Mittwoch, Juni 14, 2017
Es
wäre übertrieben, es wäre eine Zumutung, wenn man von Frau von der Leyen
einen auch nur annähernd so scharfen Blick auf die Bundeswehr verlangen würde.
Aber sie hätte schon etwas genauer auf ihre Soldaten blicken können. Sie hat da
etwas übersehen, das nicht nur im Verborgenen blühte. Oder sollte sie gar
weggesehen haben? Das soll ihr nicht unterstellt werden. Aber sie hat drei
Jahre mit Kinkerlitzchen verplempert, viel in Selbstdarstellung investiert, war
sich selbst zu wichtig und hat nicht begriffen, dass die Bundeswehr kein
x-beliebiges Unternehmen ist mit 41,5 Arbeitsstunden in der Woche und so. (Ein
Offizier der Reserve: Die Offiziere haben gar keine Zeit mehr, sich um ihre
Soldaten zu kümmern. Nach Dienstschluss mal ein Bier mit seinen Soldaten, um
sich besser zu verstehen, zu erfahren, was in den Köpfen vorgeht, auch Beispiel
zu geben? Nicht mehr möglich in diesem Unternehmen.)
Aber nun greift die Dame durch. Der
Fall Franco A. lässt ihr gar nichts anderes übrig. Das geht jetzt Schlag auf
Schlag. Was in irgendeiner Weise an die Wehrmacht erinnert, soll aus den
Kasernen rausfliegen. Ob es auch aus den Köpfen fliegt? Blinder Eifer schadet
nur. In der Bundeswehruniversität in Hamburg hat jemand in vorauseilendem,
falsch verstandenem Gehorsam ein Foto von Helmut Schmidt in Leutnantsuniform
der deutschen Wehrmacht abgehängt. Geht es noch lächerlicher?
Die Wehrmacht als Institution war eine
verbrecherische Organisation. Aber jeder Wehrmachtssoldat? Helmut Schmidt oder
der Jagdflieger Marseille, nach dem eine Kaserne benannt ist, mal eben abhängen
und umbenennen?
Der Jagdflieger Marseille gehört
sicher nicht zu den Vorbildern, auf denen die Tradition einer Armee von Bürgern
in Uniform gegründet werden sollte. Für herausragendes kriegerisches Handwerk
steht er wohl. Das allerdings reicht
nicht für die Ansprüche, die eine ernst zu nehmende Tradition stellt. Es
spricht also nichts gegen eine Umbenennung der Marseille-Kaserne in
Appen/Schleswig-Holstein.
An Möglichkeiten fehlt es nicht. Schill,
Theodor Körner, von Lützow, Ernst Moritz
Arndt aus den Freiheitskriegen 1813/1815. Diese Namen vertragen sich gut mit
dem Eisernen Kreuz, das als traditionsstiftend ausdrücklich anerkannt ist.
Immerhin: In Lüneburg gibt es die Theodor Körner-Kaserne.
Nicht zu vergessen die Kämpfer für
Demokratie in den Revolutionsjahren 1848/1849. Carl Schurz, Friedrich Hecker,
Franz Sigl, Gustav Struve. Eine Carl Schurz-Kaserne gibt es – in Hardheim.
Wenig genug, aber wenigstens nicht alles ist in Vergessenheit geraten, was eine
Tradition begründen kann.
Und dann die Männer des 20. Juli 1944.
Die Graf-Stauffenberg-Kaserne gibt es gleich zweimal in Sigmaringen und in Dresden. Dann die
Olbricht-Kaserne in Leipzig, Ludwig Beck in Sonthofen, Henning von Treskow in
Oldenburg. Albrecht Mertz von Quirnheim, Carl-Heinrich von Stülpnagel und
andere fehlen.
Wie wird Frau von der Leyen mit der
Kurt-Georg-Kiesinger-Kaserne – eingeweiht am 21. Juni 1989 – in Laupheim
umgehen? Herr Kiesinger war ein Nazi der ersten Stunde. Bekommt diese Kaserne
jetzt auch einen neuen Namen?
Irgendwie scheint Frau von der Leyen
Schwierigkeiten mit dem Begriff Tradition zu haben, wie folgendes Zitat zeigt:
„Wir sollten viel stärker die über 60-jährige erfolgreiche Geschichte der
Bundeswehr in den Mittelpunkt unseres Traditions-verständnisses stellen.“ Ist
es nicht übertrieben, hier schon von Tradition zu sprechen? 60 Jahre begründen
noch keine Tradition. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass
Bundeswehr-Offiziere und Generalität der Gründungsphase ihre Karriere in der
Wehrmacht gemacht haben. Die Idee des Staatsbürgers in Uniform war nicht ihre
Idee. Die Folgen sind noch heute zu spüren bis hin zum Extremfall Franco A..
Aber nun wird alles anders.
Bildersturm in den Kasernen – das geht am schnellsten. Danach Kasernen
umtaufen. Dann ein neuer Traditionserlass. Der soll bis Ende August geschrieben
sein. Und für alles andere, das wirklich Wichtige, schwebt Frau von der Leyen
„ein breiter, auf zwei Jahre angelegter Prozess“ vor. Das alles hätte doch schon
längst gemacht werden können. Die Dame ist seit mindestens drei Jahren im Amt.
Unter dem Strich: Nicht summa cum
laude. Aber die Bundeswehr zeigt , dass sie sich auf Männer beruft, die ihr
Leben für Freiheit und gegen Tyrannei einsetzten. Sie zeigt, dass sie ihre
Tradition nicht in der Wehrmacht sucht. Und trotzdem stimmt etwas nicht, etwas
Entscheidendes.
Die Abschaffung der Allgemeinen
Wehrpflicht und die Einführung einer Berufs-armee war ein Fehler. Bei allen
Ungerechtigkeiten, die die Allgemeine Wehr-pflicht mit sich brachte – die
Bundeswehr war ein Spiegelbild der Gesellschaft. Das ist eine Berufsarmee
nicht. Bei allem Respekt: Sie hat eine besondere Anziehungskraft für Menschen,
die Kampf und Auseinandersetzung brauchen, die eine besondere Beziehung zu
Gewalt haben, Zuflucht vielleicht auch für Menschen, die nirgendwo sonst eine
berufliche Chance sehen. Ein Bild, das mit dem Bürger in Uniform wenig gemein
hat.
Wohin eine Berufsarmee führen kann,
hat die Reichswehr gezeigt: zum Staat im Staate. Das scheint weit hergeholt zu
sein, ist aber zum greifen nah.
Die meisten Fehler, auch schwere, kann
man korrigieren. Die Entscheidung für eine Berufsarmee gehört dazu. Man muss
sich nur trauen, die allgemeine Wehrpflicht wieder einzuführen.
0 Comments:
Kommentar veröffentlichen
<< Home