Mittwoch, Juni 28, 2017

Völker, hört die Signale...

Das mit dem genauen Hinhören hat bis heute noch nicht so richtig  geklappt. Das gilt zumindest für den Klimawandel, der mit katastrophaler Geschwindigkeit immer mehr Fahrt aufnimmt. Dann wäre da, vielleicht eine Nummer kleiner, die Globalisierung, die uns pausenlos vortrompetet wird. Trotz aller Lautstärke: Ins eine Ohr hinein, zum anderen wieder heraus.

Das alles und noch viel mehr ist zu viel des Schlechten. Nicht Schwamm drüber, aber dazu später einmal.

Es lohnt sich, auch im kleinkarierten Politikalltag die Augen aufzusperren und die Ohren zu spitzen.

Da geht von einem Wahlkampf-Parteitag (die Partei spielt keine Rolle) ein „großes Signal der Geschlossenheit“ aus. Was soll das heißen? Was ist gemeint? Früher stießen die Soldaten ins Horn und gaben damit das Signal zum Angriff. Jeder hat wahrscheinlich schon mal das schreckliche Tuten gehört, wenn sich ein Zug einer Baustelle nähert. Dann müssen die Arbeiter zur Seite treten. Das ist ein lautes, ein schrilles Signal, ein wichtiges, aber kein großes.

Damit nicht genug. Gern wird auch „das stärkere Signal“ erwähnt. Noch lauter, noch schriller? Nee, ehrlich, keiner hört mehr hin. Nur die Politiker_innen, ganz nach Belieben auch die Politiker*innen, scheinen das nicht begriffen zu haben.


Wann begreifen Politiker, dass sie uns zuhören sollten und nicht nur wir ihnen? Eine „oberste Priorität“ hat das bei ihnen nicht.

Fremd- und befremdende Wörter

„Chillen“ ist ohne Frage ein Fremdwort – aus deutscher Sicht.  Jungs und  Mädels haben da zugegriffen, haben das englische  „to chill“ – kühlen, beruhigen, entspan-nen – mit Beschlag belegt: Locker, entspannt sein, rumhängen, nicht hetzen lassen, Mensch sein – alles das schwingt mit. Ein Wort statt vieler andere. Aber warum nicht?  Die Sprache lebt. Und jedes Fremdwort ist noch lange kein Pickel, der unser Deutsch zum Jucken bringt.

Ein bisschen doof wird es, wenn einem plötzlich – kaum hat man sich an „chillen“ gewöhnt – ein gechillter Urlaub vorgesetzt wird. Na ja, eben ein besonders entspannter Urlaub, ist der erste Gedanke, was aber irgendwie komisch klingt. Und wirklich: Gemeint ist ein erlebnisreicher Urlaub. Nun sind Erlebnisse eher aufregend – wenn alles gut läuft, im allerbesten Sinne des Wortes. Wie soll man da aus chillen noch klug werden?

Damit zu den befremdenden Worten. Die scheinen wie die Pilze nach einem warmen Regen aus dem Boden zu schießen.

Da stellt irgendein sich für klug haltender Kopf fest, dass ein bestimmtes wissenschaftliches Gebiet noch nicht beforscht wurde, was er für dringend notwendig hält. Damit mag er recht haben. Aber beforschen statt erforschen?

Das mag noch als lässige Sünde durchgehen. Aber Beschulen? Das ist mehr als befremdlich.  Das ist ein Skandal. Kinder beschulen. Das klingt nach Strafe, nach Gefängnis, nach allem, was Kindern weh tut. Wie kann man nur auf ein solches Wort kommen?

Kinder sind neugierig, sind wissbegierig, wollen die Welt entdecken, aber sie werden beschult, so wie wir einen Schuh besohlen. Pardon für diesen Gedankensprung! Aber vielleicht wäre es doch angebracht, dem Erfinder der Be-schulung einmal tüchtig den Hintern zu versohlen.


Machtergreifung(en)

Blitzartig fällt einem da der 30. Januar 1933 ein. Hindenburg ernannte Adolf Hitler zum Reichskanzler. Das war keine Machtergreifung. Das war ein Geschenk. So kann man sich irren. Hitler hatte schon seit Jahren nach der Macht gegriffen, immer wieder. Mal hatte er Erfolg, mal bekam er was auf die Finger. Aber er gab nie auf. Und zum Schluss das Geschenk, das die ganze Welt ins Unglück stürzte. Das ist die Machtergreifung 1.0.

Das Ganze geschah also nicht von heute auf morgen. Es war ein Prozess, eine Entwicklung, die sich in der Öffentlichkeit abspielte. Das Ergebnis – im Falle eines Erfolgs – war absehbar. Denn Hitler hatte von Anfang an mit offenen Karten gespielt. „Mein Kampf“ ließ an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Niemand hat das Buch gelesen? Und wenn: Keiner hat es ernst genommen? Die Quittung haben alle bekommen. Gelernt hat niemand etwas. Wir machen weiter wie gehabt, machen es, das ist zu befürchten, noch schlimmer. Damit sei die  Machtergreifung 2.0 wie ein Menetekel an die Wand gemalt.

Auch bei dieser Machtergreifung geht um einen Prozess, eine Entwicklung. Anders als bei Version 1.0 ist nicht genau festzustellen, wann die Sache angefangen hat, angefangen wurde und wer damit angefangen hat. Auf jeden Fall stecken wir mitten in einem Schlamassel und wissen noch nicht, wie wir da rauskommen sollen.

Schlamassel, Probleme, Schwierigkeiten? Wenn es nur das wäre. Es ist Krieg! Krieg zwischen den 195 Staaten, die sich rund um den Globus kleingärtnerisch organisiert haben und der geballten Macht der global organisierten Wirtschaft. Wir könnten das einen asymmetrischen Krieg der besonderen Art nennen. Üblicherweise verstehen wir unter einem asymmetrischen Krieg den Kampf eines unbesiegbar erscheinenden, aber unbeweglichen Kolosses gegen viele kleine flinke Feinde, die nicht zu fassen sind. Vorteil für die Kleinen. Hier ist es genau umgekehrt.  Die Kleinen haben die schlechten Karten.

Anfang Juli treffen sich in Hamburg die Spitzen der 20 größten Industrienationen zum G20-Gipfel – die ganze Welt zu Gast in Hamburg. Die Themenliste ist atemberaubend umfangreich, nichts Wichtiges wird ausgelassen: Freihandel, Klimaschutz, Regulierung der Finanzmärkte, Förderung der Schwellenländer usw. usw.

Ein paar tausend „Sherpas“, Berater, werden mit den Großen der Welt anreisen. Der Grund ist nicht ganz klar. Angeblich haben sie ihre Schularbeiten schon gemacht, hätten also zu Hause bleiben können. Größe definiert sich auch hier anscheinend durch Masse.

Auf jeden Fall: Große Bühne für den mächtigsten Mann der Welt – Donald Trump. Oder ist Wladimir Putin der Mächtigste? Ist da sonst vielleicht noch jemand? Die mächtigste Frau der Welt. Jeder kennt sie, ihr Name muss deshalb nicht genannt werden.

Ist das Motto „Globalisierung ist machbar.“, das über allem schwebt, nicht geradezu rührend? Die Versammlung der politischen G20-Kleingärtner nimmt sich etwas vor, was die anderen schon längst gemacht haben. Die Wirtschaft hat das längst auf die Reihe gebracht.

Staatsgrenzen? Gibt es für die Global Player nicht. Und wenn, setzt man sich darüber hinweg. Google, Facebook, Uber, Weltverbesserer, wie sie sich selbst sehen, gestalten die Welt neu. 

Die mächtigsten Zwerge der Welt haben das nicht  verstanden. Sie haben nicht begriffen,  dass sie Marionetten der Konzerne sind, dass man ihnen auf der Nase herumtanzt. Nicht begriffen? Vielleicht wollen sie es nicht begreifen, weil sie sich sonst morgens gar nicht mehr im Spiegel sehen wollen. Wer weiß? 

