. Und
tatsächlich ist bisher nur von engen Zeitkorridoren gesprochen und geschrieben
worden, die Länge der Zeitkorridore kam noch nicht zur Sprache. Möglicherweise
ist ihre Länge nicht der Rede wert. Eines aber dürfte feststehen:
Sprachklaustrophobiker werden den Zeitkorridor auf jeden Fall meiden. Ihnen
macht diese sprachliche Enge zu viel Angst.
Setzen wir unsere Zeitreise fort.
Jede Station wird sich von ihrer besten Seite zeigen, um uns zu amüsieren oder
auch nachdenklich zu machen.
Die erste Station, auf der wir
kurz Halt machen, heißt „im Zuge der
Zeit“. Vor vielen Jahren in
geschäftlicher Korrespondenz eine beliebte Floskel. Das haben die Chefs
ihren Sekretärinnen einfach so in den Stenoblock diktiert. Dass die Zeit sich
noch nie in einen Zug gesetzt hat, wurde nicht zur Kenntnis genommen. Mal
abgesehen davon: Hätte man vor der Erfindung der Eisenbahn etwa „in der Kutsche
der Zeit“ gesagt? Wohl kaum. Fahren wir fort.
Nächster Halt: Zeitraffer. Da jagen wir die Zeit so
richtig vor uns her. Natür-lich nur bildlich gesprochen, und das im wahren
Sinne des Wortes. Neuerdings immer häufiger im Fernsehen zu sehen. Da flimmert
eine Bildgeschichte ganz normal über den Bildschirm, nur die Wolken am Himmel,
die rasen wie verrückt. Das passt überhaupt nicht zusammen. Ein Grund dafür ist
nicht zu erkennen. Eine Marotte der Filmer. Eine Modeerscheinung und deshalb
wohl nicht von Dauer.
Gleich danach: Zeitlupe. Da ziehen wir die Zeit in die
Länge, machen aus Sekunden Minuten, wenn nicht noch mehr. Auch das machen wir
mit Bildfolgen, damit unsere langsamen Augen sehen können, was die Kürze der
Zeit uns verbirgt.
So geht unsere Zeitreise weiter,
von Aufenthalt zu Aufenthalt, von Zeitspanne zu Zeitnot, über Zeitnahme und Zeitnehmer. Diese beiden nehmen uns nicht die Zeit, sie klauen uns
nicht unsere Zeit. Sie halten im sportlichen Wettbewerb nur fest, wie viel Zeit
jemand für irgendetwas gebraucht hat – für einen Hundert-meterlauf oder ein
Autorennen.
Damit erreichen wir die nächste
Station unserer Zeitreise. Sie heißt Zeitvertreib.
Hier sollten wir uns einen etwas längeren Aufenthalt gönnen. Für Ungeduldige:
wenigstens ein paar Augenblicke.
Was machen wir nicht alles, um
uns die Zeit zu vertreiben! Wir amüsieren uns, wir sind ausgelassen,
leichtsinnig, wir schweben über den Dingen, über der Zeit. Wir leben
zeitvergessen. In uns die Ewigkeit, von der wir glauben, sie habe mit der Zeit
nichts zu tun. Dass wir uns irren, tut nichts zur Sache. Wir glauben, zeitlos
glücklich zu sein.
Aber gelingt uns das wirklich?
Können wir die Zeit vom Hof jagen – einfach so in die Wildnis der
Unendlichkeit? Aber das wäre ja auch wieder Zeit. Oder wäre das die Unzeit? Die Zeit, die es nicht gibt.
Sozusagen ein Schwarzes Loch? Eine Zeit, so fest zusammengefügt, das nichts,
aber auch gar nichts, nicht einmal die Andeutung von Zeit nach außen dringen
könnte?
Das ist wohl wieder ein Thema für
unsere Philosophen und Astrophysiker, nicht für uns. Unsere Unzeit ist viel
schlichter. Wir kommen (zu einem Besuch) zur Unzeit, zu einem Zeitpunkt, der
nicht passt.
Der Zeitpunkt ist auf unserer Reise eine so kleine Station, dass wir
uns dort nicht weiter aufhalten wollen. Wer aber will, kann hier aussteigen.
Ein Blick auf den Zeitfahrplan
zeigt, dass noch einige Stationen vor uns liegen. Wir werden einige Zeit für
die Weiterreise brauchen. Die sollten wir uns nehmen.
Ob es sich lohnt, wird sich
herausstellen. Einige Neugier dürften allein die Stationen Zeitgeist, Zeitgeschichte, Zeitgeschehen, Vorzeit, Endzeit, Unzeit und
Zeitdruck wecken.
Selbst geduldige Sprachreisende
werden sich jetzt fragen, wann endlich die Reise ein Ende nimmt, wann das Ziel
der Zeitreise erreicht sein wird. Das lässt sich im Augenblick nicht sagen.
Denn das ist eine Frage der Zeit.
Kein Grund, nervös zu werden.
Allerschlimmstenfalls könnten wir in Zeitnot
geraten. Das sollte uns nicht erschrecken; denn Zeit gibt es im Überfluss. Die
Not kann also nicht allzu groß werden.
Tatsächlich weisen weitere
Stationen auf unserer Zeitreise darauf hin, zum Beispiel Zeitzünder und Zeitbombe.
Dort wollen wir lieber nicht Halt machen. Auch bei der Ortszeit verzichten wir auf einen Aufenthalt, obgleich diese
Station einen eher harmlosen, aber doch wenig einladenden Eindruck macht. Auch
die Zeitzone lassen wir ohne
anzuhalten hinter uns, selbst wenn uns da vielleicht etwas entgeht. Bei der Weihnachtszeit ist sicherlich ein längerer Aufenthalt
angebracht. Bis dahin ist es aber noch weit.
Ehe unser Zeitzug sich auf der Zeitschiene wieder in Bewegung setzt
und das monotone Rattern der Zeitachse
uns von Station zu Station begleitet und ermüdet, nehmen wir erst mal eine Auszeit.