Samstag, Dezember 20, 2014

Stille Nacht, heilige Nacht ...

Von Stille kann nicht die Rede sein, und was ist wem schon heute heilig? Alles fauler Zauber? Nein, nicht alles. Es gibt außer der Weihnachtsscheinheiligkeit auch etwas, das das Herz berührt, und das nebenan, sozusagen vor unserer Haustür.

In Kisdorf, einem kleinen Kaff in der Nähe von Kaltenkirchen, im platten Schleswig-Holstein, bereiten Bürger sich vor, Flüchtlinge willkommen zu heißen, ihnen zu helfen, sich in der für sie fremden Welt zurecht zu finden. Und das alles ganz praktisch, ohne viel Worte, und sie probieren es mit einer ersten Flüchtlingsfamilie gleich aus: Lebensmittel für den ersten Tag. Geschirr, Töpfe, Kleidung, Spielzeug, Hilfe bei Behördengängen – der ganz normale Alltag. Das, denke ich, ist Nächstenliebe. Eine Weihnachtsgeschichte? Ein Beispiel für jeden Tag im Jahr. (Quelle: Umschau, 17. Dezember 2014)

Ein bisschen weihnachtlicher, und doch darüber hinausgehend: Ein internationales Frauenfrühstück in Henstedt-Ulzburg (auch so ein Kaff in der Gegend). Seit September treffen sich regelmäßig 20 bis 30 Frauen aus verschiedenen Ländern und Kulturen zu einem Austausch. Syrien, Türkei, Deutschland, Algerien, Afghanistan – bunter geht es kaum.

Diese Frühstücke werden organisiert von muslimischen Frauen, von BürgerAktiv, der Kreuzkirche Henstedt-Ulzburg, der Migrationsberatung  der Diakonie Althol-stein und der Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinde. Auch dies eine Weih-nachtsgeschichte für das ganze Jahr. Herz, was willst du mehr?!
(Quelle: Umschau, 17. Dezember 2014)

Aber sonst? Von Stille kann nicht die Rede sein. Die Weihnachtsmärkte schmatzen vor sich hin, dass einem übel werden kann. Besonders schrecklich auf dem Gänsemarkt. Gotthold Ephraim schaut über alles ungerührt hinweg. Anders könnte er diese Pommes- und Glühweinorgie nicht ertragen.

Wenn das nur alles wäre! Es ist nicht einmal die Hälfte. Die Plattheiten des Gänsemarkts werden im Alsterhaus aufs höchste Niveau gehoben. Wer zwei Flaschen Dom Perignon für 169 € kauft, bekommt irgendeinen  Designunfug dazu geschenkt. Geschenkt?

In allen Läden brodelt es. Es geht zu wie zurzeit in Moskau. Alles wird gekauft, und alles wird gefressen, Hauptsache, es ist billig. Auch Milliardäre sollen auf Schnäppchen aus sein, heißt es. Aber da geht es – aus Sicht des kleinen Mannes – um Unsummen.

Das Fest heiligt die Mittel.  So wird aus Stille Lärm. Und was heilig war, wurde zum Tanz um das Goldene Kalb.

Beiseite aber herrschen Ruhe und Frieden – so still, dass wir sie kaum wahrnehmen. Genießen wir diese Stille. Sie wird uns gut tun. Und nicht nur uns.
18. 12. 2014