Nein, hier ist nicht der Teufel an die Wand gemalt. Hier ist dokumentiert, wie die Politik brav wie ein Hündchen pariert. Wie war das noch mit „too big to fail“? als Millionen von Bürgern weltweit mit Milliarden bluten mussten, um Banken zu retten? Es wäre gesünder gewesen, sie in die Hölle fahren zu lassen. Geändert hat sich so  gut wie nichts. Die Zwerge schaffen das nicht.

Wie ist es, wenn die deutschen Automobilhersteller der mächtigsten Frau der Welt drohen, Arbeitsplätze abzubauen, Leute auf die Straße setzen zu müssen, wenn ihren Forderungen nicht Folge geleistet wird? Die Dame knickt ein. Sogar die kalifornische Umweltministerin verstand nicht, wie sich unsere Dame für die deutschen Dreckschleudern eingesetzt hat. Wie erklärt es sich, dass das Bundesverkehrsministerium und die deutschen Automobilhersteller jahrzehnte-lang unter einer Decke steckten, wirkliche Besserung immer noch nicht in Sicht?
Und die Cum-Cum-Betrügereien, vom Finanzministerium jahrelang hingenom-men? Das ist der Anfang einer endlosen Liste von Unterwerfungen – in Deutschland.

Ach ja, ein Land gegen die ganze Welt. Das geht doch nicht. Komischerweise wird staat-auf, staat-ab von den Bürgern verlangt, Zivilcourage zu zeigen: nicht wegsehen – hinsehen und handeln, sich nicht alles gefallen lassen.

Ist denn die Geschichte von David und Goliath ganz und gar in Vergessenheit geraten?



Das kleine Renten-Ein--mal-eins

Fangen wir da an, wo man immer anfangen sollte – am Anfang:
„Im Mai 1889 verabschiedet der Reichstag des Deutschen Reiches unter Führung Otto von Bismarcks das Gesetz zur Alters- und Invaliditätsversicherung. Alle Arbeiter zwischen 16 und 70 Jahren müssen nun in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Der Beitragssatz beträgt 1,7 Prozent und wird jeweils zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen. Das Gesetz sieht eine Rente ab 70 Jahren vor, wenn zuvor 30 Jahre lang Beiträge eingezahlt wurden. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt zu Bismarcks Zeiten bei 40 Jahren.“ (Quelle. www.t-online.de › Finanzen)
Das Prinzip ist geblieben,  so gut wie alles Andere hat sich geändert. Daran doktert die Politik seit Jahrzehnten herum. Für den Bundestagswahlkampf ist die Rente ein großes Thema. Das leuchtet ein. Wer möchte nicht für sein Alter vorsorgen? Und wer ihm dabei hilft, hat gewonnen. Was versprechen die Parteien?
Die SPD will das Rentenniveau bis 2030 stabil halten. – Die FDP will den Anstieg der Beiträge begrenzen und mehr private Vorsorge. – DIE LNKE will die „Rente 67 abschaffen und verlangt eine solidarische Mindestrente von 1.050,00 €, Eigen- und Steuergeld-finanziert. – BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN: Gesetzliche Rentenversicherung, betriebliche Altersversorgung und dazu eine private. Ziele: eine Garantierente und dann eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen, auch Selbständige und Beamte. – CDU/CSU sagen lieber gar nichts. Darüber will man erst nach der Bundestagswahl sprechen.
An der Wirklichkeit mogeln sich alle Parteien (mehr oder weniger) vorbei, und von den „kleinen“ Ungerechtigkeiten spricht niemand: Der Arbeitgeberanteil ist seit einiger Zeit geringer als der der Arbeitnehmer. Frage: Haben Unternehmen keine Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter – und sei sie noch so klein ? Würde das nicht den westlichen, sprich christlichen Werten entsprechen, von denen so oft die Rede ist?
Wenn sich die Parteien die Augen zuhalten, nicht hören wollen, aber bis auf die schweigsame CDU/CSU den Mund weit aufreißen, dann müssen wir ihnen ein paar Dinge klarmachen.
In den 1960er Jahren finanzierten sechs Beitragszahler einen Rentner, heute müssen das zwei schaffen. Wie soll das gehen? Es geht nicht. Rente erst ab 67 statt mit 65 ist mehr als Selbstbetrug und Schummelei. Die richtigen Worte wird jeder selbst finden.
Gegen Arbeit über 65 Jahre hinaus spricht nichts, wenn sie der Einzelne leisten kann. Ein Architekt kann sehr wohl auch noch mit 70 Pläne zeichnen, ein Maurer aber nicht dann noch auf dem Gerüst stehen (DIE ZEIT, 14. Juni 2017).
Das Allerempörendste aber ist die große Beschäftigungslüge, und wenn nicht Lüge, dann Selbstbetrug: 45 Jahre regelmäßige Arbeit zu angemessenem Entgelt. Das wird immer seltener.

Lohndumping trotz gültigem Mindestlohn, Zeitarbeit, Werksverträge, befristete Arbeitsverträge in Serie bis hinein in Universitäten – Ausbeutung, hübsch verpackt. Wie sollen da 45 Jahre zusammenkommen, die ein erträgliches Auskommen im Alter in Aussicht stellen? Diese Frage ist bis heute ohne Antwort. Die Parteien sind sprachlos.

Unterstrich- und Sternchen-Deutsch

„Liebe Unterstützer*innen, liebe Freund_innen“ –  deutlicher lassen sich Minderwertigkeitsgefühle nicht ausdrücken. Fehlt nur noch, dass anstelle von „Sehr geehrte Damen und Herren“ geschrieben wird: „Sehr geehrte Herr*innen“ oder ganz nach Geschmack „Sehr geehrte Herr_innen.“


Die Damen der Arbeitsgemeinschaft „Sprachhandeln“ der Humboldt-Universität sind anscheinend unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Sie schreiben Computa statt Computer, Koffa statt Koffer und Kella anstelle von Keller.  Warum? Weil die Wortendung er nach ihrer Auffassung männlich und damit diskrininierend ist. Ob die Damen statt Mutter Mutta schreiben, ist nicht bekannt. Konsequent wäre es.

Ex und ...

Wir können den vielen kleinen Unwörtern nicht ausweichen, die uns täglich begegnen. Dazu sind es zu viele. Nicht jedes wird es zum Unwort des Jahres bringen. Aber Unwort ist nun mal Unwort und manches ist ziemlich ärgerlich. Das Wort Ex-Mann gehört zu den besonders ärgerlichen.

Ex-Mann! Dieses Wort hat so etwas Gemeines, Niederträchtiges und Verachten-des an sich. Es hört sich an wie „Ex und hopp!“, wegwerfend. Und wenn es zehn-mal nicht so gemeint sein sollte, es wird diesen üblen Ruf nicht los.

Bevor Proteststürme (shitstorms?) losbrechen: Ex-Frau ist genau so schlimm.

Was wie Wortklauberei aussieht, wie an den Haaren herbeigezogene Empörung, weist auf etwas Wichtiges hin: eine zunehmende Respektlosigkeit. Anstand, Höf-lichkeit und gutes Benehmen scheinen immer weniger zu zählen. Dabei sind sie es, die das Zusammenleben erst erträglich machen.

Unsere Sprache! Sie bringt es an den Tag.

Alllein ... an der Wahrheit vorbei

Wenn von Alleinerziehenden, meist Frauen, manchmal Männer, die Rede ist, dann haben viele das Gefühl, hier ginge es um große Probleme: Was auf vier Schultern verteilt war, ist nun von zwei Schultern zu tragen. Sollte es so sein, dann wäre das wirklich ein Problem. Aber ist das wirklich so? Gerade, wenn das Thema ins Licht der Öffentlichkeit gerückt wird, kommen Zweifel. Der Weg vom Zweifel zum Verdacht ist nicht weit.

Der Verdacht: Alleinerziehend wird gern als schmückendes Beiwort benutzt, als ein Wort, auf das man durchaus stolz sein kann – besonders als alleinerziehende Mutter. Diese Ansicht dürfte sich auf die „höheren Töchter“ des Landes beziehen, besonders auf Politikerinnen: Seht nur, zu all den Aufgaben, die ich mir aufgebürdet habe, nun auch noch verantwortungsvollste aller Aufgaben – das Großziehen der Kinder, meiner! Kinder. Dass diese Kinder auch die Kinder des Mannes sind, wird unterschlagen.

