Montag, Juli 16, 2007

nach-voll-ziehen

Nachvollziehen ist ein Schmuggelwort. Es soll nicht sagen, was eigentlich gemeint ist.

Ein wichtiger Grund (in Verbindung mit dem Wörtchen "nicht"): man will nicht zugeben, dass man etwas nicht verstanden hat.

Ein anderer Grund: Nachvollziehbar liegt auf der Worthülsentheke zur Zeit ganz oben. Eine Floskel also, die "in" ist - morgen kann das schon anders sein, aber heute nervt das bis zum geht nicht mehr. "Das ist für mich nicht nachvollziehbar" hängt einem schlicht zum Hals heraus.

Meist ist "das ist für mich nicht nachvollziehbar" die Umschreibung von "das verstehe ich nicht".

Wer will das schon zugeben? Politiker am allerwenigsten. Und weil Politiker von vielem nur wenig verstehen, sagen sie, dies und das sei ihnen nicht nachvollziehbar. das ist dann nicht so deutlich. Ehrlicherweise muss zugegeben werden , dass sich diese Praxis nicht nur auf Politiker beschränkt.

Weiter im Text, um der Sache auf den Grund zu kommen: Vor dem "nachvollziehen" kommt das Wörtchen "vollziehen". Damit ist nicht anderes gemeint als vollstrecken, durchführen. Daher also das Wort "Justizvollzugsanstalt" (auch so ein Schönwort; früher: Gefängnis und Zuchthaus).

Aber da gibt es noch etwas anderes: den Nachvollzug. Das ist ein ganz seriöser, ein ernst zu nehmender Begriff. Er beschreibt etwas Wichtiges, nämlich das Nachmachen dessen, was die Natur uns vormacht. Eines der großen Ziele der Technik ist, die intelligenten Lösungen der Natur "nachzuvollziehen", schlicht: nachzumachen.

Das allerdings ist weit entfernt von dem, was Politiker mit "nachvollziehen/ nicht nachvollziehen können" meinen. Die machen zwar alles mögliche nach, nur nicht das Vernünftige.

Ist es denn so schwierig, dem Naturgesetz von nehmen und geben zu folgen? Also ehrlich: Ich verstehe da nicht. Und nachvollziehen kann ich das schon gar nicht.

Samstag, Juli 14, 2007

Es ist schon (fast) wieder so weit

14. 07. 2007

Peter Struck, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, nennt den Herren Innenminister Wolfgang Schäuble einen Amokläufer, vergleicht ihn jedenfalls damit. Thomas Frankenfeld, ein Hamburger Abendblatt Journalist, schreibt: „Der Druck einer diffusen Terror-Bedrohung macht den Innenminister zu einem tragisch Getriebenen, der im geltenden Recht nur noch ein Hindernis sieht. Der Bürger steht unter Generalverdacht. Die Vorschläge… laufen… auf die Etablierung eines orwellschen Überwachungsstaates hinaus.“

Wer ist schon Herr Schäuble, ließe sich fragen. Aber diese Frage wäre inzwischen wohl zu leichtfertig. „Nur“ ein Innenminister, Nachfolger des Herrn Schily, der Ähnliches wie Schäuble dachte und verlangte und verdeckt und deshalb kaum wahrgenommen auch verwirklichte?

Herr Schäuble hat da auch schon Bemerkenswertes zustande gebracht. 14 Tornados hat er während des G8-Gipfels über Heiligendamm fliegen und fotografieren lassen. Fotografiert wurden Bürger, die gegen die Inhalte dieser Gipfelveranstaltung protestierten, demonstrierten. Die Bundeswehr wurde im Inland gegen Bundesbürger eingesetzt. Das Grundgesetz verbietet das. Herr Schäuble erlaubt es. Frontal 21 berichtet darüber mit vielen Einzelheiten am 10. 07. 07. Ein hoher Bundeswehroffizier ist sehr unglücklich darüber – sagt er in der Sendung. Aber Befehl ist Befehl (bis hin zum Befehlsnotstand, kennen wir ja zur Genüge aus der Zeit des III. Reichs). Hätte die Bundeswehr diesen Auftrag nicht ablehnen können?
Doch, das hätte sie, aber dazu braucht es aufrechte Männer. Die waren in diesem Augenblick nicht da. Bedenken hat es gegeben, aber die Bundesregierung hat die Bedenken einfach weggewischt. Ja, die Bundesregierung, nicht der Herr Innenminister allein; seine Chefin hat ihm den Rücken gestärkt, wie zu lesen war.

Die Bundesregierung hat – nach Frontal 21 – alles das dem Parlament, dem Bundestag, verschwiegen, hat den Bundestag und alle Bundesbürger belogen. Ach ja, der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft findet das alles auch nicht gut. Aber was soll man machen?

