Montag, Februar 22, 2010

Zusammengefegt

21. 02. 2010

Seit 14 Tagen nichts notiert, obgleich jeden Tag mehr als genug passiert, gesagt und geschrieben wird. Jetzt soll alles schnell zu einem Info-Häufchen zusammengefegt werden, damit nicht alles verloren geht.

Das Allerweltswörtchen sensibel: Sensible Daten, eine wirtschaftlich sensible Lage – immer, wenn es schnell gehen soll, wenn man zu faul ist, das richtige Wort zu suchen, wird sensibel aus der Schublade geholt. Ein Armutszeugnis für Redakteure, Politiker, Manager, ein Armutszeugnis für alle, die mit unserer Sprache Schindluder treiben.

Ebenso „allerwelts“: Bedarf. Da haben wir Diskussionsbedarf, Entscheidungsbedarf, Informationsbedarf, Nachholbedarf usw. usw. Gut und schön, aber warum so gestelzt? Wenn diskutiert werden muss – diskutiert! Wenn entschieden werden muss – entscheidet! Und wenn ihr mehr wissen müsst – besorgt euch die Informa-tionen! Aber redet nicht so geschwollen drumrum!

Dieser Faulheit und Gedankenlosigkeit steht ein unglaublicher Erfindungsreichtum zur Seite – ja, zur Seite und nicht entgegen. Ein Herr Grohe (CDU Generalsekre-tär?) erfindet das Wort „grundgelegt“. Er sagt im SWR (Quelle: spiegel online 08. 01. 2010): „Die Arbeit ist in der Koalitionsvereinbarung gut grundgelegt.“ und fährt fort: „Was danach kam, lässt breiten Raum für jede Menge Vorsätze im neuen Jahr.“

Ich weiß, was ich an Stelle von Herrn Grohe gesagt hätte. Aber ich bin zu faul, das hier zu notieren. Jeder sollte sich seinen Reim auf Grohes Sprachtalent machen.

Da hätten wir noch das für mich neue Wörtchen „verschriftlichen“. Gemeint ist, etwas schriftlich festhalten, niederlegen, notieren. Wenn wir etwas verschriftlichen können, dann können wir doch auch etwas versprachlichen – wenn wir etwas zur Sprache bringen wollen. Wie wäre es damit?

Von hier zum Schattenhaushalt ist es nicht weit. Ach ja, der Schattenhaushalt ist ein Nebenhaushalt, ist – genau genommen – eine Bad Bank. Na, dann nennen wir das Kind doch beim Namen: BAD BANK!

Es wäre ungerecht, hier die Damen und Herren zu unterschlagen, die uns täglich das Leben und Treiben auf Bildschirm und Papier vor Augen führen. Hörens- und lesens-wert ist das allemal.

Was sollen wir uns unter „Teil ihrer Lebenswirklichkeit“ vorstellen? (Bericht über ein verunglücktes Leben.)

Und was verstehen wir unter einer Transformationsphase, in der unser Wohl-fahrtsminister/Entwicklungshilfeminister Niebel lebt?

Was nicht undeutlich gemacht wird, das wird verniedlicht. Kommt auf ein-und –das-
selbe hinaus. Henry Maske macht uns das klar mit dem Wörtchen Hände.

Boxen ist Faustkampf. Für unsere empfindsamen Seelen klingt das aber zu brutal. Deshalb spricht Henry Maske – und natürlich nicht er allein – von Händen. Von
langen Händen, klaren Händen, harten Händen, von letzten Händen. Handwerk statt Faustkampf.

Nach so viel Deutsch nun ein bisschen Missingsch: „Der deutsche Markt performte.“ Gemeint war: Er entwickelte sich gut.

Audi cruist durch die Krise. Wie kreativ, wie einfallsreich waren doch unsere Großväter. Sie machten aus Cakes – Keks. Nun ist das mit to cruise ungleich schwieriger, ehrlich gesagt: unmöglich. Also lassen wir doch die Finger von solchem Unsinn! Ist nur eine Empfehlung. Aber wenn schon, denn schon. Ich kruse, du krust,
er, sie es krust, wir krusen, ihr krust, sie krusen. Das wäre doch was.