Beinahe aus Versehen stellt sich dann heraus, dass von Alleinerziehend nicht die Rede sein kann. Da kommen dann nicht nur die miterziehenden Omas und Tanten ins Spiel, sondern ausdrücklich auch der Ex-Mann.

So mogelt sich manche „höhere Tochter“ haarscharf an der Wahrheit vorbei. Das dürfte mehr als ein dezentes Make-up sein. Aber es schmückt.





Samstag, Juni 24, 2017

Zwei Fehler in einem Wort

Vor vielen, vielen, unendlich vielen Jahren waren Fehler noch richtige Fehler. Was falsch war, war falsch. Da wurde kein Unterschied gemacht. Jedenfalls nicht in den Schulen und nicht im Deutschunterricht. Nicht nur der Inhalt erhielt Noten, auch die Form, die Rechtschreibung. Nämlich mit h geschrieben (nähmlich), machte da aus einer 2 – für den Inhalt des Aufsatzes – eine 2 minus.

Auf einmal fanden das immer mehr Leute irgendwie autoritär und setzten ihre Auffassung durch: Wichtig ist allein der Inhalt. Die Form spielt keine so wichtige Rolle. So sahen sie das und übersahen, dass Inhalt und Form zusammen erst zu einem guten Ergebnis führen.

Viele Jahre danach setzten sich die Kultusminister der Bundesländer zusammen, um sich eine Rechtschreibreform auszudenken. Das war eine ziemlich komische Sache. Besonders komisch war und ist, dass die Kultusminister der 16 Bundesländer den Gedanken nahelegen, dass wir in Deutschland 16 unter-schiedliche Kulturen haben. Darüber hat sich noch niemand Gedanken gemacht: Sind es vielleicht gar nicht so viele? Oder sind es mehr?

Wie auch immer: Die 16 für die deutschen Kulturen sich zuständig fühlenden Minister machten eine Reform. Sie modernisierten unsere Rechtschreibung. Jedenfalls behaupteten sie das.

Wie wenig sie davon verstanden, zeigt ein kleines Beispiel. Aus „Quentchen“ machten sie „Quäntchen“. Das war zumindest an den Haaren herbeigezogen.
Quentchen hat seinen Ursprung in quentinus, ein Fünftel, nicht in Quantum. Man muss schon ziemlich kultusministerisch sein, haarspalterisch, um zu sagen, dass ein fünfter Teil von irgendwas auch ein Quantum sei. Es dauerte nicht lange, da wurde die Reform reformiert. Beim Quäntchen ist es geblieben.

Geblieben ist vor allem eine große Unsicherheit. Medien wie zum Beispiel Zeitungen behelfen sich mit Computerprogrammen, die aber auch nicht alles wissen und gelegentlich die hübschesten Fehler produzieren.

Um das Maß voll zu machen: Zu allem Unglück kommt der offenbar unwider-stehliche Drang hinzu, ohne genau hinzusehen, englische Begriffe einzuflechten.

Ein Engländer würde „Backshop“ sicherlich verstehen als „Hinterhofladen“, und – schlimmer noch: Selbst Claus Kleber spricht im heute Journal von „Public Viewing“, wenn er Fernsehübertragungen in der Öffentlichkeit meint.  Im Englischen ist etwas ganz anderes gemeint: die Aufbahrung eines (prominenten) Toten in der Öffentlichkeit, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.

Und wohin führt das Ganze? Beispielsweise zu „Mitmach-Flashmop“, dem Wort mit zwei Fehlern.

Fehler Nr. 1: da P. Es heißt nicht Flashmop, sondern Flashmob.
Fehler Nr. 2: Wenn schon mop, dann bitte mit zwei P = Mopp!
So findet der Text am Schluss doch noch zum Anfang zurück.

Der Mopp ist ein hausfrauliches, hausmännisches Handwerkszeug, um  den Fuß-boden von Schmutz zu befreien.

Frei nach Loriot: „Das Leben ohne Mopp ist möglich, aber sinnlos.“




Freitag, Juni 23, 2017

Die Geschichte vom beleidigten Telefon


Es war einmal ein Mikrofon, das fühlte sich sehr unglücklich. Es fragte sich: Weshalb hat man mich zwischen die Stühle gesetzt, zwischen der und die? (Schon Mark Twain regte sich über das deutsche der, die, das auf.)

Wie es der Zufall will: Als sich das unglückliche Mikrofon mit dieser Frage beschäftigte, fand in Stuttgart ein evangelischer Kirchentag statt. Was niemand erwartet hätte – hier wurde dem Mikrofon aus seiner Verzweiflung geholfen.

Im offiziellen Programmheft entdeckte unser Mikrofon folgenden Hinweis: „Die Teilnehmenden sind eingeladen, mitzureden und ihre Meinung deutlich zu machen: über Anwältinnen und Anwälte des Publikums und über Saalmikro-foninnen und –mikrofone.“

Unser Mikrofon hätte am liebsten laut Hurra! geschrieen – hurra, ich bin eine Mikrofonin! Von Nächstenliebe soll auf dem Kirchentag weniger gesprochen worden sein. Das Pampern der Feministinnen hat alle wohl zu sehr in Anspruch genommen. Aber das war unserem Mikrofon, das jetzt eine Mikrofonin war, ziemlich egal. So viel unverhofftes Glück!

Ob dieses Glück von Dauer sein wird, weiß man noch nicht. Wieso eigentlich man, warum nicht frau? Das fragt sich nicht nur die Speerspitze der Feministinnen, die sich im Arbeitskreis Sprachhandeln an der Humboldt-Universität versammelt haben. Wer sich einmal so richtig gruseln will, sollte ihr Pamphlet lesen. Bitte nicht kurz vor dem Zubettgehen! Vor Albträumen wird ausdrücklich gewarnt. Zur Erklärung: Koffa statt Koffer, Kella statt Keller, Computa statt Computer; denn die Wortendung er ist unverschämterweise männlich – so die sprachmisshandelnden Damen der Humboldt-Universität.

Statt Polemik zur Abwechslung etwas Sachliches (das ist wenigstens neutral): Das kleine Wörtchen man bedeutete im Althochdeutschen „irgendein beliebiger Mensch“. Wenn man damals einen Mann meinte, sagte man „gomman“ (Mannmensch). Einen Weibmenschen nannte man wifman, was wir in woman (engl.) heute noch wiederfinden. Mit unserem man sind also alle Menschen gemeint, Frauen wie Männer. Warum also hat frau so ein Problem mit man?

Donnerstag, Juni 15, 2017

Die Haltestelle

Bürgerinnen und Bürger! An welcher Haltestelle stehen wir? Irgendeine muss es ja sein; denn wir sollen ja abgeholt werden. Jedenfalls beten uns das die Politiker – egal, welche Farbe sie tragen – immerzu vor.

Mal ist es ihnen nicht gelungen, uns abzuholen. Mal haben sie es vergessen, uns abzuholen, obwohl sie sich das doch so fest vorgenommen hatten. Läuft da was schief, oder läuft da gar nichts?

Klar, das ist nur eine dumme Redensart. Die Betonung liegt auf dumm. Wir Bürger stehen ja nicht an einer Haltestelle der Lokal-, Regional- oder gar Bundespolitik ,und warten darauf, mitgenommen zu werden. Von wem und wohin?

Was jedem, auch den politischen Busfahrern, auffällt:  Auf unheimlich vielen parteipolitischen Bussen steht keine Liniennummer, aus der man das Ziel ablesen könnte. Es steht da nur einfach Leerfahrt. (Mit einer Lehrfahrt wären viele wahrscheinlich durchaus einverstanden, oder? Aber die gehört wahrscheinlich nicht zum Fahrplan.)

Um es kurz zu machen, um es auf den Punkt zu bringen: Wir stehen nicht so dumm rum, wie es uns die Politik einreden will. Wir wollen nicht abgeholt werden. Wir wollen, dass man mit uns spricht.  Wir wollen nicht, dass man uns ständig über den Mund fährt. Wir wollen zuhören und dass die Politik uns zuhört. Ist das zu viel verlangt?

