Freitag, Juni 09, 2017

"Allianz gegen Müll im Meer. Oder: Auch lügen will gelernt sein.

Das Thema: Eine Meldung vom 1. Juni 2017 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung.

Vorweg eine zynische Bemerkung. Die Damen und Herren des Bundes-presseamts haben ihren Goebbels nicht gelesen. Der größte Verführer aller Zeiten hätte sie auf der Stelle entlassen. Beinahe hätte ich gesagt „zum Teufel gejagt“ – aber der war er ja selbst. Schlimm diese Fake News mit amtlichem Stempel – so primitiv!

Die Oberflächlichkeit und Leichtfertigkeit, mit der dieses Thema abgehandelt wird, ist erschreckend. Leere Worte folgen leeren Worten, ein Plan jagt den anderen, von Taten keine Spur.

Da wird des Langen und Breiten heruntergeleiert, was alles nicht in Ordnung ist. 140 Millionen Müll wurden in den Weltmeeren festgestellt, jedes Jahr kommen zehn Millionen Tonnen dazu. Vor allem Plastikverpackungen und Kunststoffreste gehören dazu. Auf den Ozeanen schwimmen Müllinseln von der Größe Mitteleuropas. „…ein Großteil des Abfalls in den Meeren stammt aus Abwässern oder gelangt aus Seen und Flüssen direkt in die Meere“, wird notiert. „Aus Seen“? – zum Beispiel aus dem Bodensee direkt in die Ozeane? Und das Ganze ist natürlich sozusagen über Nacht passiert.

Aber jetzt haben sich die G20-Staaten verpflichtet, Abfälle in Flüssen und Abwasser zu verrringern. Das sieht der G20-Aktionsplan gegen Meeresmüll vor. Meeresmüll – schon wieder so ein Dummwort. Es handelt sich um Müll im Meer. „Menschen empfinden Meeresmüll als Gefahr. Inzwischen ist das Thema auch im Bewusstsein vieler Bürgerinnen und Bürger angekommen“, schreibt das Bundespresseamt. Bei der Politik anscheinend noch nicht, jedenfalls nicht wirklich; denn außer Plänen gibt es immer noch nichts. „Deutschland hat 2015 den ‚G7-Aktionsplan gegen Meeresmüll‘ initiiert und damit eine globale Bewegung in Gang gesetzt. Der Plan zählt weltweit zu den wichtigsten Dokumenten zum Meeresmüll.“ Den Plan mag es geben, von Bewegung kann nicht die Rede sein. Aber nun gibt es ja den G20-Plan. Wie die Erfahrung lehrt, wird es nicht der letzte Plan sein. Aber immerhin. Unsere Republik hat etwas initiiert, sagt das Bundespresseamt. Es fragt sich nur: was?

So und nicht anders liest es sich auch zum Umweltschutz allgemein und zu den Maßnahmen speziell zum Klimaschutz – ganz gleich, wer schreibt oder spricht: Frau Merkel, Herr Altmaier, Frau Hendricks: Der unhaltbare Stand der Dinge wird „ad nauseam“, bis zum Erbrechen, wiederholt. Über Konferenzen wird mit Hingabe berichtet, Pläne ohne jede Verbindlichkeit werden als Taten dargestellt. Deutschland, der Vorreiter in Sachen Umwelt-schutz, das große Vorbild – das wird uns mit großem Ernst vorgegaukelt. Dabei ist es so gut wie aussichtslos, die Ziele zu erreichen, die wir uns bis 2020 gesetzt haben. Das liegt nicht nur am Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken, sondern vor allem an Autos und LKW.

Die neue Studie des Umweltbundesamtes „Klimaschutz im Verkehr: Neuer Handlungsbedarf nach dem Pariser Klimaschutzabkommen“ enthält nach SPIEGEL 23/2017 vom 3. Juni auf 33 Seiten eine „Liste des Schreckens“ für die Verkehrspolitiker die bis auf Weiteres am Verbrennungsmotor festhalten wollen. Keine Dieselsubventionierung mehr und Wegfall der Pendlerpauschale wären notwendige Schritte. Dazu auch eine Gebühr, die sich an der Höhe der gefahrenen Kilometer orientiert. Würden Wege- und Umweltkosten voll angerechnet, heißt es in der Studie, müsste ein Benziner auf der Autobahn 6,5 Cent pro Kilometer zahlen. Die Fahrt von Berlin nach Köln würde dann rund 37 Euro zusätzlich kosten. Usw. usw.

Schon in „Normaljahren“ hat sich die Politik nicht getraut, an diese Sachen heranzugehen. Im „Superwahljahr 2017“ wird sie es ganz bestimmt nicht tun. Und dann behauptet unsere Regierung, Deutschland sei Vorreiter im Umweltschutz? Vorreiter? Verräter wäre wohl der richtige Begriff.

Früher, als noch Zeugnisse geschrieben wurden, fasste man ein solches Versagen kurz und bündig wie folgt zusammen: „Er hat sich stets bemüht, unseren Ansprüchen gerecht zu werden.“


07. 06. 2017