Sonntag, Juli 08, 2012

Die gefälschte Welt

In welcher Welt leben wir? Dumme Frage. Natürlich leben wir in unserer Welt. Morgens, wenn wir aufwachen, stehen wir auf. Wir waschen uns, wir ziehen uns an, wir frühstücken, wir gehen zur Arbeit. (Ist heute ein bisschen anders, stimmt aber immer noch.)

Und dann kommen wir von der Arbeit zurück, kommen nach Hause. Da geht das Leben noch ein bisschen weiter, mal so und mal so, je nachdem. Allein? Zu zweit? Familie?

Wie auch immer. Alles ist irgendwie zum Anfassen. Alles ist ganz wirklich. Das Nachthemd, der Schlafanzug und der schrille Wecker in aller Herrgottsfrühe. Das ist unsere Welt. In der Zeitung würden sie schreiben: Das ist das Leben, das ist die Realität. Aber ist das wirklich so?

Vielleicht. Vielleicht ein bisschen. Aber ganz so einfach ist es heute nicht.

Sollte es möglicherweise zwei Wirklichkeiten geben, zwei Realitäten, zwei Welten, in denen wir uns einzurichten haben? Und wie kommen wir mit zwei Welten zurecht, wo uns doch schon eine Welt  ziemliche Schwierigkeiten macht? Fragen, aber erst mal keine Antworten. Das kennen wir ja schon.

Tatsächlich sieht es so aus, als gäbe es nicht nur eine, nicht nur zwei, sondern viele Wirklichkeiten. Das klingt verrückt. Aber wenn man den SPIEGEL ONLINE Text „GPS-Manipulation – Studenten kapern Drohne“ liest, dann ist das nicht mehr so abwegig.

Wie war das vorgestern oder gestern, als wir uns ins Auto setzten und überlegten, welchen Weg wir nehmen müssten, um an unser Ziel zu kommen? Wir benutzten eine Landkarte, einen Straßenatlas. Das war unsere Welt, und sie funktionierte, wenn auch ein bisschen umständlich.

Heute haben wir ein Navi, ein Navigationsgerät, das uns über das GPS, das Global Positioning Programm den Weg zeigt. Das ist unsere neue Welt, und sie funktioniert viel komfortabler. Aber ist sie auch genau so zuverlässig wie die Wirklichkeit, mit der wir groß geworden sind? Da sind Zweifel angebracht.

Mit den GPS-Signalen kann man nicht nur uns zu unseren Zielen lenken, sondern auch Drohnen, also unbemannten Flugzeuge, ihren Weg weisen. Damit komme ich zur zweiten Wirklichkeit.

Vor kurzem haben es Studenten der University of Texas in Austin nach einem Bericht von Fox News, einem US-TV-Sender, fertig gebracht, eine Drohne von ihrem vorprogrammierten Weg abzubringen.

Das wird natürlich zuallererst die Militärs beunruhigen. Aber es sollte uns alle beunruhigen. Es zeigt nämlich, dass wir der zweiten unserer Welten, der virtuellen Welt, nicht trauen können. Fahren wir nach dem Original-GPS oder nach dem manipulierten? Wir wissen es nicht. Unsere Welt wird gefälscht, und wir merken es nicht.

Zugegeben, das ist nicht neu. Die DDR hat Landkarten gedruckt, in denen so manches nicht vorkam. Aber diese Karten ließen sich ohne Schwierigkeiten mit der Wirklichkeit vergleichen. Es gab ja noch korrekte Landkarten und Straßenkarten.
Aber jetzt?

Wenn es hier ein Problem gibt, und es sieht ganz so aus, wie könnten wir es lösen?  Das wird nicht einfach sein, aber vielleicht geht es so:

Erster Schritt: Nicht alles glauben, was uns in unserer „zweiten“ Welt mitgeteilt wird. Zweiter Schritt: Fragen, fragen, fragen: Was steckt dahinter? Wer will was erreichen?  Dritter Schritt: Keine oberflächlichen Antworten akzeptieren, sondern noch mal nachfragen. Vierter Schritt: Den eigenen Standpunkt klären. Fünfter Schritt: Auch beim leisesten Zweifel gar nicht erst einsteigen, die Schotten dicht machen.

Noch einmal anders gesagt. Schon im sogenannten analogen Zeitalter war es ziemlich leicht, uns hinters Licht zu führen, uns zu belügen und zu Dummheiten zu verleiten. Damals half und der „gesunde Menschenverstand“ immer wieder mal weiter.

Aber wer von uns kennt sich im neuen digitalen Zeitalter aus? Nicht mal die Profis. Da nutzen die Militärs das GPS, um mit Drohnen – unbemannten Flugzeugen – ausgesuchte Feinde zu töten, und auf einmal kommen ein paar Studenten und programmieren die Drohnen um. Vielleicht töten die Drohen dann ihre Auftraggeber. Das wäre ja möglich.

So schrecklich das klingt, im privaten Bereich ist es nicht weniger schlimm. Natürlich klingt alles zunächst einleuchtend, bestechend, vorteilhaft, fortschrittlich. Die Drohnen könnten dafür eingesetzt werden, Luftbilder für Kartendienste aufzunehmen, man könnte sie für die Paketzustellung einsetzen und für alle anderen möglichen Dienste, mit denen wir ausspioniert werden können.

Und genau das ist der Punkt: Wir werden ausspioniert. Wir werden geröngt. Wir werden durchsichtig gemacht. Und als wenn das nicht schlimm genug wäre: Das alles lässt sich manipulieren, ohne dass wir es merken.

Schöne neue Welt!