Sonntag, Juni 04, 2017
Viele Entdeckungen verdanken wir dem Zufall,
andere einer beharrlichen Suche. So war das bisher. Jetzt wurde eine neue
Möglichkeit entdeckt: Herausfinden, was man selbst gemacht hat, was also
bekannt ist und deshalb im Grunde gar nicht entdeckt werden kann. Was so
geheimnisvoll klingt, führen unser Verkehrsminister Dobrindt und der VW-Konzern
als „Reality Show“, als Doku-Soap, vor.
Was Herr Dobrindt als „unzulässige Abschalteinrichtung“ bezeichnet,
nennt Herr Stadler, Audi-Vorstandsvorsitzer, Auffälligkeiten, die Audi bei
24.000 Autos in Europa gefunden hat.
Gefunden? Ja, sagt VW, der Mutterkonzern in Wolfsburg: „Audi hat die
fraglichen Abschalteinrichtungen entdeckt… es wurde Selbstanzeige erstattet.“
Audi baut in seine Autos eine Abschalteinrichtung ein – zulässig oder
auch nicht, spielt zunächst keine Rolle – und „entdeckt“ sie dann? Man braucht
kein Abitur, um festzustellen, dass das nicht geht. Jedes kleine Kind lügt
besser.
Glaube niemand, schlimmer könne es nicht kommen. Es ist noch viel
schlimmer. Bundesverkehrsministerium und die deutsche Automobilindustrie
stecken unter einer Decke, nicht erst seit Herrn Dobrindt, immer aber mit
kräftiger Unterstützung der Auto-Kanzler und der Auto-Kanzlerin.
Kein Wunder, dass die Herren Vorstandsvorsitzenden Müller (VW), Zetsche
(Daimler), Stadler (Audi), Krüger (BMW) uns allen auf der Nase herumtanzen.
Wie feige muss eine Regierung eigentlich sein, um vor dem
Totschlagargument „sonst stehen hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel“
davonzulaufen wie vor einem bissigen Hund? Alle wissen doch: Hunde, die viel
bellen, beißen nicht.
Abgesehen von dieser Alltagserfahrung: Wenn es drauf ankommt, gehen die
Arbeitsplätze doch flöten. Da spielen sogar die Arbeitnehmervertreter in den
Aufsichtsräten mit. (Quelle: DIE WELT, 3. Juni 2017, Seite 11)
0 Comments:
Kommentar veröffentlichen
<< Home