Genieren. Ich geniere mich, ich scheue mich, dies oder das zu sagen oder zu tun, ich fühle mich unsicher. Aber hier geht es nicht ums Genieren, sondern ums Generieren. Was ist das? Ich geniere mich nicht, es hier zu sagen.

Alles Mögliche wird heutzutage generiert. Zum Beispiel neue Produkte, neue Erfolge und was der Teufel was sonst noch.

Erzeugen, anfertigen, herstellen, machen, erstellen, erwirtschaften, gestalten, aufbauen, umsetzen, entwickeln, ausdenken – alles das ist im Allgemeinen generieren. Also sagt es doch genauer und nicht allgemein. Man versteht es besser.

Fake. Zum Schluss für heute noch dies: Fake ist eine Fälschung, ein Betrug - ein Schwindel, ein Kniff, wenn wir es nicht so genau nehmen wollen. Aber müssen wir statt betrogen gleich gefaket schreiben? Selbst wenn wir das eindeutschten in
gefeikt, würde es nicht besser.

Nein, es ist doch noch nicht alles für heute. Es gibt da noch etwas Wichtigeres
zu bereden: Stalingrad und die Cigarren der deutschen Generäle.

Am 29. 01. 2010 bringt die FAZ einen Bericht über die Stalingraderfahrungen russischer Soldaten. Dieser Bericht wird voraussichtlich 2011 in einem Buch heraus-
gebracht.

Im FAZ Beitrag wird unter anderem erwähnt, dass den russischen Unterhändlern von den deutschen Generälen Cigarren angeboten wurden. Die Gespräche fanden in den Kellern des Kaufhauses GUM statt, einem sicheren Ort, in den sich die deutschen Generäle zurückgezogen hatten.

Cigarren also hatten sie. Cognac wohl auch. Blitzmädels waren vermutlich Mangelware – wenn überhaupt noch vorhanden. Cigarren! Aber draußen vor der Tür:

250.000 deutsche Soldaten waren in Stalingrad eingekesselt – gefangen. 100.000 gingen in Gefangenschaft. 5.000 überlebten. Aber die deutschen Generäle rauchten Cigarren.

So war es auch Ende Februar, Anfang März 1945 in Graudenz. Eine Festung, die keine war, musste verteidigt werden. Am 5. März 1945 zogen sich die letzten deutschen Einheiten auf die Festung Courbière zurück, oberhalb der Stadt. Dort
hatte sich das Offizierkorps des Festungskommandanten Fritsch zurückgezogen, war in Sicherheit und feierte Orgien; denn der Untergang war gewiss. Außer Cognac gab es dort auch gewiss Cigarren.

Die wenigen Überlebenden des Fallschirmjägerpionier-Bataillons 21 zbV. Hermann Göring unter dem Kommando von Hauptmann Borgis entschlossen sich, früh morgens am 6. März aus der Festung auszubrechen. Mein Vater, Werner Gudelius, Adjutant von Borgis, sollte die Verwundeten nachführen. Dabei wurde mein Vater durch einen Lungensteckschuss verwundet. Er soll im Festungslazarett gesehen worden sein, aber auch auf dem Weg nach Preussisch-Eylau. Jedenfalls ist er spurlos verschwunden. Niemand weiß, wo er unter die Erde gekommen ist.

Aber die Stabsoffiziere haben Cigarren geraucht und Cognac getrunken. Und hinterher haben sie noch von ihren Heldentaten gesprochen. Die Toten konnten ja nichts mehr sagen.

Hat sich etwas geändert? Nein, nichts hat sich geändert, weder im Kleinen noch im Großen. Die Unvernunft, der Wahnsinn stehen in voller Blüte.

Herausforderung. Da schreibt Spiegel online am 12. Januar 2010: „China fordert mit Raketenabwehr die Welt heraus“. Die Welt? Als die USA ähnliches planten, war von weltweiter Herausforderung nicht die Rede. China / USA – wo ist da der Unterschied? Und was ist die Welt? Indien, Russland, Europa, Afrika und wer sonst noch?