Kleine Randbemerkung: laut Frontal 21 waren die von der Tornados gemachten Fotos „unbrauchbar“. Polizeihubschrauber hätten das wohl besser gemacht. Die Tornado-Flugstunde kostet 42.000,00 €, die Flugstunde eines Polizeihubschraubers
600,00 €. Aber wir haben es ja dicke. Die Steuern sprudeln ja nur so.

Richtig. Jetzt endlich, so in der zweiten Julihälfte können wir auch für uns selbst arbeiten. Bisher haben wir nur für den in jeder Hinsicht unersättlichen Staat gearbeitet.

Zurück zu Herrn Schäuble. Alles hat er auf´s Feinste angerichtet. Jetzt fehlt nur noch eins, fehlt nur noch einer: der VerFührer!

Sonntag, Juli 08, 2007

Unverantwortlicher Erfindungsreichtum

Gestern abend im Fernsehen: Ein Werbespot für MARTINI. Abschließender Text:
"Verantwortlicher Genuss ab 18." Auf so was muss man erst mal kommen. Welchen Genuss verantwortet der Martini? Kann er überhaupt etwas verantworten? Nein, kann er nicht. Eine Sache kann nichts verantworten, und ein Martini, ein Getränk, das man durchaus mögen kann, verantwortet überhaupt nichts. Gut, hier will sich ein Spirituosenhersteller freireden von Verantwortung, die man ihm möglicherweise abverlangen könnte.

Du lieber Himmel! Gemeint ist, dass Jungs und Mädels unter 18 keinen Martini trinken sollten. Nützt nichts. Sie trinken ihren Martini trotzdem oder gerade deswegen. Was verboten oder auch nur nicht gern gesehen ist, hat seinen besonderen Reiz.

Drumherumreden nützt nichts. Dumme Sprüche bringen nichts. Prohibition ist auch nicht die Lösung des Problems. Das hat uns Amerika seinerzeit überzeugend vorgeführt. Was könnte helfen? Das gute Beispiel in der Familie?

Innenminister Schäuble - ein Terrorist?

Eine Veröffentlichung im Hamburger Abendblatt vom 7./8. Juli 2007 lässt darauf schließen. Nach einem Gesetzentwurf des Innenministers, der "dem Abendblatt vorliegt, soll dem BKA die gesetzliche Grundlage zur terroristischen Gefahrenabwehr" gegeben werden.

Na also, das BKA als terroristische Vereinigung; denn eine terroristische Gefahrenabwehr ist nun mal nichts anderes als Terror.

Ernst beiseite, auch wenn das schwarz auf weiß im Hamburger Abendblatt, Seite 2, zu lesen ist: Hier ist den beiden Autoren - M. Röttger und M. Küchen - im Eifer des Gefechts ein Fehler unterlaufen. Gemeint ist die Abwehr terroristischer Aktivitäten, und das ist etwas anderes.

Unsere Sprache stellt uns gern eine Falle, in die wir vor allem dann hineinfallen, wenn es besonder schnell gehen soll. Das ist bei einer Tageszeitung - der Name sagt es - täglich der Fall.

Sonntag, Juli 01, 2007

Sozialkompetenz und Konfliktfähigkeit

Wenn Norbert Aust, Geschäftsführer der Firma Sealive Tivoli auf St. Pauli, sagt: „Wir achten bei der Auswahl (der Darsteller) auf Sozialkompetenz und Konfliktfähigkeit“, dann ist ihm dieser Satz so rausgerutscht. Sowas passiert in Gesprächen immer wieder. Trotzdem: nicht einfach „Schwamm drüber“, weil ja jeder so ungefähr versteht, was gemeint ist.

Hier stehen in einem kurzen Satz das Ungefähre (die Sozialkompetenz) und der reine Unfug dicht beieinander.

Was ist Sozialkompetenz? Die Fähigkeit, verständnisvoll mit anderen Menschen umzugehen? Nicht sich selbst in den Mittelpunkt stellen, sondern für andere da zu sein? Neugierig und ungezwungen auf andere zuzugehen? Sich gut und positiv auf die Wünsche und Bedürfnisse anderer einzustellen? Ja, dies und mehr dürfte gemeint sein.

Ich kann es drehen und wenden, wie ich will: Ich kann Sozialkompetenz umschreiben, beschreiben, aber ich finde kein anderes – einziges – Wort dafür. Schade.
Wenn Norbert Aust Mitarbeiter mit Konfliktfähigkeit sucht, muss er sich versprochen haben. Er sucht doch keine Streithanseln! Genau die sind die Konfliktfähigen, die einer Auseinander-setzung nicht nur nicht ausweichen, sondern sie geradezu suchen.

Mitarbeiter mit Konfliktfähigkeit – mit der Freude am Krawall, am Krach, am Streit? Na, Herr Aust, das haben Sie doch nicht gemeint. Oder?