Dienstag, August 08, 2017

Aus der Spur

Das Auto von heute hilft uns mit den erstaunlichsten Assistenzsystemen, das zu tun, was wir früher ganz allein konnten: Aufmerksam, vorsichtig und rücksichtsvoll fahren – zur eigenen Sicherheit und die der anderen. Das haben wir in der Fahrschule gelernt und sind damit im Grunde genommen gut gefahren. Zugegeben: Wir haben Fehler gemacht. Aber machen Computer, machen Assistenzsysteme, keine? Sicherheitshalber sollten wir uns das nicht einreden lassen. Aber jetzt darüber zu sprechen, würde zu weit führen.

Nehmen wir uns Beispiel einmal den Spurhalteassistenten vor. Der sorgt dafür, dass wir nicht plötzlich auf die Gegenfahrbahn geraten. Könnte ja mal passieren, da wir nicht nur autofahren, sondern auch telefonieren, die neuesten Nachrichten sehen, vielleicht sogar einen Video-Clip, oder nach dem nächsten Restaurant oder Hotel suchen. Das alles lenkt natürlich ab. Dafür haben wir jetzt den Aufpasser. Der sorgt dafür, dass wir nicht aus der Spur geraten.

Wäre so ein Spurhalteassistent nicht auch etwas für die Politik? Eigentlich ja. Das werden wir gleich sehen. Und wir müssen unsere Automobilwelt dabei nicht einmal verlassen. Das Theater um Diesel und um Elektroantrieb spricht Bände.

Der Diesel vor allem, aber auch jeder Verbrennungsmotor ist des Teufels. Die Galgen stehen schon, die Stricke sind geknüpft, die Tage der Hinrichtung bekannt. Im einen oder anderen Land sollen zumindest DieselPKW nicht mehr zugelassen werden. Das ist die eine Seite. Und die andere?

Das Elektroauto. Schadstoffemission gleich null. Seine Technik ist die Rettung, die Rettung vor der Klimakatastrophe.  Ein Glaubenskrieg? Ja. Der Verstand kommt wieder mal zu kurz. Sowas hatten wir immer schon mal. Aber diesmal dürfte es besonders schlimm sein. Die ganze Angelegenheit gerät aus der Spur. Nicht nur die Automobilindustrie fährt ins Abseits.

Schalten wir doch mal vom höchsten Gang, von den Gefühlen,  ein, zwei Gänge runter, schalten wir auf Verstand.

Der Diesel ist eine Schmutzschleuder, ja. Das haben die Autohersteller – nachsichtig gesagt – verbockt. Dabei kann er „sauber“ sein, „sauberer“ als Benziner.  Das haben die Autohersteller selbst bewiesen. Sie können „saubere“ Diesel bauen. Das haben sie sogar schon gemacht. Die Sache ist erprobt. Mit Adblue geht das erwiesenermaßen. Den Herstellern ist das bis heute weniger wichtig als ihr Profit.

Zusammengefasst: Die Serienproduktion des „sauberen“ Dieselmotors ist von heute auf morgen möglich. Die Automobilindustrie muss es nur wollen – oder dazu gezwungen werden. Hier können wir wirklich einmal vom „gesunden Menschenverstand“ sprechen.

Der sagt uns aber noch etwas anderes. Der erinnert uns daran, dass unser Globus irgendwann einmal keinen Tropfen Mineralöl mehr hergeben kann. Egal, wie lange das noch dauert – irgendwann ist auch mit dem Dieselauto und dem Benziner Schluss. Übrigens auch mit vielen anderen Dingen, von denen einige noch wichtiger sind als Autos.

Daraus folgert: Lassen wir ab sofort nur noch „saubere“ (Adblue)Diesel auf die Straße und schaffen wir so schnell wie möglich die „Dreckschleudern“ ab. Und vergessen dabei nicht, dass auch dieser Diesel nicht für die Ewigkeit ist.

Das sieht nach der großen Stunde des Elektroantriebs aus. Null Emissionen, Strom aus der Steckdose. Alles schon ausprobiert. Alles funktioniert. Noch Fragen? Ja.

Fangen wir mit der Steckdose an. Es gibt zu wenige Ladestationen? Ja, aber das lässt sich ändern, daran wird mit Hochdruck gearbeitet, bald kein Problem mehr. Das Aufladen der Batterien dauert zu lange. Auch das wird sich ändern. Die Reichweiten lassen zu wünschen übrig?  Da geht es mit Riesenschritten voran.

Nur eine Frage kommt nicht zur Sprache: Woher kommt der Strom, den wir aus der Steckdose zapfen? Bei allem Fortschritt, den die erneuerbaren Energien erreicht haben – und sie werden noch viel mehr schaffen – der Strom kommt aus Atom- und aus Kohlekraftwerken.

In Deutschland könnte die nicht sicher beherrschbare Atomkraft ein Auslauf-modell sein, so ganz sicher ist das aber noch nicht. Bleiben die Stein- und Braunkohlewerke. Sie produzieren auf die denkbar unsauberste Weise den Strom, den das Elektroauto aus der Steckdose zieht. Eine ziemlich schmutzige Angelegenheit. Nur der von erneuerbaren Energien produzierte Strom macht das Elektroauto so sauber wie es uns heute vorgegaukelt wird. – Aber die schaffen es ja vielleicht mit Ach und Krach, die Atomkraftwerke überflüssig zu machen, nicht aber die Kohle. Ach ja, die Kohle ist übrigens genau so endlich wie das Mineralöl. Irgendwann ist da nichts mehr.

Und noch etwas: In der oberflächlichen Schwarz/weiß-Diskussion der Alter-nativen Diesel/Elektro wird höchstens am Rande wahrgenommen, dass der Bau einer Lithium-Ionen-Batterie genauso belastend ist wie der acht Jahre lange Betrieb eines AdBlue-Diesel.

„Was lernt uns das alles?“ würde Paul Dahlke jetzt fragen, der laut BILD-Zeitung seinem Hund das Schwimmen lernte.

Die Anwort: Nicht nur schwarz/weiß sehen. Aus unterschiedlichen Auffassungen keine Feindschaft machen. Probleme gemeinsam lösen. Und Probleme gibt es mehr als genug. Dazu gehört beispielsweise die Speicherung des regenerativ erzeugten Stroms. Die Verfahren sind bekannt und in der Praxis erprobt. Und der mit Wasserstoff betriebene Motor. Er läuft, aber nur am Rande. Warum eigentlich?

Wir haben also nicht nur Probleme. Wir haben auch Problemlösungen. Keine davon fällt wie ein Geschenk von Himmel. Alles hat seinen Preis. Und noch sind wir zahlungsfähig.

Denken wir deshalb daran, dass Eigentum verpflichtet. Wenn wir schon unsere kleine Erde als unser Eigentum betrachten, dann sollten wir auch unserer Pflicht nachkommen, sie in gutem Zustand zu erhalten – genauer gesagt: sie wieder in einen guten Zustand zu versetzen. Dann könnten wir wieder in die Spur kommen: „keep your lane!“ Nichts ist wichtiger als das, um sicher das Ziel zu erreichen. Kein „crash“ und kein Ende im Straßengraben.

PS: Nachzutragen wären hier noch viele Einzelheiten, z.B.: Warum ist nur von DieselPKW die Rede, nicht von den LKW? Was ist mit den zigtausenden LKW, die aus allen möglichen Ländern durch Deutschland fahren? Ganz zu schweigen vom Abschied der USA aus dem Pariser Umweltschutzabkommen? Und welchen Wert hat die Parisvereinbarung eigentlich? Usw. usw. Ein Thema ohne Ende.