Liebe Politikerinnen und Politiker, stellen sich mal vor: Sie stehen an einer Haltestelle und niemand holt sie ab! Nicht auszudenken? Dann verlangen Sie so etwas auch nicht von uns.











Mittwoch, Juni 14, 2017

Leyen-Spiel

Es  wäre übertrieben, es wäre eine Zumutung, wenn man von Frau von der Leyen einen auch nur annähernd so scharfen Blick auf die Bundeswehr verlangen würde. Aber sie hätte schon etwas genauer auf ihre Soldaten blicken können. Sie hat da etwas übersehen, das nicht nur im Verborgenen blühte. Oder sollte sie gar weggesehen haben? Das soll ihr nicht unterstellt werden. Aber sie hat drei Jahre mit Kinkerlitzchen verplempert, viel in Selbstdarstellung investiert, war sich selbst zu wichtig und hat nicht begriffen, dass die Bundeswehr kein x-beliebiges Unternehmen ist mit 41,5 Arbeitsstunden in der Woche und so. (Ein Offizier der Reserve: Die Offiziere haben gar keine Zeit mehr, sich um ihre Soldaten zu kümmern. Nach Dienstschluss mal ein Bier mit seinen Soldaten, um sich besser zu verstehen, zu erfahren, was in den Köpfen vorgeht, auch Beispiel zu geben? Nicht mehr möglich in diesem Unternehmen.)

Aber nun greift die Dame durch. Der Fall Franco A. lässt ihr gar nichts anderes übrig. Das geht jetzt Schlag auf Schlag. Was in irgendeiner Weise an die Wehrmacht erinnert, soll aus den Kasernen rausfliegen. Ob es auch aus den Köpfen fliegt? Blinder Eifer schadet nur. In der Bundeswehruniversität in Hamburg hat jemand in vorauseilendem, falsch verstandenem Gehorsam ein Foto von Helmut Schmidt in Leutnantsuniform der deutschen Wehrmacht abgehängt. Geht es noch lächerlicher?

Die Wehrmacht als Institution war eine verbrecherische Organisation. Aber jeder Wehrmachtssoldat? Helmut Schmidt oder der Jagdflieger Marseille, nach dem eine Kaserne benannt ist, mal eben abhängen und umbenennen?

Der Jagdflieger Marseille gehört sicher nicht zu den Vorbildern, auf denen die Tradition einer Armee von Bürgern in Uniform gegründet werden sollte. Für herausragendes kriegerisches Handwerk steht er wohl.  Das allerdings reicht nicht für die Ansprüche, die eine ernst zu nehmende Tradition stellt. Es spricht also nichts gegen eine Umbenennung der Marseille-Kaserne in Appen/Schleswig-Holstein.

An Möglichkeiten fehlt es nicht. Schill, Theodor Körner, von Lützow, Ernst  Moritz Arndt aus den Freiheitskriegen 1813/1815. Diese Namen vertragen sich gut mit dem Eisernen Kreuz, das als traditionsstiftend ausdrücklich anerkannt ist. Immerhin: In Lüneburg gibt es die Theodor Körner-Kaserne.

Nicht zu vergessen die Kämpfer für Demokratie in den Revolutionsjahren 1848/1849. Carl Schurz, Friedrich Hecker, Franz Sigl, Gustav Struve. Eine Carl Schurz-Kaserne gibt es – in Hardheim. Wenig genug, aber wenigstens nicht alles ist in Vergessenheit geraten, was eine Tradition begründen kann.

Und dann die Männer des 20. Juli 1944. Die Graf-Stauffenberg-Kaserne gibt es gleich zweimal  in Sigmaringen und in Dresden. Dann die Olbricht-Kaserne in Leipzig, Ludwig Beck in Sonthofen, Henning von Treskow in Oldenburg. Albrecht Mertz von Quirnheim, Carl-Heinrich von Stülpnagel und andere fehlen.

Wie wird Frau von der Leyen mit der Kurt-Georg-Kiesinger-Kaserne – eingeweiht am 21. Juni 1989 – in Laupheim umgehen? Herr Kiesinger war ein Nazi der ersten Stunde. Bekommt diese Kaserne jetzt auch einen neuen Namen?

Irgendwie scheint Frau von der Leyen Schwierigkeiten mit dem Begriff Tradition zu haben, wie folgendes Zitat zeigt: „Wir sollten viel stärker die über 60-jährige erfolgreiche Geschichte der Bundeswehr in den Mittelpunkt unseres Traditions-verständnisses stellen.“ Ist es nicht übertrieben, hier schon von Tradition zu sprechen? 60 Jahre begründen noch keine Tradition. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass Bundeswehr-Offiziere und Generalität der Gründungsphase ihre Karriere in der Wehrmacht gemacht haben. Die Idee des Staatsbürgers in Uniform war nicht ihre Idee. Die Folgen sind noch heute zu spüren bis hin zum Extremfall Franco A..

Aber nun wird alles anders. Bildersturm in den Kasernen – das geht am schnellsten. Danach Kasernen umtaufen. Dann ein neuer Traditionserlass. Der soll bis Ende August geschrieben sein. Und für alles andere, das wirklich Wichtige, schwebt Frau von der Leyen „ein breiter, auf zwei Jahre angelegter Prozess“ vor. Das alles hätte doch schon längst gemacht werden können. Die Dame ist seit mindestens drei Jahren im Amt.

Unter dem Strich: Nicht summa cum laude. Aber die Bundeswehr zeigt , dass sie sich auf Männer beruft, die ihr Leben für Freiheit und gegen Tyrannei einsetzten. Sie zeigt, dass sie ihre Tradition nicht in der Wehrmacht sucht. Und trotzdem stimmt etwas nicht, etwas Entscheidendes.

Die Abschaffung der Allgemeinen Wehrpflicht und die Einführung einer Berufs-armee war ein Fehler. Bei allen Ungerechtigkeiten, die die Allgemeine Wehr-pflicht mit sich brachte – die Bundeswehr war ein Spiegelbild der Gesellschaft. Das ist eine Berufsarmee nicht. Bei allem Respekt: Sie hat eine besondere Anziehungskraft für Menschen, die Kampf und Auseinandersetzung brauchen, die eine besondere Beziehung zu Gewalt haben, Zuflucht vielleicht auch für Menschen, die nirgendwo sonst eine berufliche Chance sehen. Ein Bild, das mit dem Bürger in Uniform wenig gemein hat.

Wohin eine Berufsarmee führen kann, hat die Reichswehr gezeigt: zum Staat im Staate. Das scheint weit hergeholt zu sein, ist aber zum greifen nah.

Die meisten Fehler, auch schwere, kann man korrigieren. Die Entscheidung für eine Berufsarmee gehört dazu. Man muss sich nur trauen, die allgemeine Wehrpflicht wieder einzuführen.



Dienstag, Juni 13, 2017

Wahnsinn - oder was?

Der Wahnsinn tobt durch die Welt und lässt kein Land aus. Dieser Wahnsinn hat einen Namen: Globalisierung. Davon redet alle Welt. Die einen sind begeistert. Die anderen packt die Wut und die Verzweiflung.

Bevor wir uns fragen, was die Globalisierung gebracht hat, fragen wir uns: Was ist eigentlich Globalisierung? Welthandel? Nein. Globalisierung ist Weltwandel mit einer Rücksichtslosigkeit sondergleichen. Die Ärmsten werden ausgebeutet. Die Reichen lässt das kalt. Gearbeitet wird dort, wo es am billigsten ist. Und wenn es irgendwo noch billiger geht: ab durch die Mitte ins nächste Billiglohnland! Nein, das ist nicht harmlos. Das ist unmenschlich. Das also ist Globalisierung.

Nun zu der Frage, was die Globalisierung gebracht hat. Die Ergebnisse: Die Politik hat abgewirtschaftet. Die Wirtschaft regiert. Selbst die mächtigsten Frauen und  Männer in der Politik sind machtlos. Sie tanzen nach der Pfeife der Konzerne, die unsere Welt globalisiert haben.

Wie konnte das passieren? Ganz einfach: Die Wirtschaft arbeitet weltweit, kennt keine Grenzen. Die  Politik kennt nur eins: Grenzen. Mein Land, dein Land bis hin zum zwergigsten Ländchen.  Statt Weitsicht Kurzsichtigkeit. Schlimmer noch: Uneinsichtigkeit (typisch deutsches Wort).