Iran – so war dieser Tage zu lesen – bedrohe mit seinem Atomprogramm den Westen. Den Westen? Gemeint sind wohl Israel, Europa, Kanada, die USA, Japan, Taiwan, alles das, was man politisch so den Westen nennt.

Iran und Irak, Syrien, Libanon, Afghanistan, Indien, Russland – alle Länder, die nicht zum „Westen“ gehören, sind nicht bedroht? Ist „der Westen“ der Feind Chinas, und alle anderen sind seine Freunde? Klischees machen alles einfach und – gefährlich.

Sonntag, Februar 07, 2010

FDP tritt ab sofort unter neuem Namen auf

Die Tagung des Parteivorstands in diesen Tagen war offenbar keine Krisensitzung, wie verschiedene Medien berichteten, sondern tatsächlich von langer Hand vorbereitet.

Der Vorstand hat einstimmig beschlossen, den Parteinamen dem Parteiprogramm anzupassen. Inhalt und Name sollten deckungsgleich sein. Das gebiete die Ehrlichkeit gegenüber dem Wähler. Ab sofort firmieren die Freien Demokraten unter KP. KP. Kurz und bündig und direkt: KlientelPartei.

Bedenken, die Partei könnte mit der seinerzeit unter Adenauer verbotenen KP verwechselt werden, wischte Guido Westerwelle beiseite. Und dass die neue KP verboten werden könne, wie damals die alte, hält er für abwegig. Da sei die Klientel davor!

FDP - Frech, Dumm, Pomadig

Über die Freien Demokraten wird seit einiger Zeit so richtig hergezogen. Da kommen einem, ob man will oder nicht, die Tränen. Den einen vor Wut und Verzweiflung, den anderen vor Lachen.

In hundert Tagen hat die FDP es fertig gebracht, sich – was die Zustimmung angeht – zu halbieren. Wer das geschafft hat? Die FDP selbst. Man will das kaum glauben, aber hier sind die Beweise:

Vor der Bundestagswahl am 27. September 2009 hat der damalige FDP General-sekretär Dirk Niebel das Entwicklungshilfeministerium für überflüssig erklärt; es gehörte abgeschafft. Jetzt ist er Entwicklungshilfeminister und baut sein Ministerium kräftig aus.

Vor der Bundestagswahl am 27. September 2009 forderte die FDP einen rigorosen Abbau der Bürokratie. Jetzt werden 1.000 neue Leute eingestellt.

Vor der Bundestagswahl am 27. September 2009 forderte die FDP eine ein-fachere Steuergesetzgebung. Jetzt rätseln alle, wie man Übernachtungskosten (7% MwSt.) von Frühstückskosten (19% MwSt.) trennen soll. Deutschland ist in Europa das Urlaubsland Nr. 1, der Tourismus boomt, wie es so schön heißt. Wo also war und ist der Wettbewerbsnachteil? (OK: Die FDP hat hier mit der CSU gemeinsame Sache gemacht. Aber dadurch wird die Sache nicht besser.)

Vor der Bundestagswahl am 27. September 2009 hat die FDP die Rolle der einzig wahren Wirtschaftspartei gegeben: der Markt wird es richten. Jetzt besteht sie darauf, Geld auszugeben, dass nicht vorhanden ist.

Vor der Bundestagswahl am 27. September 2009 war die „Gesundheitsreform“ kein Thema für die FDP. Jetzt will sie die so genannte Kopfpauschale. Der Einkommensmillionär zahlt genau so viel wie der arme Schlucker. Der arme Schlucker kann sich das nicht leisten. Aber gerecht? Gerecht ist das nach Ansicht der FDP schon: Vor der FDP sind alle gleich.

Und jetzt das Infame, das wirklich Gemeine: Es gibt tatsächlich Leute, die die FDP als Klientelpartei denunzieren, die sogar behaupten, die FDP ließe sich schmieren. Pfui! Aber pfui über wen? Geschmiert oder nicht geschmiert. Das ist hier die Frage. Ein Klassiker, den die FDP so wenig los werden wird wie Shakespears Hamleit seine Frage.

