Sonntag, Januar 22, 2017

Blühender Unsinn

Unsere Sprache ist so reich und verführerisch, dass sie auch blühenden Unsinn gestattet. Politiker scheinen von dieser Großzügigkeit besonders gern Gebrauch zu machen. Das ist manchmal komisch, wie zum Beispiel „schmalspurig fokussieren“. Das ist jemandem in einer Maybritt Illner-Talkshow so heraus-geplatzt. Klingt natürlich aufregender als „zu eng, zu einseitig gesehen“. Aber unsere Sprache gibt so etwas her.

Weniger komisch, überhaupt nicht komisch ist es, wenn Arbeitsministerin Nahles sagt: „Die Ränder der Gesellschaft fransen aus“. Sie findet das beunruhigend, und das ist es wohl auch. Aber ist unsere Gesellschaft ein ausgefranster Teppich? Wen auch immer Frau Nahles gemeint haben mag, es sind doch Menschen und keine Fransen des Gesellschaftsteppichs. Gewiss war das nicht menschenverachtend gemeint. Trotzdem macht diese Sprachblüte keine Freude.

Für das nächste Beispiel ist weniger Nachsicht angebracht: „Negatives Vermögen“. „Negative Zinsen“. Noch blumiger und zugleich zynischer lassen sich die Dinge nicht auf den Kopf stellen. Wer ein negatives Vermögen hat, hat nichts anderes als Schulden. Und negative Zinsen sind Gebühren für das Geld, das einer Bank anvertraut wurde, das sie für höhere Zinsen ausleiht und damit Geld verdient. Wer mit Geld zu tun hat, fürchtet „Blüten“, also Falschgeld. Falschsprech sollte genau so gefürchtet werden.


Zu den Fälschungen sollte auch die Politiker-Blüte „Infrastrukturabgabe“ gerechnet werden. So viel Aufwand für das kurze Wort Maut! Wenn in diesem Zusammenhang von einem interoperablen System die Rede ist, dann ist das schon wieder komisch.