Freitag, Dezember 26, 2014

An den Rand geschrieben

Laut SPIEGEL ONLINE verlangt der Britische Premier Cameron eine bezifferte Einwandererquote. (Wahrscheinlich, damit Großbritannien Großbritannien bleibt und dort auch in Zukunft englisch gesprochen wird.) Im ersten Augenblick dachte ich, dass eine bezifferte Quote Unfug ist, Quote ist Quote. Da habe ich mich geirrt. Eine Quote, so dahingesagt, ist eine Mengenbeschreibung ohne Mengenbeschreibung.
Das geht natürlich nicht, jedenfalls sollten wir das nicht einfach so durchgehen lassen. Wenn schon Quote, dann doch bitte eine mit genauer Ansage, also die gewollte Quote beziffern und nicht im Nirwana schweben lassen.

Mit Entdingung, entdingen, ist mir in diesen Tagen ein mir bisher unbekanntes Wort begegnen. Entleiben, sich selbst töten, war mir bekannt, aber entdingen? Irgendeine christliche Dame machte sich im Zusammenhang mit Weihnachten und der zu befürchtenden Geschenkorgie Gedanken darüber, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt, als Sachen, also Dinge oder Geld zu schenken, und sie hatte da eine wunderbare Idee: Das Gemüsebeet des Nachbarn umgraben, weil ihn das aufgrund seines Alters zu sehr anstrengt. Oder für ihn den Mülleimer regelmäßig auf die Straße stellen, wenn es so weit ist. Oder ihm beim Apfelpflücken helften, weil er sich auf der Leiter nicht mehr so sicher fühlt. Nur drei Beispiele für Geschenke, die man nicht anfassen kann, die aber nützlich sind und Freude bereiten. Aber muss man gleich so grässliche Wörter wie Entdingung in die Welt setzen?

Nein, das müssen wir nicht –  genau so wenig, wie wir auf folgende Schlagwörter angewiesen sind: Tabuisieren, marginalisieren, manifestieren, fokussieren, diskriminieren, ignorieren, konterkarieren, ambivalent. Alles Fastfood-Deutsch, möchte ich sagen. Die Feinheiten fehlen, die unsere Sprache bietet.

Marginalisieren? Beiseite schieben, klein reden, unwichtig erscheinen lassen. Ignorieren? Nicht zur Kenntnis nehmen, wegsehen. Konterkarieren? Hintertreiben, durchkreuzen, unmöglich machen. Ambivalent? Zwiespältig. Was auf den ersten Blick umständlicher erscheint, ist sehr oft nur genauer, nicht so abgegriffen.

Wie kleinkariert, wie kleinkariert!  Zugegeben, wenigstens auf den ersten Blick sieht das so aus. Wenn ich jetzt Trost brauchte, würde ich mich in die Arme von Prof. Sascha Rohn, Institut für Lebensmittelchemie, Universität Hamburg, flüchten, der auf einer Hamburger Abendblatt Wissenseite die „deutsche Konfitürenverordnung“ erwähnt. Er meint das nicht ironisch. Nach dieser Verordnung vn 2008 dürfen nur jene Fruchtaufstriche als Marmelade bezeichnet werden, die neben Zucker und Wasser ausschließlich Zitrusfrüchte enthalten. Aber ich brauche diesen Trost nicht. Den Vorwurf, ich sei kleinkariert, werde ich ignorieren.

PS: Das ist kein Aufruf „Deutsche, sprecht und schreibt deutsch!“ Wenn es schnell gehen muss, zum Beispiel in der Tageszeitung, bietet sich Fastfoond-Deutsch an.
25. 12. 2014