Ach ja, da wäre noch das P, das Pomadige. Bisher hat Herr Westerwelle alle „Gemeinheiten“ an sich abtropfen lassen, so heißt es, hat sich so pomadig aufgeführt, als ginge ihn das alles nichts an. Diese Hochnäsigkeit, das ist mit pomadig gemeint, diese Hochnäsigkeit ist verloren gegangen. Jetzt wütet Herr FDP, Herr Westerwelle, auf seinem Niveau. Das heißt: unter Niveau.

Von Über- und Untertreibungen

In einer 3SAT-Sendung gestern Abend war unter anderem vom Olympischen Dorf in Vancouver die Rede. Klar, da wurden auch Bilder gezeigt, Bilder, die eher auf New York mit seinen Wolkenkratzen als auf ein Dorf schließen ließen.

Seit vielen Jahren sind die Olympischen Dörfer Städte. Das hat auch seinen Grund. Kein Dorf der Welt kann so viele Menschen aufnehmen wie zu einer Olympiade anreisen. Das ließe sich noch hinnehmen.

Aber: Hier versammeln sich nicht etwa die Sportler, die mit- und gegeneinadner wetteifern, sondern vor allen Dingen die Funktionäre. Sie, die Funktionäre, sind in der Überzahl. Klar, dass da ein Dorf nicht ausreicht. Ein bisschen verlogen ist das Wörtchen Dorf anstelle von Stadt schon – oder?

Und dann, wenn wir schon bei den „kleinen“ Unwahrheiten gelandet sind: Da ist immer von der Jugend der Welt die Rede. Jugend? Wann hört die eigentlich auf? In Deutschland spätestens mit 18 Jahren. Dann ist man nämlich erwachsen und nicht mehr so richtig jugendlich.

Weiter im Thema? Ach lieber nicht, es wäre unerfreulich. Dann müsste darüber gesprochen werden, dass die Olympiaden inzwischen nichts anderes sind als eine große Geldmaschine – für die Funktionäre sowieso, für die Goldmedaillengewinner auch. Und aus Silber und Bronze lässt sich auch noch Kapital schlagen.

Das sei allen gegönnt. Nur die Verlogenheit, die stört.

So viel zur ersten Übertreibung. Nun zur zweiten:

Hier geht es um „Herrchen“ und „Frauchen“ Das Thema scheint tierisch zu sein, und so ist es auch.

An die Partnersuche im internet haben wir uns ja schon gewöhnt, so sehr, dass es uns mehr oder weniger langweilt. Im Übrigen ist der Versuch, sich einen Partner zu angeln, ganz in Ordnung. Das war schon immer so und gilt auch im internet. Das also nicht das Problem.

Jetzt gibt es aber eine neue Variante, und die geht so:

„Herrchen“ versteckt sich hinter seinem Wauwau oder seiner Mietzekatze (da allerdings ist die Bezeichnung „Herrchen“ recht fragwürdig; denn die Katze beherrscht den Menschen und nicht umgekehrt), also der Mensch versteckt sich hinter seinem geliebten Vieh und hält so Ausschau – ja, wonach denn? Nach dem Katzer für seine Katze? Nach dem Hund für seine Hündin? Quatsch. Er sucht, wonach er sich so sehr sehnt: seine „Katze“. Gilt natürlich auch anders rum: Sie sucht ihren „Kater“. Wie schön, dass es Haustiere gibt.

Jetzt zum dritten Teil. Hier geht es um Untertreibung:

Die 3SAT Sendung berichtet unter der Überschrift „Heil Hitler und Alaaf“ von den Kölner Jecken und wie sie mit dem Nationalsozialismus umgegangen sind: Sie hatten nichts mit den Nazis zu tun. Wirklich nicht? Erst jetzt dämmert es. Erst jetzt wagen es die Jecken, ein wenig mit der Wahrheit herauszu-rücken. Klingt mutig, ist es aber nicht. Wenn man nach über 60 Jahren einen Teil der Wahrheit preis gibt, hat das mit Mut nichts zu tun. Untertreiben wir ruhig weiter: So schlimm war es unter den Nazis eigentlich auch nicht. Oder?