Freitag, Juli 15, 2016

Philosoph Jürgen Habermas - klar und unverständlich

-->
Jürgen Habermas, ist zurzeit international meistzitierter deutscher Philosoph. Donnerwetter, kann ich da nur sagen! Respekt! Aber einen Diener muss ich doch nicht machen, oder?

DIE ZEIT vom 7. Juli bringt ein Gespräch mit ihm zum Brexit unter dem Titel „Die Spieler treten ab.“ Ich habe da ein paar Stellen angestrichen, die mich beschäftigt haben.

„Der gedankliche Horizont schrumpft, wenn nicht mehr in Alternativen gedacht wird.“ Das finde ich auch. Gutes Deutsch ist es aber nicht. Ein schrumpfender Horizont? Aber immerhin: Was Habermas meint, ist zu verstehen.

Abgesehen davon: Schon Jakobowsky (Denny Kaye in „Jakobowski und der Oberst“) wusste, dass es nicht nur eine, sondern mindestens zwei Möglichkeiten gibt. Frau Merkel sollte sich diesen Film einmal ansehen. Er könnte sie von ihrer Alternativlosigkeit heilen.

Hellwach ist der Philosoph allemal. Auf Hinweis und Frage der ZEIT-Redakteure, „Bürger fürchteten den Kontrollverlust und glaubten, nur die Nation sei der Fels, auf den sie noch bauen können. Beweist das nicht, dass die Transformation von nationaler in transnationale Demokratie gescheitert ist?“ Antwortet Habermas: „Ein Versuch, den man gar nicht erst unternimmt, kann nicht gescheitert sein.“ Wie wahr!

Dann wird Herr Habermas wirklich philosophisch, wie man sich Philosophen eben so vorstellt, nämlich unverständlich, zumindest aber schwer verständlich. Der folgende Text muss übersetzt werden:

„Die sozialpathologischen Züge einer politisch enthemmten Aggressivität deuten darauf hin, dass die alles durchdringenden systemischen Zwänge einer ungesteuert ökonomisch und digital zusammen-wachsenden Weltgesellschaft die Formen der sozialen Integration überfordern, die im Nationalstaat demokratisch eingespielt waren.“

Das Ganze bitte noch einmal? Lieber nicht. Vielleicht geht es einfacher. Ein erster Versuch: In den Nationalstaaten kennen wir die Spielregeln und beherrschen sie. Die Globalisierung verstehen wir nicht. Da gilt nur noch die Wirtschaft, das Kapital. Da wächst nichts zusammen. Da wird etwas zusammengezwungen, über unsere Köpfe hinweg. Das macht uns wütend. Und das soll pathologisch, das soll krankhaft sein?

Als das Gespräch auf das Thema Kontrollverlust des Nationalstaats kommt, spricht Habermas verständlicher – „Aushöhlung der nationalen Demokratien, die den Bürgern bisher die Chance gegeben haben, über wichtige Bedingungen ihrer gesell-schaftlichen Existenz mitzubestimmen.“ Auch nicht gerade elegant, aber immerhin, es geht.

Noch deutlicher wird Habermas ein paar Takte weiter: „Nach der Ideologie des Silicon Valley werden ja Markt und Technologie die Gesellschaft retten und so etwas Altmodisches wie Demokratie überflüssig machen.“

Später spricht er von der „vollständigen Abdankung der Politik vor den Imperativen unregulierter Märkte“.

Im weiteren Verlauf des Gesprächst kritisiert Jürgen Habermas – durchaus verständlich formuliert, die Trägheit der Merkel-Regierung „Es ist kein Zeichen von Realismus, wenn sich die politische Führung dem bleiernen Lauf der Geschichte überlässt. ‚In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod‘… bevor man eine unversuchte Alternative verwirft, sollte man sich unsere Gegenwart als die Vergan-genheit der Gegenwart eines künftigen Historikers vorzustellen versuchen.“

Gegenwart als Vergangenheit vorstellen? Ist das nicht ein bisschen geistiges Kobolzschießen? Erinnert mich an zwei Dinge: Frau Merkels „alles von hinten her denken“ und an die Äußerung von Karl Valentin „Heute ist die gute alte Zeit von morgen.“