Sonntag, Februar 28, 2016

Dummdeutsch und Stupid English

„Das dicke Auftragsbuch würde so abschmelzen.“ schreibt das Hamburger Abendblatt am 25. 02. 2016 in einem Kommentar auf Seite 6. Ich frage mich, woraus dieses Auftragsbuch besteht – etwa aus Gold? Da das erwähnte Buch Aufträge für eine Billion € enthält, wäre diese Vermutung nicht abwegig. Vielleicht ist es aber aus Wachs. Wachs schmilzt schneller.

Vom abschmelzenden Auftragsbuch zum „Zeitfenster“ ist es nicht weit. Es scheint viele Zeitfenster zu geben. Einige sind zu klein, zu schmal und sonst noch was. Manchmal wird befürchtet, dass sie geschlossen werden könnten. Merkwürdigerweise habe ich noch nirgendwo gelesen, dass ein Zeitfenster beschlagen ist und dass man es vielleicht mal putzen müsste. Aber das kommt sicherlich noch – möglicherweise sogar „zeitnah“. Das würde zu einem neuen Beruf führen: window cleaner manager.

Unser schönes Deutsch muss wirklich jeden Unfug ertragen. So will irgendein Politiker irgendeine Schweinerei „vollumfänglich“ aufklären. Vollumfänglich! Die Sache aufzuklären würde doch genügen. Aber Politiker nehmen den Mund gern voll, und dann kommt so etwas Dumme heraus.

Natürlich lassen sich auch Behördenmitarbeiter_innen nicht lumpen. Beispiel: Die Stadt Hamburg kann sich einen bisher gewährten Gebührenerlass nicht länger leisten. So etwas kommt vor. Was sagt die Sprecherin des Bezirksamts Mitte? „Für uns ist es nicht „leistbar“. Das klingt doch nach was, oder? Wenn wir uns eine teure Kreuzfahrt nicht leisten können oder ein großes Auto, sagen wir dann „diese Kreuzfahrt, dieses Auto ist für mich nicht „leistbar“? Nee, wir wollen uns doch nicht zum Affen machen. Wir sagen: Ich kann mir das nicht leisten.

Nun sind Politiker und Behördenmitarbeiter nicht allein mit ihrem Dumm-deutsch. Selbst Gertrud Höhler, Beraterin von Wirtschaft und Politik, schreibt in ihrem CICERO-Beitrag „Merkels Masterplan“ (Februar-Ausgabe): „Deutschland als Vielvölkerstaat, in dem Religion und Herkunft „geschliffen“ werden. „Geschliffen“ statt geschleift! Das ist wirklich scharf, Frau Höhler.

Es geht aber auch richtig albern, wie eine Bildunterschrift im Hamburger Abendblatt vom 25. Februar zeigt: „Tchibo-Chef Markus Conrad hier in einer bestehenden Hamburger Filiale…“ In einer nicht bestehenden Filiale könnte er das neueste Tchibo-Produkt wohl kaum vorstellen.

Bei Juristen sieht es nicht besser aus, wenn es um die Sprache geht. In Prozessen setzen Verteidiger Himmel und Hölle in Bewegung – was ihre Pflicht ist. Leider schrecken sie auch in der Sprache nicht höllisch schrecklichen Formulierung zurück, was nicht zu ihren Pflichten gehört. So sagt ein Verteidiger, dass seine Klienten nichts anderes als eine Abschreckung intendiert hätten. Intendiert! Absichtigt wäre wohl zu platt. („Kiez-Schläger als Schauspieltruppe“, Hamburger Abendblatt 26. Februar, Seite 15)

Und nun ein Sprung in die Sprachwelt des Managements: „Ship from Store ist natürlich ein wesentlicher Enabler für Same Day Delivery…Ich glaube, er (der Kunde) bevorzugt eher eine Zeitfensterbelieferung…“ (Zitat aus der E-Commerce-Ausgabe Februar 2016). Viele Zeilen weiter heißt es dann: „Wir versuchen dabei übrigens Begriffe wie Click & Collect, Click & Reserve oder Ähnliches zu vermeiden… Stattdessen stellen wir den Service beschreibend dar nach dem Motto ‚Bestelle im Internet, hole in der Filiale ab‘“. Dieser Hinweis lässt hoffen.

Aber die Hoffnung trägt nicht weit. Ein paar Seiten weiter ist in derselben Ausgabe Folgendes zu lesen: „User Journey“, „die Reise des Kunden bis zum Kauf“. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Wenn ich etwas im Internet kaufen will, dann begebe ich mich auf eine Reise? Dann wird da noch ein „Traffic abgeliefert“, und irgendwann „interessiert die Konversion nicht mehr“. Nun wissen wir Bescheid. Jetzt dämmert es, weshalb die Advertising Industry in Zeitungen und Zeitschriften, vor allem im Fernsehen, so viel Schwachsinn auf uns loslässt.