Donnerstag, Februar 16, 2012

Alles geht durcheinander

Deutschland wird zurzeit, also im Augenblick, von allen möglichen Seiten hoch gelobt. Ober vielleicht nur hochgelobt? Das ist ein Unterschied. Dabei geht es nur um die Wirtschaft, nicht etwa um die Verantwortung für Europa. Das wäre ja auch ein bisschen zu viel verlangt – oder? Nee, wir sollten uns da nicht aus der Verant-wortung stehlen.

Dass Deutschland wieder ein von vielen Seiten willkommenes Stückchen Europa ist, haben wir unseren Nachbarn zu verdanken. Das ist nicht unser Verdienst. Deshalb sollten wir bescheiden bleiben, vielleicht sogar bescheiden werden. Jedenfalls sind wir nicht der Lehrmeister Europas. Wir haben keine Vorschriften zu machen.

Wenn wir verlangen, dass mit der Korruption in Griechenland endlich Schluss gemacht wird, dann ist das zwar richtig, aber wir sollten nicht vergessen, dass Korruption auch bei uns kein Fremdwort ist.

Zurück zum Anfang: Alle Welt sagt, dass Deutschland Vorbild ist und mit seiner Tüchtigkeit zeigt, wie man Krisen vermeidet oder bewältigt. Da ist es nicht weit zum Aufschrei der BILD-Zeitung: „Wir sind Papst!“ Irren wir uns da vielleicht?

SPIEGEL ONLINE berichtet am 29. Dezember 2011 „Deutschland verkommt zum Billiglohnland“. „Millionen Deutsche arbeiten für einen Hungerlohn.“ Das ist schlimm genug heute. Morgen wird es noch viel schlimmer sein. Dann werden sich die Armen, die Unterbezahlten von heute, zu Tode hungern. Wer es nicht glaubt, kann es im Hamburger Abendblatt vom 13. Februar 2012 auf Seite 28 nachlesen: „Post und Hermes tolerieren Lohndumping“.

Wohin soll das führen? Die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer? Für das tägliche Leben zu sorgen ist schwierig genug. Und im Alter, wenn man nicht mehr arbeiten kann? Die hoffnungslose Armut. Unterkunft im lieblosen Alten-Asyl. Wer arm ist stirbt nicht unbedingt früher, aber das Sterben dauert länger.

Weil ich gerade beim Durcheinander bin: Da haben wir in einem anderen Bereich zwei Ansichten, die nicht zusammenpassen. Vor den Risiken der unberechenbaren Atomkraftwerke fürchten sich viele. Deshalb setzen sie sich für erneuerbare Energien ein, zum Beispiel für die Stromproduktion durch „Windmühlen“.

Leider sieht das nur so aus. Die Wirklichkeit ist anders, siehe Quickborner Tageblatt vom 14. Februar: „So haben sich im Aktionsbündnis Gegenwind-SH inzwischen 60 Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Sie kritisieren die „Verspargelung“ der Landschaft, Geräuschbelästigungen, Schattenwurf*, sorgen sich um den Naturschutz, bringen Wertverluste ihrer Häuser und Grundstücke an“.

Das alles erinnert an die Redewendung „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“


* „Schattenwurf“, das könnte das Unwort des Jahres werden. Aber vielleicht hat
„Transparenzbedarf“ noch bessere Aussichten, das Rennen zu machen.

Zum Durcheinander gehört aber auch Erfreuliches. SPIEGEL ONLINE schreibt am 13. Februar kurz vor Mitternacht: „Menschenkette stärker als der Neonazi-Auf-marsch.“ 13.000 Menschen haben eine 3,6 Kilometer lange Menschenkette gebildet. Damit erinnerten sie nicht nur an die Opfer der Bombennacht vor 67 Jahren, sie wehrten sich vor allem gegen die Neonnazis, die dieses Gedenken seit Jahren umfunktionieren wollen in einen „Holocaust der Alliierten am Deutschen Volk“.

Um halb acht abends begannen etwa 1.600 Neonazis ihren „Fackelaufmarsch“. Um acht Uhr mussten sie schon aufgeben. Um neun Uhr zogen die letzten Neonazis frustriert ab. So der SPIEGEL ONLINE-Bericht. Wie schön!

Weniger schön ist zu sehen, wie viel Geld im Krieg aufgewendet wird, um einen Menschen zu töten.

769 englische und 311 amerikanische Bomber sollen am 13./14. Februar 1945 3.300 to Bomben auf Dresden geworfen haben. Das sind, wenn ich richtig rechne, drei Millionen und dreihunderttausend Kilo. Totgebombt wurden 25.000 Menschen.
Um einen Menschen in Dresden umzubringen, brauchte man 132 kg Sprengstoff. Welch ein Aufwand!

Ich weiß, das klingt respektlos, das klingt zynisch. Trotzdem will ich diesen Gedanken weiterspinnen, ganz nach dem Wirtschaftsdenken unserer Tage:

Der Sprengstoff, mit dem 25.000 Menschen umgebracht wurden, musste produziert werden. Damit waren viele Menschen beschäftigt. Für ihre Arbeit bekamen sie Geld. Materialeinsatz und Beschäftigung steigerten das Bruttosozialprodukt – im Dresdner Beispiel das der USA und des United Kingdom. So hatte die Sache auch ihr Gutes.

Quatsch? Nein, Quatsch ist das nicht. Und gut ist auch nichts daran. Wir sehen hier nur, dass der Mensch des Menschen Feind ist – koste es, was es wolle. Und so ist mit dem Tod gut Geld zu verdienen, auch heute.