So rennt sich die Politik die Lunge aus dem Hals. Hase und Igel? Ja, genau das. Wenn die Politik ankommt, sind die Konzerne schon da. Mit Bobbycars ist kein Rennen gegen die Formel 1 zu gewinnen.

Also raus aus der Schrebergartenpolitik. Global denken und handeln. Diese globale Politik braucht nicht viel, nur ein paar Weltinstitutionen: die UNO, G20, einen zeitgemäßen Sicherheitsrat, eine Weltbanken-aufsicht, eine Weltjustiz für den Handel.

Einiges davon haben wir schon. Aber wir gehen damit nicht richtig um. Wir nutzen diese Werkzeuge nicht. Wir arbeiten nicht zusammen. Wenn einer ein Werkzeug in die Hand nimmt, haut ihm ein anderer auf die Finger. So macht man das im Sicherheitsrat – und nicht nur dort.

Eigentlich hat die Politik alles, was sie braucht. Und warum funktioniert es nicht? Vielleich fangen wir immer am falschen Ende an. Immer nur oben. Immer nur bei den Großen.

Wenn alles von oben bestimmt wird, spielen die Kleinen immer seltener mit. Auf sie nehmen die Großen keine Rücksicht? Warum sollten sie dann auf irgend-etwas, auf irgendjemanden, Rücksicht nehmen. Es wird sich immer jemand finden, an dem man sein Mütchen kühlen kann, einen Kleineren.

So wird es gemacht, immer schon. Können wir nicht anders? Oder sind wir nur zu dumm, es mal anders zu probieren. Globale Graswurzelpolitik? Warum nicht? Den Weltfrieden von unten aufbauen, so wie ein Haus, von unten nach oben, Stein für Stein?

Ein himmlischer Gedanke. Sternenweit entfernt von der Hölle von Aleppo.

Der "Heiland"

So hat DIE ZEIT Emmanuel Macron kürzlich auf Ihrer Titelseite vorgestellt. Übertrieben. Geschmacklos. Aber unsere Politiker und Medien himmeln ihn an. Der Mann verdient jeden Respekt. Ein Ritter ohne Fehl und Tadel. Er ist im Begriff, Frankreich auseinanderzunehmen und wieder zusammenzusetzen. Was er bisher erreicht hat, dürfte er vor allem seiner Tüchtigkeit verdanken. Aber jetzt braucht er auch Glück. Das sollte ihm gewünscht werden – in der Hoffnung, dass alles, was ihm vorschwebt, gut für seine Landsleute, unsere Nachbarn und ihr Wohlergehen gut ist. So viel zu Emmanuel Macron, zu Frankreich. Nun zu uns. Wir überschlagen uns in unserer Begeisterung für ihn. Genau besehen, ist das ziemlich peinlich.

Stellen wir uns nur für einen Augenblick vor, ein deutscher Macron würde unsere konservative Union beiseite schieben, würde SPD und andere Linke wie auch Grüne ins Abseits schicken – von der Begeisterung würde nichts übrig bleiben als ein Häufchen Asche.

Ein deutscher Macron ist weit und breit nicht in Sicht. Bei unserer Gefühlsduseligkeit ein Glück. Bei uns könnte der Weg vom Verführer zum Führer noch kürzer sein als in Frankreich. (Pardon: Dieser Weg wird Ms. Macron hier nicht unterstellt.)

Aber es ist höchste Zeit, dass wir uns zusammennehmen. Wir sollten sofort aufhören, hochnäsig auf Frankreich runterzublicken. Wir sind nicht gut genug, um uns das zu leisten. Wären wir es, dann wäre es ein Gebot der Höflichkeit, das nicht auszusprechen. Alle Omas würden sagen: „Das gehört sich nicht.“


Und dann: Wenn ein Parteiensystem unbeweglich ist, wohlgefällig in sich ruht, dann ist es unseres. Reißt doch endlich mal die Fenster auf! Macht Durchzug! Wenn da ein paar Papierchen auf Nimmerwiedersehen davon fliegen, was solls. Schreibt neue, bessere.

Ein Land enteignet sich selbst

Deutschland steht zum Verkauf. Wer genug Geld hat sollte zugreifen. Denn ein solches Angebot, ein ganzes Land zu kaufen, gibt es nicht alle Tage.

Man stelle sich das mal vor: Ein ganzes Land mit allem Drum und Dran und über 80 Millionen Einwohnern! Der helle Wahnsinn. Kaum glaublich, aber wahr. Auf jeden Fall: Der Anfang ist gemacht. Autobahnen und Straßen, Eigentum aller Bürger, werden an die Privatwirtschaft verkauft.

Noch geschieht das sozusagen unter der Hand, versteckt hinter dem Kürzel ÖPP. Dahinter verbirgt sich eine vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen der Privatwirtschaft in einer Zweck-gesellschaft. So die hübsche offizielle Umschreibung des Ausverkaufs.

Nicht die Öffentliche Hand baut Autobahnen und Straßen und hält sie in Schuss, sondern Privatunternehmen. Die sagen jetzt, wie es gemacht wird und wie viel das kostet. Und es kostet mehr. Denn die Privatunternehmen wollen, was ja ihr gutes Recht ist, etwas verdienen, wollen Gewinn machen. Das wird eben teurer, als wenn es die Öffentliche Hand machte. So wird Gemeingut verscherbelt, auf Kosten der Bürger.

Hatten wir das nicht schon? Hatte nicht Berlin seine Wasserversorgung privatisiert? Ja, und alles wurde teurer und schlechter. Hat nicht Hamburg sein Fernwärmenetz versilbert? Ja. Und alles wurde teurer, wesentlich teurer als in anderen Großstädten. Auch wenn in beiden Fällen die Vernunft wieder eingekehrt zu sein scheint, Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat haben von dem Begriff unveräußerliches Gemeingut offensichtlich noch nichts gehört.

Wie wir es auch drehen und wenden: Der Ausverkauf hat begonnen. Da sollte man nicht lange fackeln. Hier ein Stückchen, da ein Stückchen, das wird auf die Dauer teuer. Dann doch lieber alles auf einen Schlag kaufen. Ganz Deutschland auf einmal. Sieht unheimlich teuer aus, ist in Wirklichkeit aber der Reibach. Investoren aller Länder, vereinigt euch!




Es ist Krieg

Russland führt Krieg gegen die USA. Ohne Kriegserklärung, ohne Panzer, Bomben und Raketen, mit einer Waffe, die viel gefährlicher ist: internet. Russland hat – unbemerkt von der Öffentlichkeit, in den Präsidentschaftswahlkamp eingegriffen. Hat Daten manipuliert und was das Internet, die neue Waffe, sonst noch so bietet. Für Trump, gegen Hillary? Auf jeden Fall für Russland. Der Erfolg kann sich sehen lassen. Die USA wüten gegen sich selbst. So jedenfalls ist das überall zu hören und zu lesen. Die Unruhe ist groß, die Empörung noch größer.

Das alles ist glaubwürdig. Warum sollte Russland das nicht tun, wenn es darin einen Vorteil für sich sieht? Es hat keinen Sinn, über Anstand in der Politik zu reden. Den gibt es nicht.

Aber ist das alles? Führt nur Russland diesen Krieg? Das wäre unwahrscheinlich. Anders gefragt: Führen die USA diesen Krieg nicht auch? Greifen sie Russland an? Stiften dort Unruhe, wollen das Putin-Regime infrage stellen? Möglich wäre das. Nur ist darüber nirgendwo etwas zu erfahren. In deutschen Medien bisher jedenfalls nicht. Was nicht in der Zeitung steht, gibt es auch nicht? Kinderglaube!


Nein, dreimal nein. Das ist keine Parteinahme für Russland. Das ist keine Misstrauenserklärung gegen die USA. Das ist nur die Bitte, sich nicht nur die eine Seite anzusehen, sondern auch die andere. Diese Sorgfalt wird den Internetkrieg nicht beenden. Das zu glauben, wäre blauäugig. Aber wenigstens wird dieser Krieg durch Einäugigkeit nicht weiter befeuert. Wenig genug. Aber immerhin.

