Sonntag, Juli 29, 2012

Der perfekte Beamte

Ist ein Beamter perfekt, dann eignet er sich für jede Aufgabe. Er funktioniert paragraphentreu und lässt einzig und allein die Vorschriften gelten, ganz gleich, was sie vorschreiben. So ein perfekter Beamter, meine ich, ist der kürzlich zum Verfassungsschutzpräsidenten berufene Hans-Georg Maaßen.

Maaßen hat in einem Rechtsgutachten ausgeführt, dass der jahrelang unschuldig in Guantanamo eingesperrte Herr Kurnaz nicht wieder nach Deutschland einreisen dürfe. Seine Aufenthaltsgenehmigung sei erloschen, so Maaßen, weil er sich „länger als sechs Monate im Ausland“ aufgehalten habe. Dass Herrn Kurnaz’ Auslands-aufenthalt länger als sechs Monate dauerte, lag daran, dass er an seiner rechtzeitigen Rückkehr durch den Zwangsaufenthalt in Guantanamo gehindert wurde.

Ein solcher Umstand war in den Paragraphen nicht vorgesehen. Und so war das Rechtsgutachten von Herrn Maaßen auch rechtens. Wie zu sehen, findet Unmensch-
lichkeit immer ihr Recht.

Herr Maaßen hätte seinem Gutachten ein ABER hinzufügen können, als PS, als post scriptum. Er hätte schreiben können, dass man das gültige Recht zunächst einmal respektieren müsse, dass es aber auch einen darüber hinaus gültigen Anspruch auf Menschlichkeit geben müsse.  Und er hätte empfehlen, wenigstens aber anregen können, hier eine Möglichkeit zu finden oder zu schaffen. Das hat Herr Maaßen nicht getan. Herr Maaßen hat perfekt funktioniert: paragraphentreu und unmenschlich.

Unmenschlich? Ja, unmenschlich. Das Zitat aus SPIEGEL ONLINE vom 19. Juli 2012
(„Neuer Verfassungsschutzchef Maaßen) sagt es klipp und klar:

„Wenn ein Deutscher in Afghanistan in Haft sitze und sein Pass laufe in dieser Zeit ab, sei es ja auch nicht so, dass der Pass noch gültig sei, nur weil er in Haft sitze. ‚Als Jurist sage ich: Ihr Reisepass ist nicht mehr gültig. Pech gehabt.’ Die Frage nach Gründen stellt sich nicht.“

Da haben wir es: Der Jurist ist kein Mensch, jedenfalls nicht nach dem Verständnis von Herrn Maaßen. Der Jurist ist ein Jurist und nichts sonst. Und dieser Mann soll nun unsere Verfassung schützen. In welcher Verfassung befinden wir uns denn?

Wenn wir uns diesen Fall, den Fall Hans-Georg Maaßen, ansehen, dann befinden wir uns in keiner guten Verfassung. Denn diese „rechtmäßige“ Perfektion erinnert an das, was wir schon einmal, „tausend“ Jahre lang, hatten: an die Millionen „Mitläufer“, die ja in Wirklichkeit Mittäter waren, auch wenn es vielen vielleicht nicht bewusst war. Ich glaube, das ist nicht übertrieben.

„Pech gehabt.“ Darauf reduziert Herr Maaßen das Schicksal eines Menschen.  Genau so wie Adolf Eichmann, der Holocaust-Organisator, als er dem Juden Storfer, den er gut kannte, in Auschwitz sagte: „Ja, mein guter Storfer, was haben wir denn da für ein Pech gehabt? Schauen Sie, ich kann Ihnen wirklich gar nicht helfen, denn auf Befehl des Reichsführers kann keiner Sie herausnehmen.“ (Aus dem KZ) Kurze Zeit danach wurde der Jude Berthold Storfer, der 9.000 Juden – in „Zusammenarbeit“ mit Adolf Eichmann, das Leben gerettet hat, in Auschwitz ermordet. (Quelle: Gabriele Anderl ‚9096 Leben’ Der unbekannte Judenretter Berthold Storfer.)

Noch einmal: Ich glaube nicht, dass ich übertreibe. „Ich als Jurist“, das geht nicht. „Gesetz ist Gesetz“ ist zu billig und zu einfach, um für jede Feigheit gerade zu stehen.

Rückgrat zeigen! Nichts ist wichtiger für die Verfassung unseres Staates.