Montag, Oktober 31, 2016

Computer sind auch nur Menschen

Das klingt ziemlich albern, ist es aber nicht. Spätestens dann wird das klar, wenn wir uns mit Computerprogrammen, mit Algorithmen, nach denen sie arbeiten, und mit Big-Data beschäftigen. (Big-Data klingt für mich wie Fette Sau. Ich kann nicht genau sagen, warum. Aber irgendwie scheint es zu passen.)

Am besten fallen wir mit der Tür ins Haus. Dann kommen wir am schnellsten zur Sache.

Erstens: Menschen möchten gern objektiv sein, was sie irgendwie mit gerecht verbinden, urteilen aber subjektiv. Wissen und Glauben vermischen sich hier kaum trennbar. Eine menschliche Schwäche. Das erklärt die ständige Suche nach Objektivität und den dafür notwendigen Werkzeugen.

Zweitens: Wir sind überzeugt, dass wir mit dem Computer, seinen Programmen und den ihnen zugrundeliegenden Algorithmen genau über dieses Werkzeug verfügen. Dabei vergessen wir, dass Algorithmen nicht aus dem Nichts kommen, sondern von Menschen erdacht werden, subjektive Ansichten der Programmie-rer inbegriffen. Das heißt: Von Objektivität kann auch hier nur bedingt die Rede sein.

Wie die Auswahl von Mitarbeitern durch Computerprogramme zeigt, kann das fatale Folgen haben – kann? Hat!

In Konzernen, großen Unternehmen werden Bewerber oft durch umfangreiche computerisierte Testprogramme gejagt, die der Bewerber kaum durchschauen kann. Die Aufgabe dieser Programme ist weniger das Herausfinden der besten Bewerber, sondern das Aussortieren möglichst vieler, die nicht in das Schema passen. Im Klartext: Es geht darum, die Personalabteilungen zu entlasten, ihre Arbeit so kostengünstig wie möglich zu machen. Ob das eine erfolgver-sprechende Personalpolitik ist, darf infrage gestellt werden.

So schreibt Cathy O’Neil in „der Freitag“ vom 13. Oktober 2016: „Diese Personaler-Algorithmen haben das Potenzial, eine neue Unterschicht zu schaffen – eine Klasse von Menschen, die sich auf unerklärliche Weise vom normalen Leben ausgeschlossen fühlen.“

Jetzt (nach der Finanzkrise „geht es nicht mehr bloß um Finanzprodukte, sondern um Menschen. Mathematiker und Statistiker durchleuchten anhand gewaltiger Datenmengen (die sie oft aus sozialen Medien und Online-Kaufhäusern zusammenklauben) unsere Sehnsüchte, unsere Bewegungen und unser Kaufverhalten.“ Sie machen uns berechenbar.

Big-Data. „Ein Computerprogramm kann sekundenschnell Tausende von Lebensläufen oder Kreditanträgen  vergleichen und die ‚vielversprechendsten‘ Kandidaten nach oben sortieren. Das spart nicht nur Zeit, sonder gilt auch als fair und objektiv. Schließlich sind keine vorurteilsbehafteten Menschen im Spiel, nur Maschinen, die Zahlen auswerten.“

„Die vermeintlich objektiven Formeln hinter der Big-Data-Wirtschaft basieren ihrerseits auf Entscheidungen fehlbarer Menschen. Sie binden Vorurteile, Vorlieben und Missverständnisse in automatische Systeme ein, die zunehmend unser Leben bestimmen. Diese Algorithmen sind so undurchschaubar wie Götter…“

„Firmen mit Niedriglohn-Jobs behandeln ihre Bewerber wie eine Viehherde“, so Cathy O’Neil. Mit dieser Ansicht ist sie nicht allein.

Kein Ausweg aus diesem menschenverachtenden Unfug? Gegenbeispiel, von Cathy O’Neil ins Feld geführt:

„Der beste Weg, Vorurteile zu umgehen, sind komplett anonymisierte Bewerbungsverfahren. Orchester zum Beispiel waren lange Zeit eine Männerdomäne. Schon seit den 1970ern aber spielen Bewerberinnen und Bewerber hinter einem Wandschirm vor. Beziehungen, Geschlecht, Hautfarbe haben so keinen Einfluss mehr. Die Musik, die erklingt, spricht für sich. Der Prozentsatz der Frauen in großen Orchestern hat sich seither verfünffacht.“

Das ist Objektivität.