Mittwoch, Juni 28, 2017

Machtergreifung(en)

Blitzartig fällt einem da der 30. Januar 1933 ein. Hindenburg ernannte Adolf Hitler zum Reichskanzler. Das war keine Machtergreifung. Das war ein Geschenk. So kann man sich irren. Hitler hatte schon seit Jahren nach der Macht gegriffen, immer wieder. Mal hatte er Erfolg, mal bekam er was auf die Finger. Aber er gab nie auf. Und zum Schluss das Geschenk, das die ganze Welt ins Unglück stürzte. Das ist die Machtergreifung 1.0.

Das Ganze geschah also nicht von heute auf morgen. Es war ein Prozess, eine Entwicklung, die sich in der Öffentlichkeit abspielte. Das Ergebnis – im Falle eines Erfolgs – war absehbar. Denn Hitler hatte von Anfang an mit offenen Karten gespielt. „Mein Kampf“ ließ an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Niemand hat das Buch gelesen? Und wenn: Keiner hat es ernst genommen? Die Quittung haben alle bekommen. Gelernt hat niemand etwas. Wir machen weiter wie gehabt, machen es, das ist zu befürchten, noch schlimmer. Damit sei die  Machtergreifung 2.0 wie ein Menetekel an die Wand gemalt.

Auch bei dieser Machtergreifung geht um einen Prozess, eine Entwicklung. Anders als bei Version 1.0 ist nicht genau festzustellen, wann die Sache angefangen hat, angefangen wurde und wer damit angefangen hat. Auf jeden Fall stecken wir mitten in einem Schlamassel und wissen noch nicht, wie wir da rauskommen sollen.

Schlamassel, Probleme, Schwierigkeiten? Wenn es nur das wäre. Es ist Krieg! Krieg zwischen den 195 Staaten, die sich rund um den Globus kleingärtnerisch organisiert haben und der geballten Macht der global organisierten Wirtschaft. Wir könnten das einen asymmetrischen Krieg der besonderen Art nennen. Üblicherweise verstehen wir unter einem asymmetrischen Krieg den Kampf eines unbesiegbar erscheinenden, aber unbeweglichen Kolosses gegen viele kleine flinke Feinde, die nicht zu fassen sind. Vorteil für die Kleinen. Hier ist es genau umgekehrt.  Die Kleinen haben die schlechten Karten.

Anfang Juli treffen sich in Hamburg die Spitzen der 20 größten Industrienationen zum G20-Gipfel – die ganze Welt zu Gast in Hamburg. Die Themenliste ist atemberaubend umfangreich, nichts Wichtiges wird ausgelassen: Freihandel, Klimaschutz, Regulierung der Finanzmärkte, Förderung der Schwellenländer usw. usw.

Ein paar tausend „Sherpas“, Berater, werden mit den Großen der Welt anreisen. Der Grund ist nicht ganz klar. Angeblich haben sie ihre Schularbeiten schon gemacht, hätten also zu Hause bleiben können. Größe definiert sich auch hier anscheinend durch Masse.

Auf jeden Fall: Große Bühne für den mächtigsten Mann der Welt – Donald Trump. Oder ist Wladimir Putin der Mächtigste? Ist da sonst vielleicht noch jemand? Die mächtigste Frau der Welt. Jeder kennt sie, ihr Name muss deshalb nicht genannt werden.

Ist das Motto „Globalisierung ist machbar.“, das über allem schwebt, nicht geradezu rührend? Die Versammlung der politischen G20-Kleingärtner nimmt sich etwas vor, was die anderen schon längst gemacht haben. Die Wirtschaft hat das längst auf die Reihe gebracht.

Staatsgrenzen? Gibt es für die Global Player nicht. Und wenn, setzt man sich darüber hinweg. Google, Facebook, Uber, Weltverbesserer, wie sie sich selbst sehen, gestalten die Welt neu. 

Die mächtigsten Zwerge der Welt haben das nicht  verstanden. Sie haben nicht begriffen,  dass sie Marionetten der Konzerne sind, dass man ihnen auf der Nase herumtanzt. Nicht begriffen? Vielleicht wollen sie es nicht begreifen, weil sie sich sonst morgens gar nicht mehr im Spiegel sehen wollen. Wer weiß? 

Nein, hier ist nicht der Teufel an die Wand gemalt. Hier ist dokumentiert, wie die Politik brav wie ein Hündchen pariert. Wie war das noch mit „too big to fail“? als Millionen von Bürgern weltweit mit Milliarden bluten mussten, um Banken zu retten? Es wäre gesünder gewesen, sie in die Hölle fahren zu lassen. Geändert hat sich so  gut wie nichts. Die Zwerge schaffen das nicht.

Wie ist es, wenn die deutschen Automobilhersteller der mächtigsten Frau der Welt drohen, Arbeitsplätze abzubauen, Leute auf die Straße setzen zu müssen, wenn ihren Forderungen nicht Folge geleistet wird? Die Dame knickt ein. Sogar die kalifornische Umweltministerin verstand nicht, wie sich unsere Dame für die deutschen Dreckschleudern eingesetzt hat. Wie erklärt es sich, dass das Bundesverkehrsministerium und die deutschen Automobilhersteller jahrzehnte-lang unter einer Decke steckten, wirkliche Besserung immer noch nicht in Sicht?
Und die Cum-Cum-Betrügereien, vom Finanzministerium jahrelang hingenom-men? Das ist der Anfang einer endlosen Liste von Unterwerfungen – in Deutschland.

Ach ja, ein Land gegen die ganze Welt. Das geht doch nicht. Komischerweise wird staat-auf, staat-ab von den Bürgern verlangt, Zivilcourage zu zeigen: nicht wegsehen – hinsehen und handeln, sich nicht alles gefallen lassen.

Ist denn die Geschichte von David und Goliath ganz und gar in Vergessenheit geraten?