Sonntag, September 17, 2017

Autofahren ist tödlich

Seit einiger Zeit steht auf jeder Zigarettenpackung „Rauchen ist tödlich“.  Das stimmt nicht, wie die Erfahrung zeigt. Rauchen kann tödlich sein, muss es aber nicht.

Vielleicht hat der Gesetzgeber deshalb darauf verzichtet, Autos mit dem Hinweis „Autofahren ist tödlich“ zu versehen.  Schließlich ist es wie beim Rauchen: kann, aber muss nicht. Für 3.214 Autofahrer endete 2016 die Fahrt tödlich. Schlimm genug, aber Millionen kamen wohlbehalten ans Ziel.

Politiker wären jetzt geneigt zu sagen: Jeder tödliche Unfall ist einer zu viel. Verzichten wir auf diese Floskel. Die Automobilhersteller haben das schon immer gewusst. Es ist sicherlich nicht übertrieben zu sagen, dass Autos immer sicherer geworden sind. Gegen leichtfertige, leichtsinnige, verantwortungslose Autofahrer sind die Hersteller natürlich machtlos. Das ist ein etwas anderes Thema, auf das aber noch einmal zurückzukommen ist.

Fest steht: Die Autos heute sind sicherer als die von gestern, von vorgestern ganz zu schweigen, und die Hersteller arbeiten daran, hier immer noch besser zu werden. Allerdings dürfte es höchste Zeit sein zu fragen, ob sie sich nicht verzetteln und mit ihrem Streben nach immer mehr Sicherheit sogar das Gegenteil erreichen.

Kleines Beispiel: der Totwinkelwarner. Wenn von hinten jemand angerauscht kommt und sich im sogenannten Totwinkel befindet, also im Rückspiegel nicht zu sehen ist, macht das System akustisch und optisch darauf aufmerksam. Klingt nach Sicherheit und sieht nach Fortschritt aus. Stimmt, wenn überhaupt, nur bedingt. Die Versuchung ist groß, auf den so wichtigen Blick in den Rückspiegel zu verzichten. Dabei ist eine Erkenntnis sicher: Wer zwischendurch immer wieder  zurückblickt, kommt sicherer voran.

Spurwechsel- Spurhalteassistent. Warum an „keep your lane“ denken, wenn das Auto einem das abnimmt? Abstandswarner. Warum auf den sicheren Abstand zum Vorausfahrenden achten, wenn das Auto es ganz allein macht? Verkehrs-zeichenerkennung – Vorfahrt, Geschwindigkeitsbegrenzung, Halteverbot? Dele-giert ans Auto?   Hat sich da nicht jemand vor Kurzem in Amerika buchstäblich um seinen Kopf gefahren, weil das System ein Verkehrsschild mit einem kreuzenden LKW verwechselte?

Es gibt viele andere Beispiele. Die meisten zeigen, dass falsch verstandenes Sicherheitsstreben der Hersteller zur Entmündigung des Autofahrers führen, zu mehr Gleichgültigkeit, Leichtsinn und - Bequemlichkeit.

Mit der Bequemlichkeit beschäftigen sich andere Bereiche der Hersteller. Über die Autos,  die sich ihren Platz im Parkhaus selbst suchen, die Autos, die erkennen, ob sie in eine Parklücke hineinpassen, und wenn ja, vorwärts oder rückwärts zentimetergenau einparken, sind sie längst hinaus.

Sie sind dabei, uns wie die Kinder zu behandeln, nein, eigentlich wie Demente, die nichts mehr auf die Reihe bringen. Sie arbeiten am Auto, das unseren Kalender kennt, selbständig die beste Route zu den einzelnen Terminen ausfindig macht, uns beim Stau früher weckt und sich vielleicht sogar mit Lieferdiensten  abspricht, die uns unterwegs noch die letzten Einkäufe ins Auto reichen.

Audi-Anzeige in DIE ZEIT, 14. 09:
„Der neue Audi A8 ist mehr. Mehr Büro. Mehr Lounge. Mehr Konzertsaal.“
(Frage: Aber doch nicht etwa weniger Auto?)

Audi-Anzeige im SPIEGEL vom 16. 09:
„Sie glauben nicht an höhere Intelligenz? Denken Sie nicht an ein Auto. Denken Sie in A8. – Der neue Audi A8 . – Ob Sie an sie glauben oder nicht – im neuen Audi A8 werden Sie sie erleben. Seine künstliche Intelligenz lässt sogar die eleganten OLED-Heckleuchten* mitdenken: Sie aktivieren automatisch die Nebelschlussleuchten und dimmen an den Ampeln das Licht, damit andere nicht geblendet  werden. Beim Öffnen des Audi A8 werden Sie von einer Licht-inszenierung* begrüßt, die sich im Innenraum fortsetzt. Beim Aussteigen weisen Ihnen die präzisen Scheinwerfer den Weg zur Haustür. Kaum zu glauben, aber wahr.  – Audi Vorsprung durch Technik. *Optionale Ausstattung.“

(Eine Frage von vielen: Welche Haustür? Etwa nicht nur die eigene?)

Anscheinend noch nicht gelöst sind so kleine Probleme wie Datenschutz und Datensicherheit. Horrorvorstellung: Auf  Knopfdruck eines Cyber-Angreifers machen zig Autos auf der Autobahn eine 90-Grad-Rechtskurve. 

Entmündigung des Autofahrers? Daran wird gearbeitet. Konsequent wäre es, den Führerschein abzuschaffen. Der Kauf eines Autos schließt die Lizenz zum Töten –pardon – zum Fahren – ein.