Besserwissenschaftler

Wissenschaftler schaffen kein Wissen, sie verwalten es nur. Sie greifen sich die Arbeit anderer, drehen und wenden sie und wissen zum Schluss alles besser. Nur beim Bessermachen, da hapert es.

Bei Politikwissenschaftlern scheint diese Eigenheit besonders ausgeprägt zu sein. Sebastian Chwala macht sich große Sorgen um die Demokratie in Frankreich (Deutschlandfunk Kultur – Interview, 12. 06.2017 07.40 Uhr). So sagt er zum Ergebnis der REM (Republic En Marche) im ersten Durchgang am 11. Juni: „Das tut einer pluralen Demokratie in Frankreich nicht gut.“

Wenn wir einen Augenblick an unsere Groko, unsere große Koalition denken, könnten wir geneigt sein ihm recht geben. Demokratie braucht Opposition, braucht Widerspruch. Im deutschen Bundestag lässt das zu wünschen übrig. In Frankreich könnte das auch darauf hinauslaufen, ziemlich wahrscheinlich sogar. Und nun?

Die Franzosen sind temperamentvoller als wir. Das wird den paar Sozialisten wie den Republikanern im Parlament wenig nützen, auch dem Front National nicht.  Opposition wird sich eher auf der Straße abspielen. Das ist ein anderes Thema, das bei uns nur geringe Bedeutung hat.

Den „etablierten“ Parteien Frankreichs wird nicht anderes übrig bleiben, als festzustellen, was sie falsch gemacht haben – sie, und nicht irgendjemand sonst. Und sie müssen sich überlegen, was sie wie besser machen könnten. Sie müssen mit sich selbst ins Reine kommen.

Das empfiehlt sich auch unserer Opposition. Abbitte deshalb zum Schluss an die Besserwissenschaftler: Sie können uns mit ihren Bedenken auf die Sprünge helfen.  Dumm nur: Springen müssen wir selber.


Sonntag, Juni 11, 2017

Pflicht und Pflichten

Manchmal braucht der Kopf einen Stups, um seine Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken, das wichtig ist, über das er aber bisher kaum nachgedacht hat. Einen solchen Stups, also Denkanstoß, haben in jüngster Zeit die rechtsextremistischen Vorfälle in der Bundeswehr gegeben. Wie konnte, wie kann es dazu kommen?

Wer seine Gedanken auf Wanderschaft durch dieses Thema schickt, kann dabei einer unerwarteten Frage begegnen. Könnte einer der Gründe sein, vielleicht der wichtigste, dass wir seit einigen Jahren eine Berufsarmee haben anstelle einer Bundeswehr, in der wehrpflichtige Bürger ihren Dienst tun?

Natürlich macht diese Überlegung kein Vergnügen. Sie ist auch alles andere als lustig. Also sollten wir sie ernst nehmen und uns zunächst einmal die Unterschiede vor Augen führen.

Eine Armee von Wehrpflichtigen ist im Idealfall das Spiegelbild der Gesellschaft. Zugegeben: Dieses Ideal ist nicht zu erreichen, was kein Grund sein sollte, es immer wieder zu versuchen.

Nicht jeder Wehrpflichtige wurde „eingezogen“. Manche eigneten sich nicht zum Soldaten. Manchmal gab es mehr Wehrpflichtige, als die Bundeswehr aufnehmen konnte, so wie es der Zufall wollte. Das war nicht ideal, aber erträglich. und so nahe wie möglich an dem, was wir Gerechtigkeit nennen.  Dazu kam die Möglichkeit, anstelle des Wehrdienstes einen Zivildienst abzuleisten. Das musste beantragt und begründet werden und wurde nicht immer genehmigt. Aber möglich war es. Trotz aller Ausnahmen: Die Bundeswehr kam dem Spiegelbild der Gesellschaft so nahe wie möglich. Damit hatten extreme Ansichten keine Chance.

In einer Berufsarmee findet sich diese Vielfalt nicht wieder. Nein, natürlich ist eine Berufsarmee keine Ansammlung von Rabauken. Der Soldatenberuf ist aller Ehren wert, solange er dem parlamentarisch legitimierten Schutz der Bürger dient. Davon dürfen wir in Deutschland ausgehen.

Aber. Und dieses Aber soll nicht beiseitegeschoben werden: Für Menschen, die in keinem anderen Beruf einen Platz gefunden haben, für Menschen, die gern Krieg spielen, die zu Gewalt neigen, dürfte eine Berufsarmee eine große Anziehungskraft haben. Ein wahrscheinlich nicht ganz und gar zutreffendes und doch naheliegendes Beispiel dürfte die französische Fremdenlegion sein – berühmt für ihre Härte, berüchtigt für ihre Brutalität, ihr Rücksichtslosigkeit, auch gegen sich selbst.

Vergleichen wir Wehrpflichtigen- und Berufssoldatenarmee, dann liegt der Gedanke nicht fern, die Aufgabe der Wehrpflicht zu bedauern, und der Wunsch, zur Wehrpflicht zurückzukehren, wird verständlich, sogar einleuchtend.

Aber das sollte nicht einfach mal so gemacht werden. Etwas mehr Sorgfalt sollte angebracht sein, wenn wir von der Berufsarmee zur Bürgerarmee zurückkehren wollen . Wir sollten uns von dem Begriff Wehrpflicht trennen und an seine Stelle die Dienstpflicht setzen. Das ist keine Wortklauberei, sondern ein wichtiger Unterschied.

Wir haben berechtigte Ansprüche an unser Land, an unseren Staat. Aber unser Staat hat das Recht, auch an uns Ansprüche zu stellen. Das Eine geht nicht ohne das Andere. Kurz gesagt: Auch wir Bürger haben Pflichten.

Zu diesen Pflichten gehört nicht, dass wir ein Gewehr in die Hand nehmen müssen. Das müssen wir nicht. Aber etwas anderes, das müssen wir schon tun, wir müssen uns für das, was die Gemeinschaft uns gibt, revanchieren. Der Zivildienst bietet hierfür die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Ein Dienst zweiter Klasse ist er nicht.

Die älteren Herrschaften unter uns werden sich daran erinnern, welches Schindluder mit dem Begriff Pflicht unter dem Nationalsozialismus getrieben wurde. Im Februar 1938 wurde das sogenannte Pflichtjahr für alle Frauen unter 25 eingeführt. Die jungen Frauen waren verpflichtet, ein Jahr in der Landwirtschaft oder Hauswirtschaft zu arbeiten. Nur, wer diese „Pflicht“ abgearbeitet hatte, konnte eine Lehre oder andere Ausbildung beginnen. Für junge Männer wurde der RAD, der Reichsarbeitsdienst, Pflicht, geregelt durch das Reichsjugenddienstpflichtgesetz. Hier wurde etwas zur Pflicht erklärt, was der Vorbereitung des Krieges diente, bei Licht gesehen: eine Kriegsdienstpflicht.

Dadurch sollte sich niemand irritieren lassen. Die Dienstpflicht, für die hier gesprochen wird, mit dem nichts zu tun.










Samstag, Juni 10, 2017

"Parlez-vous global?"

Das fragte DIE WELT in ihrer Ausgabe vom 3. Juni 2017  und berichtete kurz über eine Rede des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Der Inhalt der Rede war bemerkenswert. Es ging um den von Donald Trump verkündeten Ausstieg aus dem Pariser Umweltschutzprogramm. Macrons Antwort: „Ich rufe Sie auf: Kommen Sie her und arbeiten Sie hier mit uns.“ Damit bot Macron den Wissenschaftlern, Ingenieuren und Entrepreneuren in den USA eine zweite Heimat in Frankreich, in Europa, an.

Mindestens so bemerkenswert wie dieses Angebot: Macron ist der erste französische Präsident, der seine Rede nicht nur in Französisch hielt, sondern auch in Englisch. Der Erfolg ließ nicht auf sich warten. „Die großen englischsprachigen Medien verbreiteten die Rede eifrig, hunderttausendfach wurde sie im anglofonen Internet geteilt. Der Coup war gelungen. So viel Sendezeit hatte ein französischer Präsident auf US-Bildschirmen wahrscheinlich noch nie.“ (DIE WELT)

War das nun ein Coup, wie DIE WELT schreibt? Oder war es mehr? Haben wir es hier mit einem Populisten zu tun, einem Verführer, möglicherweise einem „Führer“? Eine verrückte Frage*, gewiss. Aber auch verrückte Fragen dürfen gestellt werden.

