Samstag, Mai 20, 2017

Kleine Unterschiede - ganz groß

So klein Unterschiede sein mögen – gelegentlich sollte man sie groß heraus-stellen. Das verlangt einfach die Gerechtigkeit. Auch Kleinigkeiten haben ihre Bedeutung.

Was ist der Unterschied zwischen Theater und Musical?  Wenn wir ins Theater wollen, kaufen wir uns eine Karte, eine Eintrittskarte. Für ein Musical brauchen wir ein Ticket.

Wie kann man nur auf so etwas Albernes kommen? Ganz einfach. Man liest eine Ankündigung des Hamburger SchauSpielHauses zum Programm der Spielzeit 2017- 18, und da ist von Karten, Kartentelefon und Kartenservice die Rede, nicht von Tickets, Ticketphone, Ticketservice. Das Theater hat offensichtlich noch keinen Tick, sondern tickt ganz einfach richtig.

Fürs Musical brauchen wir also ein Ticket. Gibt es da – das wäre konsequent – auch Platztickets anstelle von Platzkarten? Diese Frage wäre auch bei der Bahn angebracht. Da gibt es auch nur noch Tickets, aber keine Fahrkarten. Und wie sieht es bei der Platzreservierung aus? Platzticket oder Platzkarte?

Und nun: Ernst beiseite. Man nehme diesen kleinen Ausflug in die Sprache so leicht, wie er hingeschrieben worden ist und nicht als einen treudeutschen Angriff auf den Gebrauch englischer Wörter, die sich im Deutschen eingenistet haben, es sei denn sie werden so dumm und so falsch benutzt wie das Public Viewing.

Ein anderes Beispiel: Der Radfahrer und der Rad Fahrende. Hier geht es um einen Unterschied, der klein aussieht, in Wirklichkeit aber ziemlich groß ist. Also: aufgepasst!

Eine Studentin der Stadtplanung an der HafenCity Universität Hamburg führt im Rahmen ihrer Meisterarbeit eine Umfrage bei Rad Fahrenden durch. Wie sie das machen will, ist rätselhaft; denn diejenigen, die jetzt gerade Rad fahren, wird sie kaum befragen können.

Die junge Dame hat nicht begriffen, dass ein Radfahrer nicht immer auch ein Rad Fahrender ist. Das ist er nur, wenn er gerade im Sattel sitzt. Ein Autofahrer ist ja auch dann ein Autofahrer, wenn sein Auto in der Garage steht. Erst wenn er Auto fährt, ist er ein Auto Fahrender. Wenn wir jemanden fragen, der auf sein Auto zugeht, „sind Sie ein Auto Fahrender?“, wird er sagen: „Ne, im Augenblick bin ich Fußgänger.“ Ein kleiner und zugleich doch großer Unterschied. Wie ist es dazu gekommen?

Das fing vor einiger Zeit mit einem vermutlich absichtlichen Missverständnis einiger Damen an. Sie dachten, dass mit „Studenten“ nur Männer gemeint seien; denn schließlich hieße es „der Student“. Auf den Gedanken, dass „Studenten“ nicht nur Männer, sondern auch Frauen sein können, sind die Damen nicht gekommen. Weil wahrscheinlich auch sie „Studentinnen und Studenten“ zu umständlich fanden, bestanden sie darauf, von Studierenden zu sprechen.

Dass zwischen Studenten, männlich oder weiblich, und Studierenden ein wesentlicher Unterschied besteht, hat nicht nur Roland Kaehlbrandt festgestellt. Aber er hat es besonders deutlich ausgesprochen. Er wünschte sich, dass Studenten doch viel öfter auch Studierende seien, also wirklich studieren.

Abgesehen davon: Der Student. Der Studierende. Beides masculinum. In der von Feministinnen angezettelten Diskussion ist der kleine Unterschied auf ein Nichts zusammengeschnurrt – bis auf die Tatsache, dass die Damen mit der Grammatik nichts am Hut haben.

Wer Absurdes über angestrebte politisch korrekte Schreibweise erfahren will, lese die Abhandlung der „AG Feministisches Sprachhandeln der Humboldt-Universität zu Berlin“. Dort bieten sich aufregende Möglichkeiten wie x-Form, x-Form I, Dynamischer Unterstrich, Wortstammunterstrich, Statischer Unter-strich, Binnen-I – dies nur als Beispiele. Wie gesagt: Von der Arbeitsgemeinschaft angestrebt, aber noch nicht die Regel. Die schönste Idee ist vielleicht, die Wortendung „er“ gegen „a“ zu ersetzen. Also Vata statt Vater, Koffa statt Koffer, Computa anstelle von Computer. Die Begründung: Mit der männlichen Endung würden Frauen diskriminiert.

Wer hilft den feministisch sprachhandelnden Damen zurück zu unverkrampftem Deutsch? Kein Helfa wird ihnen helfen können. Sie müssten sich schon nach einem Helfer umsehen.