Sonntag, April 30, 2017
Der Wahlkampf in
Schleswig-Holstein wird lauter. Auch peinlicher? Das kommt auf den Standpunkt
an.
Das Hamburger Abendblatt auf
seiner Titelseite der Wochenendausgabe 22./23. April: „Müssen Politiker mehr
über ihr Privatleben verraten? Ministerpräsident Albig fordert Volksvertreter
auf, sich den Bürgern als ‚ganz normale‘ Menschen zu zeigen“.
Dass zwischen Politikern und
„normalen Bürgern“ oft Welten liegen, wird kaum jemand bestreiten. Das macht
Verständnis und Verständigung schwierig bis unmöglich. So betrachtet hat die
Anregung Albigs etwas für sich. Die Frage, was oder wer ein „normaler Mensch“
ist, überschlagen wir mal, sonst wird die Sache zu schwierig.
Herr Albig will zeigen, „dass wir
(die Politiker) ganz normale Menschen sind mit Stärken und Schwächen und nicht
elitäre Politikmaschinen.“ Wähler wollen wissen: „was das eigentlich für
Menschen sind, die für sie Politik machen. Sind sie ganz anders als wir, oder
haben sie nicht dieselben Probleme? Wie lösen sie sie? Sind sie vielleicht doch
nicht so anders?“
Das alles klingt einleuchtend.
Aber ist es das wirklich? Beurteile ich die politische Auffassung, die Herr
Albig für seine Partei vertritt, anders, wenn ich erfahre, dass er sich
scheiden lassen will und seine neue Lebensgefährtin heiraten will?
Was Herr Albig hier zur Sprache
bringt, erinnert mich an die aus den USA importierte Unsitte von Managern,
ungefragt zu erzählen, dass sie verheiratet sind, so und so viele Kinder haben
und überhaupt ganz „normale Menschen“ sind. Will das wirklich jemand wissen?
Macht es uns den Manager sympathischer, der tausende von Mitarbeitern auf die
Straße setzt, um den shareholder value zu steigern?
Manager versuchen hier, sich ihre Rolle schön reden. Und jetzt auch
die Politi-ker?
Herr Albig spricht vom Menschen
hinter dem Politiker. Haben wir es hier mit einem Fall von Schizophrenie zu
tun? Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein zu Hause, aber nicht in der
Politik.
Vor Menschengedenken, als die
Werbung die Umworbenen und sich selbst ernst nahm, warb die Cigarettenmarke
Muratti Privat mit „Alles Feinste bleibt
privat.“ Das sollten wir wieder beherzigen.
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