Eines sicher: Hier hat einer seine politischen Vorstellungen, seine Ziele, mit viel Intelligenz, mit Geduld und gründlicher Vorbereitung bis in die kleinste Kleinigkeit verwirklicht und hat damit die politische, die parteipolitische Landschaft Frankreichs gründlich verändert. Links wie Rechts stehen hilf- und möglicherweise auch machtlos da. Im Augenblick sieht es so aus, als würde „Republic en marche“ aus dem Nichts heraus bei den Wahlen in den nächsten Tagen die stärkste Partei.

Auch in den USA ist einiges in Bewegung geraten – Bernie Sanders, und in England – Jeremy Corby. Hier zeigt sich neues Leben. Nur bei uns nicht.

*So verrückt scheint die Frage gar nicht zu sein. Schreibt doch Julia Amalia Heyer im SPIEGEL 24 vom 10. Juni in ihrem Beitrag „Verzaubert und verführt“: „Denn gegen eine gewisse Hybris ist auch Emmanuel Macron nicht gefeit.“

Aber wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen..


Freitag, Juni 09, 2017

Der lange Weg der Frauen

Am 8. Mai 1949 legte ein seit Herbst des Vorjahres arbeitender Parlamen-tarischer Rat den Entwurf eines Grundgesetzes vor. Der Text wurde mit einigen Änderungen am 12. Mai 1949 von den drei westlichen Besatzungsmächten genehmigt, am 23. Mai veröffentlicht und damit in Kraft gesetzt.

Dieses Grundgesetz, das heute noch gilt – wenn auch mit vielen Anpassungen – war als Vorstufe einer Verfassung gedacht. Die war für die Wiedervereinigung Deutschlands geplant, endlich 1990 erreicht. Aber die Energie der Politik reichte nicht aus für die Ausarbeitung der seit 1949 angestrebten Verfassung. Man einigte sich auf die bequeme Lösung: Die DDR tritt der Bundesrepublik Deutschland bei. In dieser Hinsicht lebt unsere Republik immer noch ver-fassungslos.

Nun endlich Bühne frei für den langen Weg der Frauen, der nicht erst 1949 begann. Aber dieses Jahr war eine wichtige Station auf diesem Weg.

1949 lebten in der werdenden Bundesrepublik  ungefähr genauso viele Frauen wie Männer. Von den 65 Mitgliedern des Parlamentarischen Rats waren aber sage und schreibe nur 4 Mitglieder Frauen:
 
Helene Wessel, (Zentrumsdelegierte von NRW), Helene Weber (CDU-Dele-gierte NRW), Friederike Nadig (SPD-Delegierte NRW) und Elisabeth Selbert (SPD-Delegierte Niedersachsen).

Vier Frauen zwischen 61 Männern, genauer gesagt: vier Frauen unter 61 Männnern. Das hat die Damen aber nicht eingeschüchtert. Im Gegenteil. Sie haben den Herren den wichtigen 2. Absatz des Artikels 3) ins Stammbuch geschrieben:

Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und  Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Mit der Mitwirkung des Staates war es dann nicht so toll. Bis 1962 durften Frauen kein Bankkonto ohne Zustimmung ihres Mannes einrichten. Bis 1977 brauchte jede Frau die Genehmigung ihres Mannes, wenn sie eine Arbeit annehmen wollte. Bis 1993 dauerte es, bis eine Frau in Deutschland Ministerpräsidentin werden konnte – Heide Simonis.

Nur 9 Prozent der Abgeordneten des ersten Bundestags (1949 – 1953) waren Frauen. Im 13. Bundestag (2009 – 2013), also 60 Jahre später, waren es immerhin 33,4 Prozent – immer noch weit entfernt von Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung.
Natürlich hat jeder das Recht enttäuscht zu sein, dass alles so unerträglich langsam geht. Aber wo wären wir, wenn nicht diese standhaften vier Frauen vor 68 Jahren diesen einen Satz durchgesetzt hätten: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

Fußnote: Die Ausstellung „Mütter des Grundgesetzes“ ist bis zum 20. Juni im Foyer der Sparkasse Südholstein in der Pinneberger Rathauspassage zu sehen. In einem Zeitungsbericht hat die Journalistin Felicitas Mertin darauf hingewiesen.

Dass sie das Grundgesetz nicht korrekt zitiert, soll ihr nicht vorgeworfen werden. Dazu ist sie wohl zu jung. Dort heißt es: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ und nicht „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“. Diese Reihenfolge konnten die „Mütter des Grundgesetzes“ 1949 noch nicht durchsetzen. Wahrscheinlich war ihnen das auch nicht wichtig.













"Allianz gegen Müll im Meer. Oder: Auch lügen will gelernt sein.

Das Thema: Eine Meldung vom 1. Juni 2017 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung.

Vorweg eine zynische Bemerkung. Die Damen und Herren des Bundes-presseamts haben ihren Goebbels nicht gelesen. Der größte Verführer aller Zeiten hätte sie auf der Stelle entlassen. Beinahe hätte ich gesagt „zum Teufel gejagt“ – aber der war er ja selbst. Schlimm diese Fake News mit amtlichem Stempel – so primitiv!

Die Oberflächlichkeit und Leichtfertigkeit, mit der dieses Thema abgehandelt wird, ist erschreckend. Leere Worte folgen leeren Worten, ein Plan jagt den anderen, von Taten keine Spur.

Da wird des Langen und Breiten heruntergeleiert, was alles nicht in Ordnung ist. 140 Millionen Müll wurden in den Weltmeeren festgestellt, jedes Jahr kommen zehn Millionen Tonnen dazu. Vor allem Plastikverpackungen und Kunststoffreste gehören dazu. Auf den Ozeanen schwimmen Müllinseln von der Größe Mitteleuropas. „…ein Großteil des Abfalls in den Meeren stammt aus Abwässern oder gelangt aus Seen und Flüssen direkt in die Meere“, wird notiert. „Aus Seen“? – zum Beispiel aus dem Bodensee direkt in die Ozeane? Und das Ganze ist natürlich sozusagen über Nacht passiert.

Aber jetzt haben sich die G20-Staaten verpflichtet, Abfälle in Flüssen und Abwasser zu verrringern. Das sieht der G20-Aktionsplan gegen Meeresmüll vor. Meeresmüll – schon wieder so ein Dummwort. Es handelt sich um Müll im Meer. „Menschen empfinden Meeresmüll als Gefahr. Inzwischen ist das Thema auch im Bewusstsein vieler Bürgerinnen und Bürger angekommen“, schreibt das Bundespresseamt. Bei der Politik anscheinend noch nicht, jedenfalls nicht wirklich; denn außer Plänen gibt es immer noch nichts. „Deutschland hat 2015 den ‚G7-Aktionsplan gegen Meeresmüll‘ initiiert und damit eine globale Bewegung in Gang gesetzt. Der Plan zählt weltweit zu den wichtigsten Dokumenten zum Meeresmüll.“ Den Plan mag es geben, von Bewegung kann nicht die Rede sein. Aber nun gibt es ja den G20-Plan. Wie die Erfahrung lehrt, wird es nicht der letzte Plan sein. Aber immerhin. Unsere Republik hat etwas initiiert, sagt das Bundespresseamt. Es fragt sich nur: was?

So und nicht anders liest es sich auch zum Umweltschutz allgemein und zu den Maßnahmen speziell zum Klimaschutz – ganz gleich, wer schreibt oder spricht: Frau Merkel, Herr Altmaier, Frau Hendricks: Der unhaltbare Stand der Dinge wird „ad nauseam“, bis zum Erbrechen, wiederholt. Über Konferenzen wird mit Hingabe berichtet, Pläne ohne jede Verbindlichkeit werden als Taten dargestellt. Deutschland, der Vorreiter in Sachen Umwelt-schutz, das große Vorbild – das wird uns mit großem Ernst vorgegaukelt. Dabei ist es so gut wie aussichtslos, die Ziele zu erreichen, die wir uns bis 2020 gesetzt haben. Das liegt nicht nur am Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken, sondern vor allem an Autos und LKW.

