Sonntag, Dezember 07, 2014

Bitte nicht noch eine Diktatur!


So wie wir schreiben und sprechen, so sind wir. Und wir schreiben und sprechen anders als die Generation vor uns und die Generationen davor. Wir sprechen Wörter ganz selbstverständlich aus, die es vor einiger Zeit noch nicht gab. Und wir nehmen Wörter nicht mehr in den Mund, die vor gar nicht langer Zeit gang und gäbe waren. Helmuth Karasek hat einige in seiner Hamburger Abendblatt Titelkolumne am 6. Dezember uns sozusagen in den Nikolausstiefel gelegt: „Springinsfeld, Hallodri, Tausendsassa, flotter Feger,  flotte Biene, Satansbraten, Frechdachs, Langfinger, Lauser und Blaustrumpf.“

Nein, so reden wir nicht mehr. Diese Wörter haben sich davon gemacht, aber ganz verschwinden werden sie nicht. In zeitgenössischer Literatur werden sie uns auch in Zukunft begegnen. Und wenn es in der Sprache so zugeht wie in der Mode, dann wird zumindest das eine oder andere Wort auf einmal wieder „in“ sein. Die Mode, wenigstens die Damenmode, kommt ja auch jedes Jahr mit Neuigkeiten, die wir schon zig Mal hatten. Man muss nur geduldig warten, bis das Alte, das Abgelegte uns neu erscheint. Le dernier cri! Wirklich, es ist zum Schreien, zum Schreien komisch.

Diese Ansicht könnte uns in Versuchung führen, das Tamtam um politisch korrektes Deutsch nicht allzu ernst nehmen. Das wäre leichtfertig.

Die Sprache lebt nicht von Vorschriften und schon gar nicht nach Vorschriften. Da können sich die Damen der Berliner Humboldt-Universität auf den Kopft stellen. Und wenn sie zehn Mal aus dem Computer einen Computa machen und aus einem Koffer einen Koffa, ändert sich nichts. (Die Argumentation der Damen, verkürzt: Die Wortendung „er“ sei männlich und würde Frauen diskriminieren.)

Auf die Professoren einer anderen Universität (Leipzig?) will ich gar nicht weiter eingehen. Aber anscheinend waren sie alle damit einverstanden, jetzt Professorin genannt zu werden. Das einzige Argument, das dafür spricht: Noch günstiger ist eine Geschlechtsumwandlung ganz gewiss nicht zu haben.

Lassen wir der Sprache mit allen ihren Irrungen und Wirrungen, mit all ihrem Unfug des Facebook-, Twitter- und Sonst noch was-Gestammels ihren Lauf. Niemand muss das ja mitmachen. Aber niemand soll uns vorschreiben, wie wir zu sprechen und zu schreiben haben. Denn das würde heißen, dass man uns vorschreibt, wie wir zu denken haben. Danke! Nicht noch eine Diktatur!
06. 12. 2014