Montag, März 27, 2017
Kleine Kinder glauben, dass ein
Werkzeug böse sein kann. Der Hammer, weil sie sich damit den Daumen getroffen
haben, das Messer, weil sie sich geritzt haben und die Nadel, weil sie sich
damit gestochen haben.
Sind wir erwachsen, geben wir
ungern zu, dass wir diesem Kinderglauben noch immer anhängen. Mehr noch: Wir
bestreiten das. Dabei sprechen wir im Brustton der Überzeugung von guten und
bösen Computerprogrammen – verkürzt: dass es gute und böse Programme gibt,
demzufolge gute und böse Computer. Das stimmt aber nicht.
Auch moderne Werkzeuge –
Computertechnologie, die korrekterweise Computertechnik genannt werden sollte –
sind weder gut noch böse. Ihre Anwendung, was man damit macht, das kann so oder
so sein. Auf diesen Unterschied macht „Algorithm Watch“ und widerspricht damit
zu recht der Forderung von Steven Hill, auf digitale Technologien zu verzichten.
Das Team „Algorithm Watch“ erläutert das an den ADM-Systemen (automated
decision making). Damit werden Entscheidungsmodelle in Rechenverfahren
übersetzt, um daraus Aktionen oder Handlungsvorschläge abzuleiten. Das dürfte
oft vorteilhaft sein, aber nicht immer.
Ein Beispiel: Wenn Menschen von
einem ADM-Programm betroffen sind, werden sie nach der Datenspur bewertet, die
sie hinterlassen. Die Person wird sozusagen an ihrer Vergangenheit
festgenagelt, sie verliert die Bedeutungshoheit über diese Vergangenheit.
Darüber bestimmen jetzt die Techniker hinter dem Algorithmus. Das sei zwar
legitim, sagt „Algorithm Watch“, wird aber zum Problem, wenn ADM zur einzigen
Methode der Beobachtung, Erklärung und Prognose menschlichen Verhaltens wird.
Damit wird dem Menschen seine Lernfähigkeit abgesprochen.
Noch einmal, damit wir es nicht
vergessen: Nicht das Werkzeug ist „gut“ oder „böse“, sondern das, was wir damit
machen.
Gleich noch ein Sprung zur
Computergläubigkeit, die dem Kinderglauben sehr ähnelt: Es stimmt zwar, dass
sich Computer nie, oder so gut wie nie, irren. Aber sie kennen nur ihr
Programm, sie kennen nur die Wahrheit, die man in sie hineingesteckt hat.
Deshalb sollten wir dem Computer nicht immer alles glauben. Wahrscheinlich wäre
es übertrieben, hier den „gesunden Menschenverstand“ ins Feld zu führen. Ein
gutes Maß an gesundem Misstrauen sollte genügen.
(Quelle: DIE ZEIT, 02. 03. 2017)
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