Die neue Studie des Umweltbundesamtes „Klimaschutz im Verkehr: Neuer Handlungsbedarf nach dem Pariser Klimaschutzabkommen“ enthält nach SPIEGEL 23/2017 vom 3. Juni auf 33 Seiten eine „Liste des Schreckens“ für die Verkehrspolitiker die bis auf Weiteres am Verbrennungsmotor festhalten wollen. Keine Dieselsubventionierung mehr und Wegfall der Pendlerpauschale wären notwendige Schritte. Dazu auch eine Gebühr, die sich an der Höhe der gefahrenen Kilometer orientiert. Würden Wege- und Umweltkosten voll angerechnet, heißt es in der Studie, müsste ein Benziner auf der Autobahn 6,5 Cent pro Kilometer zahlen. Die Fahrt von Berlin nach Köln würde dann rund 37 Euro zusätzlich kosten. Usw. usw.

Schon in „Normaljahren“ hat sich die Politik nicht getraut, an diese Sachen heranzugehen. Im „Superwahljahr 2017“ wird sie es ganz bestimmt nicht tun. Und dann behauptet unsere Regierung, Deutschland sei Vorreiter im Umweltschutz? Vorreiter? Verräter wäre wohl der richtige Begriff.

Früher, als noch Zeugnisse geschrieben wurden, fasste man ein solches Versagen kurz und bündig wie folgt zusammen: „Er hat sich stets bemüht, unseren Ansprüchen gerecht zu werden.“


07. 06. 2017 

Montag, Juni 05, 2017

Nächstenliebe, Nächstenhass

Nächstenliebe wird gepredigt. Nächstenhass wird gelebt., ausgelebt bis zur grenzenlosen Verachtung des Nächsten.

Abschiebung – ein Ekelwort wie kaum ein anderes – gehört inzwi-schen zum  Sprachalltag – und niemand scheint es zu merken. Vielleicht will es auch keiner zur Kenntnis nehmen. Dabei kann es ein verächtlicheres Wort für Trennung gar nicht geben. Man muss nicht erst im Duden nachsehen, um zu wissen, was abschieben bedeutet: Jemanden entfernen, der als lästig empfunden wird. Weg mit ihm! Und darum geht es hier.

Ulf Poschardt dreht in seinem Titelseitenkommentar der WELT vom 2. Juni 2017 „Die Richtigen Abschieben“ das Für und Wider  hin und her bis er zu dem Ergebnis kommt: „Aber es lohnt sich, um die Besten zu kämpfen.“ Das klingt richtig gut. Aber ist es das auch?

Die Besten? Klarer Fall. Das sind die, die wir für unsere Wirtschaft brauchen, die  das machen, wofür wir keinen Finger krumm machen wollen, oder für die wir inzwischen zu dumm sind, weil fast jeder das Abitur hat, aber weder rechnen noch richtig schreiben kann. Ein bisschen erinnert das an das Märchen vom Aschenputtel. „Die guten ins Töpfchen…“.So jedenfalls sortiert Herr Poschardt.

Ach so. Das alles hat mit Nächstenliebe und Nächstenhass gar nichts zu tun? Vielleicht doch noch einmal darüber nachdenken?

Was ist, wenn wir in die USA flüchten möchten, und Herr Trump sagt nein? So ein Pech! Fremdenhass kann auch uns treffen.

Um auf den Anfang zurückzukommen: „Verachte deinen Nächsten wie dich selbst.“ anstelle von „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“? Wenn das gilt, wohin kommen wir da?


Sollte die Hölle noch nicht erfunden sein, dann wird es höchste Zeit.

Sonntag, Juni 04, 2017

Die Entdeckung - neu entdeckt.

Viele Entdeckungen verdanken wir dem Zufall, andere einer beharrlichen Suche. So war das bisher. Jetzt wurde eine neue Möglichkeit entdeckt: Herausfinden, was man selbst gemacht hat, was also bekannt ist und deshalb im Grunde gar nicht entdeckt werden kann. Was so geheimnisvoll klingt, führen unser Verkehrsminister Dobrindt und der VW-Konzern als „Reality Show“, als Doku-Soap, vor.

Was Herr Dobrindt als „unzulässige Abschalteinrichtung“ bezeichnet, nennt Herr Stadler, Audi-Vorstandsvorsitzer, Auffälligkeiten, die Audi bei 24.000 Autos in Europa gefunden hat.

Gefunden? Ja, sagt VW, der Mutterkonzern in Wolfsburg: „Audi hat die fraglichen Abschalteinrichtungen entdeckt… es wurde Selbstanzeige erstattet.“

Audi baut in seine Autos eine Abschalteinrichtung ein – zulässig oder auch nicht, spielt zunächst keine Rolle – und „entdeckt“ sie dann? Man braucht kein Abitur, um festzustellen, dass das nicht geht. Jedes kleine Kind lügt besser.

Glaube niemand, schlimmer könne es nicht kommen. Es ist noch viel schlimmer. Bundesverkehrsministerium und die deutsche Automobilindustrie stecken unter einer Decke, nicht erst seit Herrn Dobrindt, immer aber mit kräftiger Unterstützung der Auto-Kanzler und der Auto-Kanzlerin.

Kein Wunder, dass die Herren Vorstandsvorsitzenden Müller (VW), Zetsche (Daimler), Stadler (Audi), Krüger (BMW) uns allen auf der Nase herumtanzen.

Wie feige muss eine Regierung eigentlich sein, um vor dem Totschlagargument „sonst stehen hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel“ davonzulaufen wie vor einem bissigen Hund? Alle wissen doch: Hunde, die viel bellen, beißen nicht.

Abgesehen von dieser Alltagserfahrung: Wenn es drauf ankommt, gehen die Arbeitsplätze doch flöten. Da spielen sogar die Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten mit. (Quelle: DIE WELT, 3. Juni 2017, Seite 11)


Samstag, Juni 03, 2017

Angst

Angst. Ein Wort, fünf Buchstaben: a – n – g – s –t. Sie lauert überall. Sie verfolgt uns. Sie hat uns fest im Griff. Wir können ihr nicht entkommen. Wir machen die Augen zu und sehen sie trotzdem. Wir halten uns die Ohren zu und hören dennoch ihre Schritte.

Wohin wir auch blicken: Weit aufgerissene Augen. Panik im Blick. Verängstigte Menschen, stets auf dem Sprung, der Angst zu entkommen. Hoffnungslosigkeit. Aussichtslosigkeit. Wir haben keine Angst. Wir sind Angst.

Das alles wird uns von allen Seiten eingeredet. Wir haben Angst vor der Globalisierung. Wir haben Angst vor Fremden, wobei wir übersehen, wie fremd wir uns selbst manchmal sind. Wir haben Angst, dass man uns Grimms Märchen weg nimmt, und wir den Koran auswendig lernen müssen. Wir haben vor allem und jedem Angst.

Quatsch! Das ist Quatsch, den uns alle möglichen Leute einreden wollen, weiß der Teufel, warum. Wenn das so wäre, würde man uns unsere Angst von den Augen ablesen können, würde sie an unseren scheuen Blicken erkennen.

Zu sehen ist etwas ganz anderes. Paris, Nizza, Berlin, London, jetzt Manchester: Tote über Tote. Das Entsetzen war da, die Verzweiflung. Aber die Angst? Wo war sie? Und wo ist sie? Es gibt sie nicht. Sie wird uns eingeredet.

Was war und ist und bleiben wird: Warum  mein Sohn, meine Tochter, mein Mann, meine Frau, meine Freundin, mein Freund? Warum überhaupt?

Die Antwort: Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich wieder ins Bataclan gehen, auf Weihnachtsmärkte, in Fußballstadien, meinen Kindern nicht Teeny-Konzerte wie in Manchester verbieten würde.


Wer sehen will, wie Angst aussieht, soll sich Evard Munchs „Der Schrei“ ansehen. Sehen wir so aus?