Samstag, November 29, 2014

Freiheit

Am 25. Oktober sagte Bundespräsident Joachim Gauck: „Befreiung ist noch beglückender als Freiheit.“ (25-Jahrfeier im Leipziger Gewandhaus zur Demonstration in Leipzig, die den 9. November vorbereitete.

Diese Äußerung, dieses Gefühl ist verständlich. Aber es mindert nicht die Bedeutung der Freiheit. Das hat Herr Gauck auch nicht gemeint, und er würde, wenn man ihn fragte, wahrscheinlich Arthur Koestler zustimmen, den ich hier zitiere.

Arthur Koestler

„Manifest

Wir halten es für eine axiomatische Wahrheit, dass die Freiheit des Geistes eines der unveräußerlichen Menschenrechte ist.

Diese Freiheit besteht in erster Linie im Recht des Einzelnen, eigene Meinungen zu bilden und zu äußern, und zwar namentlich auch dann, wenn sie von den Meinungen der Obrigkeit abweichen. Der Mensch wird zum Sklaven, wenn er des Rechtes beraubt wird, “nein“ zu sagen.

Freiheit und Friede sind untrennbar verbunden. In jedem Lande, unter jedem Regime fürchtet die überwältigende Mehrheit des Volkes den Krieg und lehnt ihn ab. Die Kriegsgefahr ist gegenwärtig, sobald eine Regierung die Organe der Volksvertretung knebelt und damit das Volk außerstande setzt, zum Krieg „nein“ zu sagen. […]

Keine politische Ideologie, keine ökonomische Theorie kann sich das allgemeine Recht anmaßen, den Begriff der Freiheit zu bestimmen. Vielmehr muß der Wert aller Ideologien und Theorien nach dem Ausmaß der praktischen Freiheit beurteilt werden, die sie dem Einzelnen gewährt. Wir glauben ferner, daß keine Rasse, Nation, Klasse oder Glaubensgemeinschaft das ausschließliche Recht beanspruchen darf, die Idee der Freiheit zu verkörpern oder irgendeiner Gruppe von Menschen im Namen einer noch so edlen Theorie die Freiheit vorzuenthalten.

Jede menschliche Gemeinschaft kann und soll nach dem Maß und der Art der Freiheit bewertet werden, die sie ihren Mitgliedern einräumt. […]

Wir glauben, daß es keine Sicherheit in der Welt geben kann, solange die Menschheit in Bezug auf die Freiheit in Habende und Habenichtse aufgeteilt bleibt. Die Verteidigung der bestehenden Freiheiten und die Wiedereroberung der verlorenen Freiheiten ist ein einziger, unteilbarer Kampf. […]

Wir richten dieses Manifest an alle Menschen, die den festen Willen haben, bestehende Freiheiten zu verteidigen, verlorene Freiheiten wiederzugewinnen und neue Freiheiten zu schaffen.“

Der Monat, Heft 22, Juli/August 1950